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BFH 13.07.2022 - I R 42/18
BFH 13.07.2022 - I R 42/18 - (Auslegung eines Gewinnabführungsvertrags - Zur Frage der steuerlichen Rückwirkung eines notariellen Nachtragsvermerks nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG)
Normen
§ 14 Abs 1 S 1 Nr 3 KStG 2002, § 17 Abs 1 S 1 KStG 2002, § 44a Abs 2 S 1 BeurkG, § 298 AktG, § 303 AktG, § 38 AO, KStG VZ 2006, KStG VZ 2009, § 15 HGB
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 15. Juni 2017, Az: 10 K 115/15, 10 K 116/15, Urteil
Leitsatz
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1. Gewinnabführungsverträge sind nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte im Vertrag finden, können zur Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden (Bestätigung der Rechtsprechung).
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2. Die Korrektur einer Unstimmigkeit in einem Gewinnabführungsvertrag durch einen notariellen Nachtragsvermerk nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG entfaltet jedenfalls dann keine steuerliche Rückwirkung, wenn sich der tatsächlich gewollte Vertragsinhalt nicht objektiv aus den Vertragsregelungen heraus ergibt und unklar ist, wie eine mögliche Lücke in der Vertragsurkunde zu füllen ist.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15.06.2017 - 10 K 115/15, 10 K 116/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde im Juni 1991 von der V-GmbH als alleiniger Gesellschafterin gegründet. Am ….12.1991 schlossen die Klägerin und die V-GmbH einen notariellen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag (GAV).
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In der Vertragsurkunde des mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrags lautet § 4 GAV ("Dauer des Vertrages") wie folgt:
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"1. Dieser Vertrag wird bis zum 31.12.1996 abgeschlossen. Seine Wirksamkeit beginnt mit Errichtung der Organgesellschaft."
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-Seitenumbruch-
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"3. Das Organ ist zu einer ordentlichen Kündigung so lange nicht berechtigt, als der Organträger am Organ mit mehr als 50 % des Stammkapitals beteiligt ist.
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4. Eine vorzeitige Kündigung ist nur aus wichtigem Grund zulässig."
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Der GAV wurde am ….06.1992 in das Handelsregister eingetragen. Im Zuge der Digitalisierung des Registerblatts im Jahre 2006 ist das Bestehen des GAV nicht übernommen worden.
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Unter dem ….09.2012 fertigte der Amtsnachfolger des den GAV beurkundenden Notars einen Nachtragsvermerk gemäß § 44a Abs. 2 Satz 1 und 2 des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) und stellte darin "im Hinblick auf die in § 4 ... (GAV) - Dauer des Vertrages - enthaltene offensichtliche Unrichtigkeit des Fehlens des Absatzes 2 dieses Paragraphen richtig, dass § 4 ... (GAV) einen Absatz 2 enthält, der lautet:
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2. Wird der Vertrag nicht 1 Jahr vor seinem Ablauf schriftlich gekündigt, verlängert er sich um jeweils 1 weiteres Jahr."
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Nachdem der Nachtragsvermerk vorgelegt und mit dem GAV beim Registergericht hinterlegt worden war, hat dieses das Bestehen des GAV am ….09.2012 von Amts wegen in das Handelsregister nachgetragen.
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Die Klägerin führte in den Jahren 2006 und 2009 (Streitjahre) auf der Grundlage des GAV ihren Gewinn an die V-GmbH ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --FA--) veranlagte sie zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß in der Weise, dass er ihr Einkommen von … € (2006) bzw. … € (2009) der V-GmbH als Organträgerin zurechnete und die Körperschaftsteuer auf 0 € festsetzte. Nach einer Außenprüfung erließ das FA Änderungsbescheide, in denen es u.a. dem GAV die steuerrechtliche Anerkennung versagte und den Gewinn in Höhe der Gewinnabführungen (2006: … €; 2009: … €) außerbilanziell als verdeckte Gewinnausschüttungen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (KStG) hinzurechnete.
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Im Klageverfahren erließ das FA, nachdem über die weiteren streitigen Feststellungen Einvernehmen erzielt werden konnte, Änderungsbescheide vom 23.03.2017. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hat die Klage mit Urteil vom 15.06.2017 - 10 K 115/15 und 10 K 116/15 als unbegründet abgewiesen.
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Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Klägerin.
