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BFH 22.04.2015 - X R 24/13
BFH 22.04.2015 - X R 24/13 - (Saldierung nach § 177 AO bei Änderung eines Folgebescheids)
Normen
§ 175 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 177 Abs 1 AO, § 177 Abs 2 AO, § 351 Abs 1 AO, § 361 Abs 2 AO
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 30. November 2011, Az: 7 K 10263/09, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ermöglichen die Saldierung nach § 177 Abs. 1, Abs. 2 AO.
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2. NV: Es ist unerheblich, worauf die Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO beruht, ob ihr eine gegenläufige Änderung vorausgegangen ist und ob die Änderung Ergebnis eines Rechtsbehelfsverfahrens ist.
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3. NV: Die Ausgliederung von Besteuerungsgrundlagen in ein Grundlagenbescheidsverfahren kann zu Saldierungsmöglichkeiten führen, die im Rahmen eines einstufigen Verfahrens nicht bestünden. Eine Gleichschaltung findet nicht statt.
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4. NV: Für die Ermittlung des Saldierungspotentials sind die Einkünfte zusammen veranlagter Ehegatten zusammenzurechnen.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 30. November 2011 7 K 10263/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde in den Streitjahren mit seiner damaligen Ehefrau (E) zusammen veranlagt und erzielte Einkünfte verschiedener Art. Der Kläger hatte nach dem Ergebnis eines anderen Klageverfahrens vor dem Finanzgericht (FG) bereits 1991 bis 1995 einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben und war in den Streitjahren an verschiedenen Gesellschaften beteiligt, deren Einkünfte einheitlich und gesondert festgestellt wurden. Er war u.a. zu einem Drittel Beteiligter einer Grundstücksgemeinschaft (X). X hatte 1993 ein Grundstück erworben und im Jahre 1996 mit einem Überschuss veräußert. Laut Feststellungsbescheid erzielte X Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Rahmen der Einkünfteermittlung 1995 hatte das Feststellungsfinanzamt folglich Abschreibungen berücksichtigt. Hingegen wies es das Ergebnis aus der Veräußerung des Grundstücks im Jahre 1996 nicht aus. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) übernahm die festgestellten (negativen) Einkünfte zunächst ohne Korrekturen. Ferner waren der Kläger und E an einer Gesellschaft für Immobilien mbH & Still (Y) beteiligt. Deren Betriebsstättenfinanzamt stellte im Wege der einheitlichen und gesonderten Feststellung sowohl 1995 als auch 1996 Verluste fest, im Jahre 1995 für E, im Jahre 1996 für den Kläger und E. Das FA übernahm im Rahmen der Einkommensteuerbescheide auch diese Verluste.
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Nach einer Außenprüfung hob das Betriebsstättenfinanzamt der Y mit Bescheiden vom 17. Juni 2002 die Feststellungsbescheide auf. Das FA änderte die Einkommensteuerbescheide mit Bescheiden vom 14. Juli 2003 (1995) bzw. 10. Juli 2003 (1996) entsprechend und berücksichtigte die Verluste nicht mehr. Das Betriebsstättenfinanzamt hatte am 23. Juli 2003 die Aussetzung der Vollziehung der (negativen) Feststellungsbescheide bestätigt. Das FA hat am 24. Juli 2003 die Folgeaussetzung für das Jahr 1995 ausgesprochen. Für das Jahr 1996 lehnte es mit Bescheid vom selben Tage die Aussetzung des Einkommensteuerbescheids trotz § 361 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ab, da es der Auffassung war, einer etwaigen künftigen Änderung des Einkommensteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO stehe § 177 Abs. 2 AO entgegen. Da der Kläger einen gewerblichen Grundstückshandel betreibe, seien seine Einkünfte aus der X um den anteiligen Veräußerungsgewinn zu erhöhen. Selbst wenn der Kläger hinsichtlich der Verlustfeststellungsbescheide obsiegte, könne es daher nie zu einer Änderung des Einkommensteuerbescheids kommen. Das FG hat antragsgemäß mit Beschluss vom 5. Januar 2004 8 V 788/03 die Vollziehung ausgesetzt, da weder jetzt noch künftig eine Saldierung mit diesen einkünfteerhöhenden Punkten in Betracht komme.
