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BFH 13.09.2016 - V B 26/16
BFH 13.09.2016 - V B 26/16 - Prüfung einer Aussetzung des Verfahrens bei verfrühter Untätigkeitsklage
Normen
§ 46 FGO, § 347 Abs 1 AO
Vorinstanz
vorgehend FG Nürnberg, 26. Januar 2016, Az: 2 K 1659/15, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Bei einer verfrüht erhobenen Untätigkeitsklage hat das FG gemäß § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO zu prüfen, ob eine Aussetzung des Verfahrens bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist geboten ist, da auch eine Untätigkeitsklage in die Zulässigkeit hineinwachsen kann .
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2. NV: Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes wird eine Aussetzung des Verfahrens statt einer Klageabweisung als unzulässig diesem Grundsatz eher gerecht, wenn der Kläger aus Rechtsgründen die Vorlage von Vorsteuerbelegen verweigert und ein weiteres Zuwarten bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist und erneuter Erhebung der Untätigkeitsklage das Verfahren nicht fördert .
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 26. Januar 2016 2 K 1659/15 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Nürnberg zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) reichte am 17. August 2012 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung 2010 ein, in der lediglich ein Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde. Daraufhin forderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger auf, weitere Nachweise für den Vorsteuerabzug vorzulegen.
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Am 25. Juli 2015 forderte der Kläger das FA auf, den Antrag zu bescheiden, worauf das FA wiederum um die Vorlage weiterer Unterlagen bat.
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Am 12. November 2015 erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, weitere Vorsteuern zu gewähren. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage am 26. Januar 2016 als unzulässig ab. Die Klage sei nicht nach § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Untätigkeits-Verpflichtungsklage zulässig, weil es an einem Einspruch oder Untätigkeitseinspruch fehle. Selbst wenn das Schreiben vom 25. Juli 2015 als Untätigkeitseinspruch auszulegen wäre, sei die Klage unzulässig, weil sie vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Einspruch erhoben worden sei und keine besonderen Umstände, die eine frühere Klageerhebung hätten geboten erscheinen lassen, vorlägen. Es sei keine Eile geboten, weil der Kläger die vom Amt geforderten Unterlagen nicht vorgelegt habe. Der Kläger stehe auf dem Standpunkt, aus einem rechtskräftigen Beschluss eines Verwaltungsgerichts über einen Wohngeldantrag ergebe sich, dass er eine Gewerbeabrechnung mit Ausgaben von ca. 164.000 € getätigt habe. Wegen der Rechtskraft dieses verwaltungsgerichtlichen Beschlusses sei er von der Vorlage der Vorsteuerbelege befreit.
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Gegen die Abweisung der Klage als unzulässig hat der Kläger persönlich Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und Prozesskostenhilfe beantragt, die der Senat mit Beschluss vom 18. März 2016 V S 7/16 bewilligt hat. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte nach Verstreichenlassen der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 FGO zur Nachholung des formgerechten Rechtsbehelfs formgerecht Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 31. Mai 2016 stattgegeben hat.
Entscheidungsgründe
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II. Die auf Verfahrensfehler gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
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1. Das FG hat die Untätigkeitsklage des Klägers zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Gemäß § 46 FGO ist eine Untätigkeitsklage zulässig, wenn das FA über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes sachlich nicht entscheidet. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, es ist eine kürzere Frist geboten. Das FG kann auch das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aussetzen.
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2. Danach durfte das FG die Klage nicht als unzulässig verwerfen.
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a) Der Kläger hatte am 17. August 2012 einen Antrag auf Änderung seiner als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geltenden ursprünglichen Umsatzsteuererklärung gestellt, den das FA binnen fast drei Jahren nicht beschieden hat. Hiergegen hat er am 25. Juli 2015 einen als Untätigkeitseinspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung --AO--) auszulegenden Antrag auf Bescheidung gestellt, worauf das FA wiederum auf die Vorlage der Vorsteuerbelege hinwies, anstatt den Antrag zu bescheiden.
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b) Die im Anschluss daran erhobene Untätigkeitsklage war zwar vor Ablauf von sechs Monaten erhoben worden, jedoch hätte das FG im Hinblick auf die Rechtsprechung des Senates (Beschluss vom 30. September 2015 V B 135/14, BFH/NV 2016, 51) beachten müssen, dass wegen der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes und der Unsicherheit, ob wegen der in § 46 FGO verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe die Untätigkeitsklage verfrüht erhoben worden ist, eine Aussetzung des Verfahrens nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO regelmäßig in Betracht zu ziehen ist, denn auch eine verfrüht erhobene Untätigkeitsklage kann in die Zulässigkeit hineinwachsen. Dem Grundrecht auf effektiven, zeitnahen Rechtsschutz wird eine Aussetzung des Verfahrens eher gerecht als die Abweisung der Untätigkeitsklage als verfrüht mit der Folge einer erneuten Klage. Dies gilt gerade im Streitfall, in dem der Kern des Rechtsstreits darin besteht, dass die Verwaltung seit Jahren den Kläger zur Vorlage von Vorsteuerbelegen auffordert, was dieser aus Rechtsgründen (rechtskräftiger Beschluss eines Verwaltungsgerichts in einem Wohngeldverfahren) nicht für erforderlich hält und somit ein weiteres Zuwarten bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist das Verfahren nicht fördern würde.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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