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BFH 27.09.2017 - II R 14/15
BFH 27.09.2017 - II R 14/15 - (In Teilen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 27.09.2017 II R 13/15 - Grundsteuerbefreiung für erbbaurechtsbelastetes Grundstück einer juristischen Person des öffentlichen Rechts)
Normen
§ 3 GrStG, § 7 GrStG, § 92 BewG 1991, § 2 Nr 2 GrStG, § 39 AO, § 68 Abs 1 Nr 1 BewG 1991, § 68 Abs 1 Nr 2 BewG 1991
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 11. Dezember 2014, Az: 3 K 1513/11, Urteil
Leitsatz
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NV: Ein Grundstück, das eine juristische Person des öffentlichen Rechts unmittelbar für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt und das ausschließlich ihr zuzurechnen ist, ist auch dann von der Grundsteuer befreit, wenn es mit einem Erbbaurecht zugunsten eines privaten Rechtsträgers belastet ist.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 11. Dezember 2014 3 K 1513/11, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 18. Mai 2011 sowie die Einheitswertbescheide des Beklagten vom 13. Januar 2011 und 31. Juli 2017 aufgehoben.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Landkreis, und eine GmbH & Co. KG (KG), an der er als Kommanditist beteiligt ist, schlossen am 21. Dezember 2005 einen notariell beurkundeten Erbbaurechtsvertrag, mit dem er der KG ein Erbbaurecht an einem ihm gehörenden, mit Schulgebäuden bebauten Grundstück bestellte. Der Kläger und die KG schlossen wie im Erbbaurechtsvertrag vorgesehen am 18. April 2006 einen Mietvertrag über den Grundbesitz. Die Vermietung sollte zum Zweck der Nutzung als Schulgebäude erfolgen.
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Mit Bescheid vom 13. Januar 2011 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Wege der Nachfeststellung auf den 1. Januar 2007 für das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück gegenüber dem Kläger einen Einheitswert in Höhe von 8.640 € fest.
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Einspruch und Klage, mit denen der Kläger die Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 3 des Grundsteuergesetzes (GrStG) beanspruchte, blieben erfolglos.
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Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 3 Abs. 1 Satz 3 GrStG. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt.
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Das FA hat mit dem während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 31. Juli 2017 die Feststellung des Einheitswerts gegenüber dem Kläger hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des inländischen Grundbesitzes verfassungsgemäß sind, gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) für vorläufig erklärt.
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Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2011 und die Bescheide vom 13. Januar 2011 und 31. Juli 2017 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das Finanzgericht (FG) zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). An die Stelle des Bescheids vom 13. Januar 2011, der Gegenstand der Vorentscheidung war, ist während des Revisionsverfahrens der Bescheid vom 31. Juli 2017 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Diese Vorschriften gelten auch, wenn ein angefochtener Bescheid lediglich um einen Vorläufigkeitsvermerk ergänzt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Januar 2013 II R 66/11, BFHE 240, 191, BStBl II 2014, 266, Rz 12). Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (BFH-Urteile in BFHE 240, 191, BStBl II 2014, 266, Rz 12; vom 19. Januar 2017 VI R 37/15, BFHE 257, 58, BStBl II 2017, 526, Rz 11, und vom 10. Mai 2017 II R 53/14, BFHE 258, 74, Rz 12).
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Einer Zurückverweisung der Sache an das FG nach § 127 FGO bedarf es jedoch nicht, da sich aufgrund des Änderungsbescheids an dem zwischen den Beteiligten streitigen Punkt nichts geändert hat. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des BFH; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet (BFH-Urteile in BFHE 257, 58, BStBl II 2017, 526, Rz 11, m.w.N., und in BFHE 258, 74, Rz 12).
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III.
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Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist begründet. Die Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2011 und die angefochtenen Einheitswertbescheide vom 13. Januar 2011 und 31. Juli 2017 sind rechtswidrig und daher aufzuheben. Für das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück ist kein Einheitswert festzustellen. Es war am 1. Januar 2007 gemäß §§ 3, 7 GrStG von der Grundsteuer befreit.
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1. Einheitswerte werden nach § 19 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) für inländischen Grundbesitz, und zwar u.a. für Grundstücke (§§ 68 und 70 BewG) festgestellt. Feststellungen nach dieser Vorschrift erfolgen gemäß § 19 Abs. 4 BewG nur, wenn und soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Steht fest, dass ein Grundstück von der Grundsteuer befreit ist, ist kein Einheitswert festzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 2011 II R 51/09, BFHE 233, 517, BStBl II 2014, 751, Rz 13).
