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BFH 24.05.2012 - VI B 120/11
BFH 24.05.2012 - VI B 120/11 - Grundsätzliche Bedeutung: Unterhaltsaufwendungen bei einer bestehenden Ehe bzw. Unterhaltsaufwendungen für ein Kind - Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht - Greifbare Gesetzeswidrigkeit
Normen
§ 33 EStG 2002, § 33a Abs 1 S 3 EStG 2002, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 76 Abs 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 27. September 2011, Az: 3 K 229/10, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen zwischen Ehegatten stellt grundsätzlich keine außergewöhnliche Belastung dar.
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2. NV: Ausnahmsweise kommt bei Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen zwischen Ehegatten ein Abzug als außergewöhnliche Belastung in Betracht, wenn der unterstützte Ehegatte aufgrund außergewöhnlicher Umstände (z.B. Krankheit oder Behinderung) zwangsläufig einen höheren Grundbedarf aufweist als im Grundfreibetrag berücksichtigt.
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3. NV: Das nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. bestehende Abzugsverbot für Unterhaltsleistungen an ein Kind, für das ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld besteht, greift nur bei typischen Unterhaltsaufwendungen. Dieses Abzugsverbot verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
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4. NV: Untypische Unterhaltsaufwendungen für ein Kind, mit denen ein besonderer und außergewöhnlicher Bedarf abgedeckt wird (z.B. Übernahme von Krankheits- oder Pflegekosten), sind nach § 33 EStG zu berücksichtigen, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht in der Lage ist, diese Aufwendungen selbst zu tragen.
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5. NV: Zur ordnungsgemäßen Darlegung mangelnder Sachaufklärung.
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6. NV: Zur ordnungsgemäßen Darlegung eines Rechtsanwendungsfehlers von erheblichem Gewicht.
Tatbestand
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I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin hat aus einer anderen Beziehung ein leibliches Kind, das im gemeinsamen Haushalt der Kläger lebt. Für das Kind erhielten die Kläger im Streitjahr 2008 Kindergeld. Der Kläger bestritt den gesamten Lebensunterhalt der Familie mit seinen Einkünften.
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In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2008 begehrten die Kläger den vollen Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes. Zudem machten sie für den Unterhalt des Kindes außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 7.680 € geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) versagte den Klägern eine entsprechende steuermindernde Berücksichtigung der Aufwendungen.
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Einspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) richtet sich die Beschwerde der Kläger.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die Rechtssache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Mai 2009 VI B 123/08, BFH/NV 2009, 1434, m.w.N.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (BFH-Beschluss vom 24. August 2011 VI B 18/11, BFH/NV 2011, 2062, m.w.N.). Von einer solchen hinreichenden Klärung ist im Streitfall auszugehen.
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a) Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob Unterhaltsaufwendungen bei einer bestehenden Ehe zumindest teilweise außergewöhnliche Belastungen sein können, ist durch die BFH-Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Danach stellt die Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen zwischen Ehegatten keine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG dar. Vielmehr werden Unterhaltsleistungen abschließend durch das Ehegatten-Splitting abgegolten. Nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten bilden eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs. Diese Annahme schließt mit ein, dass die Aufwendungen für den Unterhalt des jeweils anderen Ehegatten einen gemeinschaftlichen Lebensbedarf betreffen. Eine weitere Berücksichtigung dieser Aufwendungen nach § 33a Abs. 1 EStG oder § 33 EStG ist ausgeschlossen. Nur wenn der unterstützte Ehegatte aufgrund außergewöhnlicher Umstände, etwa Krankheit oder Behinderung, zwangsläufig einen höheren Grundbedarf aufweist als im Grundfreibetrag berücksichtigt, kommt daneben ein Abzug als außergewöhnliche Belastung in Betracht (BFH-Beschlüsse vom 28. November 1988 GrS 1/87, BFHE 154, 556, BStBl II 1989, 164; vom 27. Mai 2002 III B 159/01, BFH/NV 2002, 1298; BFH-Urteil vom 31. Mai 1989 III R 166/86, BFHE 157, 177, BStBl II 1989, 658).
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b) Ebenfalls nicht klärungsbedürftig ist die weitere von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, inwieweit Unterhaltsaufwendungen für ein Kind steuermindernd berücksichtigt werden können, für das der Steuerpflichtige oder eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld hat.
