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BVerfG 26.04.2015 - 1 BvR 1420/13
BVerfG 26.04.2015 - 1 BvR 1420/13 - Nichtannahmebeschluss: Mangels ausreichender Substantiierung unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen die Folgen der Systemumstellung im Betriebsrentensystem der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder - VBL
Normen
Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 Halbs 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, VBLSa
Vorinstanz
vorgehend OLG Karlsruhe, 4. April 2013, Az: 12 U 135/12, Urteil
vorgehend LG Karlsruhe, 13. Juli 2012, Az: 6 O 431/11, Urteil
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft Auswirkungen eines Systemwechsels in der Zusatzversorgung über die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (im Folgenden: VBL) für rentenferne Versicherte.
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1. Die Zusatzversorgung der VBL beruhte vor dem Systemwechsel zum 31. Dezember 2000 auf dem Gesamtversorgungsprinzip, das sich an der Beamtenversorgung orientierte. Das Gesamtversorgungssystem wurde formell geschlossen und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem ersetzt. Für diejenigen Versicherten, die vor der Systemumstellung Anwartschaften erworben haben, werden diese in Form von Startgutschriften in das neue Modell transferiert. Dazu wird zwischen rentennahen und rentenfernen Pflichtversicherten unterschieden. Rentennah ist, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hat, § 79 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Versorgungsanstalt in der nach dem Systemwechsel in Kraft getretenen Fassung (BAnz Nr. 1 vom 3. Januar 2003; VBLS n.F.). Rentenfern sind andere Pflichtversicherte, die am 31. Dezember 2001 schon und am 1. Januar 2002 noch bei der Versorgungsanstalt versichert waren (§ 79 Abs. 1 VBLS n.F.). Anwartschaften von rentennahen Pflichtversicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt unter der Annahme des Eintritts des Versicherungsfalls am 31. Dezember 2001, frühestens jedoch zum Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahrs. Die Berechnung der Anwartschaften der rentenfernen Versicherten erfolgt gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS n.F. in Verbindung mit § 18 Abs. 2 BetrAVG nach den ungünstigeren Regelungen für Personen, deren Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls geendet hat.
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2. Die im Jahre 1950 geborene Beschwerdeführerin gehört zu den rentenfernen Jahrgängen. Sie bezieht neben ihrer gesetzlichen Altersrente für schwerbehinderte Menschen eine VBL-Zusatzrente in Höhe von 203 € brutto entsprechend 168,79 € netto. Im Ausgangsverfahren begehrte sie die Zahlung einer um 343,76 € brutto höheren Betriebsrente auf der Basis der vor dem Systemwechsel geltenden Vorschriften, hilfsweise eine Berechnung der Startgutschrift nach der für den Bereich der privaten Wirtschaft geltenden Regelung des § 2 BetrAVG, hilfsweise eine Berechnung nach den für rentennahe Versicherte geltenden Vorschriften, hilfsweise eine Dynamisierung der Startgutschrift.
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Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht wies die Berufung zurück. Die Umstellung des Versorgungssystems durch die Tarifvertragsparteien begegne im Grundsatz keinen rechtlichen Bedenken. Den Tarifvertragsparteien stehe eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und die betroffenen Interessen zu.
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3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Vertrauensschutz sowie des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz. Die Startgutschrift sei durch die fehlende Dynamisierung bis zum Renteneintritt im Jahr 2010 um etwa 18 % entwertet worden. Durch den Wegfall der nach dem alten System erdienten Dynamik werde gegen den Eigentumsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG, den Anspruch auf Vertrauensschutz und den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Rentenferne Versicherte seien durch die fehlende Dynamisierung der Startgutschriften ungleich stärker betroffen als rentennahe Beschäftigte. Der Eigentumsschutz für Anwartschaften auf Zusatzrente ergebe sich bereits aus deren Entgeltcharakter.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Sie ist unzulässig, weil sie im Lichte der vor ihrer Erhebung eingehend dargelegten Anforderungen an die Substantiierung von Verfassungsbeschwerden gegen Folgen der Systemumstellung im Betriebsrentensystem der VBL (vgl. BVerfGE 131, 66 79 ff.>) nicht hinreichend substantiiert im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG ist.
