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BFH 31.05.2016 - VII R 15/15
BFH 31.05.2016 - VII R 15/15 - Keine Saldierung mit Unterlieferungen bei unrichtiger oder unvollständiger Angabe des Milcherzeugers
Normen
§ 14 Abs 1 S 6 MilchAbgV, § 14 Abs 1 S 5 MilchAbgV, § 162 AO, Art 11 EGV 595/2004, Art 10 EGV 1788/2003
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 8. Mai 2014, Az: 6 K 1083/11 Z, Urteil
Leitsatz
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NV: Der Ausschluss der Saldierung unter den in § 14 Abs. 1 Satz 6 MilchAbgV genannten Voraussetzungen verstößt nicht gegen Unionsrecht (Festhaltung an BFH-Urteil vom 16. April 2013 VII R 9/12). Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Mai 2014 6 K 1083/11 Z wird als unbegründet zurückgewiesen, soweit das Verfahren nicht für erledigt erklärt worden ist.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Klägerin zu 2/3 und das Hauptzollamt zu 1/3 zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im streitigen Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 Milcherzeuger und Inhaber einer Anlieferungs-Referenzmenge (ARM). Ermittlungen ergaben, dass die Klägerin in den Monaten Februar und März 2005 von ihr erzeugte Milch auf die ARM des Milcherzeugers W geliefert hatte. Die Menge der der Klägerin zuzurechnenden, aber auf die ARM des W gelieferten Milch ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) im Wege der Schätzung auf der Grundlage der durchschnittlichen Produktionsmenge des W pro Tag und Kuh im Monat Januar 2005. Für die sich danach ergebende Überlieferung der Klägerin setzte das HZA mit Bescheid vom 23. Oktober 2009 Milchabgabe in Höhe von 10.532,92 € gegen die Klägerin fest. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
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Im anschließenden Klageverfahren setzte das HZA die Milchabgabe mit Änderungsbescheid vom 16. Januar 2014 auf nunmehr 15.917,90 € fest und gab zur Begründung an, eine erneute Schätzung der auf die ARM des W gelieferten Milchmenge anhand der durchschnittlichen Produktionsmenge des W in den nunmehr zugrunde gelegten Monaten April 2004 bis Januar 2005 führe zu einer höheren Liefermenge der Klägerin.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, wobei es davon ausging, der Bescheid vom 16. Januar 2014 sei Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Das HZA sei berechtigt, die Milchabgabe durch Bescheid gegen die Klägerin festzusetzen, da diese ihre ARM überliefert habe. Eine Saldierung der überlieferten Milchmenge mit Unterlieferungen auf Landes- und Bundesebene habe das HZA zu Recht abgelehnt, da die Klägerin unrichtige Angaben über ihre tatsächliche Liefermenge gemacht habe. Die Schätzung der überlieferten Menge sei dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig. Die im Wege einer Durchschnittsberechnung bezogen auf den Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 ermittelte Milchproduktionsmenge pro Kuh sei nicht zu beanstanden. Die in der Schätzung liegende Unsicherheit habe die Klägerin hinzunehmen. Der durch die Umstände des Falls gezogene Schätzungsrahmen sei nicht verlassen worden.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das HZA habe den angefochtenen Abgabenbescheid nicht während des Klageverfahrens zu ihrem Nachteil ändern dürfen. Im Übrigen verletze das FG-Urteil Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 312/1), denn der Ausschluss von der Saldierung sei eine Sanktion i.S. dieser Verordnung, für die es keine unionsrechtliche Grundlage gebe. Außerdem rügt die Klägerin Verfahrensmängel: Das FG habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, habe den Sachverhalt unzureichend geklärt und sich in gehörsverletzender Weise nicht mit ihren (der Klägerin) Einwendungen gegen die Schätzung auseinandergesetzt.
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In der mündlichen Verhandlung hat das HZA auf einen rechtlichen Hinweis des Senats den Änderungsbescheid vom 16. Januar 2014 aufgehoben. Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Die Klägerin beantragt nunmehr, die Vorentscheidung und den Bescheid vom 23. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Dezember 2010 aufzuheben.
