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BAG 20.05.2020 - 7 ABR 42/18
BAG 20.05.2020 - 7 ABR 42/18 - Betriebsratswahl - Anfechtung - Öffnung der Freiumschläge
Normen
§ 19 Abs 1 BetrVG, § 24 Abs 1 S 1 Nr 5 BetrVGDV1WO, § 26 Abs 1 BetrVGDV1WO, § 20 Abs 3 S 1 BetrVG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Frankfurt, 18. Januar 2018, Az: 3 BV 494/17, Beschluss
vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 24. September 2018, Az: 16 TaBV 50/18, Beschluss
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. September 2018 - 16 TaBV 50/18 - aufgehoben.
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Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
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A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
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Die Antragstellerin ist eine im Betrieb der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft. Auf der Grundlage des Wahlausschreibens vom 13. April 2017 fand in dem Hotelbetrieb der Arbeitgeberin am 21. Juni 2017 eine Betriebsratswahl statt. Aus dieser Wahl ging der zu 3. beteiligte Betriebsrat hervor.
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Ausweislich des Wahlausschreibens fand die Wahl am Wahltag von 06:30 Uhr bis 18:30 Uhr statt. Die Auszählung der Stimmen sollte laut Wahlausschreiben am Wahltag ab 18:35 Uhr im Wahlraum erfolgen. Gegen 16:30 Uhr begann der Wahlvorstand mit der Öffnung der Freiumschläge der Briefwähler, dem Vermerken der Stimmabgabe in der Wählerliste und dem Einwerfen der Wahlumschläge in die Wahlurne. Dieser Vorgang wurde gegen 17:30 Uhr abgeschlossen. Den Arbeitnehmern war der Zeitpunkt der Öffnung der Freiumschläge weder im Wahlausschreiben noch anderweitig mitgeteilt worden. Ausweislich der Wahlniederschrift des Wahlvorstands wurden insgesamt 211 Stimmen abgegeben, davon waren 207 gültig. 52 Stimmen entfielen auf die Vorschlagsliste 1, 155 Stimmen auf die Vorschlagsliste 2. Das Wahlergebnis wurde am 23. Juni 2017 bekannt gegeben.
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Mit ihrer am 3. Juli 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat die Antragstellerin die Wahl angefochten. Zur Begründung hat sie in ihrer Antragsschrift angeführt, es liege ein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WO vor, da ein Teil der Rückumschläge der Briefwähler weder den Vermerk „Schriftliche Stimmabgabe“ noch die Absenderanschrift des/der Wahlberechtigten getragen habe und überdies auch nicht frankiert gewesen sei. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen § 26 Abs. 1 WO vor, da die Öffnung der Freiumschläge nicht in öffentlicher Sitzung stattgefunden habe. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, den beabsichtigten Zeitpunkt der Öffnung der Freiumschläge zuvor gegenüber den Arbeitnehmern bekannt zu machen. Zudem habe die Öffnung der Freiumschläge auch nicht „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ stattgefunden. Es seien 80 bis 100 Freiumschläge zu öffnen gewesen, pro Briefwahlumschlag seien allenfalls 10 bis 15 Sekunden anzusetzen. Selbst unter Berücksichtigung eines „Sicherheitspuffers“ sei ein Beginn bereits um 16:30 Uhr nicht notwendig gewesen. In der Beschwerdeinstanz hat die Antragstellerin zudem behauptet, es seien nur 46 Freiumschläge zu öffnen gewesen. Der Wahlvorstand habe mit seinem Vorgehen das Öffentlichkeitsprinzip verletzt.
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Die Antragstellerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
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die Betriebsratswahl vom 21. Juni 2017 in dem Betrieb der Beteiligten zu 2. für unwirksam zu erklären.
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Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie haben die Auffassung vertreten, die Durchführung der Betriebsratswahl sei ordnungsgemäß erfolgt. Es sei auf eine Frankierung und entsprechende Beschriftung der Freiumschläge, wie in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WO vorgesehen, nur in denjenigen Fällen verzichtet worden, in denen die Arbeitnehmer bei Abholung der Briefwahlunterlagen mitgeteilt hätten, sie würden sogleich im Betrieb wählen und die Briefwahlunterlagen sodann persönlich zurückbringen. In diesen Fällen sei eine Frankierung und Beschriftung der Freiumschläge überflüssig gewesen.