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Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuerbescheide 2006 und 2009 vom 23.03.2017 dahingehend abzuändern, dass die Körperschaftsteuer jeweils auf 0 € festgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass in den Streitjahren zwischen der Klägerin und der V-GmbH kein steuerrechtlich wirksamer GAV und damit keine Organschaft gemäß §§ 14, 17 KStG bestanden hat; der notarielle Nachtragsvermerk führt jedenfalls steuerrechtlich nicht zu einer rückwirkenden Heilung dieses Mangels.
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1. Dem zwischen der Klägerin und der V-GmbH am ….12.1991 abgeschlossenen GAV ist die steuerrechtliche Anerkennung für die Streitjahre mit der Folge zu versagen, dass der Gewinn der Klägerin nicht der V-GmbH als Organträgerin zuzurechnen ist. Das FG hat den Vertrag zutreffend dahingehend ausgelegt, dass die Vertragslaufzeit wegen fehlender Verlängerung abgelaufen war.
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a) Sowohl nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG (i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG) in seiner aktuellen Fassung als auch in früheren Fassungen bis ins Jahr 1991 (z.B. § 14 Nr. 4 KStG i.d.F. der Neufassung des Körperschaftsteuergesetzes vom 11.03.1991, BGBl I 1991, 638, BStBl I 1991, 135) ist Voraussetzung für die Anerkennung einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft u.a. ein auf mindestens fünf Jahre abgeschlossener GAV, der auch zivilrechtlich wirksam ist (Senatsurteile vom 30.07.1997 - I R 7/97, BFHE 184, 88, BStBl II 1998, 33, zu §§ 17 Satz 1, 14 Nr. 4 Satz 1 KStG 1984; vom 23.08.2017 - I R 80/15, BFHE 259, 405, BStBl II 2018, 141, m.w.N., zu §§ 17 Satz 1, 14 Abs. 1 Satz 2 KStG 2002). Hieran fehlt es im Streitfall, da das FG rechtsfehlerfrei davon ausgegangen ist, dass der GAV am 31.12.1996 geendet hat und nicht verlängert worden ist.
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b) Vereinbarungen der Gesellschafter mit korporationsrechtlichem Charakter --zu denen ein GAV als gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag gehört-- sind nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen (z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 06.03.2018 - II ZR 1/17, Der Betrieb 2018, 1078, m.w.N). Dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung kommen dabei ebenso maßgebende Bedeutung zu wie dem systematischen Bezug einer Klausel zu anderen Vertragsregelungen. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte im Vertrag finden, können zur Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden (Senatsurteil vom 28.11.2007 - I R 94/06, BFHE 220, 51, m.w.N.; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.07.2009 - IV B 73/08, BFH/NV 2009, 1840; Senatsbeschluss vom 23.01.2013 - I R 1/12, BFH/NV 2013, 989). So sind z.B. außerhalb des Vertrags liegende Sachzusammenhänge bei einer Kündigungsklausel eines GAV auch dann nicht einzubeziehen, wenn deren Kenntnis bei den Mitgliedern und Organen allgemein vorausgesetzt werden kann (BFH-Urteil vom 03.09.2009 - IV R 38/07, BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60; Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 989). Insbesondere gilt dies für nicht allgemein erkennbare Umstände außerhalb der zum Handelsregister eingereichten Unterlagen, wie beispielsweise der Entstehungsgeschichte sowie Vorstellungen und Äußerungen der am Vertragsschluss beteiligten Personen (Senatsurteil in BFHE 220, 51; Senatsbeschlüsse vom 02.11.2010 - I B 71/10, BFH/NV 2011, 849, und in BFH/NV 2013, 989).
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Der aus § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs abzuleitende und grundsätzlich auch auf formbedürftige Verträge anzuwendende Grundsatz "falsa demonstratio non nocet", nach dem ohne Rücksicht auf einen abweichenden Wortlaut das von den Vertragsschließenden tatsächlich Gemeinte als Inhalt des Vertrags gilt, kann im Bereich der objektiven Auslegung korporationsrechtlicher Vereinbarungen nicht uneingeschränkt angewendet werden. Findet sich nämlich im Vertrag und in den allgemein zugänglichen Unterlagen kein eindeutiger Beleg für den dem Wortlaut entgegenstehenden subjektiven Willen der Vertragsparteien, ist kein Raum für dessen Berücksichtigung (Senatsurteil in BFHE 220, 51; Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 989).
