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BFH 24.08.2022 - X B 31/21
BFH 24.08.2022 - X B 31/21 - Wiedereinsetzungsfristen nach Zugang eines PKH-Bewilligungsbeschlusses
Normen
§ 56 Abs 2 S 1 FGO, § 56 Abs 2 S 3 FGO, § 116 Abs 2 S 1 FGO, § 116 Abs 3 S 1 FGO, § 62 Abs 4 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 25. Februar 2021, Az: 11 K 3168/17, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Versäumung der gesetzlichen Frist für die wirksame Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist unverschuldet, wenn der Rechtsmittelführer infolge seiner Mittellosigkeit nicht in der Lage war, noch innerhalb der Frist einen Prozessbevollmächtigten für die wirksame Einlegung des Rechtsmittels zu beauftragen, jedoch fristgerecht einen PKH-Antrag gestellt und laienhaft begründet hat, der zur Gewährung von PKH geführt hat.
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2. NV: Die Gewährung von Wiedereinsetzung setzt zusätzlich voraus, dass die versäumte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO nachgeholt wird. Bei dieser zweiwöchigen Frist bleibt es ungeachtet dessen, dass die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung hinsichtlich der Wiedereinsetzungsfrist für die versäumte Begründung des Rechtsmittels nicht die in § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO genannte Monatsfrist anwendet, sondern analog § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO zugunsten des Unbemittelten von einer Zwei-Monats-Frist ausgeht.
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3. NV: Eine vom nicht postulationsfähigen Kläger persönlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde kann vom später hinzugetretenen Prozessbevollmächtigten nicht rückwirkend genehmigt werden.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 25.02.2021 - 11 K 3168/17 wird als unzulässig verworfen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts wurde dem --seinerzeit nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen-- Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) am 06.03.2021 zugestellt. Am 06.04.2021 ging beim Bundesfinanzhof (BFH) ein vom nicht postulationsfähigen Kläger persönlich verfasstes Schreiben ein, mit dem er Nichtzulassungsbeschwerde einlegte und die Beiordnung eines beim BFH zugelassenen Vertreters beantragte. Der Senat sah dies als Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) an. Am 08.04.2021 begründete der Kläger seinen Antrag ausführlich.
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Die vom Kläger noch während des PKH-Verfahrens beauftragte Prozessbevollmächtigte (P) zeigte am 04.05.2021 ihre Bevollmächtigung an und übermittelte dem BFH am 25.05.2021 ein Schreiben, in dem es u.a. hieß:
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"Für den Fall des Erfolgs des PKH-Antrags bitten wir um Beiordnung als Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers und werden sodann beantragen,
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dem Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 56 FGO (Beseitigung der Mittellosigkeit als Hindernis für die Fristwahrung) zu gewähren, sowie
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die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 25.02.2021 - Az. 11 K 3168/17 - zuzulassen."
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Mit Beschluss vom 29.06.2021 bewilligte der Senat die beantragte PKH und ordnete dem Kläger die P als Prozessbevollmächtigte bei. Dieser Beschluss wurde am 19.08.2021 mit einfachem Brief an P abgesandt. P hat mitgeteilt, der Beschluss sei am 23.08.2021 (Montag) bei ihr eingegangen.
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Am 17.09.2021 beantragte P, "die bereits durch den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 01.04.2021 eingelegte und mit Schreiben vom 07.04.2021 begründete Nichtzulassungsbeschwerde als beigeordnete Prozessbevollmächtigte ergänzend begründen zu dürfen"; hierfür bat sie um eine Frist bis zum 22.10.2021. Die Senatsvorsitzende gewährte diese Frist; die Beschwerdebegründung ging am 21.10.2021 beim BFH ein.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist unzulässig.
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1. Der Kläger hat die einmonatige Frist (§ 116 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zur Einlegung der Beschwerde versäumt. Diese Frist endete am 06.04.2021. Das vom Kläger persönlich verfasste, an jenem Tage beim BFH eingegangene Schreiben konnte die Frist nicht wahren, da die Anforderungen an den gesetzlich angeordneten Vertretungszwang (§ 62 Abs. 4 FGO) nicht erfüllt waren.
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2. Wegen der versäumten Frist kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
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a) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung von Rechtsmittelbegründungsfristen beträgt die Frist einen Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO). Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 56 Abs. 2 Satz 4 FGO).
