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BAG 23.02.2022 - 10 ABR 33/20
BAG 23.02.2022 - 10 ABR 33/20 - Allgemeinverbindlicherklärung - Neuerlass - Heilung - Wach- und Sicherheitsgewerbe
Normen
§ 2a Abs 1 Nr 5 ArbGG, § 98 ArbGG, § 5 TVG vom 31.10.2006, § 5 TVG vom 11.08.2014, § 4 Abs 1 TVGDV vom 31.10.2006, § 6 TVGDV vom 31.10.2006, § 7 TVGDV vom 31.10.2006, § 11 TVGDV vom 31.10.2006, § 319 ZPO, § 322 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 2. September 2020, Az: 2 BVL 1/18, Beschluss
Leitsatz
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Eine Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags, die zur Heilung einer vorherigen, unwirksamen Allgemeinverbindlicherklärung desselben Tarifvertrags erlassen wird, setzt mangels eines gesetzlichen Heilungsverfahrens für ihre Wirksamkeit grundsätzlich voraus, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt ihres Erlasses ebenso gegeben sind wie die Einhaltung der erforderlichen Verfahrensschritte. Der Rückgriff auf Teile des vorherigen Verfahrens scheidet regelmäßig aus.
Tenor
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1. Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. September 2020 - 2 BVL 1/18 - teilweise aufgehoben.
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Es wird festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 29. Oktober 2019 (BAnz. AT 28. November 2019 B12) des Entgelttarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom 16. Juli 2009 unwirksam ist.
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2. Der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. September 2020 - 2 BVL 1/18 - wird im zweiten Absatz des Entscheidungsausspruchs berichtigt:
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Es wird festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 20. Mai 2010 (BAnz. Nr. 82 vom 8. Juni 2010) des Entgelttarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom 16. Juli 2009 unwirksam ist.
Gründe
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A. Die Beteiligten streiten in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung vom 29. Oktober 2019 (BAnz. AT 28. November 2019 B12) des Entgelttarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom 16. Juli 2009 (AVE 2019).
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Die Gewerkschaft ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Landesbezirk Hessen (Beteiligte zu 4.) und der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e. V., Landesgruppe Hessen (Beteiligter zu 3., nunmehr firmierend als BUNDESVERBAND DER SICHERHEITSWIRTSCHAFT) schlossen am 16. Juli 2009 einen „Entgelttarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen“ (ETV 2009).
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Der Geltungsbereich des ETV 2009 erstreckte sich räumlich auf das Land Hessen und erfasste fachlich alle Betriebe des Wach- und Sicherheitsgewerbes sowie alle Betriebe, die Kontroll- und Ordnungsdienste betreiben, für alle Bewachungsobjekte und Dienststellen. Dem persönlichen Geltungsbereich unterfielen alle Arbeitnehmer, die im räumlichen Geltungsbereich des ETV 2009 eingesetzt wurden.
- 4
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Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 beantragte der Beteiligte zu 3. unter Vorlage einer Einverständniserklärung der Beteiligten zu 4. beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), den ETV 2009 mit Ausnahme seiner §§ 5, 6.2 rückwirkend zum 1. Juli 2009 für allgemeinverbindlich zu erklären.
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Mit Schreiben vom 8. Februar 2010 übertrug das BMAS die Durchführung des Verfahrens über den Antrag auf AVE des ETV 2009 auf das Hessische Ministerium für Soziales und Integration (Beteiligter zu 2.). Am 15. März 2010 machte der Beteiligte zu 2. den Antrag und den Termin für die Verhandlung vor dem Tarifausschuss bekannt.
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Am 27. April 2010 tagte der Tarifausschuss des Landes Hessen. Dort wurde der Antrag von den Tarifvertragsparteien um den Hilfsantrag, den ETV 2009 nur in den unteren Lohngruppen bis zum Stundenlohn von 8,27 Euro für allgemeinverbindlich zu erklären, ergänzt. Der Hauptantrag wurde vom Tarifausschuss abgelehnt, der Hilfsantrag angenommen. Keines der in der dazugehörigen Vorgangsakte des Beteiligten zu 2. (- III 5 55m0200-0001/2010/0001 -) enthaltenen Dokumente stammte von dem seinerzeitigen Minister oder einem Staatssekretär oder war an diesen adressiert. Am 20. Mai 2010 machte der Beteiligte zu 2. die teilweise AVE des ETV 2009 mit Wirkung vom 1. Juli 2009 (AVE 2010) bekannt (BAnz. Nr. 82 vom 8. Juni 2010).
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Die Beteiligte zu 4. kündigte den ETV 2009 zum 31. Dezember 2011. Mit Schreiben vom 7. November 2011 unterrichtete der Beteiligte zu 3. das BMAS von der Kündigung, woraufhin dieses die Bekanntmachung des Außerkrafttretens des ETV 2009 mit Ablauf des 31. Dezember 2011 veranlasste.
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-
Die Beteiligte zu 1. ist ein Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes mit Sitz in Sachsen. Sie war im Geltungszeitraum des ETV 2009 nicht Mitglied des tarifvertragschließenden Arbeitgeberverbands. Nach einer Betriebsprüfung nahm die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Mitteldeutschland sie für den Geltungszeitraum der AVE 2010 in Bezug auf in Hessen eingesetzte Mitarbeiter auf Beitragsnachforderungen in Anspruch. Hierüber ist ein Verfahren vor den Sozialgerichten anhängig.
- 9
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Mit Antragsschrift vom 20. Juli 2018 hat die Beteiligte zu 1. das vorliegende Verfahren eingeleitet und die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE 2010 begehrt.
