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BFH 02.03.2011 - XI R 47/07
BFH 02.03.2011 - XI R 47/07 - (EuGH-Vorlage zu den Voraussetzungen der Steuerfreiheit der Umsätze eines ambulanten Pflegedienstes - Beurteilung von im Jahr der Betriebsgründung ausgeführten Umsätzen nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG - Neutralität der Mehrwertsteuer - Unionsrechtskonformität von § 4 Nr. 18 UStG)
Normen
§ 4 Nr 16 Buchst e UStG 1993, § 4 Nr 18 UStG 1993, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst g EWGRL 388/77, Art 13 Teil A Abs 2 Buchst a EWGRL 388/77, Abschn 99a Abs 8 UStR 2008
Vorinstanz
vorgehend FG Berlin, 16. August 2006, Az: 2 K 5218/01, Urteil
nachgehend EuGH, 15. November 2012, Az: C-174/11, Urteil
nachgehend BFH, 19. März 2013, Az: XI R 47/07, Urteil
Leitsatz
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Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
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1. Erlauben es Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und/oder Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG dem nationalen Gesetzgeber, die Steuerbefreiung der Leistungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen davon abhängig zu machen, dass bei diesen Einrichtungen "im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind" (§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG) ?
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2. Ist es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer für die Antwort auf diese Frage von Bedeutung, dass der nationale Gesetzgeber dieselben Leistungen unter anderen Voraussetzungen als steuerfrei behandelt, wenn sie von amtlich anerkannten Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, ausgeführt werden (§ 4 Nr. 18 UStG) ?
Tatbestand
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I. Sachverhalt
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in A einen ambulanten Pflegedienst. Sie ist examinierte Krankenschwester und arbeitete 1992 als angestellte Pflegedienstleiterin in einer Sozialstation. Daneben betreute sie ab Anfang 1993 einzelne Patienten selbständig und meldete zum 1. Juni 1993 einen ambulanten Pflegedienst an. Auf ihren Antrag vom 27. August 1993 wurde sie zum 1. Oktober 1993 für die Leistungen der Häuslichen Krankenpflege (§ 37 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch in der damals geltenden Fassung --SGB V--), Häuslichen Pflegehilfe (§§ 53 bis 56 SGB V) und Haushaltshilfe (§ 38 SGB V) zu den Krankenkassen zugelassen.
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In den Umsatzsteuererklärungen für 1993 und 1994 (Streitjahre) behandelte sie ihre Umsätze als gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. e des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) steuerfrei.
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Im Jahr 1999 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) fest, dass die Klägerin (mit ihrem Personal) im Jahr 1993 insgesamt 76 Personen behandelt hatte, von denen 52 Personen (= 68 %) Privatzahler waren. Daraufhin versagte das FA die Steuerfreiheit der von der Klägerin im Jahr 1993 erbrachten Leistungen gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG unter Hinweis darauf, dass nach dieser Vorschrift in mindestens zwei Drittel der Fälle die Kosten von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sein müssten. Die Steuerfreiheit für die von der Klägerin im Jahr 1994 erbrachten Leistungen nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG versagte das FA, weil die Vorschrift auf die Verhältnisse des Vorjahres abstelle. Allerdings greife die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG ein, soweit die Klägerin Leistungen der Behandlungspflege erbracht habe; deren Anteil schätzte das FA auf ein Drittel (Umsatzsteuerbescheide für 1993 und 1994 vom 27. April 1999).
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Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage. Während des Klageverfahrens legte sie ein an sie gerichtetes Schreiben der Verwaltung A vom 19. Oktober 2005 vor. Darin heißt es:
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"... Ich kann Ihnen bestätigen, dass Sie auf dem Gebiet der häuslichen Krankenpflege die gleichen Leistungen erbrachten bzw. die gleichen Tätigkeiten ausführten wie die Pflegestationen (Sozialstationen) aus dem Kreise der Liga der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in A. Die Aufgabenbeschreibung und der Inhalt der Tätigkeit der privaten Leistungsanbieter war identisch mit denen der Sozialstationen der Freien Wohlfahrtspflege. Eine solche Identität der Leistungsinhalte ist nach meinen Unterlagen spätestens seit 1988 gegeben.
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Ich weise darauf hin, dass ab dem 01.01.1992 in § 4 Nr. 16 e UStG die Befreiung von der Umsatzsteuer von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Ob diese Voraussetzungen vorlagen, kann und möchte ich nicht beurteilen. Unabhängig von dieser Regelung bin ich aber der Auffassung, dass Sie bzw. Ihr Unternehmen in sozialrechtlicher Hinsicht als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt wurde."
