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BFH 11.10.2023 - II R 34/20
BFH 11.10.2023 - II R 34/20 - Jastrowsche Klausel im Berliner Testament - Besteuerung eines betagten Vermächtnisses
Normen
§ 1922 BGB, § 2147 BGB, § 2269 BGB, § 3 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 6 Abs 2 ErbStG 1997, § 6 Abs 4 ErbStG 1997, § 10 Abs 5 Nr 1 ErbStG 1997, § 15 Abs 3 ErbStG 1997, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 21. Februar 2020, Az: 3 K 191/18, Urteil
Leitsatz
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1. Setzen Ehegatten in einem sogenannten Berliner Testament sich gegenseitig als Alleinerben ein und gewähren denjenigen Kindern ein betagtes Vermächtnis, die beim Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteil nicht fordern (sogenannte Jastrowsche Klausel), kann der überlebende Ehegatte als Erbe des erstversterbenden Ehegatten die Vermächtnisverbindlichkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen, da das Vermächtnis noch nicht fällig ist.
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2. Das Kind hat den Erwerb des betagten Vermächtnisses bei dem Tod des überlebenden Ehegatten als von diesem stammend zu versteuern. Ist es zugleich Erbe des zuletzt verstorbenen Ehegatten, kann es das Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 21.02.2020 - 3 K 191/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte fünf Geschwister. Die Eltern der Klägerin verfassten ein sogenanntes Berliner Testament. Sie setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein, wobei der überlebende Ehegatte über den Nachlass und sein eigenes Vermögen frei verfügen konnte. Als Erben des Überlebenden (sogenannte Schlusserben) setzten die Eheleute die Klägerin und drei ihrer Schwestern (A, B und C) ein. Der Bruder (D) und eine weitere Schwester (E) wurden enterbt. Weiter enthielt das Testament eine sogenannte Jastrowsche Klausel. Diese regelte für den Fall, dass eines der Kinder auf den Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangen sollte, dieses Kind auch vom Nachlass des überlebenden Ehegatten nur den Pflichtteil erhalten sollte. Die zu Erben des Überlebenden berufenen Geschwister, die den Pflichtteil bei Tod des Erstversterbenden nicht verlangten, sollten in diesem Fall aus dem Nachlass des Erstversterbenden ein Vermächtnis erhalten, das so hoch sein sollte, wie ihr Erbanteil bei gesetzlicher Erbfolge auf Ableben des Erstversterbenden und Übernahme der Pflichtteilslast für die den Pflichtteil fordernden Geschwister. Die Vermächtnisse sollten beim Tod des Erstversterbenden anfallen, aber erst beim Tod des Letztversterbenden ausgezahlt werden.
- 2
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Nach dem Tod des Vaters machten D und E gegenüber der Mutter Pflichtteilsansprüche geltend. Nach dem Tod von C, die keine Abkömmlinge hinterließ, errichtete die Mutter ein Testament, mit dem sie die Klägerin, A und B als Erben einsetzte und D und E von der Erbschaft ausschloss.
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Nach dem Tod der Mutter, die im Jahr 2012 verstarb, erklärten die Klägerin, A und B in der Erbschaftsteuererklärung unter anderem Nachlassverbindlichkeiten aus betagten Vermächtnissen nach dem Tod des Vaters in Höhe von insgesamt 3.329.593 €.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --FA--) setzte gegenüber der Klägerin für den Erbfall nach der verstorbenen Mutter zuletzt mit Änderungsbescheid vom 09.07.2018 Erbschaftsteuer in Höhe von 383.531 € fest. Dabei erkannte das FA die erklärten anteiligen Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 1.109.864,33 € (= ein Drittel von 3.329.593 €) aus betagten Vermächtnissen nicht mehr an. Eine Besteuerung des von der Klägerin erworbenen betagten Vermächtnisses --welches beim Tod des Vaters angefallen, jedoch erst mit dem Tod der Mutter fällig geworden war-- unterblieb.
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Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 26.09.2018 zurück. Es führte in der Begründung aus, dass in dem Änderungsbescheid vom 09.07.2018 bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer die betagten Vermächtnisse zwar nicht anteilig als Nachlassverbindlichkeit in Abzug gebracht worden seien, jedoch der von der Klägerin erworbene Vermächtnisanspruch dem Erwerb auch nicht hinzugerechnet worden sei, sodass sich die beiden Posten im Ergebnis ausgeglichen hätten. Da sowohl die Steuerklasse als auch der Steuersatz bei dem Erwerb von Vater und Mutter identisch gewesen seien, habe keine Aufteilung gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 und 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) vorgenommen werden müssen. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG könne der Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in der Summe nur einmal berücksichtigt werden.