- 10
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Während des anhängigen Verfahrens setzte der Beteiligte zu 2. die Beteiligten zu 3. und 4. am 2. Oktober 2019 davon in Kenntnis, dass die AVE 2010 ohne Befassung der Leitung des Ministeriums ergangen sei. Zugleich wurde angefragt, ob die Tarifvertragsparteien mit einer rückwirkenden Wiederherstellung der AVE einverstanden wären. Die Beteiligten zu 3. und 4. stimmten dem mit Schreiben vom 10. bzw. 22. Oktober 2019 zu. In der Folge machte der damalige Minister für Soziales und Integration des Landes Hessen ohne die Durchführung weiterer Verfahrensschritte die AVE des ETV 2009 am 29. Oktober 2019 mit Wirkung vom 1. Juli 2009 (AVE 2019) bekannt und wies zugleich darauf hin, dass die AVE 2019 an die Stelle der AVE 2010 trete (BAnz. AT 28. November 2019 B12). Die AVE 2019 entsprach nach ihrem Inhalt vollständig der AVE 2010 (Vorgangsakte „Heilungsverfahren“- 55m0200-0001/2018/004 -).
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Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2020 stellte die Beteiligte zu 1. einen weiteren, auf die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE 2019 gerichteten Antrag.
- 12
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Die Beteiligte zu 1. hat die Auffassung vertreten, die AVE 2010 sei mangels Ministerbefassung unwirksam. Aber auch die AVE 2019 sei bereits formell unwirksam. Es fehle an der Einhaltung der erforderlichen Verfahrensschritte nach § 5 TVG. Die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens unter Anknüpfung an Verfahrensteile eines bereits durchgeführten Verfahrens sei nicht möglich. Darüber hinaus sei die AVE 2019 materiell unwirksam, denn sie beziehe sich auf einen bereits außer Kraft getretenen Tarifvertrag und es fehle an dem erforderlichen öffentlichen Interesse.
- 13
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Die Beteiligte zu 1. hat beantragt
-
1.
festzustellen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 29. Oktober 2019 (BAnz. AT vom 28. November 2019 B12) des Entgelttarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom 16. Juli 2009 unwirksam ist;
2.
festzustellen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 20. Mai 2010 (BAnz. Nr. 82 vom 8. Juni 2010) des Entgelttarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom 16. Juli 2009 unwirksam ist.
- 14
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Die Beteiligten zu 2. bis 4. haben die Zurückweisung der Anträge beantragt und die Auffassung vertreten, die AVE 2019 sei formell und materiell rechtswirksam. Insbesondere habe ein ergänzendes Verfahren bezogen auf die wegen der fehlenden Ministerbefassung nichtige AVE 2010 durchgeführt werden können.
- 15
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Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der AVE 2010 stattgegeben, den Antrag auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der AVE 2019 hat es zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1. ihr auf die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE 2019 gerichtetes Begehren weiter. Die Beteiligten zu 2. bis 4. haben hinsichtlich der AVE 2010 keine Rechtsbeschwerde eingelegt. Hinsichtlich der AVE 2019 begehren sie die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
- 16
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B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. ist begründet. Die AVE vom 29. Oktober 2019 des Entgelttarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom 16. Juli 2009 ist mangels Einhaltung wesentlicher Verfahrensvorschriften unwirksam. Deshalb ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts insoweit aufzuheben und die Unwirksamkeit der AVE 2019 festzustellen. Darüber hinaus ist der zweite Absatz des Entscheidungsausspruchs des Landesarbeitsgerichts betreffend die AVE 2010 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 319 Abs. 1 ZPO zu korrigieren.
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I. Die Beteiligte zu 1. ist antragsbefugt und hat ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Alle am Verfahren zu beteiligenden Vereinigungen und Stellen sind beteiligt worden. Die teilweise Rechtskraft des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts steht einer Entscheidung über den die AVE 2019 betreffenden Antrag, der alleine noch Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist, nicht entgegen.
- 18
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1. Das Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 ArbGG ist hinsichtlich der angegriffenen AVE 2019 statthaft.
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2. Die Beteiligte zu 1. ist hinsichtlich ihres Feststellungsantrags nach § 98 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG antragsbefugt und hat ein rechtliches Interesse an der erstrebten Feststellung.
- 20
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a) Bei dem Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 ArbGG handelt es sich um ein Normenkontrollverfahren, dessen Durchführung eine Antragsbefugnis voraussetzt. Nach § 98 Abs. 1 ArbGG ist antragsbefugt, wer geltend macht, durch die AVE oder die Rechtsverordnung oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Aus der Antragsbefugnis folgt grundsätzlich ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung ( BAG 21. März 2018 - 10 ABR 62/16 - Rn. 35 , BAGE 162, 166).
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b) Danach ist eine Antragsbefugnis nach § 98 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG gegeben. Gleiches gilt für ein rechtliches Interesse der Beteiligten zu 1. an der Feststellung der Unwirksamkeit der angegriffenen AVE. Sie macht geltend, durch die AVE 2019 in ihren Rechten verletzt zu sein (vgl. dazu im Einzelnen BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 44 ff., BAGE 156, 213). Sie wird für den Geltungszeitraum der angegriffenen AVE von der DRV Mitteldeutschland auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen auf Grundlage des ETV 2009 in Anspruch genommen, ohne Mitglied des tarifvertragschließenden Arbeitgeberverbands gewesen zu sein. Das insoweit geführte sozialgerichtliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Deshalb ist unerheblich, dass die AVE 2019 bereits mit dem Ablauf des ETV 2009 zum 31. Dezember 2011 endete.
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3. Alle nach § 98 Abs. 3, § 83 Abs. 3 ArbGG zu Beteiligenden sind vom Landesarbeitsgericht beteiligt worden.
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a) Die Beteiligung an einem Beschlussverfahren ist auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen. Personen und Stellen, die zuvor zu Unrecht nicht gehört wurden, sind auch ohne Rüge zum Verfahren hinzuzuziehen. Dagegen ist im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht von Amts wegen zu prüfen, ob alle in den Vorinstanzen beteiligten Personen, Vereinigungen und Stellen zu Recht angehört wurden (BAG 20. November 2018 - 10 ABR 12/18 - Rn. 24 mwN).