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b) Vorliegend hat der Kläger die Frist zur Einlegung der Beschwerde zwar unverschuldet versäumt, da er infolge seiner Mittellosigkeit nicht in der Lage war, noch innerhalb der Frist einen Prozessbevollmächtigten für die wirksame Einlegung der Beschwerde zu beauftragen, jedoch fristgerecht einen PKH-Antrag gestellt und laienhaft begründet hat, der zur Gewährung von PKH geführt hat.
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c) Allerdings ist die versäumte Rechtshandlung --die (wirksame) Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde-- entgegen § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO nicht innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden.
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aa) Diese Antragsfrist beträgt gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses. Das Hindernis --die infolge der Mittellosigkeit des Klägers bestehende Unfähigkeit, einen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen-- ist mit dem Zugang des PKH-Beschlusses am 23.08.2021 entfallen. Die zweiwöchige Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags und die Nachholung der versäumten Rechtshandlung lief damit bis zum 06.09.2021. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Beschwerde jedoch nicht in wirksamer Form beim BFH eingelegt worden, so dass es an einer notwendigen Voraussetzung für die Gewährung von Wiedereinsetzung fehlt.
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bb) Zwar gilt hinsichtlich der Wiedereinsetzungsfrist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (abweichend vom Wortlaut des § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO, wonach die versäumte Rechtshandlung im Falle der Versäumung einer Rechtsmittelbegründungsfrist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachzuholen ist) analog § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO eine Frist von zwei Monaten ab Zugang des PKH-Beschlusses, um eine Gleichstellung von Unbemittelten und Bemittelten zu erreichen (BFH-Beschlüsse vom 13.03.2003 - VII B 196/02, BFHE 201, 425, BStBl II 2003, 609, unter II.1.b, mit Nachweisen der gleichlautenden Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, und vom 22.03.2012 - XI B 1/12, BFH/NV 2012, 1170, Rz 14).
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Diese Rechtsprechung wird vom BFH allerdings nicht auf die --im vorliegenden Verfahren einschlägige-- Wiedereinsetzungsfrist für die Einlegung der Beschwerde übertragen (z.B. BFH-Beschluss vom 31.05.2016 - V B 26/16, BFH/NV 2016, 1479, Rz 5). Insoweit bleibt es daher bei der im Wortlaut des § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO verankerten Zwei-Wochen-Frist.
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Diese Differenzierung trägt zwar zur Verkomplizierung in Wiedereinsetzungsfällen nach PKH-Gewährung bei und erhöht damit das Risiko, dass es in derartigen Situationen zu Fristversäumnissen kommt. Nach Auffassung des Senats erfordert die Gleichstellung von Unbemittelten und Bemittelten jedoch bei der bloßen Einlegung einer Beschwerde keine mit dem Gesetzeswortlaut des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht im Einklang stehende Übertragung der Ein-Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO. Die Beschwerdeeinlegung nach dem Zugang einer PKH gewährenden Entscheidung verursacht nämlich --im Gegensatz zur Anfertigung einer Beschwerdebegründung-- keinen besonderen Aufwand und ist daher ohne Weiteres innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen zu leisten.
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cc) P hat die Beschwerde nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingelegt.
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Das am 25.05.2021 eingegangene Schreiben, in dem P formuliert, für den Fall des Erfolgs des PKH-Antrags werde sie sodann beantragen, die Revision zuzulassen, kann noch nicht als (bedingte) Einlegung der Beschwerde angesehen werden. Der Wortlaut dieses Schreibens spricht nicht für die bedingte Einlegung eines Rechtsmittels, sondern für die bloße Ankündigung einer erst künftig noch vorzunehmenden Rechtsmitteleinlegung ("wir werden sodann beantragen").
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dd) P konnte die vom Kläger ohne rechtliche Wirkung eingelegte Beschwerde auch nicht rückwirkend genehmigen.
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Insbesondere bewirkt die Bezugnahme in der am 17.09.2021 eingegangenen Beschwerdebegründung "auf die bereits durch den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 01.04.2021 eingelegte ... Nichtzulassungsbeschwerde" nicht, dass das am 06.04.2021 eingegangene Schreiben, das vom nicht postulationsfähigen Kläger persönlich verfasst worden ist, rückblickend als von P genehmigte wirksame Einlegung der Beschwerde gilt. Eine Bezugnahme des Prozessbevollmächtigten auf einen vom nicht postulationsfähigen Kläger persönlich verfassten Schriftsatz erfüllt die Anforderungen des § 62 Abs. 4 FGO nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht (BFH-Beschluss vom 30.06.2005 - III B 176/04, BFH/NV 2005, 2018).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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