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Es liege auch kein Verstoß gegen § 26 WO vor, da diese Vorschrift nicht erfordere, dass der Wahlvorstand den Zeitpunkt der Öffnung der Freiumschläge vorher bekannt gebe. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Öffnung habe der Wahlvorstand eine Prognose zu treffen, die im Streitfall nicht zu beanstanden sei. Es seien ca. 90 Freiumschläge zu öffnen gewesen. Der Wahlvorstand habe pro Umschlag einen Zeitaufwand von einer Minute einkalkuliert sowie 30 bis 60 Minuten Puffer wegen zu erwartender zwischenzeitlicher weiterer persönlicher Stimmabgaben. Die drei im Wahllokal anwesenden Wahlvorstandsmitglieder hätten sich kurz vor 16:30 Uhr darauf geeinigt, in wenigen Minuten mit der Bearbeitung der Briefwahlunterlagen zu beginnen. Dies genüge den Formanforderungen an die Einberufung und Durchführung einer öffentlichen Sitzung.
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Das Arbeitsgericht hat den - erstinstanzlich als Feststellungsantrag formulierten - Wahlanfechtungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde der Antragstellerin dem zweitinstanzlich als Gestaltungsantrag formulierten Wahlanfechtungsantrag stattgegeben; einen Tatbestandsberichtigungsantrag des Betriebsrats hat es zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter. Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
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B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht dem Wahlanfechtungsantrag nicht stattgeben. Ob der zulässige Wahlanfechtungsantrag begründet ist, kann der Senat auf der Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen.
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I. Der Antrag, die Betriebsratswahl vom 21. Juni 2017 in dem Betrieb der Beteiligten zu 2. für unwirksam zu erklären, ist zulässig. Die Anfechtung einer Betriebsratswahl ist nach § 19 Abs. 1 BetrVG mit einem Gestaltungsantrag geltend zu machen. Soweit die Antragstellerin in erster Instanz zunächst dem Wortlaut nach einen Feststellungsantrag gestellt hatte, haben die Vorinstanzen diesen Antrag zu Recht als Gestaltungsantrag ausgelegt (vgl. etwa BAG 21. März 2017 - 7 ABR 19/15 - Rn. 10 mwN, BAGE 158, 256). Auch soweit in dem zweitinstanzlich formulierten Antrag von „dem Betrieb der Beteiligten zu 3.“ die Rede ist, hat das Landesarbeitsgericht dies zutreffend auf den Betrieb der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin bezogen.
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II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Wahlanfechtungsantrag sei begründet, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die formellen Anfechtungsvoraussetzungen liegen zwar vor. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch mit unzutreffender Begründung einen Verstoß gegen § 26 Abs. 1 WO angenommen.
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1. Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl des Betriebsrats beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Zur Anfechtung berechtigt sind nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.
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2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die formellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 2 BetrVG erfüllt sind. Als eine im Betrieb der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft ist die Antragstellerin nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BetrVG zur Wahlanfechtung berechtigt. Sie hat die Betriebsratswahl nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 23. Juni 2017 mit ihrer am 3. Juli 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift, welche bereits die wesentlichen Anfechtungsgründe enthielt, fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG angefochten.
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3. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch mit einer rechtsfehlerhaften Begründung angenommen, die Wahl sei nach § 19 Abs. 1 BetrVG anfechtbar, weil der Wahlvorstand gegen § 26 Abs. 1 WO verstoßen habe.
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a) Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht einen Verstoß gegen § 26 Abs. 1 WO darin gesehen, dass der Zeitpunkt der Öffnung der Freiumschläge nicht zuvor im Betrieb bekannt gemacht wurde.
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aa) Nach § 26 Abs. 1 WO hat der Wahlvorstand unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe in öffentlicher Sitzung die bis zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Freiumschläge zu öffnen und ihnen die Wahlumschläge sowie die vorgedruckten Erklärungen zu entnehmen; ist die schriftliche Stimmabgabe ordnungsgemäß erfolgt, legt der Wahlvorstand den Wahlumschlag nach Vermerk der Stimmabgabe in der Wählerliste ungeöffnet in die Wahlurne.
