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BFH 09.12.2020 - XI B 10/20
BFH 09.12.2020 - XI B 10/20 - Zur Unterbrechung der Festsetzungsverjährung und zur Ablaufhemmung in Insolvenzfällen
Normen
§ 240 ZPO, § 251 Abs 2 AO, § 171 Abs 13 AO vom 19.12.1998, § 171 Abs 13 AO vom 16.03.1976, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 171 Abs 13 AO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 11. Dezember 2019, Az: 1 K 1365/16, Urteil
Leitsatz
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NV: Eine analoge Anwendung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 13 AO in Fällen einer Festsetzung von zu erstattender Steuern kommt während des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens nicht in Betracht.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 11.12.2019 - 1 K 1365/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der ... GmbH (GmbH). Das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH wurde mit dem Beschluss des Amtsgerichts X vom XX.12.1994 (Az. ...) eröffnet und ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Das seinerzeit für die Besteuerung der GmbH zuständige Finanzamt T meldete u.a. Umsatzsteuerbeträge für die Monate Januar bis November 1994 zur Konkurstabelle an, wobei für November eine pauschale Vorsteuerberichtigung vorgenommen worden war.
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2015 reichte der Kläger beim Finanzamt U eine Umsatzsteuererklärung für 1994 ein, mit der er einen Erstattungsanspruch in Höhe von ... DM (entspricht ... €) geltend machte. Das Finanzamt U lehnte eine entsprechende Festsetzung mit Bescheid vom 29.10.2015 u.a. unter Verweis auf den Eintritt einer Festsetzungsverjährung ab. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 04.10.2016 als unbegründet zurückgewiesen. Im Klageverfahren trat auf Seiten des Beklagten ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel ein.
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Das Finanzgericht (FG) des Saarlandes wies die Klage mit Urteil vom 11.12.2019 - 1 K 1365/16 als unbegründet ab.
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Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Des Weiteren sei die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen jedenfalls nicht vor.
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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
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a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13.03.2019 - XI B 97/18, BFH/NV 2019, 711, Rz 3; vom 29.04.2020 - XI B 113/19, BFHE 268, 480, BStBl II 2020, 476, Rz 18). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u.a., wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19.09.2016 - X B 159/15, BFH/NV 2017, 54, Rz 20, m.w.N.; vom 09.02.2017 - II B 38/15, BFH/NV 2017, 617, Rz 13; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 115 FGO Rz 106, m.w.N.). Ebenso fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit dann, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21.09.2009 - VI B 31/09, BFHE 226, 329, BStBl II 2011, 382, Rz 9, m.w.N., und vom 14.04.2011 - X B 104/10, BFH/NV 2011, 1343, Rz 6).
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b) Die von dem Kläger sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage (vgl. S. 4 f. und S. 66 f. der Beschwerdebegründungsschrift), ob die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 13 der Abgabenordnung (AO) a.F. sinngemäß auch für Steuererstattungsansprüche des Konkurs- bzw. Insolvenzverwalters gilt bzw. eine Unterbrechung der Festsetzungsverjährung gemäß § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) in diesen Fällen erfolgt, ist nicht klärungsbedürftig. Denn eine analoge Anwendung des § 240 Satz 1 ZPO kommt nicht in Betracht. Der BFH hat dies bereits entschieden. Ebenso scheitert eine analoge Anwendung des § 171 Abs. 13 AO a.F.
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aa) Nach § 12 der Konkursordnung --KO-- (nunmehr § 87 der Insolvenzordnung --InsO--), der über die Verweisung in § 251 Abs. 2 AO ("Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung...") auch im Steuerrecht zu beachten ist, können die Konkurs- bzw. Insolvenzgläubiger zwar ihre Forderungen nur entsprechend den Vorschriften über das Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren verfolgen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 24.08.2004 - VIII R 14/02, BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246 noch zur Rechtslage nach der Konkursordnung; vom 10.12.2008 - I R 41/07, BFH/NV 2009, 719, m.w.N.; vom 11.12.2013 - XI R 22/11, BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332, Rz 20). Ebenso dürfen nach Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens keine Bescheide mehr erlassen werden, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten (vgl. BFH-Urteile vom 02.07.1997 - I R 11/97, BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428; in BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332, Rz 20).
