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BFH 24.02.2021 - XI R 32/20 (XI R 42/19), XI R 32/20, XI R 42/19
BFH 24.02.2021 - XI R 32/20 (XI R 42/19), XI R 32/20, XI R 42/19 - Zur Steuerbefreiung eng mit der Sozialfürsorge verbundener Dienstleistungen im Bereich des Rettungsdienstes
Normen
Art 132 Abs 1 Buchst g EGRL 112/2006, Art 134 Buchst b EGRL 112/2006, § 4 Nr 17 Buchst b UStG 2005, § 4 Nr 18 UStG 2005, UStG VZ 2012
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 28. August 2019, Az: 3 K 114/15, Urteil
Leitsatz
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1. Abrechnungen von Krankentransport- und Rettungsdienstleistungen gegenüber Sozialversicherungsträgern, die ein Rettungsdienst (gemeinnütziger Verein) für den Träger des Rettungsdienstes und die anderen Rettungsdienste übernommen hat, können "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen" i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL sein, wenn der Sozialversicherungsträger diese Bündelung verlangt.
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2. Die Anerkennung als "Einrichtung mit sozialem Charakter" i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL auch bezüglich solcher Abrechnungsleistungen kann darin liegen, dass der Sozialversicherungsträger ein solches Abrechnungsverfahren von den Leistungserbringern verlangt und entsprechende Vereinbarungen geschlossen werden, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen.
Tenor
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1. Das Verfahren wegen Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2012 sowie wegen Gewerbesteuermessbetrags 2012 wird abgetrennt und an den V. Senat des Bundesfinanzhofs abgegeben.
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2. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28.08.2019 - 3 K 114/15 wegen Umsatzsteuer 2012 aufgehoben.
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Insoweit wird die Sache an das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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3. Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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A.
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Streitig ist im Verfahren wegen Umsatzsteuer 2012, ob die von dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) durchgeführte Abrechnung von Krankentransport und Notfallrettung gegenüber den Sozialleistungsträgern für fremde Leistungserbringer eine steuerpflichtige sonstige Leistung darstellt.
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Der Kläger ist ein anerkannter Verband der freien Wohlfahrtspflege und Mitglied eines Wohlfahrtsverbandes. Er ist als gemeinnützig und mildtätig i.S. der §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung anerkannt und unterliegt mit seinen Einkünften grundsätzlich nicht der Besteuerung. Der Kläger unterhält diverse wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sowie Zweckbetriebe.
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Seit dem Jahr 1995 ist der Kläger als Leistungserbringer im öffentlichen Rettungsdienst tätig. Dies wird in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem Landkreis ... (vormals: Landkreis ...) und dem Kläger vom xx.xx.1995 geregelt.
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Die Landkreise --im Streitfall der Landkreis ...-- sind Träger des öffentlichen Rettungsdienstes (§ 6 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über den Rettungsdienst für das Land Mecklenburg-Vorpommern --Rettungsdienstgesetz, RDG M-V-- vom 01.07.1993, GVBl MV 1993, 623; jetzt § 7 Abs. 2 Satz 2 des Rettungsdienstgesetzes Mecklenburg-Vorpommern --RDG M-V-- vom 09.02.2015, GVBl MV 2015, 50). Der Träger des öffentlichen Rettungsdienstes kann dessen Durchführung u.a. juristischen Personen des Privatrechts übertragen, die ihre Leistungsfähigkeit nachgewiesen haben (§ 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 RDG M-V vom 01.07.1993; jetzt § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 RDG M-V vom 09.02.2015). Die Übertragung erfolgt durch Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (§ 6 Abs. 4 Satz 2 RDG M-V vom 01.07.1993; jetzt § 7 Abs. 5 RDG M-V vom 09.02.2015).
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Gemäß der Zusatzvereinbarung vom xx.xx.1998 zu § 7 des öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen dem Landkreis ... und dem Kläger vom xx.xx.1995 und dem 1. Nachtrag zu diesem Vertrag vom xx.xx.1999 wickelt der Kläger die Abrechnung der Rettungsdienstleistungen selbständig mit den Kostenträgern ab.