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Nach Einspruch und Klage gegen die (negativen) Verlustfeststellungsbescheide erließ das Betriebsstättenfinanzamt schließlich am 16. Februar 2009 wiederum Verlustfeststellungsbescheide in ähnlicher Höhe wie zuvor. Es entfielen nunmehr für das Jahr 1995 auf E 10.160 DM, für das Jahr 1996 auf den Kläger 93.050 DM und auf E 7.840 DM. Das FA lehnte die neuerliche Änderung der Einkommensteuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu Gunsten des Klägers ab. Die Einkünfte der X seien anteilig dem gewerblichen Grundstückshandel des Klägers zuzuordnen. Daher hätte bei zutreffender Behandlung die auf ihn entfallende Abschreibung im Jahre 1995 bei ihm den Gewinn nicht mindern dürfen. Wohl aber hätte der Veräußerungsgewinn 1996 berücksichtigt werden müssen. Es handele sich in beiden Jahren um materiell-rechtliche Fehler, die nach § 177 Abs. 2 AO mit den aufgrund der neuerlichen Verlustfeststellungen vorzunehmenden Folgebescheidsänderungen zu saldieren seien. Da --rechnerisch unstreitig-- diese Fehler das Änderungsvolumen der Folgebescheidsänderungen überschritten, unterbleibe die Änderung insgesamt. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass eine selbständige Korrekturvorschrift für die Änderung der aus der X bezogenen Einkünfte nicht vorlag und insoweit auch Verjährung eingetreten war. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
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Mit der Revision macht der Kläger geltend, die Voraussetzungen des § 177 Abs. 2 AO lägen nicht vor. Mit seinem Urteil vom 28. Oktober 2008 13 K 161/05 habe das FG entschieden, dass die ursprünglich erlassenen Feststellungsbescheide wieder wirksam würden. Da die rechtliche Grundlage für eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht mehr bestanden habe, bestehe kein Potential für eine materiell-rechtliche Fehlerkorrektur. Folgte man der Auffassung des FA, so könne ein FA jederzeit willkürlich --geradezu rechtsbeugerisch-- über § 177 AO die Berichtigung von materiellen Fehlern erzwingen und damit die gesetzliche Einschränkung, dass eine Berichtigung von materiellen Fehlern nur möglich sei, soweit die Änderung reiche, unterlaufen. Es wäre dem FA jederzeit möglich, einen Grundlagenbescheid rechtswidrig --ggf. sogar wissentlich rechtswidrig-- zum Nachteil des Steuerpflichtigen zu ändern. Dies ziehe die Änderung des Folgebescheids nach sich. Werde nach Einspruch oder Klage gegen den Grundlagenbescheid dessen Änderung erwartungsgemäß wieder rückgängig gemacht, könne das FA der neuerlichen Änderung des Folgebescheids die Änderungsmöglichkeit nach § 177 AO entgegensetzen.
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Die Verpflichtung zur Anpassung eines Folgebescheids rechtfertige keine Wiederaufrollung der gesamten Steuerveranlagung, sondern reiche nur so weit, wie es die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids verlange. Dessen Erlass, Änderung oder Aufhebung dürfe deshalb nicht Anlass sein, im Folgebescheid bedeutsame Besteuerungsgrundlagen zu ändern, die nicht Gegenstand des Grundlagenbescheids seien.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 30. November 2011 7 K 10263/09 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 14. bzw. 10. Juli 2003 sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. August 2009 dahin zu ändern, dass die festgestellten Verluste der Y für das Jahr 1995 bei E mit 10.160 DM, für das Jahr 1996 bei dem Kläger mit 93.050 DM und bei E mit 7.840 DM berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Hinsichtlich des Sachverhalts sei der Klägervortrag insoweit zu korrigieren, als das Betriebsstättenfinanzamt nicht den angefochtenen Aufhebungsbescheid ersatzlos aufgehoben habe, sondern neue Grundlagenbescheide erlassen habe, teilweise auch mit neuem Inhalt. Damit sei nicht ein alter Rechtszustand aufgelebt, sondern ein neuer Rechtszustand geschaffen. Umso weniger sei die Saldierungsbefugnis des FA in Zweifel zu ziehen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Folgeänderung der Einkommensteuerbescheide § 177 Abs. 2 AO entgegenstand. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift sind gegeben (dazu 1.). Eine teleologische Reduktion ist nicht geboten (dazu 2.).
