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BFH 08.05.2024 - II R 3/23
BFH 08.05.2024 - II R 3/23 - Verpflichtung zur Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs
Normen
§ 52d FGO, § 56 FGO, § 62 FGO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 7. Dezember 2022, Az: 3 K 3006/20, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Nach der Finanzgerichtsordnung vertretungsberechtigte Personen müssen dem Gericht Schriftsätze und deren Anlagen als elektronisches Dokument übermitteln, wenn ihnen dafür ein sicherer Übertragungsweg zur Verfügung steht.
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2. NV: Steuerberatern steht seit dem 01.01.2023 durch das besondere elektronische Steuerberaterpostfach ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 07.12.2022 - 3 K 3006/20 wird als unzulässig verworfen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) mit Urteil vom 07.12.2022 ab und ließ die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zu. Das Urteil wurde am 22.12.2022 zugestellt.
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Mit am 23.01.2023 (per Telefax) beim BFH eingegangenem Schreiben legte der Kläger Revision ein. Die Senatsvorsitzende wies mit Schreiben vom 02.02.2023 darauf hin, dass vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen seit dem 01.01.2023 als elektronisches Dokument zu übermitteln seien (§ 52d Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und der Schriftsatz vom 23.01.2023 diesen Anforderungen nicht genüge. Eine Übermittlung nach allgemeinen Vorschriften sei nur zulässig, wenn eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich sei (§ 52d Satz 3 FGO). Es werde um unverzügliche Mitteilung und Glaubhaftmachung gebeten, ob eine vorübergehende Unmöglichkeit vorgelegen habe (§ 52d Satz 4 FGO).
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Mit einem (ebenfalls per Telefax) zugesandten Schreiben vom 07.02.2023 teilte der für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnde Steuerberater mit, dass eine Übermittlung der Revision vom 23.01.2023 als elektronisches Dokument im Sinne des § 52a FGO vorübergehend nicht möglich gewesen sei beziehungsweise weiter nicht möglich sei, weil er aufgrund alphabetischer Reihenfolge noch keinen Registrierungsbrief für die erstmalige Registrierung auf der Steuerberaterplattform erhalten habe und das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) noch nicht habe einrichten können. Er vertrat die Auffassung, dass für ihn im Zeitpunkt der Revisionseinlegung noch keine Nutzungspflicht nach § 52d FGO bestand. Zur Glaubhaftmachung fügte er einen Ausdruck eines Informationsschreibens der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) bei, mit dem Hinweis, dass für seine Buchstabengruppe die Registrierungsbriefe in der 9. und 10. Kalenderwoche 2023 (27.02.2023 bis 10.03.2023) versandt würden.
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Mit weiterem Schreiben der Senatsvorsitzenden vom 08.02.2023 wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass bereits seit 2022 die Möglichkeit bestanden habe, über eine sogenannte "Fast-Lane" der BStBK frühzeitig die Erstregistrierung bei der Steuerberaterplattform zu beantragen.
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Mit Schreiben vom 22.02.2023 bat der für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnde Steuerberater um Fristverlängerung für die Begründung der Revision. Am selben Tag übermittelte er die Revision über das aufgrund Nutzung der sogenannten "Fast Lane" am 17.02.2023 eingerichtete beSt und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand für die Revisionseinlegungsfrist.
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Seiner Auffassung nach ist die Revision wirksam am 23.01.2023 eingereicht worden. Die per Telefax --das heißt nach den bisher allgemein geltenden Regeln-- eingelegte Revision entspreche den gesetzlichen Anforderungen auch im Hinblick auf die ab dem 01.01.2023 für Steuerberater eingeführte Nutzungspflicht für elektronische Übermittlungswege. Die Nutzungspflicht bestehe nur für vertretungsberechtigte Personen, denen ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO "zur Verfügung steht". Als ein solcher sicherer Übermittlungsweg im Sinne dieser Vorschrift sei das beSt eingeführt worden. Um dieses nutzen zu können, sei jedoch eine Erstregistrierung erforderlich. Die hierfür erforderlichen Registrierungsbriefe der BStBK seien erst seit dem 01.01.2023 nach einer festen alphabetischen Reihenfolge versandt worden. Nur nach dem Erhalt dieses Registrierungsbriefs und der Erstregistrierung stehe dem betreffenden Steuerberater ein sicherer Übermittlungsweg auch tatsächlich "zur Verfügung".
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Da die Revision nach vorstehender Rechtsauffassung bereits zulässig sei, werde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lediglich vorsorglich gestellt. Aufgrund des Schreibens vom 08.02.2023 habe sich der für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnde Steuerberater umgehend, und zwar am 13.02.2023 zu den üblichen Bürozeiten für die Erstregistrierung über die "Fast Lane" angemeldet. Der entsprechende Registrierungsbrief sei auf den 17.02.2023 datiert und am 20.02.2023 eingegangen. Nach Erhalt des Registrierungsbriefs sei die Registrierung unmittelbar eingeleitet und seien die für die Ersteinrichtung des beSt erforderlichen technischen Maßnahmen ergriffen worden. Die Revision nebst vorsorglichem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unverzüglich als elektronisches Dokument übermittelt worden. Die Verzögerung sei unverschuldet. Der für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnde Steuerberater habe sich über die mit der Einführung des beSt verbundenen Rechtsfragen und erforderlichen technischen Schritte fortlaufend informiert. Er habe auf die Verlautbarungen der BStBK und der DATEV eG vertrauen dürfen.
