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BFH 05.04.2022 - VIII B 42/21
BFH 05.04.2022 - VIII B 42/21 - (Mitwirkungspflichten eines freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen im Rahmen einer Außenprüfung nach § 200 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO)
Normen
§ 200 Abs 1 S 1 AO, § 200 Abs 1 S 2 AO, § 5 AO, § 102 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 17. Februar 2021, Az: 5 K 1221/20, Urteil
Leitsatz
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NV: Ob und in welchem Umfang das FA einen freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen gemäß § 200 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO zur Herausgabe nicht aufbewahrungspflichtiger Unterlagen (Kontoauszüge) verpflichten kann, ist eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur darauf zu überprüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden und die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks fehlerfrei ausgeübt hat.
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 17.02.2021 - 5 K 1221/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Der Senat kann offen lassen, inwieweit die Beschwerde den gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen jedenfalls in der Sache nicht vor, so dass die Beschwerde insgesamt unbegründet ist.
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1. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
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a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24.05.2012 - VI B 120/11, BFH/NV 2012, 1438, m.w.N.).
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b) Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wirft die Klägerin im Zusammenhang mit der vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) durchgeführten Außenprüfung die Frage auf, ob "eine Freiberuflerin, die auch nach Auffassung der Finanzbehörde ausschließlich umsatzsteuerfreie Umsätze erbringt, gesetzlich dazu verpflichtet (ist), Bankkontoauszüge, auf denen neben privaten Vorgängen auch betriebliche Vorgänge verzeichnet sind, der Finanzbehörde vorzulegen, sogar wenn dieser sämtliche Ausgangsrechnungen vorliegen".
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c) Dieser Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil ihre Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und sie daher nicht im Allgemeininteresse klärungsfähig ist.
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aa) Ob und in welchem Umfang die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung den Steuerpflichtigen --wie hier-- nach § 200 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) zur Herausgabe von Unterlagen zwecks Feststellung des steuererheblichen Sachverhalts verpflichten kann, ist eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nach § 102 FGO nur darauf zu überprüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen der Ermessensvorschrift eingehalten wurden und die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks (§ 5 AO) fehlerfrei ausgeübt hat (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.1992 - VII R 66/91, BFH/NV 1993, 76; BFH-Beschluss vom 15.10.2021 - VIII B 130/20, BFH/NV 2022, 97). Die Frage, ob Ermessensfehler vorliegen, ist allgemeinen Aussagen von grundsätzlicher Bedeutung regelmäßig nicht zugänglich und kann daher grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führen (BFH-Beschluss vom 16.02.2011 - VIII B 246/09, BFH/NV 2011, 748).
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bb) Etwas anderes kann dann gelten, wenn aufgrund bestimmter Umstände, die ihrerseits nicht solche des Einzelfalls sind, eine Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen zur Mitwirkung nach § 200 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO nach pflichtgemäßem Ermessen von vornherein ausscheidet (vgl. BFH-Beschluss vom 07.08.2013 - VI B 99/12, BFH/NV 2013, 1934, Rz 14). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
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Die Klägerin sieht solche Umstände darin, dass sie als freiberufliche Heilpraktikerin mit ausschließlich umsatzsteuerfreien Umsätzen nicht zur Aufbewahrung von Kontoauszügen eines sowohl betrieblich als auch privat genutzten Kontos verpflichtet sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann sich nach der Rechtsprechung des BFH jedoch ein Herausgabeverlangen der Finanzbehörde nach § 200 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO im Einzelfall auch auf solche Unterlagen erstrecken, für die den Steuerpflichtigen keine Aufbewahrungspflicht trifft (BFH-Urteile vom 12.02.2020 - X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045, und vom 28.10.2009 - VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455). Dies folgt aus dem Wortlaut des § 200 Abs. 1 Satz 2 AO, der keine Einschränkungen enthält, insbesondere keine Akzessorietät zu Aufbewahrungspflichten herstellt, wie dies etwa in § 147 Abs. 6 AO der Fall ist. Der Ermittlung der Verhältnisse des Steuerpflichtigen dient die Anforderung von Unterlagen im Einzelfall auch dann, wenn keine entsprechende Aufbewahrungspflicht besteht, diese Unterlagen aber vorhanden sind und daher vom Steuerpflichtigen vorgelegt werden können (BFH-Urteil in BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455, Rz 35). Die Finanzbehörde hat mithin auch in solchen Fällen nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob und in welcher Form sie den Steuerpflichtigen auf Herausgabe der nicht aufbewahrungspflichtigen steuererheblichen Unterlagen in Anspruch nimmt.
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2. Die Revision ist auch nicht deswegen zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
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Die von der Klägerin gerügte Divergenz zu den BFH-Urteilen in BFH/NV 1993, 76 und vom 01.07.2008 - II R 2/07 (BFHE 222, 68, BStBl II 2008, 897) liegt nicht vor.
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Von der in beiden Urteilen enthaltenen Aussage des BFH, die für die Ermessensausübung der Finanzbehörde maßgebenden Erwägungen seien von dieser im Verwaltungsakt, spätestens aber in der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung anzugeben, da derartige Ermessenserwägungen nicht erstmals im finanzgerichtlichen Verfahren angestellt werden könnten, ist das Finanzgericht (FG) nicht abgewichen. Es ist erkennbar von dieser Rechtsprechung ausgegangen und hat auf dieser Grundlage die Ermessensentscheidung des FA beurteilt. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass das FG in der angefochtenen Entscheidung ausführt (vgl. S. 6 des FG-Urteils), die Aufforderung des FA zur Vorlage der Kontoauszüge sei nicht ermessensfehlerhaft, weil das FA dies gegenüber der Klägerin zutreffend in der E-Mail vom 19.02.2020 mit dem Hinweis auf die fehlenden Rechnungen für die Jahre 2016 bis 2018 begründet habe. Hieraus ergibt sich die Bezugnahme des FG auf die vom FA im Verwaltungsverfahren angestellten Ermessenserwägungen. Wenn die Klägerin meint, diese Beurteilung sei fehlerhaft, rügt sie keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO. Der Sache nach zielt ihr Vorbringen vielmehr darauf ab, dass das FG bei der nach § 102 FGO gebotenen Überprüfung die Ausübung des Verwaltungsermessens durch das FA rechtsfehlerhaft gewürdigt habe. Darin liegt jedoch die Behauptung eines Verstoßes gegen materielles Recht, der --mit Ausnahme schwerwiegender Rechtsanwendungsfehler, die hier nicht vorliegen-- die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen vermag (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 25.08.2010 - X B 149/09, BFH/NV 2011, 266).
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3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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