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1. Nachdem das FA im Hinblick auf die Feststellungsbescheide vom 17. Juni 2002 die Einkommensteuerbescheide am 14. bzw. 10. Juli 2003 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert hatte, hätte es nach Erlass der neuerlichen Verlustfeststellungsbescheide vom 16. Februar 2009 dem Grunde nach wiederum gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO die Einkommensteuerbescheide ändern müssen. Diese Folgeanpassung hatte jedoch nach § 177 Abs. 2 AO zu unterbleiben.
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a) Die Rechtmäßigkeit der ersten Änderung der Einkommensteuerbescheide mit Bescheiden vom 14. bzw. 10. Juli 2003 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist nicht Gegenstand des Streits. Diese Bescheide sind bestandskräftig geworden. Der Senat bemerkt daher an dieser Stelle lediglich zur Klarstellung, dass dieser Änderung der Aussetzungsbeschluss des FG vom 5. Januar 2004 8 V 788/03 nicht entgegenstand. Das FG hatte in dem Aussetzungsverfahren lediglich darüber zu befinden, ob --wie es § 361 Abs. 3 Satz 1 AO vorsieht-- die Folgeaussetzung des Einkommensteuerbescheids 1996 auszusprechen war. Ob dieser die seitens des FA bereits in Aussicht genommene Saldierung entgegenstand, ist nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Dem Erlass des Folgebescheids steht die Aussetzung des Grundlagenbescheids nach § 361 Abs. 3 Satz 2 AO nicht entgegen. Die Vorschrift ordnet ausdrücklich an, dass der Erlass eines Folgebescheids zulässig ist, obwohl die Vollziehung des Grundlagenbescheids ausgesetzt ist.
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b) Nachdem das Betriebsstättenfinanzamt am 16. Februar 2009 wiederum Verlustfeststellungsbescheide erlassen hatte, war das FA nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dem Grunde nach verpflichtet, die Einkommensteuerbescheide entsprechend zu ändern.
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Dafür ist es unerheblich, ob --wie der Kläger meint-- lediglich nach einer Aufhebung der angefochtenen Grundlagenbescheide die ursprünglichen Verlustfeststellungsbescheide wieder auflebten oder --wie das FA meint-- neue Grundlagenbescheide erlassen wurden. Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO führt sowohl die Aufhebung als auch der Erlass eines Grundlagenbescheids zur Änderung des Folgebescheids. Der Senat weist daher nur der Vollständigkeit halber darauf hin, dass nicht nur nach den Feststellungen des FG tatsächlich neuerliche Verlustfeststellungsbescheide erlassen worden waren, was sich auch in den betragsmäßigen Abweichungen von den ursprünglich festgestellten Verlusten zeigt. Außerdem betrifft das Urteil des FG im Feststellungsverfahren vom 28. Oktober 2008 13 K 161/05, auf das sich der Kläger beruft, nur das Jahr 1994. Im Streit stehen aber die Jahre 1995 und 1996. Für die Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist es schließlich auch gleichgültig, ob der betreffende Grundlagenbescheid aufgrund eines Rechtsbehelfsverfahrens oder aus anderen Gründen erlassen, aufgehoben oder geändert worden ist. Auf diese Gründe kommt es nicht an.
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c) Der Änderung der Einkommensteuerbescheide stand jedoch § 177 Abs. 2 AO entgegen.
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aa) Liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zuungunsten (§ 177 Abs. 1 AO) bzw. zugunsten (§ 177 Abs. 2 AO) des Steuerpflichtigen vor, so sind, soweit die Änderung reicht, solche materiellen Fehler zuungunsten und zugunsten des Steuerpflichtigen zu berichtigen, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind.