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bb) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt keine zur Anfechtung berechtigende Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl daraus, dass der Wahlvorstand Zeit und Ort der Öffnung der im Rahmen der Briefwahl eingegangenen Freiumschläge nicht ausdrücklich mitgeteilt hatte. Angesichts der im Wahlausschreiben enthaltenen Angaben zu den Öffnungszeiten des einzigen Wahllokals zur persönlichen Stimmabgabe war dies nicht erforderlich (vgl. BAG 16. Januar 2018 - 7 ABR 11/16 - Rn. 52). Da der Wahlvorstand die Freiumschläge nach § 26 Abs. 1 WO „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ öffnet, besteht kein Zweifel, an welchem Ort und zu welcher Zeit dies zu geschehen hat. Auch aus der Entscheidung des Senats vom 10. Juli 2013 (- 7 ABR 83/11 -) ergibt sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nichts anderes. Diese betraf eine vom Wahlvorstand angeordnete ausschließlich schriftliche Stimmabgabe nach § 11 Abs. 2 SchwbVWO. Da es dort keine persönliche Stimmabgabe geben konnte, deren Ort, Tag und Zeit nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SchwbVWO im Wahlausschreiben mitzuteilen gewesen wäre, musste der Wahlvorstand Ort und Zeit der in § 12 Abs. 1 SchwbVWO geregelten Behandlung der schriftlich abgegebenen Stimmen bekannt geben, um dem Erfordernis der Öffentlichkeit zu genügen (BAG 10. Juli 2013 - 7 ABR 83/11 - Rn. 20; vgl. auch BAG 16. Januar 2018 - 7 ABR 11/16 - Rn. 52).
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b) Auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Wahlvorstand habe die eingegangenen Freiumschläge nicht erst unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe iSd. § 26 Abs. 1 Satz 1 WO geöffnet, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
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aa) Bei der Prüfung, ob die Öffnung der eingegangenen Freiumschläge „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ erfolgte, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Diese kann in der Rechtsbeschwerde nur beschränkt darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt, bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen worden sind (vgl. etwa BAG 19. März 2019 - 3 AZR 201/17 - Rn. 55, BAGE 166, 136; 16. Januar 2018 - 7 ABR 21/16 - Rn. 27, BAGE 161, 276; 23. November 2016 - 7 ABR 3/15 - Rn. 35 mwN).
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bb) Die Begründung des Landesarbeitsgerichts hält diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand.
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Das Landesarbeitsgericht hat seine Annahme, der Wahlvorstand habe zu früh mit der Öffnung der Freiumschläge begonnen, allein damit begründet, dass die Öffnung der Freiumschläge und Entnahme der Wahlumschläge sowie der vorgedruckten Erklärungen, der Vermerk der Stimmabgabe in der Wählerliste sowie die Einlegung der ungeöffneten Wahlumschläge in die Wahlurne bereits gegen 17:30 Uhr - also eine Stunde vor Abschluss der Stimmabgabe - beendet gewesen sei. Damit hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ verkannt.
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§ 26 Abs. 1 Satz 1 WO gewährt dem Wahlvorstand eine Einschätzungsprärogative dazu, welchen Zeitraum er voraussichtlich für die nach § 26 Abs. 1 WO gebotenen Handlungen benötigen wird. Es ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber insoweit bewusst von einer starren Zeitvorgabe abgesehen hat und der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte durch die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs Rechnung tragen wollte. Ob sich der Beschluss des Wahlvorstands, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der Öffnung der Freiumschläge zu beginnen, innerhalb der Grenzen seines Beurteilungsspielraums hält, kann nicht allein danach beurteilt werden, um welche Uhrzeit der Wahlvorstand die Tätigkeit tatsächlich beendet hat. Vielmehr bedarf es einer ex-ante-Betrachtung. Es kommt darauf an, wieviel Zeit der Wahlvorstand aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls einplanen durfte, um mit dem Öffnen der Wahlumschläge und den weiteren nach § 26 Abs. 1 WO erforderlichen Handlungen (Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der schriftlichen Stimmabgabe, Vermerk der Stimmabgabe in der Wählerliste, Einwurf des Wahlumschlags in die Wahlurne) rechtzeitig vor dem Abschluss der Stimmabgabe fertig zu sein. Der Wahlvorstand hat daher insoweit eine Prognose anzustellen, wobei ihm bei der Bewertung der Umstände ein Beurteilungsspielraum zukommt. Beendet der Wahlvorstand die Aufgaben nach § 26 Abs. 1 WO mit oder innerhalb weniger Minuten vor oder nach dem Ende der für die Stimmabgabe vorgesehenen Zeit, bestätigt dies die Richtigkeit der Prognose des Wahlvorstands. Es besteht dann eine ausreichende Vermutung dafür, dass die Prognose hinreichend fundiert erstellt worden ist. In diesem Fall bedarf es keiner näheren Darlegung der ursprünglich angestellten Prognose. Liegt zwischen dem Ende der nach § 26 Abs. 1 WO vorzunehmenden Handlungen und dem Abschluss der Stimmabgabe ein längerer Zeitraum, so folgt daraus nicht ohne weiteres, dass die Prognose unzutreffend war. Vielmehr können im Verfahren um die Wahlanfechtung die Gründe dargelegt werden, aufgrund derer der Wahlvorstand davon ausgehen durfte, mit dem Öffnen der Freiumschläge so frühzeitig beginnen zu müssen.
