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BFH 17.04.2018 - IX R 17/17
BFH 17.04.2018 - IX R 17/17 - Bescheid über die Festsetzung von Eigenheimzulage - Sammelbescheid - Rechtswidrigkeit bei Teilverjährung
Normen
§ 11 Abs 1 S 1 EigZulG, § 11 Abs 2 EigZulG, § 11 Abs 3 EigZulG, § 11 Abs 4 EigZulG, § 11 Abs 5 EigZulG, § 169 Abs 1 S 1 AO, § 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 24. August 2016, Az: 2 K 2359/14, Urteil
Leitsatz
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NV: Der Bescheid, mit dem die Festsetzung der Eigenheimzulage für den gesamten Förderzeitraum geändert und die Eigenheimzulage für alle Jahre auf 0 € festgesetzt wird, ist keine Zusammenfassung von acht Einzelbescheiden, die jeweils eines eigenen rechtlichen Schicksals fähig sind, sondern ein Sammelbescheid, der insgesamt rechtswidrig ist, wenn er einen Rechtsfehler aufweist.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. August 2016 2 K 2359/14 sowie der Bescheid über Eigenheimzulage ab 2003 vom 8. März 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2014 und des Änderungsbescheids vom 16. Juni 2016 aufgehoben.
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Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Bewilligung von Eigenheimzulage aufheben durfte.
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Im Dezember 2002 kaufte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gemeinsam mit seinem Halbbruder, seiner Halbschwester und seiner Adoptivmutter zu je ein Viertel ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Im Januar 2003 wurde zugunsten der Erwerber eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Drei Monate danach war der Kaufpreis fällig. Gefahr, Nutzen und Lasten sollten erst mit vollständiger Bezahlung des Kaufpreises auf die Erwerber übergehen. Die Erwerber zahlten den Kaufpreis nicht.
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Gleichwohl zogen der Kläger und die anderen Erwerber im Mai 2003 in das Haus ein. Im Einvernehmen mit der Verkäuferin zahlten die Erwerber monatlich 745,80 € an die Verkäuferin bzw. deren Söhne als Rechtsnachfolger.
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Im März 2004 beantragte der Kläger Eigenheimzulage ab dem Jahr 2003. Zur Begründung gab er an, das Grundstück zu einem Viertel erworben zu haben. Besitz, Nutzungen und Lasten seien am 27. Dezember 2002 übergegangen; das Gebäude werde seit dem 1. Mai 2003 zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Das FA forderte daraufhin vom Kläger die Vorlage des Kaufvertrags, den Nachweis über die Kaufpreiszahlung, einen Nachweis über den Beginn der Eigennutzung sowie die Finanzierungsunterlagen. Der Kläger legte lediglich den Kaufvertrag und eine Meldebestätigung über seinen Einzug zum 1. Mai 2003 vor. Ohne Rücksicht auf die Unvollständigkeit der Antwort setzte das FA die Eigenheimzulage für die Jahre 2003 bis 2010 antragsgemäß fest (Bescheid über Eigenheimzulage ab 2003 vom 6. Juli 2004).
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Im Juli 2012 erhielt das FA Kenntnis davon, dass der Eigentumsübergang nicht in das Grundbuch eingetragen und der Kauf rückgängig gemacht worden sei. Die Rechtsnachfolger der Verkäuferin hatten im April 2009 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und die Rückabwicklung gerichtlich durchgesetzt. Mit Änderungsbescheid setzte das FA daraufhin die Eigenheimzulage für die Jahre 2003 bis 2010 auf jeweils 0 € fest (Bescheid über Eigenheimzulage ab 2003 vom 8. März 2013) und forderte die empfangenen Leistungen vom Kläger zurück. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA zurück. Es ging davon aus, dass die Festsetzungsfrist für die Eigenheimzulage wegen Subventionsbetrugs auf zehn Jahre verlängert sei (vgl. Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2014).
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Das Klageverfahren ruhte zunächst bis zur Entscheidung in der Parallelsache IX R 20/15. Nachdem der Senat dort entschieden hatte, dass die Festsetzungsfrist selbst im Falle eines Subventionsbetrugs nicht auf zehn Jahre verlängert wird, setzte das FA die Eigenheimzulage für die Jahre 2003 bis 2008 durch Änderungsbescheid erneut fest (Bescheid über Eigenheimzulage ab 2003 vom 16. Juni 2016), nicht jedoch für die Jahre 2009 und 2010. Insofern hielt es seinen Rückforderungsanspruch aufrecht. Die dagegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.
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Mit der Revision erhebt der Kläger die Sachrüge (Verletzung von § 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--).