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§ 177 AO stellt in beiden Absätzen keine eigenständige Korrekturvorschrift dar. Die Vorschrift begrenzt vielmehr die Korrektur eines Steuerbescheids zugunsten der materiell-rechtlich zutreffenden Steuerfestsetzung. § 177 Abs. 1 AO nimmt diejenigen Änderungen vorweg, die der Steuerpflichtige sonst in dem durch § 351 Abs. 1 AO eröffneten Rahmen gegen eine ihm nachteilige Änderung des Steuerbescheids aufgrund selbständiger Korrekturvorschriften geltend machen könnte, erlaubt es ihm also, der eigentlich gebotenen Änderung zu seinen Lasten eine materiell-rechtliche Korrektur zu seinen Gunsten entgegenzusetzen. § 177 Abs. 2 AO ist Spiegelbild zu § 177 Abs. 1 AO. Letztere Vorschrift stellt Waffengleichheit für beide Beteiligten her und erlaubt somit der Finanzbehörde, der eigentlich gebotenen Änderung zu ihren Lasten --zugunsten des Steuerpflichtigen-- eine materiell-rechtliche Korrektur zu ihren Gunsten --zulasten des Steuerpflichtigen-- entgegenzusetzen. Die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids i.S. des § 177 AO erfasst dabei alle Fälle, in denen die Bestandskraft eines Steuerbescheids durchbrochen werden kann. Das sind insbesondere, aber nicht nur, die Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO. Dazu gehört auch jede Aufhebung oder Änderung eines Folgebescheids nach Erlass, Aufhebung oder Änderung eines Grundlagenbescheids nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (vgl. i.E. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. August 2006 II R 24/05, BFHE 214, 105, BStBl II 2007, 87; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 177 AO Rz 40, 46, 60; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 177 Rz 1, 3; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 177 Rz 1, 2, 8; Koenig/ Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 177 Rz 1, 2, 6; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 177 AO Rz 1, 3; ausdrücklich zu § 175 AO Senatsurteil vom 14. Oktober 2009 X R 14/08, BFHE 227, 312, BStBl II 2010, 533). Die beiden BFH-Urteile vom 25. Juni 1991 IX R 57/88 (BFHE 164, 502, BStBl II 1991, 821) und vom 15. Februar 2001 IV R 9/00 (BFH/NV 2001, 1007), auf die sich der Kläger für seine wohl gegenteilige Auffassung beruft, befassen sich mit der Reichweite des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, aber nicht mit der Korrekturbegrenzungsvorschrift des § 177 AO.
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Die der Saldierung zugänglichen materiellen Fehler sind nach § 177 Abs. 3 AO alle Fehler, die zur Festsetzung einer Steuer führen, die von der kraft Gesetzes entstandenen Steuer abweicht. Auf ein etwaiges Verschulden sowie insbesondere auf die Frage, ob insoweit Verjährung eingetreten ist, kommt es nicht an (Senatsurteile vom 18. Dezember 1991 X R 38/90, BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504, und im Anschluss hieran vom 14. Juli 1993 X R 34/90, BFHE 172, 290, BStBl II 1994, 77; vom 1. Juni 1994 X R 90/91, BFHE 175, 64, BStBl II 1994, 849; vom 14. Dezember 1994 X R 111/92, BFH/NV 1995, 566; BFH-Urteile vom 11. Juli 2007 I R 96/04, BFH/NV 2008, 6; vom 17. März 2010 I R 86/06, BFH/NV 2010, 1779; vom 3. März 2011 IV R 35/09, BFH/NV 2011, 2045; Koenig/Koenig, a.a.O., § 177 Rz 11; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 177 Rz 11; a.A. von Groll in HHSp, § 177 AO Rz 104, 114-119 sowie Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 177 AO Rz 6). Der Senat hält an dieser ständigen Rechtsprechung fest. Betragsmäßig ist die gegenläufige Berücksichtigung materieller Fehler auf den Umfang beschränkt, in dem die Änderung stattfände, wäre sie nicht durch § 177 Abs. 1, Abs. 2 AO begrenzt. Das ergibt sich bereits aus der Formulierung "soweit die Änderung reicht", aber auch aus der Korrespondenz zu § 351 Abs. 1 AO.
