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BVerfG 15.06.2020 - 2 BvR 1556/17
BVerfG 15.06.2020 - 2 BvR 1556/17 - Kammerbeschluss: Zurückweisung einer gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss im Verfassungsbeschwerdeverfahren erhobenen sofortigen Beschwerde - weder Erledigungs- noch Terminsgebühr entstanden
Normen
§ 34a Abs 3 BVerfGG, § 93d Abs 2 S 1 BVerfGG, Anl 1 Nr 1002 RVG, Anl 1 Nr 1003 RVG, Anl 1 Nr 3210 RVG, Anl 1 Vorbem 3 Abs 3 S 1 Alt 3 RVG, Anl 1 Vorbem 3 Abs 3 S 3 Nr 2 RVG
Vorinstanz
vorgehend BVerfG, 1. August 2019, Az: 2 BvR 1556/17, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren
vorgehend VG Osnabrück, 27. Juni 2017, Az: 4 A 293/17, Beschluss
vorgehend VG Osnabrück, 8. Juni 2017, Az: 4 A 293/17, Beschluss
Tenor
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Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. November 2019 wird zurückgewiesen.
Gründe
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I.
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1. Mit seiner mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen Verfassungsbeschwerde wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Versagung verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes gegen die ihm durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angedrohte Abschiebung. Nach Beschwerde- und Antragseingang beim Bundesverfassungsgericht setzte der Berichterstatter der Kammer die zuständige Ausländerbehörde hiervon in Kenntnis. Die Behörde teilte wunschgemäß mit, vor dem Vollzug der Abschiebung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuwarten. Nachdem das Verwaltungsgericht seine Klage gegen den Bescheid des Bundesamts rechtskräftig abgewiesen und er eine Ausbildungsduldung erhalten hatte, gab der Beschwerdeführer eine Erledigungserklärung für das Verfassungsbeschwerdeverfahren ab und beantragte die Erstattung seiner notwendigen Auslagen.
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2. Daraufhin stellte die Kammer das Verfassungsbeschwerdeverfahren mit Beschluss vom 1. August 2019 ein und stellte weiter fest, dass sich damit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt habe. Es wurde angeordnet, dass das Land Niedersachsen dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen sowohl für das Verfassungsbeschwerdeverfahren als auch für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten habe, und die Gegenstandswerte wurden festgesetzt.
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3. Mit Kostenfestsetzungsanträgen vom 15. August 2019 begehrte der Beschwerdeführer unter anderem die Festsetzung jeweils einer Termins- und einer Erledigungsgebühr für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diese Gebühren seien entstanden, weil sein Bevollmächtigter während des gesamten verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Verfahrens regelmäßig (auch telefonischen) Kontakt mit der zuständigen Ausländerbehörde gehabt und sie über den Stand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens informiert habe. Obwohl aus Sicht der Behörde alle Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbeendigung vorgelegen hätten, habe sie an der dem Bundesverfassungsgericht gegenüber abgegebenen Erklärung festgehalten, vom Vollzug der angedrohten Abschiebung gegen den Beschwerdeführer abzusehen. Dies sei auf die regelmäßigen Sachstandsinformationen des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers zurückzuführen. Ziel der Verfassungsbeschwerde sei die Verhinderung der Abschiebung des Beschwerdeführers gewesen. Indem die Ausländerbehörde bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in der Hauptsache wegen der wiederholten Sachstandsmitteilungen "stillgehalten" habe, habe der Prozessbevollmächtigte auch zur Erledigung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens beigetragen.
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4. Nachdem sie dem Kostenschuldner Gelegenheit zur Stellungnahme und dem Beschwerdeführer zur Gegenstellungnahme gegeben hatte, wies die Rechtspflegerin mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. November 2019 die Kostenfestsetzungsanträge hinsichtlich der Termins- und der Erledigungsgebühren zurück und setzte die zu erstattenden Kosten im Übrigen fest.