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Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil sowie den Bescheid über Eigenheimzulage ab 2003 vom 8. März 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2014 und des Änderungsbescheids vom 16. Juni 2016 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Wie der Senat in der Parallelsache der Halbschwester des Klägers durch Urteil vom 12. Januar 2016 IX R 20/15 (BFHE 252, 386, BStBl II 2017, 21) bereits entschieden hat, war die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der Aufhebung der Eigenheimzulage (hier: am 8. März 2013) abgelaufen. Das trifft im Streitfall für die Jahre 2003 bis 2008 zu. Für die Jahre 2009 und 2010 war die Frist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) am 8. März 2013 noch nicht abgelaufen, da sie erst mit der Entstehung des Anspruchs zu laufen beginnt und der Anspruch für Folgejahre erst mit Beginn des Kalenderjahrs entsteht, für das die Eigenheimzulage festzusetzen ist (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 IX R 55/09, BFH/NV 2011, 767).
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2. Das ändert jedoch nichts an der Rechtswidrigkeit des Bescheids über die Aufhebung der Eigenheimzulage für die Jahre 2003 bis 2010 vom 8. März 2013. Anders als das FG angenommen hat, handelt es sich insofern nicht um die Zusammenfassung von acht Einzelbescheiden, die jeweils eines eigenen rechtlichen Schicksals fähig sind, sondern um einen Sammelbescheid, der insgesamt rechtswidrig ist, wenn er einen Rechtsfehler aufweist.
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a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) wird die Eigenheimzulage für das Jahr, in dem erstmals die Voraussetzungen vorliegen und für die folgenden Jahre des Förderzeitraums festgesetzt. Die Festsetzung bezieht sich aus Vereinfachungsgründen auf den gesamten Förderzeitraum und schließt somit noch nicht entstandene Ansprüche ein. § 11 Abs. 2 bis 5 EigZulG enthält diverse Spezialregelungen über die Aufhebung oder Änderung dieses Bescheids, die sich auf nachträgliche Veränderungen beziehen und die Änderung grundsätzlich nur für einzelne Jahre (i.d.R. nur pro futuro) erlauben. Daneben sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die allgemeinen Änderungsvorschriften der AO anzuwenden.
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b) Für den Bewilligungsbescheid hat der Senat bisher offengelassen, ob es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung oder um eine Sammlung mehrerer Verwaltungsakte für je ein Förderjahr handelt (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 IX R 74/03, BFHE 210, 338, BStBl II 2005, 807). Er hat die Frage als ernstlich zweifelhaft angesehen (BFH-Beschluss vom 1. Dezember 2005 IX B 146/05, BFH/NV 2006, 924). Nach zutreffender Auffassung, die auch von der Finanzverwaltung geteilt wird (vgl. auch Blümich/Erhard, § 11 EigZulG Rz 11, m.w.N.), handelt es sich bei dem Bewilligungsbescheid nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EigZulG um einen einheitlichen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung und nicht um eine Sammlung von Einzelbescheiden. Dafür spricht neben dem einheitlichen Erscheinungsbild und der Bezeichnung als "Bescheid über Eigenheimzulage ab" nicht zuletzt auch die Regelungssystematik des EigZulG. § 11 Abs. 2 bis 5 EigZulG erlaubt punktuelle Änderungen und die Durchbrechung der von § 11 Abs. 1 Satz 1 EigZulG für den Bewilligungsbescheid angeordneten formellen Einheit.
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c) Nichts anderes gilt für einen Bescheid, mit dem ein einheitlicher Bescheid über die Bewilligung von Eigenheimzulage wieder aufgehoben oder mit dem die Festsetzung für alle Jahre --auch äußerlich wie im Festsetzungsbescheid einheitlich-- auf 0 € geändert wird. Auch dieser Bescheid ist als Einheit anzusehen mit der Folge, dass er insgesamt rechtswidrig ist, wenn die Voraussetzungen für seinen Erlass in mindestens einem Jahr nicht vorgelegen haben. Das gilt jedenfalls, soweit sich die Änderung des Bewilligungsbescheids auf Vorschriften der AO stützt (hier § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO im Änderungsbescheid bzw. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO in der Einspruchsentscheidung) und nicht auf eine die formelle Einheit durchbrechende Änderungsvorschrift in § 11 Abs. 2 bis 5 EigZulG. So liegt der Streitfall.
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3. Das FG ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen. Sein Urteil kann aus Rechtsgründen keinen Bestand haben. Die Sache ist spruchreif; die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid verletzt den Kläger in seinen Rechten. Nach den Feststellungen des FG war die Festsetzungsfrist für die Jahre 2003 bis 2008 am 31. Dezember 2012 abgelaufen. Der Bescheid vom 8. März 2013 (in der Fassung der Einspruchsentscheidung und des nachfolgenden Teiländerungsbescheids) verstößt gegen § 169 Abs. 1 Satz 1 AO. Er wird ersatzlos aufgehoben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Damit entfällt zugleich der vom FA noch aufrecht- erhaltene Rückforderungsanspruch für die Jahre 2009 und 2010 (§ 14 EigZulG).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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