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BFH 01.03.2016 - XI R 9/15
BFH 01.03.2016 - XI R 9/15 - Zur (zweifachen) Berichtigung der Umsatzsteuer bei und nach der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
Normen
§ 17 Abs 2 Nr 1 S 1 UStG 2005, Art 90 EGRL 112/2006, § 21 InsO, § 22 InsO, § 23 InsO, § 24 InsO, § 27 InsO, § 38 InsO, § 55 Abs 4 InsO, § 80 InsO, § 82 InsO, § 17 Abs 2 Nr 1 S 2 UStG 2005, § 2 Abs 1 S 2 UStG 2005, UStG VZ 2012
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 15. Januar 2015, Az: 5 K 5182/13, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, ist der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG wegen Uneinbringlichkeit zu berichtigen (erste Berichtigung).
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2. NV: Eine nachfolgende Vereinnahmung des Entgelts durch den vorläufigen Insolvenzverwalter führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung des Steuerbetrages und begründet nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 4 InsO.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Januar 2015 5 K 5182/13 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A-GmbH (GmbH).
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Mit Beschluss vom 14. Mai 2012 ordnete das Amtsgericht (AG) über das Vermögen der GmbH die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestellte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Verfügungen der GmbH wurden nur mit Zustimmung des Klägers wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Insolvenzordnung --InsO--). Das AG untersagte der GmbH die Einziehung von Außenständen, wies Drittschuldner an, ihre Verbindlichkeiten nur an den Kläger zu entrichten und ermächtigte diesen, Bankguthaben und sonstige Forderungen der GmbH einzuziehen sowie eingehende Gelder und Schecks entgegenzunehmen. Das Insolvenzverfahren wurde am 25. Juni 2012 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt (§ 27 InsO).
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Die GmbH führte den Geschäftsbetrieb bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort und meldete die in der Zeit vom 14. Mai 2012 bis zum 31. Mai 2012 ausgeführten Umsätze unter ihrer bestehenden Steuernummer an. Mit Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Mai 2012 vom 18. September 2012 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die für die Zeit vom 14. Mai 2012 bis 31. Mai 2012 angemeldeten Beträge hingegen unter der (vom FA neu vergebenen) Steuernummer für die Insolvenzmasse fest.
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Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und hob den Vorauszahlungsbescheid für Mai 2012 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung auf. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1847 veröffentlicht.
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Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Umsatzsteuerforderung des FA stelle eine Insolvenzforderung dar. Das FG folge der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 24. September 2014 V R 48/13 (BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506) insoweit, als es für die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO auf die dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehenden rechtlichen Befugnisse ankomme.
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Entgegen der BFH-Rechtsprechung führe die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit dem Recht zum Forderungseinzug nicht zu einer Uneinbringlichkeit der Entgelte für Leistungen der GmbH vor oder nach der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Es entspreche weder dem Wortsinn des Begriffs "Uneinbringlichkeit" noch dem Zweck des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), dass durch bloße Veränderungen in der Gläubigerstellung ohne Zutun des Schuldners eine Berichtigungspflicht auf beiden Seiten der Umsatzbeteiligten ausgelöst werde. Sollte keine korrespondierende Berichtigungspflicht für den Schuldner bestehen, so widerspreche dies dem in Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) vorgegebenen Korrespondenzprinzip. Das FG schließe sich der vom 7. Senat des FG im Urteil vom 2. April 2014 7 K 7337/12 (EFG 2014, 1427) vertretenen Auffassung an, dass die Qualifizierung offener Steuerforderungen als bevorrechtigte Masseverbindlichkeiten (sog. Fiskus-Privileg) einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage bedürfe. Diese liege nicht in der Korrekturvorschrift des § 17 UStG, denn diese auf Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL beruhende Bestimmung bezwecke lediglich die Sicherstellung der Besteuerung des tatsächlich erhaltenen Entgelts. Dass der BFH im Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506 einen Verstoß gegen Unionsrecht verneint habe, sei vor diesem Hintergrund nicht überzeugend.