- 24
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b) Nach § 98 Abs. 3 Satz 3 ArbGG ist in dem Verfahren nach § 98 ArbGG die Behörde, die den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat, hier das Hessische Ministerium für Soziales und Integration, beteiligt. Beteiligt sind ferner diejenigen, die einen eigenen Antrag gestellt haben, sowie die Tarifvertragsparteien, die den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag abgeschlossen haben (BAG 20. November 2018 - 10 ABR 12/18 - Rn. 25 mwN). Nicht zu beteiligen war hingegen - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat - die DRV Mitteldeutschland (vgl. BAG 20. September 2017 - 10 ABR 42/16 - Rn. 21).
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4. Die Teilrechtskraft des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts steht einer Entscheidung über die AVE 2019 nicht entgegen.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag bezogen auf die AVE 2010 stattgegeben. Insoweit ist der Beschluss in Rechtskraft erwachsen.
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b)Die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung ( § 322 Abs. 1 ZPO ) steht - als negative Prozessvoraussetzung - einer neuen Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegen. Unzulässig ist deshalb eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines bereits rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist. Dies gilt auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Nach dem auch in diesem Verfahren anwendbaren § 322 Abs. 1 ZPO sind Beschlüsse der Rechtskraft fähig, soweit über den durch den Antrag erhobenen Anspruch entschieden ist. Der Begriff des Anspruchs in § 322 Abs. 1 ZPO bezeichnet den prozessualen Anspruch im Sinn der Streitgegenstandslehre. Die objektiven Grenzen der Rechtskraft werden durch den Gegenstand des vorangehenden Verfahrens bestimmt. Wie im Urteilsverfahren richtet sich dieser nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag und dem zugehörigen Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (vgl. insgesamt dazu BAG 18. November 2020 - 7 ABR 37/19 - Rn. 13 mwN ; sog. zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff).
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c) Hiernach steht die Rechtskraft des landesarbeitsgerichtlichen Beschlusses in Bezug auf die AVE 2010 dem jetzt noch anhängigen Antrag betreffend die AVE 2019 nicht entgegen, denn es handelt sich bei der AVE 2010 und der AVE 2019 um zwei verschiedene Streitgegenstände.
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aa) Verfahrensgegenstand eines Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 ArbGG ist eine bestimmte Rechtsverordnung oder die Wirksamkeit der AVE eines bestimmten Tarifvertrags. Maßgeblich für die Bestimmung des Streitgegenstands bei der Prüfung der Rechtswirksamkeit einer AVE sind daher sowohl der jeweilige Normsetzungsakt als auch dessen Gegenstand, also ein bestimmter Tarifvertrag. Welchen Inhalt die AVE hat, ergibt sich aus der ministeriellen Entscheidung, die der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Werden in einem Normsetzungsakt verschiedene Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt, handelt es sich rechtlich um mehrere AVE und mehrere prozessuale Verfahrensgegenstände (so schon BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 43, BAGE 156, 213 zu einer AVE nach § 5 TVG aF; 21. März 2018 - 10 ABR 62/16 - Rn. 102, BAGE 162, 166 zu einer AVE nach § 5 TVG nF).
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bb) Mit der AVE vom 20. Mai 2010 wurde - nach Durchführung der vom TVG und der TVG-DVO vorgesehenen Verfahrensschritte - vom Beteiligten zu 2. über den Antrag der Tarifvertragsparteien vom 14. Januar 2010 auf AVE des ETV 2009 entschieden. Diesem Antrag wurde nur teilweise - nämlich im Hinblick auf den im Tarifausschuss gestellten Hilfsantrag auf die AVE bestimmter Lohngruppen - entsprochen; im Übrigen wurde er mangels Zustimmung des Tarifausschusses der Sache nach abgelehnt.
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cc) Die AVE vom 29. Oktober 2019 hatte zwar ebenfalls den ETV 2009 zum Gegenstand. Es handelt sich aber um einen neuen, eigenständigen Normsetzungsakt, der zum Ziel hatte, eine nunmehr wirksame AVE des ETV 2009 zu erlassen. Ihr liegt ein anderer Lebenssachverhalt zugrunde als der AVE 2010. Das zeigt sich bereits an dem erheblichen zeitlichen Abstand zwischen der ersten und der zweiten AVE des ETV 2009. Entsprechend wurden die Tarifvertragsparteien des ETV 2009 vom Beteiligten zu 2. erneut involviert und ihre Zustimmung zur rückwirkenden Wiederherstellung der AVE 2010 eingeholt. Es erfolgte eine neue AVE - diesmal unmittelbar durch den zuständigen Minister - und eine neue Bekanntmachung im Bundesanzeiger. Dort heißt es ausdrücklich: „Die erneute Allgemeinverbindlicherklärung tritt an die Stelle der Allgemeinverbindlicherklärung vom 20. Mai 2010“. Auch das setzt einen neuen Normsetzungsakt voraus.
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dd) Aus dem Umstand, dass die AVE 2010 nicht rechtswirksam erlassen und dies nachfolgend im Verfahren nach § 98 ArbGG rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlasses festgestellt wurde (sog. Ex-tunc-Wirkung, vgl. dazu BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 60, BAGE 156, 213), ergibt sich nichts anderes. Soweit die Beteiligten zu 2. bis 4. in anderem Zusammenhang meinen, ein AVE-Verfahren sei erst mit dem Erlass einer wirksamen AVE beendet, ergeben sich dafür weder aus § 5 TVG noch aus der TVG-DVO Anhaltspunkte. Im Hinblick auf die Frage des Streitgegenstands kann dies aber dahinstehen, da der Beteiligte zu 2. die AVE 2019 eindeutig als eigenständigen Normsetzungsakt erlassen hat. Sähe man die AVE 2019 hingegen als unselbständigen Teil der AVE 2010 - wofür es keine Anhaltspunkte gibt -, ergäbe sich ihre Unwirksamkeit bereits aus der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die AVE 2010, die mangels Einlegung von Rechtsmitteln durch die Beteiligten zu 2. bis 4. insoweit in Rechtskraft erwachsen ist. Dann wäre zugleich auch insoweit rechtskräftig entschieden.
