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BFH 10.02.2010 - V S 24/09
BFH 10.02.2010 - V S 24/09 - Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung
Normen
§ 69 Abs 2 S 2 FGO, § 69 Abs 3 FGO, § 241 AO, § 244 AO
Leitsatz
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1. NV: Das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen entfällt, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist. Die Zulassung der Revision begründet noch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen im Revisionsverfahren.
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2. NV: Von einer Sicherheitsleistung kann dann nicht abgesehen werden, wenn es dem Steuerpflichtigen nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zwar nicht möglich ist, die Steuernachzahlungen zu leisten, er aber weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass es seine wirtschaftlichen Verhältnisse auch nicht zulassen, eine Bankbürgschaft beizubringen.
Tatbestand
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I. Die Antragstellerin, eine GmbH, hat gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Nürnberg vom 17. März 2009 (2 K 1474/2007) Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt (Az.: V B 63/09) und im Hinblick darauf, dass der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 18. August 2009 eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) nur gegen Sicherheitsleistung gewährte, AdV ohne Sicherheitsleistung beantragt. Sie habe dem FA ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offen dargelegt. Danach lasse die aktuelle Situation keine Zahlungen zu. Diese seien im Falle einer Insolvenz sogar anfechtbar und würden den Geschäftsführer strafrechtlichen Vorwürfen (Gläubigerbegünstigung) aussetzen.
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Das FA beantragt, den Antrag auf AdV ohne Sicherheitsleistung zurückzuweisen. Die für die Anordnung einer Sicherheitsleistung erforderliche Gefährdung des Abgabenanspruchs sei darin zu erblicken, dass der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer der Antragstellerin gegenüber einer Mitarbeiterin des FA ernsthaft geäußert habe, dass er Deutschland in nächster Zeit für immer verlassen wolle. Nach der Saldenliste vom 31. März 2009 sei die Antragstellerin nicht überschuldet. Von einer Sicherheitsleistung könne auch nicht im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Lage abgesehen werden. Es fehle an geeignetem Vortrag, warum eine Sicherheitsleistung nicht durch Bankbürgschaft, Ratenzahlung, Umbuchung von Umsatzsteuerguthaben bzw. Abtretung von Forderungen gestellt werden könne.
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Mit Beschluss vom 10. Februar 2010 (V B 63/09) hat der Senat die Revision gegen das Urteil des FG Nürnberg zugelassen.
Entscheidungsgründe
- § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung
- § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO
- BFH-- vom 7. Mai 2008 IX S 26/07
- BFH/NV 2008, 1498
- BFH-Beschluss vom 26. Juni 2009 IX B 194/08
- BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00
- BFH/NV 2002, 809
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2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im Streitfall von einer Gefährdung des Steueranspruchs auszugehen. Diese ergibt sich nicht schon aus der Äußerung des Gesellschafter-Geschäftsführers, Deutschland in nächster Zeit für immer verlassen zu wollen. Abgesehen davon, dass der Steueranspruch nicht den Gesellschafter-Geschäftsführer, sondern die Antragstellerin betrifft, hat das FA in keiner Weise konkretisiert, dass das Vorhaben des Gesellschafter-Geschäftsführers --beispielsweise durch Maßnahmen zur Liquidierung der GmbH-- noch vor der Beendigung des Rechtsstreits realisiert werden wird und dadurch eine Begleichung der Steuerschuld nach ihrer endgültigen gerichtlichen Feststellung fraglich erscheint.
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Eine Gefährdung des Steueranspruchs ergibt sich jedoch aus den eigenen Darlegungen der Antragstellerin (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426, 429). Nach der vorgelegten Summen- und Saldenliste verfügt diese --von Forderungen gegen Gesellschafter in Höhe von 25.823 € abgesehen-- über kein nennenswertes Vermögen. Die Belastung mit einer Steuernachzahlung von 53.320,42 € ist daher geeignet, zur Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit und damit zur Vernichtung der Existenz der Antragstellerin zu führen. Dem entspricht der Vortrag der Antragstellerin, dass sie eine Zahlung in Höhe der Steuerschulden derzeit nicht leisten könne, und dass im Falle einer Zahlung insolvenz- und strafrechtliche Konsequenzen drohten.
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3. Das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen entfällt zwar, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Mai 2004 I B 108/04, BFH/NV 2005, 1778). Auch wenn der Senat mit Beschluss vom 10. Februar 2010 die Revision gegen das Urteil des FG Nürnberg vom 17. März 2009 (2 K 1474/2007) zugelassen hat, folgt hieraus noch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin im Revisionsverfahren obsiegen wird. Die Frage, ob die Antragstellerin ihre Dienstleistungen ("driving service") im Inland erbrachte, ist vielmehr offen. Im Revisionsverfahren wird auch zu berücksichtigen sein, dass die Antragstellerin nach Urteilsverkündigung Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausgestellt hat und es sich dabei nach der Rechtsprechung des Senats um ein auf das Jahr der Leistungserbringung zurückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) handeln könnte (BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 39/06, BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786).
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4. Von einer Sicherheitsleistung ist auch nicht im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage der Antragstellerin abzusehen. Sie hat zwar vorgetragen, nach ihren derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnissen die Umsatzsteuer-Nachzahlung nicht leisten zu können, bei der Stellung einer Sicherheitsleistung geht es aber nicht um Zahlungen. Wird --wie im Streitfall-- AdV durch das FA gewährt, bestimmt sich die Art der Sicherheitsleistung nach §§ 241 ff. AO. Sicherheit kann danach u.a. durch eine Bankbürgschaft geleistet werden (§ 241 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 244 AO). Dass es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zulassen, eine derartige Bankbürgschaft beizubringen, hat die Antragstellerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Soweit sie vorträgt, beim Leisten einer Sicherheit drohten ihr insolvenz- und strafrechtliche Konsequenzen, fehlt es schon an konkreten Anhaltspunkten für eine dadurch eintretende Insolvenz.
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