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BFH 27.01.2016 - VII B 119/15
BFH 27.01.2016 - VII B 119/15 - Keine Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten - Regelungsanordnung
Normen
Art 3 EGV 1346/2000, Art 16 Abs 1 EGV 1346/2000, Art 26 EGV 1346/2000, Art 40 EGV 1346/2000, § 114 Abs 1 S 2 FGO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 28. August 2015, Az: 3 V 65/15, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des Finanzamts, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, ist der Finanzrechtsweg gegeben .
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2. NV: Eine rechtsmissbräuchliche Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland nur zum Schein kann einen Verstoß gegen den ordre public darstellen und einer Anerkennung des ausländischen Insolvenzverfahrens entgegenstehen. Ferner kann sich der Antragsteller nicht auf die Restschuldbefreiung berufen, wenn er im Rahmen des bankruptcy-Verfahrens teilweise falsche Angaben gemacht hat .
Tenor
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Der Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. August 2015 3 V 65/15 wird aufgehoben und der Antrag abgelehnt.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist seit 1991 als Steuerberater in B tätig. Er hat aus den Jahren 1991 bis 2000 Steuerschulden gegenüber dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt B --FA--). Diese belaufen sich laut Abrechnungsbescheid vom 13. April 2015 auf 1.172.972,25 €. Über den Einspruch des Antragstellers gegen den Abrechnungsbescheid und den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieses Abrechnungsbescheids hat das FA nach Aktenlage noch nicht entschieden. Die Vollstreckung gegenüber dem Antragsteller verlief bislang erfolglos.
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Am 8. Juli 2009 richtete das FA einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an das Insolvenzgericht A, den dieses mit Beschluss vom 12. August 2009 als unzulässig zurückwies.
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Am 10. September 2009 stellte das FA einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers beim Amtsgericht (AG) B. Dagegen erhob der Antragsteller Klage beim Finanzgericht (FG) und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Kurze Zeit bevor das FA den Insolvenzantrag zunächst in A und sodann in B gestellt hatte, wurde ihm bekannt, dass auf Antrag des Antragstellers bereits am 11. August 2008 vor dem High Court of Justice in London ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes Bankruptcy-Verfahren) nach Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 (VO Nr. 1346/2000) des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 160/1) i.d.F. nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 663/2014 des Rates vom 5. Juni 2014 (ABlEU Nr. L 179/4) eröffnet worden war, in dem dem Antragsteller am 11. August 2009 die Restschuldbefreiung (discharge) erteilt worden war. Das FA war im Rahmen dieses Insolvenzhauptverfahrens nicht angehört worden.
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Am 8. Juli 2010 beantragte das FA beim High Court of Justice den Widerruf der Restschuldbefreiung. Nach dem Vortrag des FA im Verfahren vor dem FG kam es aus nicht mehr aufklärbaren Gründen nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens.
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Am 30. September 2014 beantragte das FA beim High Court of Justice in London erneut die Aufhebung der Insolvenzeröffnung vom 11. August 2008 (bankruptcy order) mit der Begründung, der Antragsteller habe nie wirklich in England gelebt. Sein center of main interests (COMI) habe sich niemals in England befunden. Nach dem Vorbringen des FA wurde diesbezüglich für den 1. und 2. Februar 2016 eine mündliche Verhandlung vor dem High Court of Justice anberaumt.
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Mit Beschluss vom 28. August 2015 kam das FG zu dem Ergebnis, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig und begründet. Der Antragsteller habe Anspruch auf Rücknahme des auf die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gerichteten Antrags vom 10. September 2009 an das AG B, da das Hauptinsolvenzverfahren durch die am 11. August 2009 erteilte Restschuldbefreiung in England bereits beendet gewesen sei. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob nach Erteilung der Restschuldbefreiung im Hauptinsolvenzverfahren noch ein Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gestellt werden könne, da das Sekundärinsolvenzverfahren in seiner Wirkung vom Hauptinsolvenzverfahren abhängig sei. Die Restschuldbefreiung sei bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne weitere Förmlichkeiten anzuerkennen, sofern kein ordre-public-Verstoß vorliege. Es sei zwar aufgrund der Feststellungen des FA davon überzeugt, dass sich der Antragsteller rechtsmissbräuchlich die Zuständigkeit des High Court of Justice für die Eröffnung des Insolvenzhauptverfahrens erschlichen habe. Es sei jedoch ernstlich zweifelhaft, ob die rechtsmissbräuchliche Zuständigkeitserschleichung ein Verstoß gegen den ordre public sei und somit die in England erteilte Restschuldbefreiung in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nicht anzuerkennen sei. In einem Missbrauchsfall sei zwar tatsächlich die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts nicht gegeben. Werde diese aber dennoch von dem entscheidenden Gericht im Ausland angenommen, könne eine Anerkennung der Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts nicht versagt werden. Gegebenenfalls sei die Annahme der Eröffnungszuständigkeit durch das ausländische Gericht mit Rechtsmitteln anzugreifen.
