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BVerfG 17.09.2019 - 2 BvQ 59/19
BVerfG 17.09.2019 - 2 BvQ 59/19 - Erfolgloser Eilantrag auf Verhinderung des Inkrafttretens von Gesetzen mit Blick auf die Beschlussfähigkeit des Bundestages - Folgenabwägung
Normen
§ 32 Abs 1 BVerfGG, § 45 Abs 2 S 1 BTGO, § 51 BTGO
Tenor
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe
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A.
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Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem Antragsgegner die Ausfertigung mehrerer Gesetze zu untersagen. Sie sieht sich in ihren organschaftlichen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten dadurch verletzt, dass der Bundestag trotz ihrer Rüge fehlender Beschlussfähigkeit diese Gesetze beschlossen hat.
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I.
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1. Die Feststellung der Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages ist in den Vorschriften der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl I S. 1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 1. März 2019 (BGBl I S. 197), geregelt:
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§ 45 Geschäftsordnung
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(1) Der Bundestag ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.
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(2) 1Wird vor Beginn einer Abstimmung die Beschlussfähigkeit von einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages bezweifelt und auch vom Sitzungsvorstand nicht einmütig bejaht oder wird die Beschlussfähigkeit vom Sitzungsvorstand im Einvernehmen mit den Fraktionen bezweifelt, so ist in Verbindung mit der Abstimmung die Beschlussfähigkeit durch Zählung der Stimmen nach § 51, im Laufe einer Kernzeit-Debatte im Verfahren nach § 52 festzustellen. 2Der Präsident kann die Abstimmung auf kurze Zeit aussetzen.
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(3) 1Nach Feststellung der Beschlussunfähigkeit hebt der Präsident die Sitzung sofort auf. 2§ 20 Abs. 5 findet Anwendung. 3Ein Verlangen auf namentliche Abstimmung bleibt dabei in Kraft. 4Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen zählen bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit mit.
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(4) 1Unabhängig von dem Verfahren nach den Absätzen 1 bis 3 kann der Präsident bei Kernzeit-Debatten im Einvernehmen mit den Fraktionen die Sitzung unterbrechen, wenn der Sitzungsvorstand bezweifelt, dass 25 vom Hundert der Mitglieder des Bundestages anwesend sind. 2Die Feststellung der Anwesenheit erfolgt im Verfahren nach § 52.
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§ 51 Geschäftsordnung
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(1) 1Ist der Sitzungsvorstand über das Ergebnis der Abstimmung nicht einig, so wird die Gegenprobe gemacht. 2Bleibt er auch nach ihr uneinig, so werden die Stimmen gezählt. 3Auf Anordnung des Sitzungsvorstandes erfolgt die Zählung gemäß Absatz 2.
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(2) 1Nachdem die Mitglieder des Bundestages auf Aufforderung des Präsidenten den Sitzungssaal verlassen haben, werden die Türen bis auf drei Abstimmungstüren geschlossen. 2An jeder dieser Türen stellen sich zwei Schriftführer auf. 3Auf ein Zeichen des Präsidenten betreten die Mitglieder des Bundestages durch die mit "Ja", "Nein" oder "Enthaltung" bezeichnete Tür wieder den Sitzungssaal und werden von den Schriftführern laut gezählt. 4Zur Beendigung der Zählung gibt der Präsident ein Zeichen. 5Mitglieder des Bundestages, die später eintreten, werden nicht mitgezählt. 6Der Präsident und die diensttuenden Schriftführer geben ihre Stimme öffentlich ab. 7Der Präsident verkündet das Ergebnis.