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Im Jahr 2012 verlangten die Sozialleistungsträger, dass aus Kostengründen in jedem Landkreis nur eine Abrechnungsstelle vorgehalten wird. Vor diesem Hintergrund wurde § 7 Abs. 3 des zwischen dem Landkreis ... und dem Kläger geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages vom xx.xx.1995 dahingehend erweitert, dass der Kläger --neben der Abrechnung der eigenen Einsätze-- auch die Abrechnungen der Einsätze für vier andere Leistungserbringer (... e.V., ... e.V., ... e.V. und Stadt ...) in den Bereichen Rettungsdienst und Krankentransport gegenüber den Kostenträgern durchführt (vgl. 2. Nachtrag vom xx.xx.2012 zum öffentlich-rechtlichen Vertrag vom xx.xx.1995).
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Als vertragliche Grundlage bestehen jeweils 3-seitige Vereinbarungen zwischen dem Träger des Rettungsdienstes, dem Kläger und den anderen Leistungserbringern. Die Abrechnung des Rettungsdienstes erfolgt ausdrücklich im Auftrag des Landkreises .... Im Jahr 2012 (Streitjahr) erfolgte die Abrechnung zum Teil unter Einsatz von Personal, das der Landkreis ... dem Kläger zur Verfügung stellte.
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2013 fand beim Kläger eine Außenprüfung für das Streitjahr statt. Die Prüferin vertrat die Auffassung, dass die Leistungen des Klägers, soweit dieser durch seine Abrechnungsstelle für andere Leistungserbringer gegenüber den Sozialleistungsträgern abgerechnet hat, nicht gemäß § 4 Nr. 18 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) oder Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) von der Umsatzsteuer befreit seien.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 04.03.2015 u.a. einen entsprechend geänderten Bescheid über Umsatzsteuer 2012.
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Der Kläger erhob am 30.03.2015 u.a. wegen Umsatzsteuer 2012 Sprungklage, der das FA zustimmte.
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Das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern wies mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 140 veröffentlichten Urteil vom 28.08.2019 - 3 K 114/15 die Klage auch wegen Umsatzsteuer 2012 ab.
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Mit der Revision wegen Umsatzsteuer 2012 rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Seine Abrechnungsleistungen seien insgesamt von der Steuer befreit.
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Dies ergebe sich bereits aus nationalem Recht, hilfsweise beruft sich der Kläger auf das Unionsrecht.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 04.03.2015 dahingehend zu ändern, dass die von dem Kläger durchgeführten Abrechnungen für fremde Leistungserbringer als steuerfreie sonstige Leistungen erfasst werden, und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Zur Begründung verweist es auf die Entscheidung der Vorinstanz.
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Darüber hinaus trägt es vor, dass die streitigen Abrechnungsleistungen eine eigenständige Hauptleistung des Klägers darstellen würden. Der Kläger verkenne, dass es Nebenleistungen Dritter oder an Dritte nicht gebe.
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Einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG stehe die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entgegen. Danach würden Verwaltungsleistungen an andere Unternehmer nicht erfasst, da diese Leistungen nicht unmittelbar dem nach der Satzung begünstigten Personenkreis zugutekämen.
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Einer Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL stünden die Regelungen des Art. 134 MwStSystRL entgegen. Insbesondere sei nach Art. 134 Buchst. b MwStSystRL von Wettbewerbsverzerrungen auszugehen.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 22.07.2020 - XI R 42/19 mit Zustimmung der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in dem Verfahren C-657/19 angeordnet. Nach Ergehen des EuGH-Urteils Finanzamt D vom 08.10.2020 - C-657/19 (EU:C:2020:811) wurde das Verfahren unter dem Aktenzeichen XI R 32/20 (XI R 42/19) fortgesetzt.
Entscheidungsgründe
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B.
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I. Das Verfahren wegen Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2012 sowie wegen Gewerbesteuermessbetrags 2012 (Anerkennung als Zweckbetrieb) wird abgetrennt und an den nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH für das Jahr 2021 (BStBl II 2021, 39) dafür zuständigen V. Senat des BFH abgegeben (vgl. Teil A --Sachliche Zuständigkeit der Senate--, V. Senat, Nr. 2 i.V.m. XI. Senat, Nr. 2).