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II. Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. ist begründet. Die AVE 2019 ist unwirksam, weil wesentliche verfahrensrechtliche Voraussetzungen für ihren Erlass nach § 5 TVG iVm. den Bestimmungen der TVG-DVO nicht eingehalten wurden. Ein Rückgriff auf Verfahrensschritte aus einem früheren AVE-Verfahren scheidet entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts vorliegend aus. Dies führt insoweit zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und zur Feststellung der Unwirksamkeit der AVE 2019 (§ 98 Abs. 3 Satz 1, § 92 Abs. 2, § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).
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1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit einer AVE ist deren Erlass (BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 169, BAGE 156, 213). Bei Erlass der AVE 2019 durch den Minister für Soziales und Integration des Landes Hessen am 29. Oktober 2019 und Veröffentlichung der Bekanntmachung im Bundesanzeiger am 28. November 2019 galt § 5 TVG in der Fassung vom 16. August 2014 (Art. 5 des Tarifautonomiestärkungsgesetzes vom 11. August 2014, BGBl. I S. 1348; im Folgenden § 5 TVG nF). Da grundsätzlich ranggleiches neues Recht altes Recht ablöst (sog. Lex-posterior-Grundsatz, vgl. BVerfG 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 - Rn. 50, BVerfGE 141, 1) und Art. 5 des Tarifautonomiestärkungsgesetzes keine Übergangsvorschriften enthält, die dies abbedingen, spricht viel dafür, dass der Erlass der AVE 2019 unter Anwendung des neuen Rechts erfolgen musste (vgl. zur unmittelbaren Anwendbarkeit des § 98 ArbGG nF bereits BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 37 mwN, aaO). Allerdings ist nicht zu verkennen, dass mit der AVE 2019 ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden sollte, dessen Laufzeit bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung - die die Voraussetzungen für eine AVE an veränderte Bedingungen knüpfte (vgl. dazu umfassend BAG 21. März 2018 - 10 ABR 62/16 - BAGE 162, 166; Waltermann RdA 2018, 137) - beendet war. Deshalb kommt jedenfalls im Hinblick auf die materiellen Voraussetzungen - auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten - ebenfalls eine Anwendung von § 5 TVG aF in Betracht. Letztlich bedarf diese Frage aber keiner Entscheidung, da sich die AVE 2019 sowohl nach § 5 TVG aF als auch nach § 5 TVG nF als unwirksam erweist.
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2. Ein Fehler im Normsetzungsverfahren führt grundsätzlich zur Unwirksamkeit der gesamten Rechtsvorschrift. Dies gilt auch, soweit es sich um lediglich objektiv materielle Fehler wie Verfahrensfehler handelt. Wegen der Einordnung der AVE als Rechtsetzungsakt sui generis führen grundsätzlich alle materiellen und formellen Mängel zur Nichtigkeit der AVE. Dies hat der Senat bereits mehrfach entschieden und hält daran fest (grundlegend BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 171 mwN, BAGE 156, 213; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG 10. Januar 2020 - 1 BvR 4/17 -; nachfolgend zB BAG 25. Januar 2017 - 10 ABR 34/15 -).
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a) Weder § 5 TVG alter oder neuer Fassung noch die TVG-DVO sehen von diesem Grundsatz abweichende Rechtsfolgen vor. Auch gibt es dort keine vom Verfahren über den Erlass einer AVE abweichenden Regelungen für den Fall, dass sich eine solche aufgrund von Verfahrensfehlern als unwirksam erweist und dieser Mangel beseitigt werden soll. Ein besonderes „Heilungsverfahren“ ist gesetzlich nicht vorgesehen. Nach dem Normerlass können zur Nichtigkeit führende Fehler deshalb - etwa anlässlich eines gerichtlichen Verfahrens - grundsätzlich auch nicht geheilt werden; so kann beispielsweise eine fehlende Ministerbefassung nicht nachgeholt werden (BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 169, BAGE 156, 213). Dies schließt die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten - wie beispielsweise die Korrektur von Druckfehlern - nicht aus. Wie der Fall einer berichtigten Bekanntmachung zu beurteilen ist, konnte der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit bisher offenlassen (BAG 25. Januar 2017 - 10 ABR 34/15 - Rn. 63).
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b) Auch scheidet hinsichtlich der Fehlerfolgen der Unwirksamkeit einer AVE eine Orientierung an dem ausdifferenzierten Fehlerfolgensystem für rechtswidrige Verwaltungsakte (vgl. §§ 43 ff. VwVfG) aus. Das Verwaltungsverfahrensgesetz kommt weder unmittelbar noch mittelbar zur Anwendung. Weder bei der AVE eines Tarifvertrags noch bei deren Ablehnung handelt es sich um Verwaltungsakte. Die AVE ist wegen ihres abstrakt-generellen Charakters vielmehr eine Rechtsnorm, ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung. Verwaltung hingegen ist die Tätigkeit des Staats außerhalb von Rechtsetzung und Rechtsprechung (umfassend dazu BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 133 f. mwN, BAGE 156, 213).
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c) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts und der Beteiligten zu 2. bis 4., die sich hierzu ua. auf ein für das BMAS erstelltes Rechtsgutachten von Prof. Dr. Matthias Cornils stützen, gibt es auch keinen allgemeinen Grundsatz, wonach die Heilung eines Mangels des AVE-Verfahrens im Weg eines ergänzenden Verfahrens möglich sein müsse.
