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BVerfG 02.06.2022 - 1 BvR 1071/22
BVerfG 02.06.2022 - 1 BvR 1071/22 - Nichtannahmebeschluss: Verfassungsbeschwerde bzgl einer Warnung des BSI vor Virenschutzsoftware gem § 7 BSIG 2009 unzulässig - Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtswegs in der Hauptsache geboten
Normen
§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 2 BVerfGG, § 7 Abs 1 S 1 Buchst a BSIG 2009
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 28. April 2022, Az: 4 B 473/22, Beschluss
vorgehend VG Köln, 1. April 2022, Az: 1 L 466/22, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, denn es ist nicht dargelegt, dass der in Art. 94 Abs. 2 Satz 2 GG angelegte Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) gewahrt worden ist.
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I.
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Richten sich Verfassungsbeschwerden wie hier gegen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, gebietet der Grundsatz der materiellen Subsidiarität regelmäßig die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache, wenn Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen (vgl. BVerfGE 77, 381 401>; 79, 275 278 f.>; 86, 15 22 f.>; stRspr). Anders liegt es, wenn Beschwerdeführende eine Rechtsverletzung geltend machen, die das Fachgericht gerade durch die Art und Weise der Bearbeitung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verursacht hat. Das kann der Fall sein, wenn die sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beziehungsweise Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die vorläufige Rechtsschutzgewährung verkannt worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. September 2014 - 1 BvR 23/14 -, Rn. 23) oder der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt wurde (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. März 2019 - 1 BvR 2721/16 -, Rn. 16).
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Beschwerdeführende können allerdings für die Rüge von Grundrechtsverletzungen, die sich auf die Hauptsache beziehen, dann nicht auf den fachgerichtlichen Rechtsweg in der Hauptsache verwiesen werden, wenn die Durchführung des Hauptsacheverfahrens unzumutbar ist. Das ist der Fall, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache vor den Fachgerichten von vornherein aussichtslos erscheint oder wenn die tatsächliche oder einfachrechtliche Lage zur verfassungsrechtlichen Beurteilung ausreichend geklärt ist und die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 77, 381 401 f.>; 78, 290 301 f.>; 79, 275 278 f.>; 104, 65 70 f.>). Regelmäßig soll dem Bundesverfassungsgericht infolge der fachgerichtlichen Vorprüfung der Beschwerdepunkte ein bereits eingehend geprüftes Tatsachenmaterial vorliegen und die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die sachnäheren Fachgerichte vermittelt werden (vgl. BVerfGE 79, 1 20>; 86, 382 386 f.>; 114, 258 279>; dazu auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Juli 2020 - 1 BvR 1630/20 -, Rn. 14). Durch eine spätere Entscheidung dürfen den Beschwerdeführenden aber auch keine nicht mehr korrigierbaren, irreparablen Schäden drohen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 2017 - 1 BvR 1719/17 -, Rn. 8).
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II.
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Danach hat die Beschwerdeführerin hier nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen dafür erfüllt wären, sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen wenden zu können.
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1. Die Grundrechtsrügen - Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG - beziehen sich nicht auf das fachgerichtliche Eilverfahren. Die Beschwerdeführerin macht keine Verletzung ihrer dort zu beachtenden Verfahrensrechte geltend.
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2. Das fachgerichtliche Verfahren in der Hauptsache ist nicht offensichtlich aussichtslos. Das Verwaltungsgericht ist aufgrund einer lediglich summarischen Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ausgesprochene Warnung zu der von der Beschwerdeführerin vertriebenen Virenschutzsoftware nach Maßgabe von § 7 des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik als rechtmäßig erweise. Das Oberverwaltungsgericht kam nach Maßgabe des Beschwerdevorbringens zu keinem anderen Ergebnis. Damit ist die Hauptsache nicht entschieden. Eine vorrangige Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache ist der Beschwerdeführerin aus diesem Grund nicht unzumutbar.
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3. Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht deshalb ausnahmsweise vor Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes zulässig, weil sie allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die das Bundesverfassungsgericht auch ohne vorherige fachgerichtliche Aufbereitung der tatsächlichen und rechtlichen Entscheidungsgrundlagen beantworten könnte (vgl. BVerfGE 150, 309 327 Rn. 44>). Vielmehr kommt es hier auch auf die tatsächlichen Umstände der Gewährleistung der Sicherheit in der Informationstechnik der von der Beschwerdeführerin vertriebenen Virenschutzsoftware an, die einer fachgerichtlichen Aufklärung und Aufbereitung bedürfen. Aus diesem Grund ist die Verfassungsbeschwerde auch nicht wegen allgemeiner Bedeutung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG schon vor Ausschöpfung der Möglichkeit fachgerichtlichen Rechtsschutzes zulässig.
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4. Es ist nicht ersichtlich, dass es für die Beschwerdeführerin unzumutbar wäre, den Rechtsweg in der Hauptsache zu beschreiten. Die Beschwerdeführerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihr bei Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren ein schwerer und unabwendbarer Nachteil im Sinne von § 90 Abs. 2 BVerfGG droht. Es genügt insofern nicht, allgemein auf die voraussichtliche Dauer eines Hauptsacheverfahrens zu verweisen; vielmehr ist darzulegen, dass durch eine Verweisung auf die Hauptsache unabwendbare und irreparable Schäden drohen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 2017 - 1 BvR 1719/17 -, Rn. 8). Hier weichen die mitgeteilten Zahlen zu etwaigen Umsatzeinbußen nicht nur erheblich von den Angaben im fachgerichtlichen Verfahren bezogen auf denselben Zeitpunkt ab, ohne dass die Verfassungsbeschwerde diesen Widerspruch plausibel aufklären würde. Aktuellere Zahlen werden auch nicht vorgetragen. Darüber hinaus wird angegeben, die Umsätze hätten sich schon vor der Warnung durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine verringert, was aber mit aktiver Kommunikation und Marketingmaßnahmen habe kompensiert werden können. Wie sich Kommunikation und Marketing nach der hier streitigen Warnung auswirkten, wird jedoch nicht dargelegt.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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III.
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Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf einstweilige Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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