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Handelt es sich wie im Streitfall um eine Nachfeststellung (§ 23 Abs. 1 BewG), sind der Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Grundsteuer vorliegen, nach § 23 Abs. 2 Satz 1 BewG die tatsächlichen Verhältnisse im Nachfeststellungszeitpunkt (§ 23 Abs. 2 Satz 2 BewG) zugrunde zu legen. Unter tatsächlichen Verhältnissen (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG) sind dabei die Verhältnisse zu verstehen, die nicht zu den --bei der Prüfung der Steuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 3 GrStG irrelevanten-- Wertverhältnissen i.S. des § 27 BewG rechnen (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2014 II R 16/13, BFHE 247, 150, BStBl II 2014, 957, Rz 18, 23 ff.).
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2. Für das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück des Klägers war auf den 1. Januar 2007 kein Einheitswert festzustellen. Es war von der Grundsteuer befreit.
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a) Ist ein Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, bilden das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück einerseits und das Erbbaurecht andererseits bewertungsrechtlich zwei selbständige Grundstücke, die je für sich der Grundsteuer unterliegen (§ 2 Nr. 2 GrStG i.V.m. § 68 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie § 70 Abs. 1 BewG). Beträgt die Dauer des Erbbaurechts in dem für die Bewertung maßgebenden Zeitpunkt wie im Streitfall weniger als 50 Jahre, ist zur Feststellung der jeweiligen Einheitswerte der Gesamtwert des belasteten Grundstücks einschließlich der Gebäude und Außenanlagen entsprechend der restlichen Dauer des Erbbaurechts aufzuteilen (§ 92 Abs. 3 BewG) und der Berechnung des Steuermessbetrags die Summe der beiden Einheitswerte zugrunde zu legen (§ 13 Abs. 3 GrStG). Schuldner der Grundsteuer sowohl für das belastete Grundstück als auch für das Erbbaurecht ist der Erbbauberechtigte (§ 10 Abs. 2 GrStG). Diese Zusammenführung der Steuerschuldnerschaft für das belastete Grundstück und das Erbbaurecht ändert jedoch nichts daran, dass bei der Anwendung des GrStG und hier insbesondere bei den Steuerbefreiungen von zwei wirtschaftlichen Einheiten auszugehen ist (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2009 II R 29/08, BFHE 228, 154, BStBl II 2010, 829, Rz 8). Sie lässt auch die Zurechnung des Grundstücks zu dessen Eigentümer nach § 39 AO unberührt (BFH-Urteil in BFHE 228, 154, BStBl II 2010, 829, Rz 13).
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b) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 GrStG ist Grundbesitz von der Grundsteuer befreit, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch in dem durch § 3 Abs. 2 und 3 GrStG umschriebenen Sinn benutzt wird. Der Grundbesitz muss dabei nach § 3 Abs. 1 Satz 2 GrStG ausschließlich demjenigen, der ihn für den begünstigten Zweck benutzt, oder einem anderen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 6 GrStG begünstigten Rechtsträger zuzurechnen sein. Das GrStG knüpft mit § 3 Abs. 1 Satz 2 GrStG ausdrücklich an das formale Kriterium der Rechtsträgeridentität von Eigentümer des Grundstücks und unmittelbar Nutzendem an (BFH-Urteil in BFHE 228, 154, BStBl II 2010, 829, Rz 9 f.).
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§ 7 Satz 1 GrStG verlangt zudem eine unmittelbare Nutzung für den steuerbegünstigten Zweck (BFH-Urteil in BFHE 228, 154, BStBl II 2010, 829, Rz 9). Unter der unmittelbaren Nutzung wird die tatsächliche Zuführung des Steuergegenstandes an den Benutzungszweck verstanden. Die bloße Überlassung eines Grundstücks zur Nutzung an einen anderen genügt nicht (BFH-Urteil in BFHE 228, 154, BStBl II 2010, 829, Rz 15).
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c) Das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück des Klägers war danach am 1. Januar 2007 gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 GrStG von der Grundsteuer befreit. Die erforderliche Rechtsträgeridentität von Eigentümer des Grundstücks und unmittelbar Nutzendem war gegeben. Das Grundstück war dem Kläger nach § 39 AO zuzurechnen. Er nutzte das Grundstück unmittelbar für schulische Zwecke und somit für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch in dem durch § 3 Abs. 2 und 3 GrStG umschriebenen Sinn. Auf § 3 Abs. 1 Satz 3 GrStG kommt es nicht an.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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