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1. Es fehlt an einer ausreichenden Darlegung, dass die Beschwerdeführerin als rentenferne Versicherte durch den Systemwechsel in Art. 14 Abs. 1 GG verletzt sein könnte.
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a) Unter den Schutz der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG fallen nicht nur dingliche oder sonstige gegenüber jedermann allgemein wirkende Rechtspositionen, sondern auch schuldrechtliche Ansprüche und sozialversicherungsrechtliche Rentenansprüche und Rentenanwartschaften, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes erworben worden sind. Folglich sind auch unverfallbare Anwartschaften auf Betriebsrenten eigentumsrechtlich geschützt. Doch reicht der Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG nur so weit, wie Ansprüche bereits bestehen, verschafft diese selbst aber nicht. Das Grundrecht auf Eigentum schützt daher auch unverfallbare Anwartschaften, wenn auch nicht in einer konkreten Höhe (vgl. BVerfGE 131, 66 79 f.> m.w.N.).
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b) Die Verfassungsbeschwerde legt nicht dar, dass der Beschwerdeführerin bereits vor der Systemumstellung eine Rechtsposition zugeordnet gewesen wäre, die in ihrer Höhe von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt war. Zwar bestand nach der Satzung der VBL vor der Systemumstellung grundsätzlich die Aussicht auf eine Zusatzrente, doch war diese der Beschwerdeführerin nicht als der Höhe nach bestimmter Anspruch endgültig zugeordnet (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 17. Dezember 2012 - 1 BvR 488/10, 1 BvR 1047/10 -, juris, Rn. 23). So konnte auch nach den vor der Systemumstellung geltenden Regelungen der Anspruch auf eine Versorgungsrente durch einen deutlich geringeren Anspruch auf eine Versicherungsrente ersetzt werden, falls die Pflichtversicherung vor dem Versicherungsfall endete (§ 37 Abs. 1 Buchstabe b VBLS a.F.).
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2. Es ist nicht ausreichend dargelegt, dass in der rückwirkenden Systemumstellung eine Verletzung des in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rückwirkungsverbots zu sehen ist. Insbesondere fehlen Ausführungen dazu, warum die Grundsätze der Rückwirkung, die für rentennahe Versicherte gelten (dazu mit eingehender Begründung BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 17. Dezember 2012 - 1 BvR 488/10, 1 BvR 1047/10 -), hier nicht gelten sollen und aus welchen Gründen gleichwohl eine Verletzung des Rückwirkungsverbots anzunehmen sei.
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a) Es ist nicht dargelegt, warum sich die Grundsätze der Rückwirkung einer Systemumstellung für rentennahe Versicherte nicht auf rentenferne Versicherte übertragen lassen. Auch in Bezug auf rentenferne Versicherte liegt vielmehr eine unechte Rückwirkung vor. Diese ist gegeben, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich eine betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl. BVerfGE 101, 239 263>; 122, 374 394>). Zwar werden Startgutschriften für die beiden Gruppen unterschiedlich berechnet, beide führen aber im Ergebnis zu einer Absenkung der Zusatzrente. Der Systemwechsel wirkt also in beiden Fällen auf bereits entstandene Anwartschaften ein, die mangels Eintritt des Versicherungsfalls bis zum Systemwechsel noch nicht in einen Anspruch übergegangen sind und daher noch keinen abgeschlossenen Sachverhalt darstellen.
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b) Unzulässig ist eine unechte Rückwirkung, wenn das Vertrauen der Betroffenen schutzwürdiger ist als das mit dem Gesetz verfolgte Anliegen (vgl. BVerfGE 103, 392 403>). Dies ist der Fall, wenn eine unechte Rückwirkung zur Erreichung eines Regelungszwecks nicht geeignet oder nicht erforderlich ist oder wenn Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfGE 101, 239 263>; 122, 374 394>; 127, 1 18>; 132, 302 318 Rn. 43>). Bei der Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit kommt dem Gesetz- oder Satzungsgeber eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 17. Dezember 2012 - 1 BvR 488/10, 1 BvR 1047/10 -, Rn. 28 m.w.N.).