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Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist die Revision der Klägerin unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Bescheid vom 23. Oktober 2009 ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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Mit dem angefochtenen Bescheid ist zu Recht Milchabgabe gegen die Klägerin festgesetzt worden, weil sie im Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 ihre ARM überliefert hat. Die maßgebenden unionsrechtlichen und nationalen Vorschriften, die für den Fall der Überlieferung der ARM die Erhebung einer Abgabe vorsehen, hat das FG zutreffend bezeichnet. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
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Dass die in den Monaten Februar und März 2005 an W abgegebene Milch der Klägerin zuzurechnen ist, steht außer Zweifel. Zwischen den Beteiligten streitig war bisher allein die abgegebene Menge. Da sich diese nicht mehr ermitteln lässt, war sie vom HZA zu schätzen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen i.V.m. § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung). Für das FG ergibt sich die Schätzungsbefugnis aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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Die Schätzung der an W abgegebenen Menge durch das HZA ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist im Streitfall nicht nur vertretbar, sondern naheliegend, die an W abgegebene Milchmenge anhand eines Vergleichs seiner Lieferungen in den Monaten Februar und März 2005 mit seinen Lieferungen außerhalb dieses Zeitraums zu schätzen. Die Klägerin hat sich bisher sowohl im finanzgerichtlichen Verfahren als auch mit ihrer Revision gegen die Schätzung auf der Grundlage der Milchlieferungen des W in den Monaten April 2004 bis Januar 2005 gewandt. Auch ihre Verfahrensrügen richteten sich gegen die Schätzung auf dieser Grundlage. Nachdem der Änderungsbescheid vom 16. Januar 2014 aufgehoben und der ursprüngliche Abgabenbescheid vom 23. Oktober 2009 Gegenstand des Verfahrens ist, basiert die Schätzung wieder auf den Milchlieferungen des W allein im Monat Januar 2005. Die Einwendungen der Klägerin gegen die bisherige Schätzung der an W abgegebenen Milchmenge haben sich daher erledigt, was die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt hat.
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Die geschätzte Menge der Überlieferung war auch nicht nach § 14 Abs. 1 der Milchabgabenverordnung (MilchAbgV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. August 2004 (BGBl I 2004, 2143) mit Unterlieferungen zu saldieren, weil die Klägerin unrichtige Angaben über ihre tatsächliche Milchlieferung gemacht hat (Satz 6 der Vorschrift). Dies hat das FG zutreffend erkannt. Der Auffassung der Revision, der Ausschluss von der Saldierung unter den in § 14 Abs. 1 Satz 6 MilchAbgV genannten Voraussetzungen verstoße gegen Unionsrecht, ist nicht zu folgen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 16. April 2013 VII R 9/12 (BFHE 242, 380) entschieden, der Ausschluss vom Saldierungsverfahren sei mit Unionsrecht vereinbar. Die gegen jenes Senatsurteil erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2015 1 BvR 817/14). Der Senat hält an dieser Entscheidung fest und hat nach wie vor auch keine die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gebietenden rechtlichen Zweifel.
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Die Verfahrensrüge, das FG habe sich in gehörsverletzender Weise nicht mit den Einwendungen der Klägerin gegen die Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 6 MilchAbgV auseinandergesetzt, ist unbegründet. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verlangt nicht, dass das Gericht sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Beteiligtenvorbringen befasst, sondern allein, dass es dieses Vorbringen zur Kenntnis nimmt. Dies ist im Streitfall geschehen, wie der Tatbestand des angefochtenen Urteils deutlich zeigt. Das FG ist den Einwendungen der Klägerin lediglich nicht gefolgt. Darin liegt keine Gehörsverletzung. Im Übrigen erweist sich die Entscheidung des FG zur Saldierung ungeachtet des behaupteten Verfahrensmangels als jedenfalls im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO), wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt.
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Auch die Ausführungen des FG zur Abgabenerhebung trotz fehlender Auswirkung auf die an die Union abzuführende mitgliedstaatliche Abgabe sowie zur angeblich nicht zweckgerichteten Verwendung des Abgabenaufkommens entsprechen der Rechtsprechung des erkennenden Senats, auf die das FG in den Entscheidungsgründen Bezug genommen hat und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1 Satz 1, § 138 Abs. 2 FGO.
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