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c) An diesen strengen Auslegungskriterien ist ungeachtet der in der Literatur geäußerten Kritik (Nodoushani, Deutsches Steuerrecht 2009, 620, 622; Puls, Der Konzern 2008, 555, 558 f.; s. aus zivilrechtlicher Sicht Grunewald, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 2009, 647, 650 ff.) weiterhin festzuhalten (s. bereits Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 989; dem zustimmend z.B. Krüger, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2013, 491; Walter in Bott/Walter, KStG, § 14 Rz 636; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 66; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 328; Brink in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 257; Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 231; Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz 103). Denn sie begründen sich mit der Notwendigkeit, den Finanzbehörden eine sichere Prüfungs- und Beurteilungsgrundlage zu geben, ob --durch die Organschaft-- ausnahmsweise ein Steuersubjekt an die Stelle eines anderen Subjekts tritt (Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 989, unter Verweis auf Gosch, BFH/PR 2008, 350, 351). Es muss ausgeschlossen sein, dass den Vertragsparteien --je nach wirtschaftlicher und steuerlicher Situation-- ein "faktisches Wahlrecht" eingeräumt wird, sich auf den konkreten Vertragstext oder auf ein Redaktionsversehen zu berufen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 989, unter Verweis auf Köster, DStZ 2012, 177).
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Soweit die Klägerin demgegenüber auf den durch §§ 298, 303 des Aktiengesetzes (AktG) i.V.m. § 15 des Handelsgesetzbuchs gewährleisteten Schutz der Gläubiger der Organgesellschaft verweist, die sich bei unterbliebener Eintragung der Beendigung eines Unternehmensvertrags weiterhin auf diesen berufen könnten, wird dies den steuerrechtlichen Wirkungen der Organschaft nicht gerecht. Die Gläubigerschutzvorschriften vermögen nicht die Unsicherheit zu beseitigen, ob und in welchem Umfang sich eine Körperschaftsteuerforderung gegen den Organträger oder gegen die Organgesellschaft richtet. Würde die Körperschaftsteuer zunächst gegen das falsche Steuersubjekt festgesetzt und dies erst nachträglich erkannt und dort geändert (z.B. Absehen von der Zurechnung des Einkommens beim Organträger wegen tatsächlich nicht bestehender Organschaft), könnte dies wegen der Grundsätze der Bestandskraft nicht mehr ohne Weiteres bei dem anderen Steuersubjekt durch geänderte Bescheide berücksichtigt werden (z.B. Senatsurteil vom 28.01.2004 - I R 84/03, BFHE 205, 1, BStBl II 2004, 539; BFH-Urteil vom 06.03.2008 - IV R 74/05, BFHE 220, 304, BStBl II 2008, 663). In diesen Fällen würde eine mögliche Haftung nach § 303 AktG ins Leere gehen, wenn wegen verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Körperschaftsteuer nicht mehr festgesetzt werden kann.
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d) Nach den vorstehenden Maßgaben hat das FG rechtsfehlerfrei festgestellt, dass in den Streitjahren 2006 und 2009 kein wirksamer GAV mehr bestanden hat; dabei unterliegen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats Vereinbarungen der Gesellschafter mit korporationsrechtlichem Charakter wegen des zuvor beschriebenen Gebots der objektivierten Auslegung der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht (z.B. Senatsurteile in BFHE 220, 51, unter Verweis auf BGH-Urteil vom 11.10.1993 - II ZR 155/92, BGHZ 123, 347, und vom 21.01.2016 - I R 22/14, BFHE 253, 82, BStBl II 2017, 336).
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aa) Nach § 4 Abs. 1 GAV wurde der Vertrag bis zum 31.12.1996 abgeschlossen. Damit endete der Vertrag mit Ablauf dieses Datums. Es bedarf daher keiner Entscheidung, welche Folgen es gehabt hat, dass der GAV im Jahr 2006 nicht in das elektronische Handelsregister übernommen worden ist.
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bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich der GAV nicht in der Weise auslegen, dass er über den 31.12.1996 hinaus wirksam sein sollte.
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aaa) Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Vertrag insofern unstimmig ist, als § 4 GAV die Absätze 1, 3 und 4 enthält, jedoch keinen Absatz 2. Zwar mag der Schluss in Betracht kommen, dass eine weitere Regelung in § 4 GAV und womöglich eine Verlängerungsmöglichkeit für den Vertrag gewollt war. Ebenso ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine Verlängerung des Vertrags nicht beabsichtigt war und die Absätze 3 und 4 versehentlich in den Vertrag aufgenommen worden sind. Insoweit kann die Frage, ob § 4 GAV einen Absatz 2 enthalten sollte und welchen Inhalt dieser hätte haben sollen, aus dem GAV heraus nicht durch Auslegung ermittelt werden.