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2. Die 107. Sitzung des 19. Deutschen Bundestages dauerte vom 27. Juni bis in die frühen Morgenstunden des 28. Juni 2019. Als Tagesordnungspunkte 22a und 22b rief die Vizepräsidentin des Bundestages zwei Gesetzentwürfe (Antragsgegenstände zu 1 und 2) zur Beratung auf. Bevor die Abgeordneten mit den Abstimmungen über die Gesetzentwürfe begannen, meldete sich am 28. Juni 2019 gegen 1:27 Uhr der Abgeordnete Jürgen Braun (AfD) zur Geschäftsordnung mit den Worten:
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"Frau Präsidentin, die AfD-Fraktion bezweifelt die Beschlussfähigkeit der Versammlung." (BT-Plenarprotokoll 19/107, S. 13294 [D], zum Nachfolgenden vgl. ebenda, S. 13294 ff.)
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Gemäß § 45 Abs. 2 der Geschäftsordnung bitte er um Überprüfung. Die Vizepräsidentin erwiderte für den Sitzungsvorstand:
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"Also, wir haben hier oben miteinander diskutiert. Wir sind der Meinung, dass die Beschlussfähigkeit gegeben ist." (BT-Plenarprotokoll 19/107, S. 13295 [A])
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Nach weiteren Protesten und Zurufen seitens einiger Abgeordneter der Antragstellerin und anderer Fraktionen wurden zunächst die beiden Gesetzentwürfe zur Abstimmung gestellt, später dann unter Zusatzpunkt 19 auch der Antragsgegenstand zu 3 (vgl. BT-Plenarprotokoll 19/107, S. 13300 f.). Sämtliche Gesetzentwürfe erhielten die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, die Mitglieder der Antragstellerin hatten jeweils dagegen gestimmt.
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3. Noch im Laufe des 28. Juni 2019 befasste sich der Ältestenrat auf Antrag der Antragstellerin mit der Entscheidung des Sitzungsvorstands in der 107. Sitzung des Bundestages, keinen sogenannten "Hammelsprung" durchzuführen. Der Präsident des Deutschen Bundestages erklärte in einer Pressemitteilung vom selben Tag, das Präsidium des Bundestages sei einhellig der Auffassung, dass der Sitzungsvorstand die Vorschriften der Geschäftsordnung über die Feststellung der Beschlussfähigkeit korrekt angewendet habe.
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II.
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Mit ihrem am 7. Juli 2019 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt die Antragstellerin, dem Antragsgegner bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtslage in einem noch anzustrengenden Organstreitverfahren zu untersagen, die im Antrag näher benannten drei Gesetze gegenzuzeichnen, auszufertigen und im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Zur Begründung führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus:
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1. Die Vorgänge in der Nacht vom 27. Juni auf den 28. Juni 2019 verletzten nicht nur die Geschäftsordnung des Bundestages, sondern vor allem auch den Grundsatz der parlamentarischen Demokratie und speziell die Mitwirkungsrechte des gesamten Bundestages bei der Gesetzgebung.
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Zum Zeitpunkt der anstehenden Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 22 gegen 1:27 Uhr morgens hätten sich nicht mehr als 90 Abgeordnete im Plenum des Bundestages befunden, was sich etwa aus den Fernsehaufnahmen ohne Weiteres ersehen lasse. Die Antragstellerin habe sodann die fehlende Beschlussfähigkeit gerügt. Die Vizepräsidentin habe diese Rüge ohne ersichtliche Diskussion im Sitzungsvorstand zurückgewiesen und sich damit, wie auch der Bundestagspräsident in der Sitzung des Ältestenrats, erkennbar auf den Rechtsstandpunkt gestellt, dass § 45 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung nicht nur dazu ermächtige, die Beschlussfähigkeit festzustellen, sondern vielmehr "kontrafaktisch auszurufen". Eine objektiv feststehende und ordnungsgemäß, das heißt nicht bloß missbräuchlich gerügte Beschlussunfähigkeit des Plenums könne nicht durch eine einmütige Bejahung seitens des Sitzungsvorstands überwunden werden.
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2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG sei zulässig.