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bb) Nach diesen Grundsätzen hatte die mit den Verlustfeststellungsbescheiden eigentlich veranlasste Folgeänderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zugunsten des Klägers zu unterbleiben, da ihr in vollem Umfang die Saldierung mit den zuvor zugunsten des Klägers unterlaufenen materiellen Fehlern gemäß § 177 Abs. 2 AO entgegenstand. Worauf der Erlass der Grundlagenbescheide und damit die Anwendbarkeit des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO beruhte, ist auch in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich. Da zwischen den Beteiligten nicht mehr im Streit steht, dass die Behandlung der Abschreibung sowie des Veräußerungsgewinns hinsichtlich der X bei den Einkünften des Klägers materiell-rechtlich fehlerhaft war und die Auswirkungen dieser Fehler den Umfang der eigentlich gebotenen Folgeänderung überstiegen, sieht der Senat von weiteren Ausführungen hierzu ab.
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cc) Die Saldierungsmöglichkeit umfasst bei zusammen veranlagten Ehegatten auch die Saldierung materieller Fehler bei den Einkünften des einen Ehegatten aufgrund einer lediglich auf den anderen Ehegatten bezogenen Änderungsvorschrift (vgl. BFH-Urteil vom 5. August 1986 IX R 13/81, BFHE 148, 394, BStBl II 1987, 297). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die positiven Einkünfte des Klägers mit den negativen Einkünften der E saldiert werden.
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2. Eine von dieser --der Gesetzeslage entsprechenden-- abweichende Beurteilung ist nicht geboten. Weder der Umstand, dass im Streitfall gegenläufige Änderungen einander folgten, noch das Auseinanderfallen in Grundlagen- und Folgebescheidsverfahren noch die seitens des Klägers geltend gemachte Gefahr des Rechtsmissbrauchs geben Anlass, § 177 Abs. 2 AO im Wege der teleologischen Reduktion einzuschränken.
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a) Es ist in der vorliegenden Konstellation unerheblich, dass die begehrte Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO im Wesentlichen nur eine vorherige Änderung zu Lasten des Klägers rückgängig gemacht hätte und somit eine gegenläufige Änderung zu einer bereits zuvor stattgefundenen Änderung gewesen wäre.
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aa) Nach der Rechtsprechung des BFH bestimmt sich der Saldierungsrahmen des § 177 Abs. 1, Abs. 2 AO nach der Reichweite der Änderung, die die Saldierungsmöglichkeit begründet. Maßgebend ist allerdings der Änderungsumfang der Änderungsbescheide, die einen zuvor bestandskräftig gewordenen Bescheid ändern oder aufheben. Folgen Bescheide aufeinander, die nicht bestandskräftig geworden sind, so sind die Änderungen zusammenzufassen.
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aaa) § 177 Abs. 1, Abs. 2 AO sieht eine Zusammenfassung aufeinanderfolgender Änderungsbescheide zur Ermittlung des Saldierungsrahmens unmittelbar nicht vor. Die Vorschriften knüpfen an die Voraussetzungen für die --also eine-- Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids an. Jeder Änderungsbescheid ermöglicht daher für sich eine Saldierung nach § 177 Abs. 1 oder Abs. 2 AO. Dies gilt jedoch nicht, wenn Bescheide nicht bestandskräftig geworden sind. Da § 177 AO anwendbar ist, wenn und soweit die Bestandskraft einer Steuerfestsetzung durch eine Änderung bereits durchbrochen ist (s. oben II.1.b aa.), ist der Saldierungsrahmen für die Anwendung des § 177 AO folglich durch Zusammenfassung aller Änderungsbescheide zu bestimmen, die nach dem letzten formell bestandskräftig gewordenen Bescheid ergangen sind.