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Mit Schreiben vom 04.05.2023 begründete der Kläger die Revision in der Sache. Zuvor war ihm dafür Fristverlängerung unter dem Vorbehalt, dass über die Zulässigkeit der Revision noch zu entscheiden sei, gewährt worden.
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Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung, die Bescheide vom 05.12.2018 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 01.07.2018 für Zwecke der Schenkungsteuer in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 09.12.2019 aufzuheben und den Grundbesitzwert abweichend von den Bescheiden vom 05.12.2018 in Höhe von 3.118.500 € festzustellen.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt) beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unzulässig. Der Kläger hat die Frist für die Einlegung der Revision versäumt und nicht hinreichend dargelegt, dass er ohne Verschulden daran gehindert war, die Revision fristgerecht elektronisch per beSt einzureichen.
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1. Der Kläger hat die Frist zur Einlegung der Revision versäumt.
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a) Das Urteil des FG ist dem Kläger am 22.12.2022 zugestellt worden. Die Frist zur Einreichung der Revision lief nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO am 23.01.2023 ab. Die am 22.02.2023 über das beSt eingereichte Revision ist verspätet eingegangen und hat die Frist nicht gewahrt.
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b) Die am 23.01.2023 per Telefax eingegangene Revision ist nicht in der gebotenen Form eingereicht worden. Der Formverstoß führt zur Unwirksamkeit und schließt damit insbesondere eine Fristwahrung aus (BFH-Beschlüsse vom 28.04.2023 - XI B 101/22, BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763, Rz 11, m.w.N.; vom 02.02.2024 - VI S 23/23, BFH/NV 2024, 415, Rz 10 und vom 23.08.2022 - VIII S 3/22, BFHE 276, 566, BStBl II 2023, 83, Rz 9, zur Einreichung eines Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt nach dem 01.01.2022).
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aa) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind nach § 52d Satz 1 FGO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach der Finanzgerichtsordnung vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht.
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bb) Für die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Steuerberater steht seit dem 01.01.2023 ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung; denn seit dem 01.01.2023 (§ 157e des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--) richtet die BStBK über die Steuerberaterplattform für jeden Steuerberater ein beSt empfangsbereit ein (§ 86d Abs. 1 Satz 1 StBerG). Steuerberater sind ab diesem Zeitpunkt nach § 52d Satz 2 FGO nutzungspflichtig (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28.04.2023 - XI B 101/22, BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763, Rz 13 und vom 02.02.2024 - VI S 23/23, BFH/NV 2024, 415, Rz 6; Brandis in Tipke/Kruse, § 52d FGO Rz 1; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52d FGO Rz 15).
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2. Dem Kläger ist auf seinen Antrag hin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat nicht hinreichend dargelegt, dass er ohne Verschulden daran gehindert war, die Frist zur Einlegung der Revision einzuhalten.
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a) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. In formeller Hinsicht setzt die Gewährung der Wiedereinsetzung voraus, dass innerhalb einer Frist von zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll.
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b) Jedes Verschulden --mithin auch einfache Fahrlässigkeit-- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Nach § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 Satz 1 FGO muss sich jeder Beteiligte das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (BFH-Beschluss vom 28.04.2023 - XI B 101/22, BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763, Rz 17, m.w.N.).
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c) Ausgehend davon erfüllt der Wiedereinsetzungsantrag vom 22.02.2023 schon nicht die Darlegungsanforderungen. Der Kläger erläutert nicht, weshalb der für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnde Steuerberater ohne Verschulden daran gehindert war, von der Nutzung der "Fast Lane" Gebrauch zu machen, um die Revision rechtzeitig einzureichen.
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Dass die Möglichkeit der Nutzung der "Fast Lane" für Berufsträger, die aktiv in die finanzgerichtliche Kommunikation eingebunden sind, besteht, war dem für die prozessbevollmächtigte Kanzlei handelnden Steuerberater nach eigenen Angaben bereits vor Ablauf der Revisionseinlegungsschrift bekannt. Dass er gleichwohl ohne Verschulden darauf vertrauen durfte, die reguläre Versendung der Registrierungsbriefe abzuwarten und bis zur Registrierung noch Schriftsätze in nicht elektronischer Form einzureichen, hat er nicht schlüssig dargelegt.
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Gerade die Einrichtung der "Fast Lane" macht deutlich, dass auch nach Auffassung der BStBK ein Weg eröffnet werden musste, der aus dringenden, insbesondere fristwahrenden Gründen eine schnelle Registrierung ermöglichen sollte. Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die Rechtsauffassung des Klägers zutreffend wäre, Steuerberater seien erst ab der normalen Registrierung zur Abgabe von Schriftsätzen über das beSt verpflichtet.
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Hinzu kommt, dass bereits vor der Frist für die Einreichung der Revision BFH-Beschlüsse veröffentlicht waren, die zur Verpflichtung zur Einreichung elektronischer Schriftsätze durch Rechtsanwälte ab dem 01.01.2022 ergangen waren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27.04.2022 - XI B 8/22, BFH/NV 2022, 1057 und vom 23.08.2022 - VIII S 3/22, BFHE 276, 566, BStBl II 2023, 83). Darin wird unmissverständlich deutlich, dass ab der Nutzungsverpflichtung nur noch elektronisch eingereichte Schriftsätze fristwahrend sein können. Angesichts dessen konnten der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter nicht darauf vertrauen, dass für Steuerberater ab dem 01.01.2023 etwas anderes gelten würde.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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