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bb) Der BFH hat aber gleichfalls geklärt, dass das Finanzamt durch die Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht gehindert ist, eine negative Umsatzsteuer festzusetzen, weil einem solchen Bescheid die abstrakte Eignung fehlt, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Denn mit einem solchen Bescheid setzt das Finanzamt keine Konkurs- bzw. Insolvenzforderung fest, die nach § 12 KO (bzw. § 87 InsO) nur nach den Vorschriften über das Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren verfolgt werden kann, sondern einen Erstattungsbetrag, der nicht zur Tabelle anzumelden wäre. Deshalb scheidet hier auch eine Unterbrechung des Festsetzungsverfahrens mit Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens analog § 240 Satz 1 ZPO aus (vgl. hierzu im Einzelnen BFH-Urteile vom 13.05.2009 - XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11, Rz 16 ff.; vom 25.07.2012 - VII R 29/11, BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, Rz 19; in BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332, Rz 21; vom 16.06.2015 - XI R 18/13, BFH/NV 2015, 1607, Rz 23; vom 27.11.2019 - XI R 35/17, BFHE 267, 542, Rz 29).
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cc) Auch wenn sich der Kläger auf eine kritische Stellungnahme in der Fachliteratur bezieht (Scherer, Deutsches Steuerrecht 2017, 296), sind daraus keine neuen Gesichtspunkte ableitbar, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen. Insbesondere kann ein solcher Hinweis der Rechtssache von sich allein noch keine grundsätzliche Bedeutung geben (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17.12.1987 - V B 80/87, BFHE 152, 35, BStBl II 1988, 290; vom 18.05.1994 - II B 183/93, BFH/NV 1994, 887). Das FG hat sich zudem in seinem Urteil mit der Literatur-Auffassung auseinandergesetzt und dargelegt, warum eine analoge Anwendung des § 240 ZPO bei Erstattungsansprüchen der vorliegenden Art nicht in Betracht kommt. Der Kläger hätte unter diesen Umständen im Einzelnen darlegen müssen, ob und inwieweit widerstreitende Meinungen in der Literatur und der Rechtsprechung bestehen (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1994, 887) und hätte insoweit beachtliche neue Argumente vortragen müssen. Dies ist nicht geschehen. Im Übrigen hat sich das FG maßgeblich zu Recht darauf bezogen, dass eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 240 ZPO bereits daran scheitere, dass eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz nicht vorliege (vgl. S. 14 der Urteilsgründe). Die Rechte der Gläubiger, deren gemeinschaftliche Befriedigung das Insolvenzverfahren bezweckt (§ 1 InsO), sollen nicht beeinträchtigt werden (vgl. z.B. Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 240 Rz 1). Ein Erstattungsbescheid über ein Umsatzsteuerguthaben verändert aber nicht den Bestand der Forderungen zu Lasten der Gläubigergemeinschaft, die Gegenstand des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, Rz 19), so dass eine analoge Anwendung des § 240 ZPO ausscheidet.
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dd) Soweit in einem Revisionsverfahren die Rechtsfrage geklärt werden soll, ob eine analoge Anwendung des § 171 Abs. 13 AO a.F. bei Erstattungsansprüchen des Konkursverwalters in Betracht komme, kann auch insoweit diese Frage als geklärt angesehen werden, da auch keine planwidrige Regelungslücke erkennbar ist. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 13 AO (a.F. und n.F.) soll verhindern, dass Steuerforderungen, die vor Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens nicht festgesetzt und wegen Bestreitens der Forderung nicht zur Tabelle festgestellt und deshalb im Verfahren nicht befriedigt worden sind, während des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens verjähren. Der Finanzbehörde soll in solchen Fällen die Möglichkeit erhalten bleiben, die Forderung nach Beendigung des Verfahrens durch Steuerbescheid festzusetzen (BFH-Urteil vom 19.08.2008 - VII R 36/07, BFHE 222, 205, BStBl II 2009, 90, unter II.1.b dd; Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 235; Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl., § 171 Rz 116). Der entsprechenden Anwendung einer solchen Regelung in Fällen einer Festsetzung von zu erstattender Steuern bedarf es nicht, wenn --wie der BFH mehrfach entschieden hat (s.o.)-- eine Unterbrechung des Festsetzungsverfahrens bei Festsetzung einer zu erstattenden Steuer analog § 240 Satz 1 ZPO nicht eintritt.
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2. Da das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22.07.2014 - XI B 29/14, BFH/NV 2014, 1780, m.w.N.), kommt die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts aus denselben Gründen nicht in Frage.
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3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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