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bbb) Das bedeutet zunächst, dass § 177 Abs. 2 AO nicht anwendbar ist, soweit die Aufhebung oder Änderung des Bescheids Ergebnis einer vollständigen oder teilweisen Abhilfe im Rechtsbehelfsverfahren wäre. Ist ein Bescheid mittels Rechtsbehelfs angefochten, ist keine Bestandskraft eingetreten, so dass die ggf. folgende Abhilfe keine selbständige Durchbrechung der Bestandskraft ist. War der angefochtene Bescheid ein Änderungsbescheid, so ist für die Ermittlung des Saldierungsrahmens die darin vorgenommene Änderung und die --notwendig gegenläufige-- Änderung durch Abhilfe zusammenzufassen, so dass der Umfang der Abhilfe notwendig aus dem für § 177 AO zur Verfügung stehenden Saldierungsrahmen herausfällt.
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Darüber hinaus sind für die Ermittlung des Saldierungsrahmens auch alle Änderungen heranzuziehen, die aufgrund der Anwendung selbständiger Korrekturvorschriften zugunsten und zulasten des Steuerpflichtigen in denjenigen Bescheiden vorgenommen worden sind, die dem letzten Änderungsbescheid vorangegangen, aber nicht formell bestandskräftig geworden sind. Dies folgt aus dem engen systematischen Zusammenhang zwischen § 177 Abs. 1 AO einerseits und § 351 Abs. 1 AO andererseits (s. oben). § 351 Abs. 1 AO stellt für den Umfang des Änderungsrahmens aber auf den letzten unanfechtbaren Verwaltungsakt ab. Für § 177 Abs. 2 AO als Spiegelbild zu § 177 Abs. 1 AO gilt Entsprechendes (vgl. BFH-Urteile in BFHE 214, 105, BStBl II 2007, 87, unter II.5.b, sowie vom 10. August 2006 II R 61/05, BFH/NV 2007, 3, unter II.3.a).
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bb) Nach diesen Grundsätzen bestimmt sich im Streitfall der für die Berichtigung materieller Fehler nach § 177 Abs. 2 AO zur Verfügung stehende Saldierungsrahmen ausschließlich nach dem Änderungsumfang, den die Folgeänderung der Einkommensteuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO auf die Verlustfeststellungsbescheide vom 16. Februar 2009 hin gehabt hätte. Eine Zusammenfassung dieser --dem Grunde nach-- zu erlassenden Bescheide mit den vorausgegangenen Bescheiden vom 14. bzw. 10. Juli 2003 findet nicht statt. Letztere Bescheide waren nicht mittels Rechtsbehelfs angefochten und auch nicht innerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens ergangen, somit formell bestandskräftig geworden. Die streitigen Änderungen wären daher weder eine Abhilfe im Rechtsbehelfsverfahren noch waren ihnen sonst nicht bestandskräftig gewordene Bescheide vorangegangen. § 177 Abs. 2 AO blieb daher anwendbar.
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Zwar waren die Verlustfeststellungsbescheide vom 16. Februar 2009, die ihrerseits die Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO veranlassten, Ergebnisse eines im Wesentlichen erfolgreichen Rechtsbehelfsverfahrens. Dies ändert jedoch nichts. Aufgrund der verfahrensrechtlichen Trennung von Grundlagenbescheid und Folgebescheid erstreckt sich ein Rechtsbehelfsverfahren hinsichtlich des Grundlagenbescheids nicht auch auf den Folgebescheid. Nach § 351 Abs. 2 AO hätte der Kläger seine Einwendungen gegen die Aufhebung der Verlustfeststellungsbescheide in einem etwaigen Rechtsbehelfsverfahren betreffend die Einkommensteuerbescheide noch nicht einmal mit Erfolg vorbringen können. Die begehrte Folgeänderung in den streitigen Einkommensteuerbescheiden wäre daher gerade nicht eine Abhilfe im Rechtsbehelfsverfahren gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 367 Abs. 2 Satz 3 AO gewesen, sondern eine Änderung ausschließlich auf der Grundlage von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Da es aber für die Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO unerheblich ist, warum der betreffende Grundlagenbescheid erlassen, aufgehoben oder geändert worden ist, können die an diese Vorschrift anknüpfenden Saldierungsmöglichkeiten nach § 177 AO auch nicht davon abhängen, ob es ein derartiges Rechtsbehelfsverfahren gab (ebenso i.E. Urteil des FG München vom 22. April 2009 9 K 1680/07, Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1516).