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage überwiegend statt. Es führte zur Begründung aus, die im Streitjahr 1993 bis zum 1. Oktober ausgeführten Umsätze der Klägerin seien, soweit sie auf die Behandlungspflege entfielen, gemäß § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei; deren Anteil schätzte das FG auf der Grundlage von Berechnungen, die die Klägerin im Klageverfahren vorgelegt hatte, auf 75 %.
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Für den Zeitraum vom 1. Oktober 1993 bis 31. Dezember 1994 könne die Klägerin die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG beanspruchen. Ab diesem Zeitraum seien mindestens zwei Drittel dieser Umsätze auf Personen entfallen, bei denen die Pflegekosten von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder überwiegend getragen worden seien. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass erst der Zeitraum ab Oktober 1993 heranzuziehen sei.
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Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG geltend. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit das FG die Klagestattgabe für den Zeitraum vom 1. Oktober 1993 bis zum 31. Dezember 1994 auf § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG gestützt hat.
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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Hilfsweise regt sie an, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen zur Vereinbarkeit von § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG mit dem Unionsrecht zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Entscheidungsgründe
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II. Der Senat legt die im Leitsatz bezeichneten Fragen zur Auslegung des Unionsrechts dem EuGH vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
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1. Die maßgeblichen Vorschriften und Bestimmungen
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a) Nationales Recht
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aa) Nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG in der in den Streitjahren 1993 und 1994 geltenden Fassung waren von den unter § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei u.a.
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"die mit dem Betrieb ... der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze, wenn
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...
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e) bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind".
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bb) Nach § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG sind steuerfrei
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"die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, wenn
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a) diese Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen,
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b) die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten Personenkreis zugute kommen und
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c) die Entgelte für die in Betracht kommenden Leistungen hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben."
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§ 23 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 (UStDV) zählt elf Vereinigungen auf, die i.S. des § 4 Nr. 18 UStG als amtlich anerkannte Verbände der Wohlfahrtspflege gelten.
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b) Unionsrecht
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Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) --auf dem nach der Gesetzesbegründung sowohl § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG als auch § 4 Nr. 18 UStG beruhen-- befreien unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften
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"die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
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...
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g) die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen".
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Nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten die Gewährung der unter Abs. 1 Buchst. g vorgesehenen Befreiung für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, von Fall zu Fall von der Erfüllung einer oder mehrerer dort näher bezeichneten Bedingungen abhängig machen.
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2. Zur Rechtslage nach nationalem Recht
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Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG nicht erfüllt.
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a) § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG stellt für die Steuerbefreiung auf die Übernahme der Pflegekosten durch die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe "im vorangegangenen Kalenderjahr" ab. Dies ist bei der Beurteilung von Umsätzen, die im Jahr der Betriebsgründung ausgeführt werden --wie hier im Streitjahr 1993-- unmöglich. In einem solchen Fall sind die (voraussichtlichen) Umsätze des Jahres der Eröffnung der Einrichtung maßgebend (vgl. das zu § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. November 1993 V R 64/89, BFHE 173, 242, BStBl II 1994, 212, unter II.1.a; so auch Abschn. 99a Abs. 8 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008).
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Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG dahingehend richtlinienkonform auszulegen ist, dass für die Einordnung der Klägerin erst der Zeitraum ab Oktober 1993 heranzuziehen ist. Die Klägerin hat im Jahr 1993 nur eine Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG und nicht mehrere Einrichtungen betrieben. Daher ist auf die im gesamten Jahr des Beginns des Pflegedienstes erbrachten Leistungen abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 54/06, BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643, unter II.1.b).
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Nach den Feststellungen des FG wurden bei den von der Klägerin im gesamten Streitjahr 1993 erbrachten Leistungen die Pflegekosten nicht in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen.
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b) Für das Streitjahr 1994 ist die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG aufgestellte Bedingung gleichfalls nicht erfüllt. Für dieses Jahr ist auf die Verhältnisse des Vorjahres 1993 abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643).
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3. Zur Anrufung des EuGH
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a) Der EuGH hat durch Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 --Kügler-- (Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30) entschieden, dass Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG darstellen. Auf die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG könne sich ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist. Es sei Sache des nationalen Gerichts, anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung sei (Leitsätze 3 und 4 und Rz 61 des Urteils).
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In der Folgeentscheidung zu diesem EuGH-Urteil hat der BFH im Urteil vom 22. April 2004 V R 1/98 (BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849) entschieden, die Anerkennung eines Unternehmens als eine Einrichtung mit sozialem Charakter könne auch aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden. Maßgebend sei insoweit, dass es sich ihrer Art nach um die Leistungen handele, für die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar gewesen seien (vgl. unter II.3.c der Urteilsgründe).