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Selbst wenn man mit der Klägerin ungeachtet des Fehlens eines Absatzes 2 auf den Willen der Vertragsparteien zur Vereinbarung einer Vertragsverlängerung schließen wollte, ist anhand der Vertragsurkunde nicht zu ermitteln, für welchen Zeitraum und unter welchen Voraussetzungen die Verlängerung nach dem Willen der Vertragsparteien hat eintreten sollen. So enthält der beurkundete Vertragstext keinen Anhalt dafür, dass sich der Vertrag jeweils um ein weiteres Jahr verlängern sollte, wenn er nicht ein Jahr vor dessen Ablauf schriftlich gekündigt würde. Ebenso könnte der Wille der Vertragsparteien z.B. dahin gegangen sein, dass zur Vertragsverlängerung eine ausdrückliche Erklärung erforderlich sein oder dass sich der Vertrag nach Ablauf der fünfjährigen Mindestvertragslaufzeit auf unbestimmte Zeit fortsetzen sollte, mit der Möglichkeit der ordentlichen Kündigung durch eine der Vertragsparteien.
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bbb) Der Klägerin ist auch nicht dahin zu folgen, dass für die Auslegung des GAV Umstände herangezogen werden können, die außerhalb des beurkundeten Vertrags liegen, insbesondere auch nicht die Regelungen der von den Schwestergesellschaften der Klägerin am selben Tag abgeschlossenen Gewinnabführungsverträge.
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(1) Zwar hat der Senat in der Vergangenheit auf die Rechtsprechung des BGH verwiesen, wonach außerhalb der Satzung liegende Sachzusammenhänge dann ausnahmsweise einzubeziehen seien, wenn deren Kenntnis bei den Mitgliedern und Organen allgemein vorausgesetzt werden könne (Senatsurteil in BFHE 220, 51, unter Verweis auf BGH-Urteile vom 02.12.1974 - II ZR 78/72, BGHZ 63, 282, und in BGHZ 123, 347). Das gilt aber nur für Fälle, in denen keine Interessen Dritter beeinträchtigt werden (Senatsurteil in BFHE 220, 51; s.a. Röhricht in Aktiengesetz, 4. Aufl., § 23 Rz 1); dies wäre aber bei der Kündigungsklausel eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags der Fall (Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 989; BFH-Urteil in BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60). Und dies gilt insbesondere für nicht allgemein erkennbare Umstände außerhalb der zum Handelsregister eingereichten Unterlagen, wie beispielsweise der Entstehungsgeschichte sowie Vorstellungen und Äußerungen der am Vertragsschluss beteiligten Personen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 989, m.w.N.).
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(2) Hiervon ausgehend können die hinsichtlich der Schwestergesellschaften existierenden Unterlagen, insbesondere die am gleichen Tag abgeschlossenen Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge, nicht herangezogen werden. Diese mögen zwar für Dritte einsehbar sein. Jedoch handelt es sich dabei nicht um Unterlagen, die die Klägerin selbst betreffen. Insoweit drängt sich auch nicht auf, ob und wie Dritte ohne weiteres davon Kenntnis hätten erlangen können, dass die Klägerin Schwestergesellschaften gehabt hat, die tagesidentisch und ebenfalls bei diesem Notar GAV abgeschlossen haben, mit deren Hilfe ggf. eine eventuelle Lücke im Vertrag der Klägerin geschlossen werden könnte.
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(3) Aber selbst wenn man die Verträge der Schwestergesellschaften bei einer objektivierten Auslegung heranziehen wollte, ergäbe sich kein anderes Auslegungsergebnis. Denn es liegen keine hinreichend sicheren (objektiven) Anhaltspunkte dafür vor, dass der dort jeweils vereinbarte § 4 Abs. 2 der Verträge wortgleich auch in den Vertrag der Klägerin habe übernommen werden sollen.
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ccc) Aus dem Umstand, dass der GAV von den Vertragsparteien tatsächlich über den 31.12.1996 hinaus durchgeführt worden ist und sich dies z.B. aus den testierten und im Bundesanzeiger bzw. im Unternehmensregister veröffentlichten Jahresabschlüssen ergibt, folgt ebenfalls nichts anderes. Dabei handelt es sich um Vorgänge, die sich allesamt erst erhebliche Zeit nach dem Vertragsschluss am ….12.1991 zugetragen haben und die schon deshalb bei der Auslegung der Vertragserklärungen keine Berücksichtigung finden können.