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Mit seiner Revision rügt das FA die Abweichung des FG von der Rechtsprechung des BFH in den Urteilen vom 9. Dezember 2010 V R 22/10 (BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) und in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506.
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Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Er hält die Vorentscheidung für zutreffend.
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Die Rechtsprechung des BFH führe zu einem nicht ausdrücklich gesetzlich geregelten Rangvorrecht des Fiskus, das nicht durch richterrechtliche Rechtsfortbildung geschaffen werden dürfe und deshalb verfassungswidrig sei. Im Fall der Sollbesteuerung würden Insolvenzforderungen in den Rang von Masseverbindlichkeiten erhoben. Die zur Masse fließenden Umsatzsteuerbeträge würden separiert und dem Fiskus zulasten der übrigen Gläubiger --ähnlich einem Aussonderungsrecht-- zugewiesen.
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Die Auslegung des BFH sei auch nicht mit Unionsrecht vereinbar. Der Fall der Insolvenzeröffnung sei in Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL, auf dem § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG beruhe, nicht vorgesehen. Im österreichischen und im englischen Recht sei für die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen einerseits und Masseforderungen andererseits allein entscheidend, ob die Leistung vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht worden sei. Die Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit durch den BFH führe damit zu einer unterschiedlichen Erhebung der Umsatzsteuer in verschiedenen Mitgliedstaaten, weshalb der erkennende Senat zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union verpflichtet sei.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Entgegen der Auffassung des FG sind im streitgegenständlichen Voranmeldungszeitraum Mai 2012 insolvenzrechtliche Masseverbindlichkeiten entstanden. Die Entgelte für die von der GmbH vor der Bestellung des Klägers zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug erbrachten steuerpflichtigen Leistungen sind durch seine Bestellung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich geworden (erste Berichtigung). Die nachfolgende Vereinnahmung der Entgelte für diese Leistungen durch den Kläger führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung und begründet Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 Abs. 4 InsO. Die vom FG geäußerte Kritik an der Rechtsprechung des BFH greift nicht durch.
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1. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt für eine uneinbringliche Forderung nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Diese erneute Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen.
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a) Uneinbringlich ist ein Entgelt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1; vom 12. August 2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393, Rz 20; vom 24. Oktober 2013 V R 31/12, BFHE 243, 451, BStBl II 2015, 674, Rz 19).
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b) Nach der Rechtsprechung des V. Senats des BFH werden noch ausstehende Entgelte für zuvor erbrachte steuerpflichtige Leistungen eines Unternehmers gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich, wenn über sein Vermögen gemäß § 27 InsO das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Denn gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten oder über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Folglich ist der Unternehmer dann aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen sind und damit zum Bereich der Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO gehören (vgl. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 30; vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 51 ff.; in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 27).
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c) Auch wenn das Insolvenzgericht --vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO)-- gemäß § 21 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug bestellt, ist der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer vor oder nach der Verwalterbestellung bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Leitsatz 2).
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Zwar ergibt sich das Recht zum Forderungseinzug hier nicht aus den einem Insolvenzverwalter gemäß §§ 80 ff. InsO zustehenden Befugnissen. Erlässt das Insolvenzgericht aber entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 InsO) das Verbot an Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen, und ermächtigt es den vorläufigen Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen (§ 22 Abs. 2 InsO), wird damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber Drittschuldnern gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO entspricht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 28, m.w.N.).
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2. Nach diesen Grundsätzen sind die Entgelte für von der GmbH vor der Bestellung des Klägers zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug ausgeführte steuerpflichtige Leistungen durch seine Bestellung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich geworden. Vereinnahmt der Kläger danach Entgelte für diese Leistungen, ist die Umsatzsteuer (zum zweiten Mal) zu berichtigen. Die dadurch entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 4 InsO dar.