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III. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
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1. Der Senat kann nicht selbst beurteilen, ob der Wahlvorstand für die nach § 26 Abs. 1 WO erforderlichen Handlungen etwa zwei Stunden einplanen durfte. Das hängt ua. von der Anzahl der zu öffnenden Freiumschläge ab. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Diese wird es nachzuholen haben.
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a) Soweit der angefochtene Beschluss Feststellungen zur Anzahl der zu öffnenden Freiumschläge enthält, sind diese für den Senat nicht bindend. Die Bindungswirkung nach § 559 Abs. 2 ZPO entfällt, wenn die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unklar, lückenhaft oder widersprüchlich sind. Solche Mängel sind bereits von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 2. März 2017 - 2 AZR 546/16 - Rn. 15 mwN; 22. Mai 2012 - 1 AZR 94/11 - Rn. 23 mwN). So verhält es sich hier. Angaben zu der Anzahl der Freiumschläge finden sich in der angefochtenen Entscheidung nur bei der Wiedergabe des Vorbringens der Beteiligten. So heißt es, die Antragstellerin habe die Ansicht vertreten, die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl ergebe sich daraus, „dass (unstreitig) etwa 2 Stunden vor Ende der Stimmabgabe, also gegen 16:30 Uhr, der vollständig versammelte Wahlvorstand im Wahlraum damit begann, die Freiumschläge der 46 Briefwähler zu öffnen, die Stimmabgabe in der Wählerliste zu vermerken und die Wahlumschläge in die Urne zu werfen“. Hieraus lässt sich nicht eindeutig erkennen, ob das Landesarbeitsgericht den Einschub „(unstreitig)“ nur auf den Zeitraum von zwei Stunden bezog oder auch auf die weiteren Angaben des Satzes. Wenn alle Tatsachen des Satzes unstreitig waren, hätte es nahegelegen, diese in den unstreitigen Teil der Sachverhaltswiedergabe aufzunehmen. Auf Seite 4 des Beschlusses bezieht sich der erneute Einschub „(unstreitig)“ jedenfalls nur darauf, dass „bereits gegen 16:30 Uhr mit der Öffnung der Freiumschläge begonnen wurde“. Zu dem Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, es „seien 46 Umschläge zu öffnen gewesen“. Die Verortung dieser Aussage spricht dafür, dass es sich um streitiges Vorbringen der Antragstellerin gehandelt hat. Soweit das Landesarbeitsgericht ergänzend auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen hat, sind auch diese nicht eindeutig. Das Arbeitsgericht hatte in seinem Beschluss 46 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer namentlich aufgezählt, die „Briefwahl … beantragt“ hatten. Nach § 24 Abs. 2 WO erhalten bestimmte Wahlberechtigte jedoch die Briefwahlunterlagen ohne Antrag. Die Anzahl derjenigen, die beim Wahlvorstand Briefwahlunterlagen beantragen, stimmt daher regelmäßig nicht mit der Anzahl der Briefwähler überein. Da sich dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts mithin keine klare Feststellung zur Anzahl der zu öffnenden Freiumschläge entnehmen lässt, ist es unerheblich, dass das Landesarbeitsgericht in seinem Berichtigungsbeschluss vom 29. November 2018 angenommen hat, die Anzahl von 46 Briefwählern sei zwischen den Beteiligten unstreitig gewesen.
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b) Das Landesarbeitsgericht wird daher Feststellungen dazu zu treffen haben, wie viele Freiumschläge zu öffnen waren.