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2. Der am ….09.2012 --d.h. mehr als 20 Jahre nach Vertragsschluss-- vom Amtsnachfolger des beurkundenden Notars gefertigte Nachtragsvermerk (§ 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG) kann für die Streitjahre nicht zur steuerrechtlichen Anerkennung eines GAV führen.
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a) Nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG kann der Notar auch nach Abschluss der Niederschrift durch einen von ihm zu unterschreibenden Nachtragsvermerk offensichtliche Unrichtigkeiten richtigstellen. Von einer "offensichtlichen Unrichtigkeit" werden über Schreibversehen hinaus auch Auslassungen und Unvollständigkeiten erfasst, wenn sie versehentlich erfolgt sind und sich dies aus dem Gesamtzusammenhang der Beurkundung ergibt, wobei die Umstände auch außerhalb der Urkunde liegen können (BGH-Urteil vom 10.10.2017 - II ZR 375/15, BGHZ 216, 110; Winkler, Beurkundungsgesetz, 19. Aufl., § 44a Rz 18; s.a. Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 989).
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b) Ob im vorliegenden Fall eine nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG berichtigungsfähige offensichtliche Unrichtigkeit vorliegt, ist indes zu bezweifeln. Denn "offensichtlich" ist hier allenfalls die beschriebene Unstimmigkeit des § 4 GAV in der beurkundeten Fassung durch das Fehlen eines Absatzes 2, nicht aber auch der von den Vertragsparteien stattdessen tatsächlich gewollte Vertragsinhalt. Der an der Vertragsbeurkundung selbst nicht beteiligte Amtsnachfolger des beurkundenden Notars hat mit dem Nachtragsvermerk versucht, eine aus seiner Sicht bestehende Vertragslücke zu füllen, ohne dass die Vertragsurkunde dahingehend zumindest andeutungsweise einen bestimmten Erklärungsinhalt hat erkennen lassen (vgl. zu diesem Erfordernis Lerch in Lerch, Beurkundungsgesetz, Dienstordnung und Richtlinienempfehlung der BNotK, 5. Aufl., § 44a BeurkG Rz 9; Reithmann, Deutsche Notarzeitung 1999, 27, 33). Selbst wenn für einen Nachtragsvermerk nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG ggf. auch auf die Erinnerung des beurkundenden Notars abgestellt werden könnte (vgl. Heckschen/Kreußlein, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht --NZG-- 2018, 401, 408), wäre hierfür in der vorliegenden Konstellation eines durch einen Amtsnachfolger gefertigten Nachtragsvermerks kein Raum.
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c) Im Übrigen würde der im September 2012 gefertigte Nachtragsvermerk jedenfalls steuerlich nicht in die Streitjahre zurückwirken können. Bereits in zivilrechtlicher Hinsicht wird unter Verweis auf Vertrauensschutzgesichtspunkte die Rückwirkung eines Nachtragsvermerks nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG bezweifelt (vgl. Winkler, a.a.O., § 44a Rz 44; Heckschen/Kreußlein, NZG 2018, 401, 414; offengelassen durch BGH-Urteil in BGHZ 216, 110, hinsichtlich eines berichtigten Hauptversammlungsprotokolls). Jedenfalls aber in steuerrechtlicher Hinsicht kann ein Jahre später gefertigter Nachtragsvermerk nicht dazu führen, dass ein zuvor nach den Kriterien der objektivierten Auslegung als nach dem Willen der Vertragsparteien als beendet anzusehender GAV rückwirkend wieder "auflebt" und zur Grundlage für eine organschaftliche Einkommenszurechnung wird. Denn andernfalls wäre es in den Fällen, in denen sich der gewollte Inhalt nicht objektiv aus der ursprünglichen Vertragsurkunde ergibt, in das Belieben der Vertragsparteien gestellt, mit welchem Inhalt sie den GAV in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen steuerrechtlich behandelt wissen möchten. Die steuerliche Rückwirkung eines derartigen Nachtragsvermerks würde dem Rechtsgedanken des § 38 der Abgabenordnung (AO) widersprechen, dem zufolge die Ansprüche aus dem Steuerverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (vgl. zu dem auf § 38 AO gestützten Rückwirkungsverbot für ergänzende Vereinbarungen zu Unternehmensverträgen z.B. Senatsurteil in BFHE 220, 51).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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