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aa) Der Gesetzgeber hat für bestimmte Bereiche Heilungsvorschriften erlassen, um die Nichtigkeit von Normen zu vermeiden. Solche gibt es beispielsweise in §§ 214 bis 216 BauGB für den Flächennutzungsplan und Satzungen nach dem BauGB sowie in § 11 ROG für die Raumordnungsplanung. In § 214 Abs. 4 BauGB etwa geht es insoweit um den Grundsatz der Planerhaltung, der die Wiederholung aufwendiger Verfahrensabschnitte vermeiden soll (vgl. Schmidt NVwZ 2000, 977 noch zu § 215a BauGB; Jobs UPR 2016, 493). Eine weitere Beschränkung des Nichtigkeitsdogmas gibt es zugunsten der Wirksamkeit kommunaler Satzungen in den jeweiligen Gemeindeordnungen der Länder (vgl. Zimmermann JA 2018, 249, 254 f.). Aus den vorgenannten Heilungs- bzw. Fehlerbehebungsvorschriften kann aber kein allgemeiner Grundsatz abgeleitet werden. Es handelt sich vielmehr um speziell ausgeformte Normen jeweils beschränkt auf bestimmte Rechtsgebiete. Der Gesetzgeber hat - anknüpfend an verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung - insoweit auf den Grundsatz der Nichtigkeit von fehlerhaften Rechtsnormen reagiert und dort, wo er es für erforderlich gehalten hat, Abhilfe durch spezielle Vorschriften geschaffen (vgl. Zimmermann aaO S. 255).
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bb) Für das AVE-Verfahren gibt es solche Heilungsvorschriften nicht. Offenbar sah der Gesetzgeber hierfür keine Notwendigkeit, obwohl ihm die Problematik verfahrensfehlerhafter AVE bekannt war und er mit den Sozialkassenverfahrensicherungsgesetzen (SokaSiG vom 16. Mai 2017, BGBl. I S. 1210 und SokaSiG2 vom 1. September 2017, BGBl. I S. 3356) hinsichtlich der Tarifverträge über gemeinsame Einrichtungen für Abhilfe gesorgt hat. Weder wurden mehrere Änderungen im TVG nach 2016 noch die Novellierung des § 5 TVG im Jahr 2020 genutzt, um ein Heilungsverfahren gesetzlich zu regeln, obwohl die Nichtigkeitsfolge von Verfahrensfehlern bekannt war. Bleibt der Gesetzgeber aber untätig, so bedeutet das im Umkehrschluss, dass es bei dem Nichtigkeitsdogma bleibt (vgl. zur Unwirksamkeit einer Satzung OVG Hamburg 13. Juni 2006 - 3 Bf 294/03 - zu II 2.1 a der Gründe). Ein Vergleich mit den der Verwaltung zustehenden Befugnissen der eigenen Fehlerkorrektur verbietet sich im Übrigen auch deshalb, weil es sich bei der AVE gerade nicht um eine Verordnung oder Satzung handelt, die die Exekutive auf eigene Initiative erlässt, sondern eine Normsetzung sui generis, die nur auf Antrag der Tarifvertragsparteien erfolgen darf (JKOS/Oetker Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 6 Rn. 96).
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cc) Das Fehlen eines gesonderten Heilungsverfahrens schließt aber nicht aus, dass die für den Erlass der AVE zuständige Behörde unter Einhaltung der vom TVG und der TVG-DVO vorgegebenen Bedingungen eine Heilung durch Neuerlass einer AVE desselben Tarifvertrags vornimmt (vgl. Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 5 Rn. 336). § 5 TVG steht dem nicht entgegen, sondern regelt einen solchen Fall lediglich nicht ausdrücklich. Allerdings ist ein rechtmäßiger Neuerlass einer AVE nur denkbar, wenn eine Beseitigung des Unwirksamkeitsgrundes - wie zB bei einem Verfahrensfehler - grundsätzlich möglich ist. Sie scheidet hingegen aus, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass nicht vorlagen.
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3. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1. dürfte die AVE 2019 aus diesem Grund nicht bereits unwirksam sein, weil generell der Erlass einer AVE hinsichtlich eines bereits abgelaufenen Tarifvertrags ausscheiden würde (so Löwisch/Rieble TVG § 5 Rn. 94). Vielmehr dürfte gerade dann, wenn ein Tarifvertrag bereits für allgemeinverbindlich erklärt wurde, sich diese AVE aber als unwirksam herausstellt, der Erlass einer neuen AVE unter Beachtung der Grenzen des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots (vgl. dazu BAG 27. März 2019 - 10 AZR 211/18 - Rn. 48 ff., BAGE 166, 233; zur Rückwirkung von AVE zuletzt zB BAG 20. November 2018 - 10 ABR 12/18 - Rn. 52 mwN; vgl. auch BVerfG 11. August 2020 - 1 BvR 2654/17 - Rn. 17 [zum SokaSiG]) auch hinsichtlich eines abgelaufenen Tarifvertrags in Betracht kommen. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass regelmäßig die weit überwiegende Anzahl der unter den Anwendungsbereich der erstreckten Tarifnormen fallenden Arbeitsverhältnisse nach diesen abgewickelt wurden und auch insoweit schutzwürdige Interessen berührt sind. In welchen Fällen ein solch korrigierender Neuerlass mit Rückwirkung in Betracht kommt und wo ggf. (zeitliche) Grenzen dafür liegen, bedarf vorliegend aber keiner Entscheidung, da sich die AVE 2019 aus anderen Gründen als unwirksam erweist.
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4. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der AVE 2019 nach § 5 TVG aF bzw. nF iVm. den Bestimmungen der TVG-DVO (in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung) waren entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts aber nicht erfüllt. Ein Rückgriff auf Verfahrensschritte aus dem Verfahren, das zum Erlass der AVE 2010 führte, scheidet insoweit aus. Daraus ergibt sich die Unwirksamkeit der AVE 2019.