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aa) Typische Unterhaltsaufwendungen unterliegen nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG einem Abzugsverbot, wenn für die unterhaltsberechtigte Person ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld besteht. Es ist geklärt, dass dieses Abzugsverbot nicht gegen das Grundgesetz verstößt (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 1996 III R 105/93, BFH/NV 1997, 282; BFH-Beschlüsse vom 26. Juni 1987 III B 32/85, BFHE 150, 156, BStBl II 1987, 713; vom 22. April 1988 III B 73/87, BFHE 153, 143, BStBl II 1988, 612, sowie vom 23. Januar 1991 III B 77/89, BFH/NV 1991, 452). Denn mit dem Abzugsverbot von Unterhaltsleistungen bei einem Anspruch auf steuerliche Vergünstigungen für Kinder soll der auch vom Bundesverfassungsgericht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht beanstandete Grundgedanke verwirklicht werden, die üblichen Aufwendungen für Unterhalt und Berufsausbildung eines Kindes durch das Kindergeld oder den Kinderfreibetrag abzugelten. Das Gesetz geht dabei typisierend davon aus, dass das Existenzminimum des Unterhaltsempfängers bereits sichergestellt ist, wenn dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person für den Unterhaltsempfänger ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht (vgl. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2003 III R 32/02, BFHE 204, 200, BStBl II 2004, 275; vom 19. Mai 2004 III R 28/02, BFH/NV 2004, 1631).
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Mit ihrer Beschwerde machen die Kläger keine neuen Gesichtspunkte geltend, die durchgreifende Zweifel an dem typisierenden Grundgedanken der Vorschrift des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG hervorrufen könnten. Mithin ist eine erneute Prüfung und Entscheidung der von den Klägern aufgeworfenen Frage durch den BFH nicht erforderlich.
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bb) Hinsichtlich atypischer Unterhaltsleistungen, mit denen ein besonderer und außergewöhnlicher Bedarf abgedeckt wird --z.B. die Übernahme von Krankheits- oder Pflegekosten--, wird die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage dahingehend beantwortet, dass solche Unterhaltsleistungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht in der Lage ist, diese Aufwendungen selbst zu tragen (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 2011 VI R 14/10, BFHE 234, 191, m.w.N.). Dabei kommt die Bestimmung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG im Rahmen des § 33 EStG nicht ergänzend zur Anwendung. Denn § 33a EStG stellt gegenüber der allgemeinen Regelung des § 33 EStG eine Sondervorschrift dar. Das bedeutet auch, dass die in § 33a EStG enthaltenen Sonderbestimmungen nicht auf die Generalklausel des § 33 EStG ausgedehnt werden dürfen (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 VI R 61/08, BFHE 228, 350, BStBl II 2010, 621, m.w.N.).
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2. Der Vortrag, das Urteil des FG beruhe auf einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht, genügt nicht den hierbei zu beachtenden Darlegungserfordernissen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
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Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) geltend gemacht, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen sich die Notwendigkeit einer Beweiserhebung dem FG auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Ferner muss dargelegt werden, weshalb in der mündlichen Verhandlung keine entsprechenden Beweisanträge gestellt wurden (BFH-Beschlüsse vom 28. Januar 2003 VI B 161/00, BFH/NV 2003, 793; vom 3. November 2010 I B 102/10, BFH/NV 2011, 808).
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Das Vorbringen der Kläger genügt diesen Anforderungen nicht. Sie machen lediglich geltend, das FG hätte von sich aus aufklären müssen, ob der Kläger atypische Unterhaltsaufwendungen trug. Welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich daraus ergeben hätten, tragen die Kläger indessen nicht vor. Dessen ungeachtet haben sie nicht dargelegt, weshalb sie --obwohl fachkundig vertreten-- in der mündlichen Verhandlung keine entsprechenden Beweisanträge gestellt haben.
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3. Mit ihrem Vortrag in der Beschwerdeschrift machen die Kläger im Grunde geltend, das FG habe den Streitfall unrichtig entschieden. Dies kann jedoch nur dann zur Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO führen, wenn ein Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen und greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung gerügt wird, der geeignet wäre, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen (BFH-Beschluss vom 10. Januar 2012 VI B 80/11, BFH/NV 2012, 782, m.w.N.). Auch diese Voraussetzungen haben die Kläger in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt.
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