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BFH 07.11.2017 - III B 31/17
BFH 07.11.2017 - III B 31/17 - Erkrankung des Prozessbevollmächtigten
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 91 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 227 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 14. Dezember 2016, Az: 5 K 5362/14, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Wird einem Prozessbevollmächtigten für den Termin zur mündlichen Verhandlung durch ein ärztliches Attest bescheinigt, dass er wegen einer akuten Erkrankung verhandlungsunfähig ist, so ist damit ein erheblicher Grund i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO dargelegt, aufgrund dessen das FG den Termin aufheben muss .
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2. NV: Bei offensichtlicher Prozessverschleppungsabsicht braucht ein Gericht trotz eines erheblichen Grundes einen Termin nicht aufzuheben. In diesem Fall muss es vom Vorliegen einer solchen Absicht überzeugt sein; es genügt nicht, einen entsprechenden Verdacht zu äußern .
Tenor
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Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Dezember 2016 5 K 5362/14 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist im Bereich Marketingberatung, Veranstaltungsmanagement und Büroservice selbständig tätig. Sie arbeitete u.a. für eine in Spanien ansässige Firma, die sich mit Photovoltaik befasste. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) führte bei ihr eine sog. betriebsnahe Veranlagung durch, die zu geänderten Besteuerungsgrundlagen führte. Das FA erließ für die Jahre 2007 bis 2009 geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide, außerdem geänderte Gewerbesteuermessbescheide (2008 und 2009) sowie geänderte Feststellungsbescheide. Die dagegen gerichteten Einsprüche blieben ohne Erfolg.
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Im anschließenden Klageverfahren beraumte das Finanzgericht (FG) einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 3. November 2016 an. Mit einem am 1. November 2016 beim FG eingegangenen Schreiben beantragte die Kanzlei des Bevollmächtigten die Aufhebung des Termins wegen Erkrankung von Rechtsanwalt C. Am 2. November 2016 wurde eine ärztliche Bescheinigung nachgereicht, in der die Arbeitsunfähigkeit des Bevollmächtigten ab dem 31. Oktober 2016 attestiert wurde. Daraufhin hob das Gericht den Termin auf.
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Das Gericht terminierte nunmehr auf den 14. Dezember 2016, 14:45 Uhr. Am 12. Dezember 2016 ging beim FG erneut ein Antrag auf Terminsaufhebung ein, der mit Krankheit begründet wurde. Aus einer ärztlichen Bescheinigung vom 12. Dezember 2016 geht "Arbeitsunfähigkeit" von Rechtsanwalt C seit dem 12. Dezember 2016 hervor. Der Vorsitzende Richter des FG teilte dem Büro des Bevollmächtigten noch am selben Tag durch ein per Fax übermitteltes Schreiben mit, dass der Termin nicht aufgehoben werde, da die Verhinderung weder für Rechtsanwalt C noch für die übrigen Berufsträger der Kanzlei dargelegt und glaubhaft gemacht worden sei. Das Büro des Bevollmächtigten legte daraufhin für den Sozius P ein ärztliches Attest vom 13. Dezember 2016 vor, aus dem erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen zu ersehen sind, die dazu führten, dass er dauerhaft nicht dazu in der Lage sei, Gerichtstermine wahrzunehmen. Zu einem weiteren Berufsträger (Wirtschaftsprüfer Steuerberater H) gab das Büro an, dieser halte sich zur Zeit nicht in Berlin auf und sei nur als freier Berater auf Honorarbasis tätig. Für Rechtsanwalt C legte die Kanzlei ein weiteres, vom 14. Dezember 2016 datierendes ärztliches Attest vor, in dem bescheinigt wird, dass dieser aufgrund einer akuten Erkrankung vom 12. Dezember 2016 bis einschließlich 21. Dezember 2016 nicht verhandlungsfähig sei. Das Attest ging am 14. Dezember 2016 um 10:58 Uhr per Telefax bei Gericht ein.
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Das FG führte die mündliche Verhandlung trotzdem durch und wies die Klage ab. In den Urteilsgründen führte es u.a. aus, es seien keine erheblichen Gründe i.S. von § 91 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht worden. Das ärztliche Attest, demzufolge Rechtsanwalt C wegen einer akuten Erkrankung verhandlungsunfähig sei, reiche jedenfalls vor dem Hintergrund nicht aus, dass bereits für den ursprünglich anberaumten Termin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt worden sei. Da es sich um einen Wiederholungsfall handele und sich der Verdacht der Prozessverschleppung aufdränge, wäre eine nachvollziehbare Diagnose erforderlich gewesen. Das Attest für Wirtschaftsprüfer Steuerberater P sei nicht zu berücksichtigen, weil bei längerer Erkrankung eine Pflicht zur Vorsorge für die Terminwahrung bestehe.