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5. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde und begehrt weiterhin die Festsetzung der Termins- und Erledigungsgebühren für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
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II.
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Die zulässige sofortige Beschwerde, über die gemäß § 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG die Kammer zu entscheiden hat, hat in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat die Termins- und Erledigungsgebühren für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht nicht für erstattungsfähig erklärt.
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1. Offen bleiben kann, ob die zur Entstehung von Erledigungsgebühren führenden Tatbestände der Nummern 1003 und 1002 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) auf das Verfassungsbeschwerdeverfahren überhaupt Anwendung finden. Denn vorliegend sind die Voraussetzungen dieser Gebührentatbestände jedenfalls nicht erfüllt, sodass die Rechtspflegerin die beantragten Erledigungsgebühren im Ergebnis zu Recht abgesetzt hat.
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Nach Nr. 1002 VV RVG, auf den Nr. 1003 VV RVG verweist, entsteht die Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
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Keine dieser Varianten liegt hier vor. Der Beschwerdeführer hat das verfassungsgerichtliche Verfahren für erledigt erklärt, nachdem seine Klage gegen den Bescheid des Bundesamts rechtskräftig abgewiesen worden war und er eine Ausbildungsduldung erhalten hatte. Zu einer Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts, die hier einzig die Gebührentatbestände nach den Nr. 1003 und Nr. 1002 VV RVG auslösen könnte, ist es nicht gekommen.
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2. Auch Terminsgebühren nach Nr. 3210 VV RVG in Verbindung mit Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 1 3. Var. und Satz 3 Nr. 2 VV RVG hat die Rechtspflegerin zu Recht nicht festgesetzt.
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Danach entsteht die Terminsgebühr - unter anderem und hier allein in Frage kommend - für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen des Rechtsanwalts mit seinem Auftraggeber.
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Eine Besprechung in diesem Sinne setzt den Austausch von mündlichen oder fernmündlichen Erklärungen mit dem Ziel voraus, eine Erledigung des Rechtsstreits unmittelbar herbeizuführen oder zumindest Rahmenbedingungen für eine mögliche Einigung abzuklären (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Juli 2016 - 4 S 1308/16 -, juris, Rn. 3 m.w.N.). Aus dem Zweck der Regelung, einen Beitrag des Rechtsanwalts zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens zu honorieren (vgl. OVG der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 24. April 2015 - 1 S 250/14 -, juris, Rn. 14 m.w.N.), folgt jedenfalls, dass ein Gespräch qualitativen Mindestanforderungen genügen muss, um als gebührenauslösende Besprechung gewertet werden zu können. Eine bloße (telefonische) Kontaktaufnahme etwa zur Sachstandsmitteilung oder -nachfrage genügt hierfür jedenfalls nicht, erforderlich ist vielmehr regelmäßig, dass die Besprechung einem Gerichtstermin gleichkommt (vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O.; Hessisches LSG, Beschluss vom 9. November 2011 - L 2 SO 192/11 B -, juris, Rn. 21). Eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung scheidet zudem aus, wenn der Rechtsanwalt sie mit Personen oder Stellen führt, die auf die Erledigung des Verfahrens nicht einwirken können.
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Hieran gemessen erfüllen die Kontaktaufnahmen des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers mit der zuständigen Ausländerbehörde die Voraussetzungen einer gebührenauslösenden Besprechung nicht. Denn Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens und des Antrags auf Erlass der einstweiligen Anordnung waren die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen im Eilrechtsschutz gegen den Bescheid des Bundesamts. Auf Inhalt oder Fortbestand dieser Entscheidungen und des Bescheids und damit auf die Erledigung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens hatte die Ausländerbehörde keinen Einfluss. Zudem erfüllten die nach den Angaben des Beschwerdeführers über Sachstandsmitteilungen nicht hinausgehenden Gespräche mit der Ausländerbehörde auch die qualitativen Mindestanforderungen an eine gebührenauslösende Besprechung nicht.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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