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BVerfG 02.11.2021 - 2 BvR 1851/21
BVerfG 02.11.2021 - 2 BvR 1851/21 - Erfolgreicher Eilantrag auf Aussetzung der Vollziehung einer Abschiebung nach Italien - unzureichende Berücksichtigung familiärer Beziehungen des Antragstellers, mangelnde Gewährung rechtlichen Gehörs im Berufungszulassungsverfahren
Normen
Art 6 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 7. September 2021, Az: VGH A 4 S 2706/21, Beschluss
vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 10. August 2021, Az: VGH A 4 S 2533/21, Beschluss
vorgehend VG Karlsruhe, 4. März 2021, Az: A 5 K 13285/17, Urteil
nachgehend BVerfG, 10. Januar 2022, Az: 2 BvR 1851/21, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren
Tenor
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Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ‒ längstens für die Dauer von drei Monaten ‒ untersagt, die in seinem Bescheid vom 22. September 2017 angeordnete Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien zu vollziehen oder vollziehen zu lassen.
Gründe
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
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1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei müssen die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, außer Betracht bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 89, 38 44>; 118, 111 122>). Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 105, 365 371>; 106, 351 355>; 108, 238 246>; 125, 385 393>; stRspr).
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2. Ausgehend davon ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten.
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a) Die Verfassungsbeschwerde erweist sich, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs richtet, weder als unzulässig noch als offensichtlich unbegründet. Der Beschwerdeführer hat die Möglichkeit einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG substantiiert dargelegt. Er macht nachvollziehbar geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof sein Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren, das Verwaltungsgericht habe zu seinen Gunsten unterstellt, dass er seine familiären Bindungen im Bundesgebiet auch tatsächlich lebe, nicht berücksichtigt habe.
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b) Die demnach erforderliche Folgenabwägung geht zugunsten des Beschwerdeführers aus. Dem Beschwerdeführer drohen durch den Vollzug der Abschiebung und die Trennung der von ihm geltend gemachten Familieneinheit schwere und nicht ohne weiteres wiedergutzumachende Nachteile. Demgegenüber wiegen etwaige Nachteile, die durch den auf überschaubare Zeit verlängerten Aufenthalt des Beschwerdeführers in Deutschland entstehen, auch in Ansehung des Umstands, dass eine Rückführung nach Italien möglicherweise an dem Ablauf von Überstellungsfristen scheitern könnte, weniger schwer (vgl. bereits BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Mai 2015 - 2 BvR 3024/14 u.a., Rn. 8).
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