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Seine Beschwerde begründet das FA im Wesentlichen folgendermaßen: Es müsse sich die in England am 11. August 2009 vom High Court of Justice erwirkte Restschuldbefreiung des Antragstellers nicht entgegenhalten lassen. Die Anerkennung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat setze voraus, dass der Insolvenzschuldner in einem anderen Mitgliedstaat den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen gehabt habe, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Vielmehr habe sich der Antragsteller die Zuständigkeit des englischen Gerichts erschlichen. Insoweit könne der Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens auch als Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens betrachtet werden. Außerdem sei es (das FA) im Insolvenzverfahren nicht gehört worden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller sich seit Jahren seiner Zuständigkeit zu entziehen versuche und konsequent seinen Wohnsitz verschleiere.
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Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerberaters führe ferner nicht unmittelbar zum Widerruf der Bestellung. Vielmehr müsse die zuständige Steuerberaterkammer ein Verfahren zur Prüfung des Widerrufs der Bestellung einleiten. Im Übrigen habe das in England durchgeführte Insolvenzverfahren bis heute nicht zu einem Widerruf der Bestellung geführt.
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Das FA beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde für die Dauer des Beschwerdeverfahrens anzuordnen sowie die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Rücknahme des Insolvenzantrags beim AG B unter Aufhebung der Vorentscheidung abzulehnen.
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Der Antragsteller beantragt, die Anträge abzulehnen.
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Es werde nicht dargelegt, warum eine gegebenenfalls fehlerhafte Annahme der eigenen Zuständigkeit durch das englische Gericht in Deutschland ein Ergebnis schaffe, das offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung unvereinbar wäre. Vielmehr sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das englische Gericht anzuerkennen, unabhängig davon, ob die eigene internationale Zuständigkeit zu Recht angenommen worden sei oder nicht. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das englische Gericht gehe ins Leere, zumal eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss auch in einer geeigneten Zeitung und der London Gazette erscheine. Das FA habe auch nicht dargelegt, woraus sich im Jahr 2008 eine Zuständigkeit zu seinen Gunsten ergebe, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Hauptsitz seiner (des Antragstellers) Kanzlei in A befunden habe, während er in B lediglich in einer Beratungsstelle als Nebensitz aktiv gewesen sei. Erst nach Antragstellung in England hätten sich das FA und das Finanzamt A auf eine Zuständigkeit des FA verständigt. Weiterhin habe er im Zeitpunkt der Antragstellung vor dem High Court of Justice schon von seiner Ehefrau getrennt gelebt. Das FA habe nicht einlassungsfähig dargetan, dass er zum Zeitpunkt des Antrags in England Vermögenswerte besessen habe, die er in der Folgezeit auf seine Ehefrau übertragen habe. Das FA habe seit Insolvenzantragstellung am "11. September 2009" keine Unterbrechungshandlungen i.S. des § 231 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung getätigt. Der Antrag des FA vom 30. September 2014 an den High Court of Justice in London enthalte keine an den Abgabenpflichtigen gerichtete Zahlungsaufforderung.
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Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, weil der Insolvenzantrag des FA unzulässig sei und ein Widerruf seiner --des Antragstellers-- Zulassung für ihn fatale Folgen hätte. Andererseits stehe es dem FA frei, jederzeit erneut einen Insolvenzantrag zu stellen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist gegen den beim AG gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. schon zur Konkursordnung Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.; zur Insolvenzordnung --InsO-- Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).
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Auch das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung ist zu bejahen. Der Antrag ist --ebenso wie die Rücknahme des Antrags als actus contrarius-- zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses, und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710, und Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017). Für die Bejahung des Rechtsschutzinteresses ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA ausreichend.
