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BFH 22.11.2019 - II S 14/19 und II S 21-23/19, II S 14/19, II S 21/19, II S 22/19, II S 23/19
BFH 22.11.2019 - II S 14/19 und II S 21-23/19, II S 14/19, II S 21/19, II S 22/19, II S 23/19 - Inhaltsgleich mit BFH-Beschluss vom 22.11.2019, II S 11-13/19 und II S 15-20/19 - Anhörungsrüge und Gegenvorstellung
Normen
Art 56 AEUV, § 62 Abs 2 FGO, § 62 Abs 4 FGO, § 76 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 133a FGO, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend BFH, 8. Mai 2019, Az: II B 6/19, Beschluss
vorgehend BFH, 8. Mai 2019, Az: II B 13-15/19, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn das Gericht den Hinweis auf einen entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkt unterlässt, mit dem auch ein gewissenhafter und rechtskundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen braucht .
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2. NV: Mit Rügen gegen die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung kann der Rügeführer, ohne eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend zu machen, im Verfahren der Anhörungsrüge nicht gehört werden .
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3. NV: Eine Gegenvorstellung ist allenfalls zulässig, wenn substantiiert dargelegt wird, die angegriffene Entscheidung beruhe auf schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder erscheine unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar und entbehre jeder gesetzlichen Grundlage .
Tenor
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Die Verfahren II S 14/19 und II S 21 23/19 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
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Die Anhörungsrügen der Klägerin gegen die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 08.05.2019 - II B 6/19 und II B 13-15/19 werden als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Gegenvorstellungen der Klägerin gegen die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 08.05.2019 - II B 6/19 und II B 13-15/19 werden als unzulässig verworfen.
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Die Kosten des Verfahrens hinsichtlich der Anhörungsrügen hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Mit Beschlüssen vom 08.05.2019 - II B 6/19 und II B 13-15/19 verwarf der Bundesfinanzhof (BFH) die Beschwerden der Klägerin, Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Klägerin) gegen die Urteile des Finanzgerichts Köln vom 22.11.2018 - 4 K 213/18, 4 K 278/18, 4 K 1072/18 und 4 K 2210/18 mangels ordnungsgemäßer Vertretung als unzulässig. Gegen diese Beschlüsse erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.07.2019 Anhörungsrügen und Gegenvorstellungen. Sie macht geltend, der BFH habe ihren Vortrag, sie sei ordnungsgemäß vertreten und die Befugnis zur Vertretung ergebe sich direkt aus Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), nicht beachtet. Außerdem habe es der BFH unterlassen, in diesen entscheidenden Rechtsfragen einen richterlichen Hinweis nach § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu erteilen. Die Beschlüsse enthielten schwere formelle und materielle Mängel.
Entscheidungsgründe
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II.
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1. Die Anhörungsrügen führen nicht zum Erfolg.
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a) Der Zulässigkeit der Anhörungsrügen steht nicht entgegen, dass die Klägerin bei Einlegung nicht ordnungsgemäß vertreten war i.S. des § 62 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO. Zwar gilt der nach § 62 Abs. 4 FGO vor dem BFH bestehende Vertretungszwang grundsätzlich auch für Anhörungsrügen, wenn für das der beanstandeten Entscheidung zugrunde liegende Verfahren --im Streitfall die Beschwerden wegen Nichtzulassung der Revision (Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren)-- Vertretungszwang galt (dies bejahend z.B. BFH-Beschluss vom 16.08.2016 - II S 16/16, BFH/NV 2016, 1746, Rz 3). Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs bezieht sich jedoch gerade auf die Frage, ob eine ordnungsgemäße Vertretung bestand. Zur Vermeidung einer Rechtsschutzverkürzung ist nur zur Prüfung dieser Frage vorläufig von einer Befugnis der Klägerin auszugehen, sich selbst zu vertreten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11.03.2015 - IX S 6/15, BFH/NV 2015, 850, Rz 1, und vom 25.07.2016 - X S 10/16, BFH/NV 2016, 1739, Rz 4, jeweils zur Prüfung der Frage, ob eine Ausnahme vom Vertretungszwang besteht).
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b) Die Anhörungsrügen sind jedoch unbegründet.
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aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 FGO verpflichtet das Gericht u.a., die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Dabei ist das Gericht naturgemäß nicht verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 11.06.2008 - 2 BvR 2062/07, Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056). Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschluss vom 28.08.2019 - IX S 18/19, Rz 2).
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bb) Aus der Begründung der Anhörungsrügen ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass der BFH entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen hat.
