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BVerfG 16.07.2015 - 1 BvR 1014/13
BVerfG 16.07.2015 - 1 BvR 1014/13 - Nichtannahmebeschluss: Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen Vorschriften des Hessischen Spielhallengesetzes (juris: SpielhG HE) wegen Subsidiarität unzulässig - Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes möglich und zumutbar
Normen
§ 90 Abs 2 BVerfGG, § 5 Abs 1 Nr 5 SpielhG HE, § 6 Abs 1 SpielhG HE, § 7 SpielhG HE, § 11 SpielhG HE, § 12 Abs 1 SpielhG HE, § 43 VwGO
Vorinstanz
vorgehend BVerfG, 5. Juli 2013, Az: 1 BvR 1014/13, Ablehnung einstweilige Anordnung
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
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1. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen § 5 Abs. 1 Nr. 5, § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 5, §§ 6, 7, 11, 12 Abs. 1 Nr. 8, 9, 12 bis 16 des am 30. Juni 2012 in Kraft getretenen Hessischen Spielhallengesetzes (HessSpielhG) vom 28. Juni 2012 (GVBl S. 213).
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2. Soweit die Beschwerdeführerin die Pflicht zur Mitwirkung an dem Spielersperrsystem (§ 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 11 HessSpielhG), die Pflicht zur Sperre von Spielern auf deren eigenen Antrag und bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Fremdsperre (§ 6 Abs. 2 HessSpielhG), das Teilnahmeverbot für gesperrte Spieler (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 HessSpielhG), die Pflicht, gesperrten Personen den Zugang zu den Spielhallen zu versagen (§ 5 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 5 HessSpielhG), und die Pflicht zur optisch-elektronischen Überwachung der Spielhallenräumlichkeiten (§ 7 HessSpielhG) angreift, ist der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht gewahrt.
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a) Der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität erfordert, dass ein Beschwerdeführer vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 74, 102 113>; 77, 381 401>; 81, 22 27>; 114, 258 279>; 115, 81 91 f.>; 123, 148 172>; 134, 242 285 Rn. 150>; stRspr). Daher ist eine Verfassungsbeschwerde unzulässig, wenn in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Fachgerichte erlangt werden kann (vgl. BVerfGE 68, 319 325 f.>; 71, 305 335 ff.>; 74, 69 74>; 97, 157 165>; 120, 274 300>; 123, 148 172>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 -, juris, Rn. 23). Dadurch soll vor allem gewährleistet werden, dass dem Bundesverfassungsgericht infolge der fachgerichtlichen Vorprüfung der Beschwerdepunkte ein bereits eingehend geprüftes Tatsachenmaterial vorliegt und ihm auch die Fallanschauung und die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die sachnäheren Fachgerichte vermittelt werden (vgl. BVerfGE 79, 1 20>; 86, 382 386 f.>; 114, 258 279>). Das Bundesverfassungsgericht soll nicht gezwungen sein, auf ungesicherter Grundlage weitreichende Entscheidungen zu erlassen (vgl. BVerfGE 74, 102 113 f.>; 123, 148 172> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 -, juris, Rn. 23). Auch soll es nicht Aussagen über den Inhalt einer einfachgesetzlichen Regelung treffen müssen, solange sich hierzu noch keine gefestigte Rechtsprechung der Fachgerichte entwickelt hat (vgl. BVerfGE 86, 15 27>; 114, 258 280>).
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b) Danach ist die Beschwerdeführerin zur Erlangung von Rechtsschutz gegen die in Rede stehenden Regelungen des Hessischen Spielhallengesetzes gehalten, sich zunächst an die Fachgerichte zu wenden.
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aa) Zum vorrangigen fachgerichtlichen Rechtsschutz zählt auch die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO (vgl. BVerfGE 115, 81 95>). In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft ist, wenn die Feststellung begehrt wird, dass wegen Ungültigkeit oder Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm kein Rechtsverhältnis zu dem anderen Beteiligten begründet ist (BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 - BVerwG 7 C 13/06 -, NVwZ 2007, S. 1311 1312>; Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 43 Rn. 9a; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 43 Rn. 25 (Oktober 2008); Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 43 Rn. 8d; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 58a).
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Die Beschwerdeführerin kann sich damit im Wege der negativen Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO an die Verwaltungsgerichte wenden und dort auf Feststellung klagen, dass sie beim Betrieb ihrer Spielhallen nicht verpflichtet ist, am Spielersperrsystem nach § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 11 HessSpielhG mitzuwirken und die damit gesetzlich verbundenen Pflichten einschließlich der Pflicht zur Videoüberwachung (§ 6 Abs. 2, § 5 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 5, § 7 HessSpielhG) zu erfüllen.
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bb) Die vorherige Anrufung der Fachgerichte ist der Beschwerdeführerin auch nicht ausnahmsweise unzumutbar.
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(1) Die Erhebung einer Feststellungsklage ist nicht schon deshalb entbehrlich, weil sie offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in einer derartigen Fallkonstellation die Zumutbarkeit der vorherigen Anrufung der Fachgerichte ausnahmsweise verneint (vgl. BVerfGE 55, 154 157>; 79, 1 20>; 102, 197 208>; 123, 148 172>). Vorliegend steht aber weder der Misserfolg eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von vornherein fest noch würde hierdurch der Sinn des Subsidiaritätsgrundsatzes verfehlt.