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2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist schon unbegründet, weil der Senat nicht vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung ausgeht.
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Das FA hat nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ermessensfehlerhaft gestellt (vgl. § 102 FGO). Insoweit ist der Senat abweichend von § 118 Abs. 2 FGO nicht an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden, sondern prüft den Fall summarisch anhand des präsenten Aktenmaterials in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. November 2008 IV B 127/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R159, m.w.N.; Gosch in Beermann/Gosch, FGO § 69 Rz 122).
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a) Gemäß Art. 3 VO Nr. 1346/2000 ist am 11. August 2008 vor dem High Court of Justice in London ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes Bankruptcy-Verfahren) gegen den Antragsteller eröffnet worden, bei dem es sich um ein Insolvenzverfahren i.S. des Art. 2 Buchst. a i.V.m. Anhang A VO Nr. 1346/2000 handelt. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Vereinigten Königreich ist gemäß Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 grundsätzlich in Deutschland anzuerkennen (vgl. auch Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 1346/2000). Dasselbe gilt gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 1346/2000 für die dem Antragsteller am 11. August 2009 erteilte Restschuldbefreiung (discharge). Unabhängig davon, inwieweit die so genannte discharge from bankruptcy der Restschuldbefreiung i.S. des § 286 InsO vergleichbar ist, führt sie gemäß Insolvency Act 1986, Section 278 (b) zur Beendigung des bankruptcy-Verfahrens.
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Einer Anerkennung der Restschuldbefreiung im Sinne des englischen Rechts steht nicht schon entgegen, dass der Antragsteller seinen COMI möglicherweise nur kurzfristig nach Großbritannien verlegt hat. Denn Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 ist dahin auszulegen, dass das von einem Gericht eines Mitgliedstaats eröffnete Insolvenzverfahren von den Gerichten der übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist, ohne dass diese die Zuständigkeit des Gerichts des Eröffnungsstaats überprüfen können (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- Eurofood IFSC vom 2. Mai 2006 C-341/04, EU:C:2006:281, Rz 42; MG Probud vom 21. Januar 2010 C-444/07, EU:C:2010:24, Rz 29; Bank Handlowy and Adamiak vom 22. November 2012 C-116/11, EU:C:2012:739, Rz 41; vgl. zu Art. 102 Abs. 1 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 18. September 2001 IX ZB 51/00, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 960; BGH-Urteil vom 10. September 2015 IX ZR 304/13, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2015, 2331). Gegebenenfalls müssen Fragen hinsichtlich der Zuständigkeit im Rahmen von im Eröffnungsmitgliedstaat gegebenen Rechtsbehelfen gegen die Eröffnungsentscheidung geklärt werden (vgl. EuGH-Urteil Eurofood IFSC, EU:C:2006:281, Rz 43).
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b) Nach summarischer Prüfung sprechen die Umstände des vorliegenden Falles überwiegend dafür, dass sich der Antragsteller auf die vom High Court of Justice erteilte Restschuldbefreiung in Deutschland nicht berufen kann, weil dies dem Ordre-Public-Vorbehalt gemäß Art. 26 VO Nr. 1346/2000 oder jedenfalls dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche, der im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733).
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Nach Art. 26 VO Nr. 1346/2000 kann sich jeder Mitgliedstaat weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen, soweit diese Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des Einzelnen, unvereinbar ist. Dabei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann anzuwenden ist, wenn die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstößt und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des zur Anerkennung verpflichteten Mitgliedstaats steht. Bei dem Verstoß muss es sich um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des zur Anerkennung verpflichteten Mitgliedstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln (EuGH-Urteil Eurofood IFSC, EU:C:2006:281, Rz 62 ff.; vgl. auch EuGH-Urteil MG Probud, EU:C:2010:24, Rz 33 f.; EuGH-Urteil flyLAL-Lithuanian Airlines vom 23. Oktober 2014 C-302/13, EU:C:2014:2319, Rz 49; BGH-Beschluss in NJW 2002, 960; BGH-Urteil in ZIP 2015, 2331). Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens hat der Anspruch der Gläubiger oder ihrer Vertreter auf Teilnahme am Verfahren unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit eine besondere Bedeutung.