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a) Verfahrensrechtlich setzt die AVE eines Tarifvertrags durch das BMAS bzw. im Fall der Delegation nach § 5 Abs. 6 TVG durch die oberste Arbeitsbehörde eines Landes das Vorliegen eines gemeinsamen Antrags der Tarifvertragsparteien (§ 5 Abs. 1 Satz 1 TVG nF) bzw. eines Antrags einer Tarifvertragspartei (§ 5 Abs. 1 Satz 1 TVG aF), dessen Bekanntmachung im Bundesanzeiger mit bestimmten Stellungnahmefristen (§ 4 Abs. 1 TVG-DVO), die Einberufung des Tarifausschusses unter Beachtung bestimmter Formalien und Fristen (§ 6 TVG-DVO), die Möglichkeit zur Stellungnahme für bestimmte Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Verbände und ggf. die obersten Arbeitsbehörden der Länder (§ 5 Abs. 2 TVG aF und nF, § 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 3 TVG-DVO), das Einvernehmen des Tarifausschusses mit der AVE (§ 5 Abs. 1 Satz 1 TVG aF und nF, § 7 TVG-DVO) und die Bekanntmachung der AVE im Bundesanzeiger (§ 5 Abs. 7 TVG aF, § 5 Abs. 7 Satz 1 TVG nF, § 11 TVG-DVO) voraus. Nach § 5 Abs. 7 Satz 2 TVG nF muss die Bekanntmachung zudem die von der AVE erfassten Rechtsnormen des Tarifvertrags umfassen. Diese Anforderungen erfüllt die AVE 2019 nicht.
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aa) Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei den auf Initiative des Beteiligten zu 2. abgegebenen Erklärungen der Beteiligten zu 3. und 4. vom 10. und 22. Oktober 2019 um einen erneuten (gemeinsamen) Antrag auf AVE des ETV 2009 iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 TVG handelt. Der Sache nach begehren die Tarifvertragsparteien mit ihrer Zustimmung zu einer „rückwirkenden Wiederherstellung“ der AVE des ETV 2009 übereinstimmend deren rückwirkenden Erlass und tragen den Antrag damit beide inhaltlich. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1. ist keine Antragstellung in einer einheitlichen Urkunde erforderlich (so bereits BAG 21. März 2018 - 10 ABR 62/16 - Rn. 89, BAGE 162, 166).
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bb) Dieser Antrag ist aber nicht bei der zuständigen Behörde, nämlich dem BMAS, gestellt und auch nicht an diese weitergeleitet worden. Vielmehr hat der Beteiligte zu 2. über den Antrag entschieden, obwohl es an einer Übertragung des Rechts zur AVE nach § 5 Abs. 6 TVG auf die oberste Arbeitsbehörde des Landes Hessen fehlte.
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(1) Grundsätzlich zuständig für den Erlass einer AVE ist das BMAS (§ 5 Abs. 1 Satz 1 TVG aF und nF). Dementsprechend sind Anträge der Tarifvertragsparteien - wie hinsichtlich der AVE 2010 geschehen - an dieses zu richten. Dies gilt auch, wenn zu erwarten steht, dass die Entscheidung nach § 5 Abs. 6 TVG an die oberste Arbeitsbehörde des Landes delegiert wird (vgl. ErfK/Franzen 22. Aufl. TVG § 5 Rn. 20; Löwisch/Rieble TVG § 5 Rn. 254). Geht der Antrag bei der obersten Arbeitsbehörde eines Bundeslandes ein, so hat diese den Antrag dem BMAS zuzuleiten. Erst mit dem Eingang dort gilt der Antrag als gestellt und erst damit kommt das Verfahren in Gang (Däubler/Lakies/Rödl TVG 5. Aufl. § 5 Rn. 85). Das ist hier nicht erfolgt.
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(2) Die im Jahr 2010 nach § 5 Abs. 6 TVG erfolgte Delegation an das Hessische Ministerium für Soziales und Integration ändert nichts, denn die damalige Aufgabenübertragung wirkt nicht fort.
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(a) Nach § 5 Abs. 6 TVG kann das BMAS „für einzelne Fälle“ das Recht zur AVE sowie zur Aufhebung einer solchen an die oberste Arbeitsbehörde eines Landes übertragen. Die oberste Arbeitsbehörde des betreffenden Bundeslandes ist nach der Delegation dieser Aufgabe ermächtigt, in eigener Verantwortung das AVE-Verfahren in Bezug auf den gestellten Antrag durchzuführen und die Entscheidung über die AVE zu treffen (vgl. Däubler/Lakies/Rödl TVG § 5 Rn. 197). Gleiches gilt im Fall der Übertragung des Rechts zur Aufhebung einer AVE. Diese Möglichkeit der Aufgabenübertragung bezieht sich nach dem klaren Wortlaut der Norm auf die Durchführung eines einzelnen AVE-Verfahrens, also die Entscheidung über einen bestimmten Antrag auf AVE eines bestimmten Tarifvertrags oder die Entscheidung über die Aufhebung einer ergangenen AVE eines Tarifvertrags. Eine von einem konkreten Antrag und einem konkreten Tarifvertrag losgelöste generelle Übertragung der Befugnis zur AVE - etwa hinsichtlich eines bestimmten Tarifwerks oder eines bestimmten räumlichen Geltungsbereichs - scheidet aus ( NK-GA/Forst TVG § 5 Rn. 67; Wiedemann/Wank TVG 8. Aufl. § 5 Rn. 127). Das zeigt sich auch daran, dass nach § 5 Abs. 6 TVG selbst die Befugnis zur Aufhebung einer AVE - auch wenn diese nach entsprechender Delegation von der obersten Arbeitsbehörde des Landes erlassen wurde - gesondert zu übertragen ist. Anderenfalls verbleibt diese beim BMAS.