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Das Durchlaufen des Rechtswegs ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der Regel auch dann zu verlangen, wenn das Gesetz keinen Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum offen lässt, der es den Fachgerichten erlaubte, die geltend gemachte Grundrechtsverletzung kraft eigener Entscheidungskompetenz zu vermeiden (vgl. BVerfGE 72, 39 43 f.>; 79, 1 20>; 123, 148 173>). Obwohl in derartigen Fällen die vorherige fachgerichtliche Prüfung für den Beschwerdeführer günstigstenfalls dazu führen kann, dass die ihm nachteilige gesetzliche Regelung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird, ist eine solche Prüfung regelmäßig geboten, um zu vermeiden, dass das Bundesverfassungsgericht ohne die Fallanschauung der Fachgerichte auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage entscheiden muss (vgl. BVerfGE 8, 222 227>; 123, 148 173>). Ein zulässiger Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht zur Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen setzt nämlich voraus, dass das vorlegende Gericht die Anwendbarkeit und Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Norm sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 127, 335 355>). Es muss dabei auf naheliegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen (vgl. BVerfGE 86, 71 78>) und unter Umständen auch eine verfassungskonforme Auslegung in Betracht ziehen (vgl. BVerfGE 76, 100 105>; 126, 331 355 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 16. Dezember 2014 - 1 BvR 2142/11 -, juris, Rn. 75, 87).
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Anders liegt es nur, wenn von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung keine verbesserte Entscheidungsgrundlage für die vom Bundesverfassungsgericht vorzunehmende verfassungsrechtliche Bewertung zu erwarten wäre. Dies kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Sachverhalt allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, deren Beantwortung weder von der näheren Sachverhaltsermittlung noch von der Auslegung und Anwendung von Vorschriften des einfachen Rechts durch die Fachgerichte, sondern allein von der Auslegung und Anwendung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe abhängt (vgl. BVerfGE 68, 319 327>; 123, 148 173>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 -, juris, Rn. 23).
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Im vorliegenden Verfahren stellen sich nicht lediglich spezifisch verfassungsrechtliche Fragen, für deren Beantwortung es allein auf Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlicher Maßstäbe ankommt. Vielmehr bedarf die verfassungsrechtliche Beurteilung der mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen zunächst der Klärung vieler einfachrechtlicher Fragen. Die Vorschriften zu den Spielersperren, zum Spielersperrsystem und zur Videoüberwachung enthalten eine Vielzahl auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe, die verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zulassen. Je nach Auslegung kommt es zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die als verletzt gerügten Grundrechte sowie den Umfang und die Art der Betroffenheit der Beschwerdeführerin. Die in Rede stehenden Regelungen bedürfen daher zunächst der - bislang noch nicht ansatzweise erfolgten - Aufbereitung durch die Fachgerichte. Erst dann besteht eine gesicherte Tatsachen- und Rechtsgrundlage, auf der über die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Verpflichtungen entschieden werden kann.
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Auslegungsbedürftig ist insbesondere, unter welchen Voraussetzungen eine Fremdsperre auszusprechen ist. Bislang liegt keine fachgerichtliche Rechtsprechung dazu vor, wann eine Person nach Maßgabe der einschlägigen Vorschrift "spielsuchtgefährdet" oder "überschuldet" ist, wann sie "ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommt" oder "Spieleinsätze riskiert, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen oder Vermögen stehen" (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 HessSpielhG). Auch die Reichweite der vom Gesetz vorausgesetzten Zutrittskontrollen zu den Spielhallen muss zunächst von den Fachgerichten geklärt werden, bevor über die Verfassungsmäßigkeit solcher Kontrollen entschieden werden kann. Soweit die Verfassungsbeschwerde die Frage aufwirft, ob die Erhebung, Speicherung und Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen des Spielersperrsystems datenschutzrechtlichen Anforderungen genügt, muss zunächst durch die Fachgerichte geklärt werden, auf welcher einfachgesetzlichen Grundlage die Datenerhebung, -speicherung und -übermittlung erfolgt und welche Rechte den Betroffenen eingeräumt sind. Hinsichtlich der Pflicht zur Videoüberwachung ist es ebenfalls zunächst den Fachgerichten überlassen, wie sie die konkrete Reichweite der Pflichten nach § 7 HessSpielhG auslegen.
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(2) Die vorherige Anrufung der Fachgerichte ist der Beschwerdeführerin auch nicht deshalb unzumutbar, weil die überwiegende Anzahl der angegriffenen Verpflichtungen bußgeldbewehrt ist (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 8, 9, 12 bis 16 HessSpielhG). Insofern verlangt der Grundsatz der Subsidiarität zwar nicht, dass Betroffene vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm verstoßen und sich dem Risiko einer entsprechenden Ahndung aussetzen müssen, um dann im Straf- oder Bußgeldverfahren die Verfassungswidrigkeit der Norm geltend machen zu können (vgl. BVerfGE 81, 70 82 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 -, juris, Rn. 23). So liegt der vorliegende Fall indes nicht. Die Beschwerdeführerin kann mithilfe der negativen Feststellungsklage vor den Verwaltungsgerichten fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen die angegriffenen Verpflichtungen erreichen, ohne sich der Gefahr einer Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit aussetzen zu müssen. Sie ist also nicht darauf angewiesen, zunächst gegen die angegriffenen Verpflichtungen zu verstoßen, um dann im Rahmen des Bußgeldverfahrens die Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Normen geltend machen zu können. Die während des laufenden fachgerichtlichen Verfahrens bestehende Gefahr der Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit kann die Beschwerdeführerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 1 VwGO abwenden.
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c) Einer Vorabentscheidung entsprechend § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG steht entgegen, dass es an einer hinreichenden Vorklärung der einfachrechtlichen Lage fehlt (vgl. BVerfGE 77, 381 401>; 86, 15 27>).
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3. Hinsichtlich der angegriffenen Bußgeldtatbestände genügt das Beschwerdevorbringen nicht den Begründungsanforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Halbsatz 1 BVerfGG.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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