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Nach dieser --zum Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG am 1. Januar 1992 ergangenen-- Rechtsprechung ist die Klägerin grundsätzlich als Einrichtung mit sozialem Charakter i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG anzuerkennen, weil es sich bei den von ihr erbrachten Leistungen der Art nach um solche handelt, für die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar waren und für die ab dem 1. Oktober 1993 --jedenfalls teilweise-- die Kosten auch übernommen wurden (ebenso BFH-Urteil in BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643).
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b) Der EuGH hat ferner im Urteil vom 8. Juni 2006 Rs. C-106/05 --L. u. P. GmbH-- (Slg. 2006, I-5123, BFH/NV Beilage 2006, 442) für den Fall medizinischer Laboruntersuchungen entschieden, dass die in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 für die Steuerfreiheit der Umsätze von Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung aufgestellte 40 %-Grenze grundsätzlich mit europäischem Recht vereinbar sei (Rz 42 und 54). Er führt jedoch weiter in Rz 50 aus:
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"Insoweit ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität zunächst verlangt, dass für alle in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie genannten Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen gelten. Im vorliegenden Fall hat daher das vorlegende Gericht zu prüfen, ob die nationale Regelung diesem Erfordernis entspricht oder aber die Anwendung der fraglichen Bedingungen auf bestimmte Arten von Einrichtungen beschränkt, während andere von ihr ausgenommen sind."
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In seiner Folgeentscheidung vom 15. März 2007 V R 55/03 (BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31) ist der V. Senat des BFH im Rahmen der ihm aufgegebenen Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die nationalen Regelungen in § 4 Nr. 14 UStG, § 4 Nr. 16 Buchst. b und c UStG nicht mit dem unionsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu vereinbaren seien, weil danach nicht für alle Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung gelten.
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Allerdings hat der V. Senat des BFH in dem Urteil in BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643 entschieden, dass § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1999 weder verfassungsrechtlich noch gemeinschaftsrechtlich zu beanstanden sei, soweit diese Vorschrift für die Steuerfreiheit der dort genannten Umsätze voraussetzt, dass im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind.
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c) Es stellen sich demnach mehrere Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, deren Beantwortung dem EuGH vorbehalten ist.
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aa) Zunächst ist zweifelhaft, ob die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG enthaltene Zweidrittel-Grenze auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g oder auf Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG gestützt werden kann.
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Nach Auffassung des Generalanwalts in der Sache C-106/05 --L. u. P. GmbH-- (Rz 43 der Schlussanträge vom 7. März 2006, Slg. 2006, I-5123) dient die in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 für die Steuerfreiheit der Umsätze von Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung aufgestellte 40 %-Grenze der Umsetzung der in Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen fakultativen Bedingung, wonach von den Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, als Voraussetzung dafür, dass sie eine Steuerbefreiung erhalten können, "Preise angewendet werden [müssen], die von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder solche, die die genehmigten Preise nicht übersteigen". Es sei Sache der nationalen Gerichte, zu entscheiden, ob diese Bedingung ein geeignetes Instrument dafür darstelle, die Vereinbarkeit der von der Klägerin angewendeten Preise mit den von den zuständigen Behörden genehmigten Preisen zu beurteilen.
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Nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil L. u. P. GmbH (Slg. 2006, I-5123, BFH/NV Beilage 2006, 442, Rz 41 ff.) ist aber fraglich, ob sich der EuGH diese Ansicht des Generalanwalts zu eigen gemacht hat und ob sie auch im Falle einer Zweidrittel-Grenze gilt.
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bb) Zudem hat sich der EuGH in Rz 41 ff. seines Urteils L. und P. GmbH (Slg. 2006, I-5123, BFH/NV Beilage 2006, 442) nicht ausdrücklich zu der in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG enthaltenen Voraussetzung geäußert, dass die 40 %-Grenze im vorangegangenen Jahr erfüllt sein muss. Zweifelhaft ist, ob seine Ausführungen so zu verstehen sind, dass er damit auch diese Voraussetzung --die er zur Kenntnis genommen hat (vgl. Rz 7 des Urteils)-- gebilligt hat.
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Das Abstellen auf die Verhältnisse des Vorjahres in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG (wie in § 4 Nr. 16 Buchst. b bis d UStG) dient der Rechtssicherheit und könnte sich möglicherweise unionsrechtlich auf den Einleitungssatz zu Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG stützen, wonach u.a. der Gesichtspunkt der "einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen" zu berücksichtigen ist.