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II. Die Revision wegen Umsatzsteuer 2012 ist begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG konnte bei seiner Entscheidung die neuere Rechtsprechung des EuGH noch nicht berücksichtigen und hat die Abrechnungsleistungen des Klägers daher zu Unrecht nicht als steuerfrei angesehen (zu 1.); allerdings sind noch weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen (zu 2.).
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1. Ob die Abrechnungsleistungen bereits nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG als Bestandteil der Leistung "Beförderungen von Kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind", oder nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei sind, kann der Senat offen lassen. Jedenfalls sind sie nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerbefreit. Entgegen dem Urteil des FG erbringt der Kläger auch im Hinblick auf die Abrechnungen für andere Leistungserbringer steuerbefreite Leistungen und ist auch insoweit als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt.
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a) Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen ..., einschließlich derjenigen, die durch ... Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden". Die Steuerbefreiung knüpft an leistungs- und an personenbezogene Voraussetzungen an: Es muss sich um eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen handeln, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen erbracht werden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind (vgl. EuGH-Urteil Kingscrest Associates und Montecello vom 26.05.2005 - C-498/03, EU:C:2005:322, Rz 34; BFH-Urteile vom 18.08.2005 - V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143, unter II.2.d cc, Rz 45 und 46; vom 07.12.2016 - XI R 5/15, BFHE 256, 550).
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b) Die streitbefangenen Leistungen des Klägers sind "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen".
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aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann eine eng mit einer begünstigten Tätigkeit verbundene Leistung steuerfrei sein, wenn die Haupttätigkeit selbst eine befreite Tätigkeit ist und sowohl die Haupttätigkeit als auch die damit eng verbundene Leistung von einer der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL genannten Einrichtungen erbracht werden (vgl. EuGH-Urteile Kinderopvang Enschede vom 09.02.2006 - C-415/04, EU:C:2006:95, Rz 21, 22; Horizon College vom 14.06.2007 - C-434/05, EU:C:2007:343, Rz 34, 36; s.a. BFH-Beschluss vom 10.04.2019 - XI R 11/17, BFHE 264, 478, BStBl II 2019, 683, Rz 42). Um das Merkmal "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden" i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL zu erfüllen, muss die betreffende Leistung jedenfalls für die der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unterfallenden Umsätze unerlässlich sein (vgl. EuGH-Urteil Finanzamt D, EU:C:2020:811, Rz 31). Das ist hier der Fall.
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bb) Die vom Kläger mit seiner Haupttätigkeit erbrachten Leistungen des Krankentransports und der Notfallrettung sind dem Grunde nach begünstigt; die Abrechnung des Klägers über diese Leistungen ist Teil derselben.
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cc) Aber auch die vom Kläger erbrachten Dienstleistungen, soweit er durch seine Abrechnungsstelle für andere Leistungserbringer gegenüber den Sozialleistungsträgern abgerechnet hat, sind als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen steuerfrei.
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(1) Diese Abrechnungsleistung ist für die jeweils abgerechnete Leistung im Bereich der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unerlässlich. Dies ergibt sich aus dem Verlangen der Sozialleistungsträger im Jahr 2012, dass aus Kostengründen in jedem Landkreis nur eine Abrechnungsstelle vorzuhalten ist. Nur deshalb hatte der Kläger die Abrechnung der Einsätze anderer Leistungserbringer in den Bereichen Rettungsdienst und Krankentransport gegenüber den Kostenträgern übernommen. Anderenfalls wäre die vollständige Kostenübernahme nicht zu erlangen gewesen.