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Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--). Das Gericht sei dem Antrag auf Terminsaufhebung zu Unrecht nicht nachgekommen. Rechtsanwalt C sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, an dem Termin teilzunehmen. Das FG habe sich zur Begründung seiner Entscheidung zwar auf die Kommentierung von Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 91 Rz 4 bezogen. Dort heiße es unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aber auch, dass ein Gericht regelmäßig gehindert sei, die von einem Arzt bescheinigte Verhandlungsunfähigkeit abweichend zu beurteilen. Bei zwei krankheitsbedingten Terminverschiebungen könne das Gericht eine weitere Terminverschiebung von der Vorlage eines amtsärztlichen Attests abhängig machen. Im Streitfall sei zuvor jedoch nur ein Termin verschoben worden.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Die Durchführung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2016 trotz des Antrags auf Terminsaufhebung führt als Verfahrensmangel zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 116 Abs. 6 FGO). Das FG hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO).
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1. Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO kann ein gerichtlicher Termin nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Liegen erhebliche Gründe für die Verhinderung eines Prozessvertreters vor, verdichtet sich die nach dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechtspflicht (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 20. April 2015 III B 42/14, BFH/NV 2015, 1102). Denn einem Verfahrensbeteiligten steht es frei, seine Rechte durch einen Prozessbevollmächtigten wahrnehmen zu lassen (BFH-Beschluss vom 27. Juni 2012 XI B 129/11, BFH/NV 2012, 1978). Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO).
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2. Im Streitfall hat die Klägerin mit ihrem Antrag auf Terminsaufhebung vom 12. Dezember 2016 einen erheblichen Grund geltend gemacht, nämlich eine Erkrankung ihres Prozessbevollmächtigten. Das Gericht hat daraufhin zu erkennen gegeben, dass es die bislang vorgelegte ärztliche Bescheinigung, aus der "Arbeitsunfähigkeit" hervorgeht, nicht als ausreichend ansah. Eine ausdrückliche Aufforderung nach § 227 Abs. 2 ZPO, den erheblichen Grund glaubhaft zu machen, ist nicht ergangen. Der Senat kann offen lassen, ob es bereits aus diesem Grund dem FG verwehrt war, den Aufhebungsantrag wegen nicht ausreichender Glaubhaftmachung abzulehnen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Juni 1992 V B 9/91, BFH/NV 1993, 180; vom 12. Januar 2004 VII B 122/03, BFH/NV 2004, 654, und vom 27. Juni 2012 XI B 129/11, BFH/NV 2012, 1978; Wendl in Beermann/Gosch, FGO § 91 Rz 87). Jedenfalls aufgrund des am 14. Dezember 2016 vorgelegten ärztlichen Attestes, in welchem Rechtsanwalt C Verhandlungsunfähigkeit wegen einer akuten Erkrankung bescheinigt wird, musste das Gericht dem Vertagungsantrag stattgeben. Das Attest ging bei Gericht noch so rechtzeitig ein, dass es hätte berücksichtigt werden können. Darin teilte die behandelnde Ärztin mit, dass der Prozessbevollmächtigte wegen einer akuten Erkrankung vom 12. Dezember 2016 bis zum 21. Dezember 2016 verhandlungsunfähig war bzw. sein werde. Weiterer Informationen hierzu bedurfte es nicht. Denn für das abschließende Urteil der Verhandlungsfähigkeit ist der Arzt sachkompetenter als ein entsprechend informierter Richter (BFH-Beschlüsse vom 10. August 2011 IX B 175/10, BFH/NV 2011, 1912, und vom 17. September 2014 IX B 44/14, BFH/NV 2015, 52). Bei wiederholten Attesten bleibt es einem Gericht unbenommen, die Vorlage eines amtsärztlichen Attests zu verlangen (s. BFH-Beschluss vom 21. April 2008 XI B 206, 207/07, BFH/NV 2008, 1191).
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3. Ein Fall, in dem ein Gericht trotz Vorliegens eines erheblichen Grundes einen Termin wegen offensichtlicher Prozessverschleppungsabsicht nicht aufzuheben braucht (z.B. Senatsbeschluss vom 24. Juni 2014 III B 12/13, BFH/NV 2014, 1581), lag schon deshalb nicht vor, weil das FG von einer solchen Absicht nicht überzeugt war. Es hat lediglich den Verdacht der Prozessverschleppung geäußert.
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4. Der Prozessbevollmächtigte hat durch Vorlage eines ärztlichen Attestes auch glaubhaft gemacht, dass eine Vertretung durch den Sozius P wegen dessen dauerhafter Erkrankung nicht möglich war. In der Zeit der Erkrankung des Sozius konnte dieser durch Rechtsanwalt C vertreten werden. Vorsorgemaßnahmen für den Fall von dessen plötzlicher Erkrankung brauchten im Hinblick auf das hier zu beurteilende finanzgerichtliche Verfahren nicht getroffen zu werden.
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5. Eine Vertretung durch den im Briefkopf der Kanzlei erwähnten Wirtschaftsprüfer Steuerberater H kam schon deshalb nicht in Betracht, weil dieser nach der Darlegung der Klägerin am Tag der mündlichen Verhandlung ortsabwesend war.
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6. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung beruhen auf § 116 Abs. 6 FGO, die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG ergibt sich aus § 143 Abs. 2 FGO.
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