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(1) Das Vorbringen der Klägerin in den Nichtzulassungsbeschwerden, sie sei ordnungsgemäß vertreten und die ordnungsgemäße Vertretung ergebe sich aus den Regelungen des europäischen Rechts, insbesondere den Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56 AEUV) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), hat der BFH in seinen Beschlüssen vom 08.05.2019 - II B 6/19 und II B 13-15/19 unter 1. und 2. behandelt.
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(2) Der BFH musste der Klägerin vor seiner Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerden auch keinen richterlichen Hinweis nach § 76 FGO erteilen, dass die dargelegten Rechtsgrundsätze für seine Entscheidung erheblich seien. Der BFH hat diese Rechtsgrundsätze bereits in vorangegangenen Entscheidungen entsprechend angewandt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 08.08.2017 - V B 12/17, BFH/NV 2017, 1464). Diese Rechtsprechung musste die Klägerin kennen.
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör wäre erst dann verletzt, wenn das Gericht den Hinweis auf einen entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkt unterlässt, mit dem auch ein gewissenhafter und rechtskundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen braucht (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 14.07.1998 - 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218; vgl. BFH-Beschluss vom 16.04.2015 - XI S 7/15, BFH/NV 2015, 1096, Rz 11).
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cc) Im Übrigen wendet sich die Klägerin mit ihrem Vorbringen, eine Vertretungsbefugnis könne direkt auf Art. 56 AEUV gestützt werden, der deutsche Gesetzgeber hätte die nationalen Regelungen u.a. des § 62 FGO und § 3a des Steuerberatungsgesetzes an die europäischen Vorgaben anpassen müssen und der BFH hätte die Verfahren aussetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen müssen, gegen die inhaltliche Richtigkeit der angegriffenen Beschlüsse. Damit kann sie im Verfahren der Anhörungsrüge nicht gehört werden. Eine Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung nochmals einer vollen inhaltlichen Überprüfung zuzuführen. Ebenso wenig kann mit der Anhörungsrüge eine Begründungsergänzung der zugrundeliegenden Entscheidung herbeigeführt werden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1096, Rz 13).
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c) Von einer weiteren Begründung der Entscheidung über die Anhörungsrügen sieht der BFH ab (§ 133a Abs. 4 Satz 4 FGO).
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2. Die zeitgleich von der Klägerin erhobenen Gegenvorstellungen sind nicht statthaft.
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a) Der BFH kann offenlassen, ob Gegenvorstellungen ausnahmsweise nicht dem Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO unterliegen, wenn zwar das eingelegte Rechtsmittel, über das der BFH entschieden hat --im Streitfall die Nichtzulassungsbeschwerden-- ihrerseits dem Vertretungszwang unterlagen und daher auch für die Gegenvorstellungen Vertretungszwang bestünde (vgl. BFH-Beschluss vom 24.04.2012 - IX E 4/12, BFH/NV 2012, 1798, Rz 2), hiervon aber eine Ausnahme in Frage käme, weil die Klägerin sich mit den Gegenvorstellungen gerade dagegen wendet, dass der BFH ihre Nichtzulassungsbeschwerden wegen Nichtbeachtung des Vertretungszwangs als unzulässig verworfen hat (zur Zulässigkeit einer den Vertretungszwang nicht beachtenden Anhörungsrüge bei Einwendungen gegen den Vertretungszwang vgl. oben unter II.1.a). Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Gegenvorstellung gegen abänderbare gerichtliche Entscheidungen --wie Beschlüsse, durch die Nichtzulassungsbeschwerden als unzulässig verworfen wurden-- überhaupt statthaft sein kann (vgl. BVerfG-Beschluss vom 05.11.2013 - 1 BvR 2544/12, Neue Juristische Wochenschrift 2014, 681, unter II.3.; BFH-Beschluss vom 07.04.2017 - IX S 3/17, BFH/NV 2017, 1049, Rz 6), wäre sie allenfalls dann zulässig, wenn substantiiert dargelegt würde, die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder erschienen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar und entbehrten jeder gesetzlichen Grundlage (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2017, 1049, Rz 6).
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b) Dem werden die Gegenvorstellungen der Klägerin nicht gerecht. Sie macht keine solchen qualifizierten Rechtsfehler substantiiert geltend. Sie behauptet lediglich, die angefochtenen Beschlüsse würden schwere formelle und materielle Mängel aufweisen, da sie gegen Art. 56 AEUV und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH verstießen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Für die Entscheidung über die Anhörungsrügen wird eine Gebühr in Höhe von 60 € erhoben (Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes). Die Entscheidung über die Gegenvorstellung ergeht gerichtsgebührenfrei, da für das Verfahren betreffend einer Gegenvorstellung kein Gebührentatbestand vorgesehen ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2017, 1049, Rz 8).
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