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(b) Vorliegend hatte das BMAS mit Schreiben vom 8. Februar 2010 das Recht, das Verfahren über den Antrag auf AVE des ETV 2009 durchzuführen, auf das Hessische Ministerium für Soziales und Integration übertragen. Dabei hat das BMAS ausdrücklich auf den Antrag vom 14. Januar 2010 Bezug genommen. Über diesen Antrag hat der Beteiligte zu 2. nach Durchführung der entsprechenden Verfahrensschritte mit AVE vom 20. Mai 2010 entschieden und dies im Folgenden bekannt gemacht. Damit war die übertragene Aufgabe - AVE eines Tarifvertrags im Einzelfall auf Antrag - erfüllt und das Verfahren abgeschlossen (vgl. Däubler/Lakies/Rödl TVG § 5 Rn. 163).
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(c) Soweit das Landesarbeitsgericht und die Beteiligten zu 2. bis 4. meinen, ein AVE-Verfahren sei erst mit dem Erlass einer wirksamen AVE beendet und es könne daher auf den ursprünglichen Antrag und die entsprechende Delegation durch das BMAS zurückgegriffen werden, ergeben sich dafür weder aus § 5 TVG noch aus der TVG-DVO Anhaltspunkte. Insbesondere ist dort keine Bestimmung enthalten, die es ermöglichen würde, das ursprüngliche Antragsverfahren im Fall der Unwirksamkeit einer AVE bis zum Erlass einer rechtswirksamen AVE fortzuführen. Gegen eine solche Annahme sprechen schon Gründe der Rechtssicherheit. Mit der (konstitutiven) Bekanntmachung im Bundesanzeiger ist die Normsetzung durch AVE abschließend erfolgt und für die Normunterworfenen erkennbar, welche tariflichen Bestimmungen ab welchem Zeitpunkt für sie rechtsverbindlich gelten. Nur bis zur Bekanntmachung der AVE kann der zuständige Minister die Entscheidung deshalb ändern oder völlig neu vornehmen. Nach der Bekanntmachung ist das nicht mehr möglich, die AVE ist als Rechtsetzungsakt nach außen ergangen (Löwisch/Rieble TVG § 5 Rn. 336: „Fehlerkorrektur kann nur durch erneute Allgemeinverbindlicherklärung in einem neuen Verfahren nach erneutem Antrag erfolgen.“). Nach diesem Zeitpunkt kann ausschließlich in einem Verfahren nach § 98 ArbGG eine Entscheidung über die Wirksamkeit der AVE im Weg des positiven oder negativen Feststellungsantrags herbeigeführt werden, die dann nach § 98 Abs. 4 Satz 1 ArbGG für und gegen jedermann (erga-omnes) wirkt. Ohne eine solche Entscheidung bleibt es bei der ergangenen AVE und ihren Rechtswirkungen. Eine „Wiedereröffnung“ des ursprünglichen Verfahrens sieht § 98 ArbGG nicht vor. Soweit eine AVE (teilweise) abgelehnt wurde, kommt ggf. verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen diese Entscheidung in Betracht (BVerwG 3. November 1988 - 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355; zurückhaltend BVerfG 10. Januar 2020 - 1 BvR 4/17 - Rn. 20; vgl. auch BAG 21. März 2018 - 10 ABR 62/16 - Rn. 102, BAGE 162, 166). Erst eine in einem solchen Verfahren zugunsten der Antragsteller ergehende Entscheidung - eine solche Möglichkeit unterstellt - könnte das BMAS bzw. die entsprechende Landesbehörde dazu zwingen, erneut über den ursprünglichen Antrag zu entscheiden und ggf. die AVE zu erlassen. Ohne eine solche gerichtliche Entscheidung bleibt es beim Abschluss des Verfahrens durch die (Teil-)Ablehnung der AVE.
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(3) Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass mit dem Beteiligten zu 2. mangels erneuter Delegation des Rechts zur AVE nicht die für den Erlass der AVE 2019 zuständige Behörde gehandelt hat. Dies wäre das BMAS gewesen. Eine Entscheidung durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration über den Antrag auf (erneute) AVE war ohne eine erneute Übertragung nach § 5 Abs. 6 TVG unzulässig.
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cc) Des Weiteren erfolgten weder die Bekanntmachung des - gemeinsamen - Antrags der Tarifvertragsparteien auf AVE im Bundesanzeiger noch eine Einberufung des Tarifausschusses. Damit erhielten betroffene Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Verbände keine Möglichkeit, zu dem Antrag aus dem Jahr 2019 in schriftlicher Form oder in der Anhörung vor dem Tarifausschuss Stellung zu nehmen.
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(1) Die Möglichkeit zur Stellungnahme der Betroffenen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 TVG, § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG-DVO) dient dazu, Bedenken oder auch Zustimmung äußern zu können (vgl. BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 2 b der Gründe, BVerfGE 44, 322). Sie trägt dazu bei, dass die Prüfung des öffentlichen Interesses (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 TVG nF bzw. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG aF) ausgewogen erfolgen kann. Die vorgetragenen Bedenken sind grundsätzlich in der Abwägung bei Erlass einer beantragten AVE eines bestimmten Tarifvertrags zu berücksichtigen. Durch die Stellungnahme- und Einspruchsrechte, wie sie in § 5 Abs. 2 und Abs. 3 TVG geregelt sind, ist eine verfahrensmäßige Absicherung der Interessenabwägung gegeben, die eine ausreichende Gewähr dafür bietet, dass die entscheidungsbefugte Stelle ihren weiten Beurteilungsspielraum sachgerecht nutzt (BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 127, BAGE 156, 213; 22. Oktober 2003 - 10 AZR 13/03 - zu II 4 c der Gründe, BAGE 108, 155; ebenso im Hinblick auf § 5 Abs. 1a TVG BAG 21. März 2018 - 10 ABR 62/16 - Rn. 146, BAGE 162, 166 ).
