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BFH 01.09.2015 - VII B 178/14
BFH 01.09.2015 - VII B 178/14 - Verjährungsunterbrechung durch Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Normen
§ 231 AO, § 69 FGO
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 19. November 2014, Az: 2 K 44/14, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eine Maßnahme im Rahmen der Zwangsvollstreckung, die die Verjährung unterbricht .
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2. NV: In der Ablehnung des Antrags auf Rücknahme des Insolvenzantrags liegt die schriftliche Geltendmachung der offenen Abgabenforderungen .
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3. NV: Durch die Aussetzung der Vollziehung unter der Bedingung einer zu leistenden Sicherheit tritt unabhängig davon, ob die Bedingung eintritt oder nicht, Verjährungsunterbrechung ein .
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 19. November 2014 2 K 44/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) formulierten Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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1. Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine 'Vollstreckungsmaßnahme' i.S.d. § 231 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) darstellt, der als solcher grundsätzlich geeignet ist, die Zahlungsverjährung zu unterbrechen".
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a) Aus seinem Vorbringen, nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern ausdrücklich nur die Anmeldung im Insolvenzverfahren sei in der Regelung des § 231 der Abgabenordnung (AO), die die verjährungsunterbrechenden Tatbestände abschließend aufführe, genannt, ergibt sich kein Klärungsbedarf. Wie der Kläger selbst ausführt, hat der Senat sowohl in seiner Entscheidung vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90 (BFH/NV 1991, 787) als auch im Urteil vom 24. September 1996 VII R 31/96 (BFHE 181, 259, BStBl II 1997, 8) den Antrag auf Konkurseröffnung als Beispiel einer Vollstreckungsmaßnahme mit Außenwirkung und im Beschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01 (BFH/NV 2004, 464) den Konkursantrag als Maßnahme im Rahmen der Vollstreckung bezeichnet. Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, dass der Senat in jenen Entscheidungen nicht über die verjährungsunterbrechende Wirkung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden hatte. Das bedeutet aber nicht "automatisch", dass die Beantwortung der Fragen auch zweifelhaft, strittig und schwierig ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. September 2014 I B 189/13, BFH/NV 2015, 237). Dagegen spricht vielmehr, dass die Finanzgerichte (FG) dieser Rechtsauffassung des Senats folgen (abgesehen von dem der Beschwerde zu Grunde liegenden Urteil des Niedersächsischen FG: Beschluss des FG Hamburg vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 1400; des FG München vom 9. November 2012 7 V 3251/12, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2013, 1397, und des FG Sachsen-Anhalt vom 10. Januar 2013 3 V 1340/12, EFG 2013, 1782). Darüber hinaus leitet der Eröffnungsantrag des Finanzamts den Übergang von der Einzelzwangsvollstreckung in das insolvenzrechtliche Verfahren zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung (§ 1 der Insolvenzordnung --InsO--) ein und erweist sich schon deshalb als Maßnahme im Vollstreckungsverfahren, die ggf. sogar der (vorläufig) letzte Akt im Rahmen der Zwangsvollstreckung i.S. der §§ 249 ff. AO sein kann. Insofern bedurfte es einer ausdrücklichen Benennung in § 231 AO nicht, während die vom Kläger hervorgehobene Anmeldung im Insolvenzverfahren keine abgabenrechtliche Vollstreckungsmaßnahme, sondern die Geltendmachung einer Abgabenforderung nach den Vorschriften der InsO ist.
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b) Klärungsbedarf besteht im Streitfall auch deshalb nicht, weil die Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuer und Nebenabgaben 1995 zum 31. Dezember 2009 durch die Einspruchsentscheidung über die Ablehnung des Antrags auf Rücknahme des Insolvenzantrags vom 11. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2013 und durch die schriftliche Geltendmachung vom 2. März 2011 (Feststellung des FG, Entscheidungsgründe I.2.c cc, Urteil S. 7) bis zum 31. Dezember 2016 hinausgeschoben worden ist. Denn in der Einspruchsentscheidung liegt zugleich die weitere Geltendmachung der offenen Abgabenforderungen 1995. Wie der Senat im Beschluss vom 21. Juni 2010 VII R 27/08 (BFHE 229, 492, BStBl II 2011, 331, unter II.3. letzter Absatz) ausgeführt hat, erfasst die Formulierung "Geltendmachung des Anspruchs" in § 231 Abs. 1 Satz 1 AO jede Entscheidung der Finanzbehörde, durch die ihr Zahlungsverlangen dem Zahlungspflichtigen kundgetan wird, also Maßnahmen zur Verfolgung des Anspruchs nach außen hin erkennbar ergriffen werden.