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(2) Soweit das FG insoweit eine eng mit der Sozialfürsorge verbundene Dienstleistung i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL verneint hat, weil der Kläger die betreffende Abrechnungsleistung nicht gegenüber dem jeweiligen Hilfsbedürftigen erbracht hat, sondern gegenüber einem anderen Leistungserbringer, konnte es das EuGH-Urteil Finanzamt D (EU:C:2020:811) noch nicht berücksichtigen. Danach hängt die Mehrwertsteuerbefreiung von Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL nicht davon ab, an wen diese erbracht werden, sofern sie ein für die Durchführung der Maßnahmen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unerlässlichen Schritt darstellen und ihre Belastung mit der Mehrwertsteuer daher zwangsläufig dazu führen würde, die Kosten der genannten Umsätze zu erhöhen (EuGH-Urteil Finanzamt D, EU:C:2020:811, Rz 36). Soweit sich demgegenüber aus dem BFH-Urteil vom 01.12.2010 - XI R 46/08 (BFHE 232, 232) etwas anderes ergibt, hält der Senat hieran nicht mehr fest.
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c) Es handelt sich bei den Abrechnungsleistungen des Klägers auch um solche einer Einrichtung, die von dem betreffenden Mitgliedstaat auch insoweit als Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt ist.
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aa) Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL legt weder die Voraussetzungen noch die Modalitäten einer Anerkennung des sozialen Charakters von anderen Einrichtungen als solchen des öffentlichen Rechts fest. Es ist daher grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen diesen Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann, wobei die Mitgliedstaaten über ein Ermessen verfügen (vgl. EuGH-Urteile Les Jardins de Jouvence vom 21.01.2016 - C-335/14, EU:C:2016:36, Rz 32 und 34; Finanzamt D, EU:C:2020:811, Rz 43).
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Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich hierzu, dass die nationalen Behörden bei der Anerkennung des sozialen Charakters von Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte mehrere Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben. Zu ihnen können das Bestehen spezifischer Vorschriften --seien es nationale oder regionale, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit--, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und der Gesichtspunkt zählen, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden, insbesondere wenn die privaten Wirtschaftsteilnehmer vertragliche Beziehungen zu diesen Einrichtungen unterhalten (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteile Kügler vom 10.09.2002 - C-141/00, EU:C:2002:473, Rz 58; Les Jardins de Jouvence, EU:C:2016:36, Rz 35; Finanzamt D, EU:C:2020:811, Rz 44).
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bb) Danach handelt es sich bei dem Kläger auch in Bezug auf die streitigen Abrechnungsleistungen um eine Einrichtung, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden ist. Für die hier streitigen Leistungen des Klägers gibt es im Land Mecklenburg-Vorpommern spezielle gesetzliche Regelungen zur sozialen Sicherheit (vgl. § 6 Abs. 4 RDG M-V vom 01.07.1993; jetzt § 7 Abs. 4 und Abs. 5 RDG M-V vom 09.02.2015 --Übertragungsmöglichkeit auf private juristische Personen und deren Modalitäten--). Die Übernahme der Kosten durch die Sozialleistungsträger beruht auf speziellen vertraglichen Grundlagen. Nur auf Geheiß der Sozialleistungsträger hatte es der Kläger übernommen, Leistungen auch für dritte Leistungserbringer abzurechnen, um damit die volle Erstattungsfähigkeit der Kosten zu gewährleisten.
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d) Auch ist die Steuerbefreiung nicht nach Art. 134 Buchst. b MwStSystRL ausgeschlossen. Insbesondere kommt es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen, da nach den Vorgaben der Sozialleistungsträger nur eine Abrechnungsstelle die Leistungen zu erbringen hatte. Andere Wirtschaftsteilnehmer konnten daher nicht die Abrechnungsleistungen tätigen (s. allgemein BFH-Urteil vom 10.02.2016 - XI R 26/13, BFHE 252, 538, BStBl II 2017, 857, Rz 57). Deshalb bleibt auch der Einwand des FA, dass beispielsweise Abrechnungszentren, die sich auf derartige Abrechnungen spezialisiert haben, ausgeschlossen waren, ohne Erfolg.
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2. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG, aus seiner Sicht konsequenterweise, keine Feststellungen zur Höhe der steuerfrei zu belassenden Umsätze und zu möglichen Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug getroffen hat. Dies muss es nachholen.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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4. Der Senat erkennt gemäß § 90 Abs. 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.
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III. Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig, da die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren gehört (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.05.2018 - IX R 8/17, BFH/NV 2019, 386, Rz 16).
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