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Die Klage vor dem Finanzgericht (FG), mit der die Klägerin weiterhin begehrte, dass zum einen das betagte Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit bei der Berechnung der Erbschaftsteuer nach dem Tod der Mutter in Abzug gebracht und zum anderen, dass ihr zusätzlich der Freibetrag nach dem Vater gewährt wird, hatte keinen Erfolg.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG und eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG-- i.V.m. § 119 Nr. 3, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Es käme zu einer doppelten Besteuerung des Vermächtnisses, wenn das Vermächtnis nach dem Tod der Mutter bei ihr --der Klägerin-- der Besteuerung unterliege, aber nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug zu bringen sei. Eine solche Vorgehensweise wäre nur zulässig, wenn das betagte Vermächtnis wie eine Vor- und Nacherbschaft zu behandeln sei. Eine solche Behandlung sei aber unrichtig, sodass das FA eine unzutreffende Hinzurechnung des Vermächtnisses bei dem Erbfall nach dem Tod der Mutter fiktiv nach § 6 Abs. 4 ErbStG vorgenommen habe.
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Das FG stütze seine Argumentation darauf, dass die Vermächtnisverbindlichkeit nicht in Abzug gebracht werden könne, weil in gleicher Höhe ansonsten wieder eine Hinzurechnung des betagten Vermächtnisses erfolgen müsse. Dieses Argument sei zwischen den Beteiligten nicht diskutiert worden, sodass die FG-Entscheidung überraschend sei. Schließlich seien das zugerechnete betagte Vermächtnis und die abzuziehende Verbindlichkeit nicht identisch. Das betagte Vermächtnis entspreche dem gesetzlichen Erbteil nach dem Tod des Vaters, die Vermächtnisverbindlichkeit sei diejenige, die die nachverstorbene Mutter getroffen habe. Letztere sei höher --auch pro einzelnem Erben, weil damals noch vier Erben gelebt hätten-- als das erfüllte betagte Vermächtnis an die drei noch lebenden Erben. Deshalb könnten sich Hinzurechnung und Abzug nicht kompensieren.
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Die Klägerin beantragt,
den Änderungsbescheid vom 09.07.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.09.2018 dahingehend zu ändern, dass eine auf die Klägerin entfallende Verbindlichkeit aus Vermächtnissen in Höhe von 1.109.864,33 € zum Abzug zugelassen wird.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid rechtmäßig und die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer nicht um den Betrag der Vermächtnisverbindlichkeit zu mindern ist, da in gleicher Höhe kein Ansatz des erlangten betagten Vermächtnisses bei der Berechnung der Erbschaftsteuer erfolgt ist. Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Sinne einer Überraschungsentscheidung vor.
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1. Mit dem Tod der Mutter ist die Klägerin nicht nur Schlusserbin (§ 1922 i.V.m. § 2269 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) geworden (siehe hierzu unter 2.), sondern hat als Vermächtnisnehmerin (§§ 2147 ff. BGB) das mit dem Tod der Mutter fällig gewordene Vermächtnis erworben und dieses als von der Mutter stammend nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 ErbStG zu versteuern.
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a) Zivilrechtliche Grundlage hierfür ist das gemeinschaftliche Testament der Eltern der Klägerin. Sie hatten sich in diesem gegenseitig zu Alleinerben und beim Tod des Überlebenden vier ihrer sechs Kinder als Erben eingesetzt (sogenanntes Berliner Testament nach § 2269 Abs. 1 BGB). Die nach dem Tod des überlebenden Ehegatten für den beiderseitigen Nachlass als Erben eingesetzten Kinder sind sogenannte Schlusserben, auf die erbschaftsteuerrechtlich § 15 Abs. 3 ErbStG Anwendung findet (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 09.07.2009 - II R 42/07, BFH/NV 2009, 1994, unter II.1.a).
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Zudem hatten die Eltern der Klägerin in dem Berliner Testament eine Jastrowsche Klausel angeordnet. Durch diese sollte verhindert werden, dass sich die enterbten Kinder, die ihren Pflichtteil verlangen, zulasten der Erben einen höheren Wertanteil am Nachlass des Erstversterbenden verschaffen.
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b) Danach hatte die Klägerin zwar beim Tod des Vaters aufgrund der Jastrowschen Klausel einen Vermächtnisanspruch erworben, da die enterbten Kinder D und E ihren Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatten. Dieser Vermächtnisanspruch entstand bereits mit dem Tod des Vaters (entgegen der Vermutung des § 2269 Abs. 2 BGB), wurde als betagtes Vermächtnis aber erst mit dem Tod der Mutter fällig (vgl. BFH-Urteil vom 31.08.2021 - II R 2/20, BFHE 273, 572, BStBl II 2022, 387, Rz 17).