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Zunächst sei ein Organstreit in der Hauptsache grundsätzlich zulässig, denn eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte des Bundestages infolge des offensichtlich willkürlichen Vorgehens der Sitzungsleitung sei keineswegs ausgeschlossen. Gegen die Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung könne ferner nicht eingewendet werden, dass im noch anzustrengenden Organstreitverfahren nicht der Bundespräsident, sondern vor allem der Bundestag selbst als Antragsgegner in Betracht komme. Auch werde es in der späteren Hauptsache nur um die Feststellung der Verletzung organschaftlicher Rechte gehen und nicht wie hier um eine vorläufige Unterlassung. Jedoch könnten die verfassungsmäßigen Rechte des Bundestages anders nicht effektiv geschützt werden. Allein aufgrund des üblichen Zeitablaufs nach Verabschiedung von Gesetzen sei hier Eile geboten.
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3. Der Antrag sei auch begründet. Selbst unter Anlegung strenger Maßstäbe sprächen im Rahmen einer Folgenabwägung die besseren Gründe für den Erlass der einstweiligen Anordnung.
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Für den Fall, dass dem Eilantrag stattgegeben werde, der Hauptsacheantrag indes ohne Erfolg bliebe, entstehe kein nennenswerter Schaden. Die betroffenen Gesetze träten lediglich einige Monate später in Kraft, was durch die Gewissheit ihrer formellen Verfassungskonformität kompensiert werde. Hingegen sei das rasche Inkrafttreten der Gesetze vergleichsweise ohne Wert, denn sie seien mit dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit bemakelt. Für Rechtsfrieden könnten sie so nicht sorgen.
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Sollte hingegen der Eilantrag abgelehnt werden, der Organstreit in der Hauptsache aber erfolgreich sein, entstehe eine Art "verfassungsrechtlicher Notstand". Denn das Bundesverfassungsgericht könne im Organstreitverfahren nur die Verletzung von Organrechten feststellen, nicht aber den dergestalt verfassungswidrig zustandegekommenen Rechtsakt für nichtig erklären. Es wären dann formell verfassungswidrige, aber weiterhin fortgeltende Gesetze in der Welt. Nur durch den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung könnten die Gesetze in einem ordnungsgemäßen Verfahren durch einen beschlussfähigen Bundestag abermals verabschiedet werden. Daher dürften sie jetzt jedenfalls noch nicht ausgefertigt werden.
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B.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
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I.
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Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall - auch schon vor Anhängigkeit eines Verfahrens zur Hauptsache - einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Organstreitverfahren bedeutet einen erheblichen Eingriff des Bundesverfassungsgerichts in Autonomie und originäre Zuständigkeit anderer Verfassungsorgane. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ist daher grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 55, 1 3>; 104, 23 27>; 108, 34 41>; 118, 111 122>; 132, 195 232 Rn. 86>; 140, 211 219 Rn. 13>; 140, 225 226 f. Rn. 7>). Der Erlass kann allein der vorläufigen Sicherung des strittigen organschaftlichen Rechts der Antragsteller dienen, damit es nicht im Zeitraum bis zur Entscheidung der Hauptsache durch Schaffung vollendeter Tatsachen überspielt wird (vgl. BVerfGE 89, 38 44>; 108, 34 41>; 118, 111 122>). Bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung oder der in der Hauptsache gestellte Antrag erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 89, 38 43 f.>; 103, 41 42>; 118, 111 122>; 140, 225 226 Rn. 7>; stRspr). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn einerseits eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag in der Hauptsache aber Erfolg hätte, und andererseits die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 105, 365 371>; 129, 284 298>; 132, 195 232 f. Rn. 87>; 140, 225 226 f. Rn. 7>; stRspr).
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II.
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Die nach diesen Maßstäben im Rahmen der Entscheidung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG vorzunehmende Folgenabwägung des Bundesverfassungsgerichts führt zu dem Ergebnis, dass die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen.