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cc) Schließlich ist die Bedeutung des mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes für Streitfälle der vorliegenden Art zweifelhaft.
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(1) Der Senat neigt zu der Auffassung, dass die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG der Klägerin bei Beachtung des Gebots der Neutralität der Mehrwertsteuer --hier in Gestalt der Wettbewerbsneutralität-- nicht unter Hinweis darauf versagt werden kann, dass der nationale Gesetzgeber ab dem 1. Januar 1992 in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung für eine Steuerfreiheit verlangt, dass die Pflegekosten im vorangegangenen Kalenderjahr in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind.
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Denn § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG stellt für die Steuerfreiheit von Pflegeleistungen Bedingungen auf, die Wettbewerber, die vergleichbare Leistungen erbringen, für eine Steuerfreiheit nicht erfüllen müssen. So ist bei Pflegeleistungen aus dem Kreis der Liga der Verbände der freien Wohlfahrtspflege für die Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 18 UStG unerheblich, ob die Pflegekosten zu einem bestimmten Anteil von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe getragen wurden; es kommt insoweit auch nicht auf die Verhältnisse des Vorjahres an.
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"Gleiche Bedingungen" für die Steuerfreiheit vergleichbarer Leistungen würden zwar auch dann bestehen, wenn die in § 4 Nr. 18 UStG aufgestellten Voraussetzungen im Ergebnis gewährleisten würden, dass tatsächlich die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG enthaltene Zweidrittel-Grenze stets (und zwar im Vorjahr) erreicht ist. Das ist aber nicht der Fall. Es ist vielmehr möglich, dass das Abstandsgebot des § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG erfüllt, aber gleichwohl die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG enthaltene Zweidrittel-Grenze nicht erreicht ist. Denn das Abstandsgebot bewirkt, dass auch von privat Versicherten oder Nichtversicherten ein niedrigerer Preis genommen werden muss. Das Abstandsgebot kann daher auch dann gewahrt sein, wenn die Leistungen in weniger als zwei Drittel der Fälle von den Trägern der Sozialversicherung getragen werden. So geht auch die Oberfinanzdirektion Düsseldorf in einer Verfügung vom 13. Mai 2005 - Kurzinformation Umsatzsteuer Nr. 10 (Umsatzsteuer-Rundschau 2005, 516) davon aus, dass für ambulante Pflegeleistungen "unterschiedliche" Bedingungen für die Steuerbefreiung gelten. Denn sie führt aus, dass die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG auch dann gewährt werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG nicht erfüllt sind.
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Zudem dürfte § 4 Nr. 18 UStG selbst dann, wenn man unterstellt, dass die in Buchst. a bis c dieser Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen auf Art. 13 Teil A Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG gestützt werden könnten, nicht dem Unionsrecht entsprechen. Denn auch eine Einrichtung, die die Merkmale der Buchst. a bis c des § 4 Nr. 18 UStG erfüllt, kann sich dann nicht auf diese Steuerbefreiung berufen, wenn sie kein in § 23 UStDV aufgezählter Verband oder Mitglied in einem solchen Verband ist. Die Richtlinie 77/388/EWG enthält aber nach Ansicht des Senats weder in Art. 13 Teil A Abs. 2 noch an anderer Stelle eine Regelung, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Steuerbefreiung gleicher Dienstleistungen davon abhängig zu machen, ob der Leistende ein bestimmter Verband oder Mitglied in einem solchen Verband ist.
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(2) Dagegen hat der V. Senat des BFH auf Anfrage des Senats (Beschluss vom 30. Juni 2010 XI R 47/07, juris) mitgeteilt, dass er einer Abweichung von seiner Rechtsprechung im Urteil in BFHE 221, 391, BStBl II 2008, 643 nicht zustimmt; er sieht darin, dass die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG bezeichneten Leistungen auch unter den Bedingungen des § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei sein können, keinen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz (Beschluss vom 16. Dezember 2010 V ER-S-3/10, nicht veröffentlicht).
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d) Die dem EuGH vorgelegten Fragen sind entscheidungserheblich.
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Wenn § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG unionsrechtskonform ist, ist die Sache gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, damit es prüfen kann, in welchem Umfang die vom 1. Oktober 1993 bis 31. Dezember 1994 ausgeführten Umsätze der Klägerin in einer Behandlungspflege bestanden und deshalb nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei sind.
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Andernfalls könnte sich die Klägerin unmittelbar auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG berufen; die Revision des FA wäre dann als unbegründet zurückzuweisen.
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4. Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH ist Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
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5. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO.
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