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(2) Gemessen an diesem Zweck kam eine Verwertung weit zurückliegender Verfahrensteile aus dem AVE-Verfahren 2010 nicht in Betracht. Die im Rahmen des AVE-Verfahrens 2010 erfolgte Bekanntmachung des damaligen Antrags und die damals gewährte Möglichkeit zur Stellungnahme konnte für einen Antrag aus dem Jahr 2019 die verfahrensmäßigen Beteiligungsrechte der Betroffenen nicht wahren. Zwar bezog sich dieser neue Antrag auf denselben Tarifvertrag, der bereits mit der AVE 2010 für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Insoweit mag es hinsichtlich der damaligen tatsächlichen Verhältnisse, die der AVE zugrunde lagen, keine Veränderungen gegeben haben, auch wenn dies aufgrund zwischenzeitlich erlangter neuer Erkenntnisse keineswegs ausgeschlossen ist. Jedenfalls verpflichtete der große zeitliche Abstand zur AVE 2010 und die daraus folgende Rückwirkungsproblematik die erlassende Behörde, den von der AVE Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Gerade die Frage ihres weit rückwirkenden Erlasses musste auch bei der Wertung, ob die AVE im öffentlichen Interesse geboten erscheint, Berücksichtigung finden.
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dd) Darüber hinaus fehlt es an dem nach § 5 Abs. 1 TVG erforderlichen Einvernehmen des Tarifausschusses mit der AVE 2019.
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(1) Die AVE eines Tarifvertrags kann nach § 5 Abs. 1 TVG - alter und neuer Fassung - nur im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss erfolgen. Dessen Zustimmung ist erforderlich, anderenfalls kann keine AVE ergehen. Inhalt der Zustimmung des Tarifausschusses und spätere AVE müssen sich grundsätzlich decken. Die AVE kann zwar wegen des Normsetzungsermessens der entscheidenden Behörde hinter der Reichweite der Zustimmung des Tarifausschusses zurückbleiben, nicht aber umgekehrt. Eine AVE, die über die Zustimmung des Tarifausschusses hinausgeht, ist unwirksam (BAG 21. März 2018 - 10 ABR 62/16 - Rn. 92 mwN, BAGE 162, 166). Das Mitspracherecht der Spitzenorganisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Tarifausschuss und die Möglichkeit zur Stellungnahme der von der AVE Betroffenen vor dem Tarifausschuss dienen dabei auch dem Schutz der nicht Tarifgebundenen und liefern die Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung des Vorliegens eines öffentlichen Interesses an der AVE (vgl. BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 127, BAGE 156, 213). Beide Beteiligungsrechte stellen besondere Anforderungen an das Verfahren zum Erlass einer AVE, die nicht nur formeller Art sind. Sie tragen vielmehr selbst prägend zur Entscheidungsfindung bei.
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(2) Eine Zustimmung des zuständigen Tarifausschusses zur AVE 2019 liegt nicht vor; dieser wurde nicht beteiligt. Auch insoweit kann nach dem Zweck der Notwendigkeit des Einvernehmens nicht auf die Beteiligung des Tarifausschusses im Rahmen des AVE-Verfahrens 2010 zurückgegriffen werden. Zwar hatte der in Hessen gebildete Tarifausschuss der AVE 2010 am 27. April 2010 mit Rückwirkung zum 1. Juli 2009 zugestimmt. Die Rückwirkung bezog sich aber auf einen überschaubaren Zeitraum und betraf im Übrigen einen damals noch in Kraft befindlichen Tarifvertrag. Eine Zustimmung zu einer Rückwirkung der AVE für einen Zeitraum von mehr als neun Jahren bezogen auf einen bereits außer Kraft getretenen Tarifvertrag - wie bei der AVE 2019 - kann daraus nicht abgeleitet werden. Vielmehr hätte der - ggf. auch neu zusammengesetzte - Tarifausschuss über die neue Sachlage unter Berücksichtigung eventueller Stellungnahmen von Betroffenen den Antrag beraten und eine Entscheidung treffen müssen. Hinzu kommt noch, dass mangels Vorliegens einer erneuten Delegation der beim BMAS gebildete Tarifausschuss zuständig gewesen wäre.
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ee) Ob eine Verwertung von Verfahrensteilen aus einem früheren, denselben Tarifvertrag betreffenden AVE-Verfahren grundsätzlich möglich ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Dabei geht es nicht darum, dass formal „in einem ‚kombinierten‘ Rechtsetzungsverfahren aus alten und neu hinzutretenden Verfahrensschritten am Ende ja alle gesetzlich vorgesehen Schritte absolviert werden“ (so aber Cornils, Rechtsgutachten S. 102). Eine Verwertung käme vielmehr in engen Grenzen allenfalls dann in Betracht, wenn die mit dem jeweiligen Verfahrensschritt verfolgten Zwecke umfassend gewahrt werden. Dies war hier nicht der Fall.
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ff) Schließlich fehlt es - sollte § 5 TVG nF anwendbar sein - auch an einer Bekanntmachung der Rechtsnormen des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags nach § 5 Abs. 7 Satz 2 TVG nF. Auch dabei handelt es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. BAG 21. März 2018 - 10 ABR 62/16 - Rn. 96, BAGE 162, 166).
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b) Aufgrund der aufgezeigten Verfahrensverstöße ist die AVE 2019 unwirksam.
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III. Der Tenor des Landesarbeitsgerichts war nach § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen, soweit dieses die Datierung der AVE 2010 fehlerhaft aufgenommen hat. Richtig muss es heißen „20. Mai 2010“. Es liegt ein offensichtlicher Schreibfehler vor, dessen Korrektur durch den Senat als mit der Sache befasstem Rechtsmittelgericht von Amts wegen geboten ist (vgl. dazu umfassend BAG 8. Dezember 2020 - 3 AZR 64/19 - Rn. 47 ff. mwN).
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IV. Im vorliegenden Verfahren werden Kosten nicht erhoben, § 2 Abs. 2 GKG.
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W. Reinfelder
Pessinger
Günther-Gräff
H. Schurkus
S. Viehl
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