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c) Erbschaftsteuerrechtlich werden nach § 6 Abs. 4 ErbStG Vermächtnisse, die beim Tod des Beschwerten fällig sind, über eine Gleichstellung mit den Nacherbschaften im Wesentlichen so behandelt wie Vermächtnisse, die beim Tod des Beschwerten anfallen (BFH-Urteil vom 31.08.2021 - II R 2/20, BFHE 273, 572, BStBl II 2022, 387, Rz 12). Danach hat die Klägerin das Vermächtnis, das aufgrund der Jastrowschen Klausel mit dem Tod des zuerst verstorbenen Vaters angefallen ist, welches aber erst bei der zuletzt verstorbenen Mutter fällig geworden ist, aufgrund der Fiktion des § 6 Abs. 4, Abs. 2 Satz 1 ErbStG gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 ErbStG als von der Mutter stammend zu versteuern.
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2. Des Weiteren ist die Klägerin aufgrund der Anordnung des Berliner Testaments neben den weiteren Miterbinnen Schlusserbin des Nachlasses ihrer Mutter geworden, den sie nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG zu versteuern hatte. Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs war die mit dem Tod der Mutter fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG in Abzug zu bringen.
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a) Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind die vom Erblasser herrührenden Schulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Darunter fallen alle vertraglichen, außervertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen, die in der Person des Erblassers begründet worden und mit seinem Tod nicht erloschen sind (vgl. BFH-Urteil vom 01.09.2021 - II R 8/20, BFHE 275, 253, BStBl II 2022, 475, Rz 10).
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b) Zwar konnte die Mutter als Erbin des Vaters die aufgrund der Jastrowschen Klausel bereits mit dem Tod des Vaters angefallenen betagten Vermächtnisse nicht als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG in Abzug bringen, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig waren. Die Vermächtnisse stellten erst im Zeitpunkt des Todes des überlebenden Ehegatten --vorliegend der Mutter-- die für den Abzug notwendige wirtschaftliche Belastung dar, da sie erst zu diesem Zeitpunkt fällig wurden (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2020 - II R 30/19, BFHE 272, 93, BStBl II 2022, 216, Rz 11). Dies hat zur Folge, dass der Nachlass des Vaters ungeschmälert durch die betagten Vermächtnisse auf die Mutter überging.
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c) Der Nachlass der Mutter ging danach auf die Klägerin als Erbin und die Miterbinnen ungeschmälert durch die betagten Vermächtnisse über. Jedoch konnte die Klägerin als (Mit-)Erbin die zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Vermächtnisansprüche nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG anteilig als Nachlassverbindlichkeit vom Nachlass der Mutter abziehen.
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3. Die zweifache Entstehung von Erbschaftsteuer in Bezug auf das durch die Jastrowsche Klausel begründete Vermächtnis zum einen mit dem Tod des zuerst verstorbenen Vaters, bei dem die Mutter als Erbin das betagte Vermächtnis mangels Fälligkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen konnte, und zum anderen mit dem Tod der zuletzt verstorbenen Mutter, bei dem die Klägerin das zu diesem Zeitpunkt fällig gewordene betagte Vermächtnis als Vermächtnisnehmerin nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 ErbStG zu versteuern hat, ist systemimmanent und nicht zu beanstanden (vgl. BFH-Beschluss vom 06.11.2006 - II B 37/06, BFH/NV 2007, 342).
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a) Eine Doppelbesteuerung im engeren Sinn liegt nicht vor, da es sich bei dem Erwerb des überlebenden Ehegatten, der Mutter, von dem zuerst verstorbenen Ehegatten, dem Vater, einerseits und dem späteren Erwerb des Kindes, der Klägerin, als Vermächtnisnehmer von dem zuletzt verstorbenen Ehegatten, der Mutter, andererseits nicht um denselben Lebenssachverhalt handelt. Es liegen zwei zeitlich nacheinander erfolgende Erwerbsvorgänge von unterschiedlichen Erblassern mit unterschiedlichen Begünstigten vor.
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b) Zudem konnte die Klägerin nach dem Tod der zuletzt verstorbenen Mutter als Miterbin die Vermächtnisschuld als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vom Nachlass abziehen. Hierdurch neutralisiert sich, dass sie selbst das Vermächtnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 ErbStG versteuern muss.