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2. Der Kläger hält weiter für klärungsbedürftig, "ob eine gerichtlich gem. § 69 FGO angeordnete Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung auch dann (noch) Wirksamkeit entfaltet, sofern der Steuerpflichtige die geforderte Sicherheitsleistung nicht erbringt bzw. nicht zu erbringen im Stande ist".
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Im Streitfall ist die Frage nicht klärungsbedürftig. Denn es geht nicht darum, ob bzw. wann die Aussetzung der Vollziehung (AdV) ihre (materiell-rechtliche) Wirkung entfaltet, sondern ob durch die Entscheidung, die AdV unter der Bedingung einer zu leistenden Sicherheit zu gewähren, Verjährungsunterbrechung eingetreten ist. Der Senat hat --im Anschluss an die auch vom Kläger zitierte Entscheidung des V. Senats des BFH vom 9. Oktober 2002 V R 29/01 (BFH/NV 2003, 143)-- keinen Zweifel, die Verjährungsunterbrechung zu bejahen. Ob die Bedingung eintritt oder nicht, liegt ausschließlich in der Sphäre des Steuerpflichtigen; durch die Leistung der Sicherheit kann er allein die materielle Wirksamkeit der Vollziehungsaussetzung herbeiführen. Die in dem Aussetzungsbescheid zum Ausdruck kommende Bereitschaft, vorläufig von der Vollziehung der Abgabenforderungen abzusehen, macht aber zugleich deutlich, dass die Behörde grundsätzlich auf der Begleichung der offenen Forderung besteht. Die Wirkung dieser impliziten Mitteilung kann der Steuerpflichtige nicht beeinflussen. Anders als der Kläger meint, kann die Mitteilung des Steuerpflichtigen, die Sicherheit nicht leisten zu wollen oder zu können, an der Verjährungsunterbrechung und dem damit neu beginnenden Lauf der Verjährungsfrist nichts ändern (so schon Senatsbeschluss in BFHE 229, 492, BStBl II 2011, 331, unter II.3., 6. Absatz, m.w.N.).
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3. Nicht klärungsbedürftig sind schließlich die weiter gestellten Fragen, "ob der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners die verjährungsunterbrechende Wirkung einer gewährten Aussetzung der Vollziehung beseitigt" und "ob einer Zahlungsaufforderung i.S.d. § 231 AO trotz anhängigen Insolvenzantragsverfahren auch dann verjährungsunterbrechende Wirkung zukommt, sofern ein Insolvenzantrag durch den sich auf die verjährungsunterbrechende Maßnahme Berufenden gestellt worden ist".
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Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat keine Auswirkung auf die Unterbrechung der Verjährung durch eine gewährte AdV oder durch eine Zahlungsaufforderung. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet die Verjährung nach Zahlungsaufforderung mit Ablauf der neuen Verjährungsfrist, die Unterbrechung der Verjährung durch AdV gemäß § 231 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn die AdV abgelaufen ist. Die Verjährungsunterbrechung ist keine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners i.S. des § 88 InsO. Selbst eine solche wird aber erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam.
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4. Die Frage, "ob der bloßen Übersendung einer Rückstandsaufstellung an den Steuerschuldner eine zahlungsunterbrechende Wirkung zukommt", hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ausgehend von der Senatsrechtsprechung, dass jede Entscheidung der Finanzbehörde, durch die ihr Zahlungsverlangen dem Zahlungspflichtigen kundgetan wird, die Verjährung unterbricht (Senatsbeschluss in BFHE 229, 492, BStBl II 2011, 331, unter II.3.), hängt die Beurteilung einer übersandten Rückstandsaufstellung von den Umständen des Einzelfalls und deren tatrichterlicher Würdigung ab. Einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren ist sie nicht zugänglich.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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