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BFH 10.03.2010 - VI R 36/08
BFH 10.03.2010 - VI R 36/08 - Bewertung unentgeltlich eingeräumter Genussrechte
Normen
§ 8 Abs 2 S 9 EStG 2002, § 19a Abs 2 S 2 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend FG München, 21. August 2008, Az: 15 K 1238/06, Urteil
Leitsatz
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NV: § 19a Abs. 2 Satz 2 EStG 2005 ist wie schon § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG a.F. auf die Fälle der verbilligten oder unentgeltlichen Überlassung von Vermögensbeteiligungen durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer zu beschränken, in denen im Zeitpunkt des Überlassungsbeschlusses der geldwerte Vorteil noch nicht feststeht.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob für unentgeltlich eingeräumte Genussrechte die in § 8 Abs. 2 Satz 9 des Einkommensteuergesetzes in der im streitigen Zeitraum 2005 geltenden Fassung (EStG) normierte Freigrenze in Höhe von 44 € im Kalendermonat Anwendung findet.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft einen Buchverlag mit etwa 300 Arbeitnehmern. Sie räumte im Oktober 2005 ihren Arbeitnehmern jeweils mit bis Ende 2007 befristeten Individualverträgen das Recht ein, monatlich unentgeltlich ein unverbrieftes Genussrecht im Wert von 44 € zu erwerben, das einem Kapitalkonto (Kapitalstock) gutgeschrieben wurde. Der Genussrechtsvertrag endete regulär mit dem Renteneintrittsalter oder bei anderweitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dann sollte der Arbeitnehmer den Nennbetrag des Kapitalstocks sowie den Saldo seines Guthabenkontos erhalten. Im Monat Oktober 2005 machten 174 Arbeitnehmer davon Gebrauch.
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Die Klägerin ließ die unentgeltlich gewährten Genussrechte in der Auffassung unbesteuert, dass diese unterhalb der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht der Lohnsteuer unterlägen.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erfasste dagegen im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung die Genussrechte mit einem durchschnittlichen, der Höhe nach unstreitigen Lohnsteuersatz von 45,1 % und setzte die sich daraus ergebenden Steuern mit dem hier streitigen Nachforderungsbescheid vom 14. Dezember 2005 gegen die Klägerin fest.
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Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) den Nachforderungsbescheid aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1869 veröffentlichten Gründen ersatzlos auf.
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Mit der Revision rügt das FA die unzutreffende Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG.
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Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die von der Klägerin an deren Mitarbeiter gewährten Genussrechte wegen der in § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG für unentgeltliche Sachbezüge normierten Freigrenze nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen.
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1. Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit darüber, dass die kostenlos überlassenen Genussrechte Vorteile darstellen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben und daher grundsätzlich zu Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG führen. Ebenso besteht kein Streit darüber, dass die Genussrechte als Vermögensbeteiligungen i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 bis 5 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes i.d.F. vom 19. Dezember 2000 gelten, die nach § 19a Abs. 1 EStG steuerfrei sind, soweit der Vorteil nicht höher als der halbe Wert der Vermögensbeteiligung ist und insgesamt 135 € im Kalenderjahr nicht übersteigt.
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2. Der erkennende Senat hatte schon mit Urteil vom 4. April 2001 VI R 96/00 (BFHE 195, 540, BStBl II 2001, 813) zu § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG in der im Jahr 1990 geltenden Fassung entschieden, dass der Anwendungsbereich dieser Norm zu beschränken sei. Denn § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG sei von der allgemeinen Bewertungsregelung in § 8 Abs. 2 EStG abgewichen, die auf den objektiven Wert im Zeitpunkt des Zuflusses abstelle. Diese Abweichung von der allgemeinen Bewertungsregelung in § 8 Abs. 2 EStG sei nur insoweit gerechtfertigt, als es der Regelungszweck des § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG erfordere. Danach sei die Vorschrift nur in den Fällen anzuwenden, in denen der aus der Annahme des Überlassungsangebots entstehende Vorteil bis zur Überlassung Veränderungen unterliegen könne. Beziffere der Arbeitgeber jedoch in seinem Überlassungsangebot den Vorteil mit einem feststehenden Betrag, bedürfe es für die Ermittlung des geldwerten Vorteils nicht der Heranziehung des § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG.
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3. Die Grundsätze der Senatsentscheidung in BFHE 195, 540, BStBl II 2001, 813 gelten auch für die Anwendung des § 19a Abs. 2 Satz 2 EStG in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung, der insoweit nicht nur nach dem Wortlaut weitestgehend der damaligen Fassung entspricht, sondern sich insbesondere auch in seinem Regelungszweck, nämlich dem Arbeitgeber zu ermöglichen, schon zum Zeitpunkt des Überlassungsangebots dem Arbeitnehmer die steuerlichen Auswirkungen der Beteiligungsüberlassung mitteilen zu können (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- in BFHE 195, 540, BStBl II 2001, 813), nicht von der zuvor geltenden Fassung unterscheidet.
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a) Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze hat das FG im Ergebnis zutreffend § 19a Abs. 2 Satz 2 EStG nicht angewandt. Denn auch im hier zu entscheidenden Streitfall bedurfte es nicht der Anwendung der Sonderregelung des § 19a Abs. 2 Satz 2 EStG, nachdem der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern jeweils wertmäßig konkret bezifferbare und bezifferte Genussrechte im Wert von jeweils 44 € eingeräumt hatte und der Vorteil dadurch der Höhe nach unabänderlich festgeschrieben war.
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b) Angesichts dessen kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass wenig dafür spricht, dass die für lohnsteuerrechtliche Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG geltende Freigrenze durch die für Vermögensbeteiligungen geltende und nach ihrer Regelungstendenz grundsätzlich begünstigende Norm des § 19a EStG verdrängt werden sollte. Zutreffend verweist insoweit die Klägerin auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 18. Mai 1988 II R 1/85, BFHE 154, 134, BStBl II 1988, 822), wonach eine vergünstigende Norm nicht dazu führen dürfe, dass der Steuerpflichtige ungünstiger behandelt werde, als wenn es diese Vergünstigung nicht gäbe.
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