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Vorliegend fehlt es an einer hinreichenden Darlegung, warum das Vertrauen der Betroffenen schutzwürdiger als das mit der Neuregelung verfolgte Anliegen sei. Die Verfassungsbeschwerde begründet keine Zweifel an der Einschätzung des den Tarifvertragsparteien folgenden Satzungsgebers, dass der Systemwechsel in der Zusatzversorgung der VBL auch bezogen auf rentenferne Versicherte geeignet und erforderlich ist, den verfolgten Zweck der finanziellen Konsolidierung für die Alterssicherung zu erreichen, oder dass das Interesse der Versicherten die Veränderungsgründe der Satzungsgeberin überwiegt. Grundsätzlich ist in Anwartschaften von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt (vgl. BVerfGE 122, 151 182>). Rentenferne Versicherte mussten ebenso wie rentennahe Jahrgänge auch bereits mit einer Änderung ihrer Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung aus der alten Satzung rechnen. Von dem Änderungsvorbehalt in § 14 VBLS a.F. wurde bis zum 1. Februar 2002 einundvierzig Mal Gebrauch gemacht; das Bundesverfassungsgericht hatte unter Hinweis auf die verfassungsrechtlich bedenkliche Komplexität der alten Satzung eine Neuregelung der Halbanrechnung zum 1. Januar 2001 gefordert, eine geänderte Berechnung einer Versorgungsrente bei Teilzeitbeschäftigung erzwungen und eine Neuregelung von unverfallbaren Anwartschaften bei vorzeitigem Ausscheiden nach § 18 BetrAVG a.F. gefordert (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 17. Dezember 2012 - 1 BvR 488/10, 1 BvR 1047/10 -, Rn. 30 f.).
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3. Die Verfassungsbeschwerde legt eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht hinreichend substantiiert dar, soweit sie rügt, rentenferne Versicherte seien von der fehlenden Dynamisierung der Startgutschriften ungleich stärker betroffen als rentennahe Jahrgänge.
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a) Hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG muss plausibel dargelegt werden, wer in Bezug auf wen in welcher Weise benachteiligt wird. Die Verfassungsbeschwerde muss erkennen lassen, worin konkret ein individueller Nachteil liegt. Richtet sich der Angriff gegen eine Regelung, muss vorgetragen werden, zwischen welchen konkreten Vergleichsgruppen eine auch individuell nachteilig wirkende Ungleichbehandlung bestehen soll. Dabei ist auch auf naheliegende Gründe für und gegen die angegriffene Differenzierung einzugehen (BVerfGE 131, 66 82>).
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b) Diesen Substantiierungsanforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Zwar verweist sie nachvollziehbar darauf, dass rentenferne Jahrgänge von der fehlenden Dynamisierung der Startgutschriften länger betroffen sind als rentennahe Versicherte, weil die Startgutschriften bei späterem Renteneintritt länger einer inflationsbedingten Auszehrung ausgesetzt sind. Jedoch fließt bei den rentenfernen Jahrgängen die nicht dynamisierte Startgutschrift mit geringerem Gewicht in die Berechnung der Rentenhöhe ein, denn jüngere Versicherte haben zum Zeitpunkt der Systemumstellung typischerweise noch keine hohen Rentenanwartschaften erworben und der Anteil der nach der Systemumstellung erworbenen Ansprüche ist entsprechend höher. Soweit also eine Ungleichbehandlung zwischen rentennahen und den aus Sicht der Beschwerdeführerin stärker betroffenen rentenfernen Jahrgängen geltend gemacht wird, müsste nachvollziehbar dargelegt werden, wie sich die fehlende Dynamisierung für beide Gruppen auswirkt und inwiefern dies miteinander zu vergleichen wäre. Darüber hinaus wäre auch zu berücksichtigen, dass es rentenfernen Jahrgängen über einen längeren Zeitraum hinweg zumindest möglich ist, sich durch ergänzende private Vorsorge auf ein sinkendes Niveau der Zusatzrente einzustellen, und inwiefern der hierfür verbleibende Zeitraum für ältere rentenferne Versicherte unverhältnismäßig kurz sein könnte.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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