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Allein die Möglichkeit, in Großbritannien schneller eine Restschuldbefreiung zu erreichen, genügt nicht, um die Voraussetzungen des Art. 26 VO Nr. 1346/2000 zu bejahen. Ein Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung ("ordre public") im Sinne eines Rechtsmissbrauchs kann sich jedoch daraus ergeben, dass eine nur vorübergehende Wohnsitzverlegung (bzw. eine nur vorübergehende Verlegung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen) in einen anderen Staat erfolgt, um unter dort erleichterten Bedingungen eine Restschuldbefreiung zu erwirken (vgl. BGH-Beschluss in NJW 2002, 960). Im Fall einer rechtsmissbräuchlichen Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland nur zum Schein kann unter diesen Umständen das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts unter Beachtung inländischer Rechtsvorstellungen untragbar erscheinen (vgl. BGH-Beschluss in NJW 2002, 960).
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Das FA hat substantiiert dargelegt, dass der Antragsteller seinen COMI nur zum Schein nach Großbritannien verlegt hat, um die Vorteile des britischen Insolvenzverfahrens in Form einer schnelleren Restschuldbefreiung erlangen zu können.
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Gegen eine tatsächliche Verlegung des COMI nach Großbritannien mindestens sechs Monate vor der Antragstellung am 11. August 2008 spricht, dass der Antragsteller im April 2008 noch die Partnergesellschaft "…" (eingetragen im Partnerschaftsregister des AG A unter PR …) mit einer Repräsentanz in B gegründet hat und für diese tätig gewesen ist. Seine Tätigkeit als Steuerberater, teilweise auch in B, hat die Einvernahme der Zeugin C durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts E bestätigt (vgl. Niederschrift vom 8. April 2014), wonach er in seinem Büro in B beispielsweise Schreiben unterzeichnet habe. Nach den Angaben des Zeugen D war der Antragsteller im fraglichen Zeitraum in der Regel ein bis zwei Tage im Büro anwesend bzw. nicht länger als ein oder zwei Wochen abwesend (vgl. Vernehmungsniederschrift der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts E vom 8. April 2014). Er sei u.a. als Steuerberater in Deutschland tätig gewesen. Außerdem habe es Rücksprachen gegeben und seien Mandate betreut worden. Ferner habe der Antragsteller auch Mandanten in anderen Ländern als Großbritannien betreut. Außerdem sind von beiden Zeugen Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen, z.B. die X-GmbH, angesprochen worden. Auch die Zeugin F hat gegenüber dem Finanzamt E am 8. April 2014 ausgesagt, der Antragsteller sei in den Jahren 2008 und 2009 als Geschäftsführer einer GmbH und als Steuerberater in Deutschland tätig und ein paar Tage die Woche in B gewesen.
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Weiterhin hat der Antragsteller vor dem High Court of Justice seinen Familienstand unzutreffenderweise mit "single" angegeben, während sich aus dem Zwischenbericht des Rechtsanwalts G an das – Insolvenzgericht vom 4. September 2014 ergibt, der Antragsteller sei zum damaligen Zeitpunkt verheiratet gewesen.
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Gegen eine tatsächliche Verlegung des COMI nach Großbritannien spricht schließlich, dass der Antragsteller in den Monaten vor der Antragstellung beim High Court of Justice nach summarischer Prüfung zahlreiche Termine in Deutschland wahrgenommen hat (vgl. an den High Court of Justice gerichtete Zeugenaussage von Frau H vom 12. September 2014 im Zusammenhang mit dem Antrag des FA auf Aufhebung bzw. Ungültigkeitserklärung des am 11. August 2008 erlassenen Konkurseröffnungsbeschlusses, insbesondere ab Ziffer 46).
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c) Der Antragsteller kann sich auch nicht auf die Restschuldbefreiung berufen, weil er im Rahmen des bankruptcy-Verfahrens teilweise falsche Angaben gemacht hat und daher viel dafür spricht, dass ihm die so genannte discharge zu Unrecht erteilt worden ist.
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U.a. hat er die Gründung der Partnergesellschaft "…" im April 2008 nicht in der Vermögensauskunft für den High Court of Justice angegeben.