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a) Die Umsatzsteuer für die von der GmbH ausgeführten steuerpflichtigen Leistungen ist mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Leistungsausführung entstanden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG). Die Steuerbeträge sind allerdings durch die Bestellung des Klägers zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug uneinbringlich geworden und nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 52; in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 26 ff.; BFH-Beschluss vom 11. März 2014 V B 61/13, BFH/NV 2014, 920, Rz 6).
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b) Die Vereinnahmung der zuvor uneinbringlich gewordenen Entgelte durch den Kläger führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 31; in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 33).
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c) Die aufgrund dieser Vereinnahmung entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 4 InsO dar.
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aa) Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.
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Diese Vorschrift findet Anwendung auf den vorläufigen Insolvenzverwalter - mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 InsO) --wie im Streitfall--, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 InsO, § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO übergegangen ist (sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter s. zur Abgrenzung: BFH-Urteil vom 28. Februar 2008 V R 44/06, BFHE 221, 415, BStBl II 2008, 586, unter II.4.b cc, Rz 52 ff.; vgl. Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Aufl., § 55 Rz 108; MünchKommInsO/Hefermehl, 3. Aufl., § 55 Rz 242; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 20. Mai 2015, BStBl I 2015, 476, Rz 2).
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bb) Die aufgrund der Vereinnahmung der ausstehenden Entgelte durch den Kläger (als vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Vorsteuerabzug) gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG entstehende Umsatzsteuer stellt eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 4 InsO dar. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 32, m.w.N.). Zu diesem Zeitpunkt ist die umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 4 InsO "begründet". Das gilt jedenfalls dann, wenn --wie im Streitfall-- der Forderungseinzug zu den rechtlichen Befugnissen des vorläufigen Insolvenzverwalters gehört (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Leitsatz 1).
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3. Die vom FG und vom Kläger an dieser Rechtsprechung geübte Kritik dringt nicht durch.
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a) Entgegen der Auffassung des FG kommt es nach der Rechtsprechung des BFH für den Eintritt der Uneinbringlichkeit nicht auf den (formellen) Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter an. Maßgeblich ist vielmehr das damit einhergehende rechtliche Unvermögen der GmbH (als Gläubigerin und spätere Insolvenzschuldnerin), die ausstehenden Forderungen für die von ihr ausgeführten Leistungen einzuziehen. Das rechtliche Unvermögen des Gläubigers, seine Forderung durchzusetzen, steht --anders als das FG und der Kläger meinen-- wirtschaftlich der Zahlungsunfähigkeit oder dem mangelnden Zahlungswillen des Schuldners gleich, die die Hauptanwendungsfälle des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bilden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389, unter 3., Rz 14; vom 7. Januar 1998 V B 106/97, BFH/NV 1998, 1003; Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; s. auch BFH-Beschluss vom 26. Februar 2008 XI B 169/07, BFH/NV 2008, 830, unter 3., Rz 10 f.).
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Der Senat folgt deshalb nicht der Auffassung, der Begriff der "Uneinbringlichkeit" beziehe sich nur auf die Nichtzahlung durch den Forderungsschuldner (Leistungsempfänger) aufgrund von dessen Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit (Kahlert, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 921, 925, und DStR 2015, 1485, 1486; Welte/Friedrich-Vache, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis --ZIP-- 2011, 1595, 1600; Roth, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2014, 309, 310; Seer, ZIP 2014, Beilage zu Heft 42, 1, 5; Waza in Waza/ Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 11. Aufl., Rz 1977; Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz 382; Neumann in Beermann/Gosch, AO § 251 Rz 114.1).
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b) Diese --hier allein maßgebliche-- Auslegung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG verstößt entgegen der Auffassung des FG weder gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (§ 1 InsO) noch führt sie zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des Fiskus (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.2.c, Rz 20 ff.; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 54; BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920, Rz 7).
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Soweit das FG der Auffassung ist, eine Qualifizierung offener Steuerforderungen als bevorrechtigte Masseforderungen (sog. Fiskus-Privileg) bedürfe einer eindeutigen gesetzlichen Regelung, die nicht in § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zu sehen sei, vermag sich der erkennende Senat dem nicht anzuschließen.