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4. In dem angefochtenen Bescheid erfolgte --entgegen der klägerischen Auffassung-- keine zweifache "Hinzurechnung" und dadurch bedingte doppelte Besteuerung des betagten Vermächtnisses. Das FA hatte --wie in der Einspruchsentscheidung dargelegt-- in dem Änderungsbescheid vom 09.07.2018 bei der Berechnung der Erbschaftsteuer für den Erwerb von Todes wegen nach der Mutter weder das betagte Vermächtnis gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 ErbStG der Besteuerung unterworfen noch die anteiligen Vermächtnisverbindlichkeiten als Nachlassverbindlichkeit im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG in Abzug gebracht. Da sich beide Positionen im Ergebnis ausgleichen, erfolgte keine doppelte Besteuerung des betagten Vermächtnisses bei der Klägerin.
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5. Der anteilige Erwerb der Klägerin als Schlusserbin und der weitere Erwerb als Vermächtnisnehmerin nach dem Tod der Mutter konnten im Streitfall in einem Bescheid, dem Erbschaftsteuerbescheid vom 09.07.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.09.2018, erfasst werden.
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a) Die Klägerin war gleichzeitig Schlusserbin (§ 2269 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3, § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG) und Vermächtnisnehmerin des betagten Vermächtnisses (§ 6 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 ErbStG), jeweils mit dem Tod der Mutter. Das FA hat zwar im Erbschaftsteuerbescheid vom 09.07.2018 den Vermächtnisanspruch und die hieraus entstandene Nachlassverbindlichkeit beim Erbanfall nicht getrennt ausgewiesen. Es hat aber in der Einspruchsentscheidung vom 26.09.2018 klargestellt, dass es diese Besteuerungsgrundlagen bei der Berechnung der Erbschaftsteuer berücksichtigt hat und zutreffend begründet, dass aufgrund derselben Höhe von Vermächtnisanspruch und Nachlassverbindlichkeit dies keine Auswirkung auf die Höhe der festgesetzten Erbschaftsteuer hatte. Die Klägerin konnte den Betrag in derselben Höhe, wie er ihr aus dem betagten Vermächtnis zugewandt wurde, als Nachlassverbindlichkeit bei ihrem Erwerb von Todes wegen nach dem Tod der Mutter in Abzug bringen, da im Streitfall die Anzahl der Schlusserbinnen und Vermächtnisnehmerinnen identisch war.
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b) Wie das FA in der Einspruchsentscheidung zutreffend ausgeführt hat, waren beide Vermögensanfälle hinsichtlich der Steuerklasse nicht getrennt zu behandeln. Zwar sieht § 15 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 ErbStG vor, dass beim Berliner Testament bei der Besteuerung des Schlusserben und Vermächtnisnehmers unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen auf Antrag das Verhältnis des Schlusserben oder Vermächtnisnehmers zum zuerst verstorbenen Ehegatten zugrunde zu legen ist und dass beide Vermögensanfälle hinsichtlich der Steuerklasse getrennt zu behandeln sind. Im Streitfall war aber aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses der Klägerin als Kind sowohl für den Erwerb nach dem Vater als auch nach der Mutter jeweils die Steuerklasse I gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG anzuwenden, sodass § 15 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3 ErbStG keine Auswirkung hatte. Zudem war --in der Revision nunmehr unter den Beteiligten unstreitig-- der Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nach § 15 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 4, Abs. 4 ErbStG nur einmal zu gewähren.
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6. Das FG hat nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 119 Nr. 3, § 96 Abs. 2 FGO verletzt.
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a) Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Verfahrensbeteiligten haben einen Anspruch darauf, dass das Gericht sie auch in rechtlicher Hinsicht auf entscheidungserhebliche Erwägungen und Gesichtspunkte hinweist, mit denen sie erkennbar nicht gerechnet haben und auch nicht rechnen mussten. Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten Gesichtspunkt stützt und dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretener Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen nicht rechnen musste. Dies kann unter anderem der Fall sein, wenn ein entscheidungserheblicher Umstand vom FG erst mit dem Endurteil in das Verfahren eingebracht wird (BFH-Urteil vom 12.01.2022 - II R 11/20, BFH/NV 2022, 812, Rz 13).
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b) Im Streitfall hat das FA bereits in der Einspruchsentscheidung vom 26.09.2018 darauf hingewiesen, dass das Vermächtnis bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer der Klägerin weder der Besteuerung unterworfen noch als Nachlassverbindlichkeit in Abzug gebracht worden sei. Die Hinzurechnung des Vermächtnisses und dessen Abzug als Nachlassverbindlichkeit waren mithin schon Verfahrensgegenstand im Besteuerungsverfahren. Die Klägerin konnte deshalb nicht dadurch überrascht worden sein, dass das FG diese Thematik in den Entscheidungsgründen seines Urteils berücksichtigt hat.
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7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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