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b) Ebenso wenig ist eine Einschränkung von § 177 AO mit der Überlegung veranlasst, die Verfahrensrechtslage bei Änderungen im Folgebescheidsverfahren wegen der Änderung von Grundlagenbescheiden müsse derjenigen Verfahrensrechtslage angeglichen werden, wie sie bestünde, wenn die Ausgliederung der Besteuerungsgrundlagen in das Grundlagenbescheidsverfahren nicht stattgefunden hätte.
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Wären die Einkünfte aus der Y nicht Gegenstand einer gesonderten Feststellung, sondern unselbständige Besteuerungsgrundlage des Einkommensteuerbescheids gewesen, so hätte der Kläger einen Einkommensteuerbescheid, der die Verluste nicht mehr berücksichtigte, unmittelbar angefochten. Statt der Grundlagenbescheide vom 16. Februar 2009, die es nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO für die Einkommensteuer noch umzusetzen galt, wären unmittelbar Abhilfebescheide im Einkommensteuerverfahren ergangen. Diese hätten nach den Grundsätzen unter II.2.a aa bbb die Anwendung von § 177 Abs. 2 AO ausgeschlossen.
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Dies führt jedoch nicht zu einem entsprechenden Ausschluss des § 177 AO bei Folgebescheidsänderungen. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein selbständiges Verwaltungsverfahren wie das Grundlagenbescheidsverfahren verfahrensrechtlich ein eigenes Schicksal nehmen kann. Es ist daher unvermeidbar, dass die Ausgliederung der Besteuerungsgrundlagen in Grundlagenbescheide im Einzelfall zu abweichenden Ergebnissen führt. Das zeigt sich bereits daran, dass in einem Grundlagenbescheidsverfahren Besteuerungsgrundlagen in Bestandskraft erwachsen können. Ein Grundsatz des Inhalts, dass in solchen Fällen das Ergebnis stets derjenigen Rechtslage angepasst werden müsste, wie sie ohne das Grundlagenbescheidsverfahren bestünde, ist weder dem Gesetz zu entnehmen noch sonst ersichtlich.
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Eine derartige Regel wäre in der Sache auch nicht umsetzbar, da dafür ein Sachverhalt fingiert werden müsste, dessen Inhalt noch nicht einmal feststeht. Wann im Rahmen eines Verfahrens betreffend den Einkommensteuerbescheid die betreffenden Besteuerungsgrundlagen berücksichtigt worden wären, ob dies etwa in einem erstmaligen Bescheid oder in einem Änderungsbescheid der Fall gewesen wäre, in welchem Umfange in einem etwaigen Einspruchsverfahren etwaige sonstige materielle Fehler aufgrund einer gesamten oder teilweisen Aufrollung der Sache nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO, ggf. i.V.m. § 351 Abs. 1 AO hätten berücksichtigt und gegengerechnet werden können, lässt sich nicht feststellen. Ob insgesamt ein anderes Ergebnis erzielt worden wäre, wären die Besteuerungsgrundlagen nicht Gegenstand einer gesonderten Feststellung gewesen, lässt sich daher schlechterdings nicht beantworten. Eine Gleichschaltung der Ergebnisse ist schon deswegen nicht möglich.
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Hinzu tritt, dass aufgrund der Spiegelbildlichkeit beider Vorschriften eine derartige Gleichstellung nicht nur im Rahmen von § 177 Abs. 2 AO, sondern auch im Rahmen von § 177 Abs. 1 AO stattfinden müsste. Für eine derartige, dem Gesetz zuwiderlaufende und zu Lasten des Steuerpflichtigen wirkende Einschränkung der Saldierungsmöglichkeiten existiert aber keine Rechtsgrundlage.
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c) Schließlich rechtfertigt auch die Besorgnis des Klägers, die Zulässigkeit der Fehlersaldierung in einer Konstellation wie der vorliegenden könne die Finanzverwaltung zum Missbrauch einladen, keine grundsätzlich andere Beurteilung. Eine allgemeine Einschränkung der Saldierung mit Rücksicht auf die abstrakte Missbrauchsmöglichkeit ist nicht geboten und nicht möglich, da dies den Kern des § 177 Abs. 2 AO berührte.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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