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Auch verschiedene Tätigkeiten als Geschäftsführer in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung hat er nicht offengelegt. Dies betrifft drei in der Schweiz ansässige Gesellschaften, nämlich das Institut I-GmbH, das Institut J-AG und die K-AG, aus denen er im Jahr 2007 ausgeschieden war (vgl. die in den Akten enthaltenen Handelsregisterauszüge). Außerdem hat der Antragsteller in dem beim High Court of Justice abgegebenen Vermögensverzeichnis seine Tätigkeit als Mitgeschäftsführer bei der Steuerberatungsgesellschaft L-GmbH mit Sitz in A und seine Anteile an der M-GmbH nicht angegeben.
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Die Angaben des Antragstellers zu seinem Vermögen waren ferner insofern unvollständig, als er im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung beim High Court of Justice Eigentümer eines Appartements in (Ausland) gewesen ist. Für das Eigentum an dieser Wohnung sprechen die Entrichtung der Grundsteuer und die Angabe dieser Wohnung in einer Selbstauskunft vom 13. Mai 2008.
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d) Schließlich bestehen auch Bedenken gegen eine Anerkennung der Restschuldbefreiung, weil der Antragsteller das FA gegenüber dem High Court of Justice als Gläubiger verschwiegen hat und dieses somit im Rahmen des englischen Insolvenzverfahrens nicht entsprechend dem Verfahren nach Art. 40 VO Nr. 1346/2000 angehört worden ist, obwohl viel dafür spricht, dass es hätte beteiligt werden müssen.
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Der Hinweis des Antragstellers auf eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss in der Presse ist nicht geeignet, die Gehörsverletzung auszugleichen, weil dies eine förmliche Mitteilung des englischen Gerichts gemäß Art. 40 VO Nr. 1346/2000 nicht ersetzt.
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Die Zuständigkeit des FA oder eines anderen Finanzamts, insbesondere des Finanzamts A, das er gegenüber dem High Court of Justice als einzigen Gläubiger angegeben hat, ist noch nicht geklärt. Der bisherige Vortrag des Antragstellers ist nicht substantiiert genug, um die Zuständigkeit eines anderen Finanzamts nachvollziehen zu können.
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e) Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens dürfte auch zu klären sein, warum es infolge des am 8. Juli 2010 beim High Court of Justice beantragten Widerrufs der Restschuldbefreiung nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens gekommen ist und ob sich das FA insofern Versäumnisse entgegenhalten lassen muss und deshalb Verjährung eingetreten ist.
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Insgesamt sprechen zum derzeitigen Verfahrensstand die überwiegenden Umstände gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs.
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3. Die Aufrechterhaltung der erstinstanzlich zugesprochenen einstweiligen Anordnung kommt jedenfalls mangels eines Anordnungsgrundes nicht in Betracht.
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Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (so genannte Regelungsanordnung). Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich genannten. Sie müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (Senatsbeschlüsse vom 7. Januar 1999 VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818, m.w.N., und vom 21. Januar 1999 VII B 214/98, BFHE 187, 170, BStBl II 1999, 141).
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Dies gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern --wie vom Antragsteller-- die Vorwegnahme der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Regelungsanordnung darf nach ständiger Rechtsprechung nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen (vgl. Beschluss des Senats vom 22. August 1995 VII B 153, 154, 167, 172/95, BFHE 178, 15, BStBl II 1995, 645, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Etwas anderes gilt im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) nur dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1977 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, und vom 25. Oktober 1988 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69).
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Der Antragsteller hat derartige wesentliche Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Wie sich aus § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes ergibt, ist die Bestellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird erst dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO) eingetragen ist.
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Ob tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, ist im Streitfall noch nicht entschieden. Vielmehr hat das Insolvenzgericht zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen und ob eine eventuelle Aberkennung der Restschuldbefreiung nach dem Termin im Februar 2016 vor dem High Court of Justice gemäß Section 375 Abs. 1 Insolvency Act 1986 dem entgegensteht. In diesem Zusammenhang kommt es auch darauf an, ob das im Vereinigten Königreich durchgeführte bankruptcy-Verfahren weiterhin bindend ist.
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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das FA bereits vor über sechs Jahren den hier angegriffenen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat. Es ist nicht nachvollziehbar, woraus sich nunmehr eine unmittelbare Bedrohung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz des Betroffenen ergeben soll.
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4. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde für die Dauer des Beschwerdeverfahrens bedarf aufgrund der Entscheidung über die Beschwerde selbst keiner Entscheidung mehr.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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