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1. Dabei kann zunächst dahinstehen, dass sich aus der bisherigen Begründung des Antrags schon nicht in einer den Anforderungen des § 23 Abs. 1 BVerfGG genügenden Weise ergibt, welche organschaftliche Rechtsposition die Antragstellerin in einem etwaigen Organstreitverfahren gegen welchen Antragsgegner geltend zu machen gedenkt (vgl. BVerfGE 24, 252 258>; 123, 267 339>). Die Antragsbegründung beruft sich hierbei pauschal auf organschaftliche Rechte des Bundestages gerade gegenüber dem Bundestag selbst, freilich ohne diese näher zu spezifizieren.
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2. Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätte ein Organstreitverfahren später Erfolg, drohte der Antragstellerin kein schwerer Nachteil.
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Soweit die Antragstellerin für diesen Fall den Eintritt einer Art "verfassungsrechtlichen Notstands" befürchtet, überzeugt dies nicht. Was sie damit in der Sache rügt, ist das Auseinanderfallen der möglichen Rechtsfolgen von Organstreitverfahren einerseits und Normenkontrollverfahren andererseits. Nach § 67 BVerfGG stellt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung über einen Organstreit nur fest, ob die beanstandete Maßnahme gegen eine Bestimmung des Grundgesetzes verstößt; Rechtsfolge der abstrakten Normenkontrolle kann hingegen nach § 78 BVerfGG die Nichtigkeitserklärung eines Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht sein. Eine Rechtsschutzlücke für mögliche Antragsteller des Organstreits folgt hieraus jedoch nicht, sondern dies ist Ausdruck der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GG, dem objektiven Normenbeanstandungsverfahren mit dem Organstreit ein kontradiktorisches Streitverfahren ausschließlich zur Klärung eines bestimmten Verfassungsrechtsverhältnisses zur Seite zu stellen. Für eine sich von diesem gesetzlich gezogenen Rahmen lösende Ausdehnung der Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts ist kein Raum (vgl. schon BVerfGE 1, 396 409>; 2, 341 346>; 22, 293 298>; 63, 73 76>).
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Unabhängig davon wäre es kein schwerer Nachteil für die Antragstellerin, dass im Falle eines späteren Erfolgs des Organstreits in der Hauptsache zunächst formell verfassungswidrige Gesetze in Kraft blieben. Denn das Grundgesetz kennt grundsätzlich keine präventive Normenkontrolle, die einen solchen Zustand verhindern würde (vgl. BVerfGE 1, 396 413>). Dass verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nachgelagerter, kassatorischer Rechtsschutz ist (vgl. nur BVerfGE 131, 47 52 f.>), ist nicht nur aus grundlegenden Erwägungen demokratischer Gewaltenteilung gerechtfertigt, sondern trägt vor allem der ausdrücklichen Kompetenzverteilung des Grundgesetzes Rechnung, wonach das Bundesverfassungsgericht die dem Bundespräsidenten vor der Ausfertigung (Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG) obliegende Kompetenz zur Prüfung eines Gesetzes zu respektieren hat (vgl. BVerfGE 131, 47 53>). Soweit für Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen hiervon eine Ausnahme gilt, um eine sonst nur schwer revidierbare völkerrechtliche Bindung zu verhindern (vgl. BVerfGE 1, 396 413>; 2, 143 169>; 35, 193 195>; 36, 1 15>), ist eine solche Situation hier nicht gegeben.
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3. Das Argument der Antragstellerin, nur durch den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung könnten die fraglichen Gesetze in einem ordnungsgemäßen Verfahren durch einen beschlussfähigen Bundestag abermals verabschiedet werden, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Der Bundestag kann zu jedem Zeitpunkt erneut über die seitens der Antragstellerin bemängelten Gesetze abstimmen, und zwar unabhängig sowohl von einem Erlass der einstweiligen Anordnung als auch von einer Feststellung der Verletzung organschaftlicher Rechte der Antragstellerin in einem späteren Organstreitverfahren.
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