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Vielmehr erfolgt die angegriffene "Umqualifizierung von Steuerforderungen im Insolvenzeröffnungsverfahren" durch § 55 Abs. 4 InsO. Darin liegt entgegen der Auffassung des Klägers keine verfassungswidrige Privilegierung des Fiskus, sondern im Gegenteil eine Beseitigung einer vom Gesetzgeber gesehenen Benachteiligung des Fiskus. Vor Inkrafttreten des § 55 Abs. 4 InsO wurden durch Umsätze von einem sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters Umsatzsteuerbeträge als Insolvenzforderungen begründet, die die Insolvenzmasse angereichert haben, ohne dass der Gläubiger --hier der Fiskus-- darauf Einfluss hatte. Diese nach Ansicht des Gesetzgebers ungerechtfertigte Benachteiligung wurde durch § 55 Abs. 4 InsO i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 vom 9. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1885) beseitigt. Gleichzeitig dient die Regelung der Verhinderung von Missbrauch (vgl. BTDrucks 17/3030, S. 43).
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Soweit sich der Kläger auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 19. Oktober 1983 2 BvR 485/80, 2 BvR 486/80 (BVerfGE 65, 182) beruft, ist diese Entscheidung zur Konkursordnung ergangen und nicht mit der Rechtslage zur InsO vergleichbar.
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c) Der Auffassung des Klägers, der "Kunstgriff der Aufteilung des Unternehmens" sei mit dem Grundsatz der Unternehmeridentität nicht vereinbar, vermag der Senat ebenfalls nicht zu folgen.
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Der Grundsatz der Unternehmenseinheit nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers fort. Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts besteht das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung jedoch aus mehreren Unternehmensteilen (vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil, Insolvenzmasse und insolvenzfreies Vermögen), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 28 f.; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 11; vom 20. Dezember 2012 V R 23/11, BFHE 240, 377, BStBl II 2013, 334, Rz 9; jeweils m.w.N.).
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d) Die unter II.2. dargelegte Rechtsprechung des BFH ist --entgegen der Auffassung des FG und des Klägers-- mit Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL vereinbar. Das hat der V. Senat des BFH bereits im Einzelnen dargelegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 38; ebenso BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920, Rz 12). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
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e) Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 30. August 2010 1 BvR 1631/08, Neue Juristische Wochenschrift 2011, 288, unter B.II.1.; BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 XI R 36/10, BFHE 239, 534, BStBl II 2013, 412, Rz 39 ff., m.w.N.) besteht trotz der im österreichischen Recht möglicherweise abweichenden insolvenzrechtlichen Behandlung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten (vgl. dazu Kahlert, DStR 2015, 1485, 1488) nicht (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 920, Rz 12).
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4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen zur Höhe der vom Kläger im Zeitraum vom 14. Mai 2012 bis zum 31. Mai 2012 vereinnahmten Entgelte getroffen. Das FG wird dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
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Für das weitere Verfahren weist der erkennende Senat darauf hin, dass im Zeitpunkt der Bestellung des Klägers zum vorläufigen Insolvenzverwalter nicht nur die noch ausstehenden Entgelte uneinbringlich werden, sondern auch der Vorsteuerabzug aus nicht bezahlten Leistungsbezügen gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen ist. Die nachträgliche Vereinnahmung der zuvor uneinbringlich gewordenen Entgelte bzw. die mit Zustimmung des Klägers erfolgte Zahlung der Entgelte für bezogene Leistungen begründen jeweils eigene Berichtigungsansprüche (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG), die gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 UStG zur Ermittlung der Masseverbindlichkeit zu saldieren sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 40 ff.; zur Berechnung auch BMF-Schreiben in BStBl I 2015, 476, Rz 32 ff.). Dabei muss die Summe der im Voranmeldungszeitraum Mai 2012 insgesamt entstehenden Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten der sich insgesamt für die GmbH ergebenden Umsatzsteuerschuld entsprechen (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 28; in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 45).
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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