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aa) Sollte es sich um 80 bis 100 bzw. um ca. 90 Freiumschläge gehandelt haben, wie von der Antragstellerin in der Antragsschrift und vom Betriebsrat in der Antragserwiderung vorgetragen, hätte der Wahlvorstand nicht gegen § 26 Abs. 1 WO verstoßen. Der Betriebsrat hat den Beginn der Öffnung der Freiumschläge um 16:30 Uhr damit begründet, dass der Vorgang bei sorgfältiger Durchführung im Durchschnitt etwa eine Minute pro Umschlag in Anspruch nehme. Zudem sei ein „Sicherheitspuffer“ von 30 bis 60 Minuten angemessen, weil der Vorgang immer wieder durch Wähler, die zur persönlichen Stimmabgabe erscheinen, unterbrochen werde. Wären 80 bis 100 bzw. ca. 90 Freiumschläge zu öffnen gewesen, hätte der Vorgang nach dieser Kalkulation mindestens 80 Minuten gedauert. Dabei liegt es innerhalb des Beurteilungsspielraums des Wahlvorstands, im Durchschnitt von einer Dauer von einer Minute pro Freiumschlag auszugehen. Zum einen hat die Antragstellerin nicht näher begründet, warum sie meint, es würden auch 10 bis 15 Sekunden genügen. Zum anderen ist bei der Durchschnittsbetrachtung mit zu berücksichtigen, dass vom Wahlvorstand nicht nur die Freiumschläge zu öffnen sind, sondern auch geklärt werden muss, ob die schriftliche Stimmabgabe ordnungsgemäß erfolgt ist oder ob die Stimme als ungültig zu werten ist. Dies kann im Einzelfall längere Zeit in Anspruch nehmen. Bei einer prognostizierten Dauer von mindestens 80 Minuten wäre ein Zeitpuffer von 40 Minuten wegen der persönlichen Abgabe von Stimmen durch Wahlberechtigte im Wahlraum berücksichtigt worden. Dies ist grundsätzlich durch den Beurteilungsspielraum des Wahlvorstands gedeckt.
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bb) Sollte es sich um 46 zu öffnende Freiumschläge gehandelt haben, hätte der Vorgang nach § 26 Abs. 1 WO auch nach der Prognose des Wahlvorstands insgesamt höchstens 106 Minuten dauern dürfen. Selbst unter Berücksichtigung des sehr großzügig bemessenen „Sicherheitspuffers“ von 60 Minuten, der im vorliegenden Fall ggf. noch angemessen gewesen sein dürfte, wenn - wie der Betriebsrat vorgetragen hat - viele Wähler ihre Stimme noch nicht abgegeben hatten, wäre denkbar gewesen, dass der Vorgang schon ca. eine Viertelstunde vor dem Abschluss der Stimmabgabe - und damit zu früh - abgeschlossen gewesen wäre. In diesem Fall hätte der Wahlvorstand seinen Beurteilungsspielraum überschritten. Dies würde zur Anfechtbarkeit der Wahl führen, da nicht von vornherein ausgeschlossen werden könnte, dass das Wahlergebnis durch den Verstoß gegen § 26 Abs. 1 WO beeinflusst wurde. Nach § 26 Abs. 1 WO hat der Wahlvorstand die im Freiumschlag enthaltenen Unterlagen - Wahlumschläge und Erklärung über die persönliche Stimmabgabe - zu prüfen und - ähnlich wie bei der Stimmauszählung - Entscheidungen zu treffen. Deshalb hat die Betriebsöffentlichkeit ein Interesse daran, diesen Vorgang - ebenso wie die Stimmauszählung - verfolgen zu können. Beginnt der Wahlvorstand zu früh mit der Öffnung der Freiumschläge, ist die Anwesenheit der Betriebsöffentlichkeit gefährdet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei der Öffnung der Freiumschläge zu Fehlern kommt, die bei Anwesenheit wahlberechtigter Arbeitnehmer nicht unterlaufen wären (vgl. zur Stimmauszählung BAG 15. November 2000 - 7 ABR 53/99 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 96, 233).
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2. Die angefochtene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
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a) Der Anfechtungsantrag ist nicht deshalb begründet, weil die eingegangenen Freiumschläge nicht in öffentlicher Sitzung iSd. § 26 Abs. 1 Satz 1 WO durch den Wahlvorstand geöffnet worden wären. Die öffentliche Sitzung des Wahlvorstands wurde am Wahltag konkludent einberufen. Weder das BetrVG noch die WO enthalten ausdrückliche Regelungen zur ordnungsgemäßen Einberufung von Sitzungen und zur Beschlussfassung des Wahlvorstands. § 1 Abs. 3 WO verlangt lediglich, dass der Wahlvorstand Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit fasst und eine Niederschrift über jede Sitzung anzufertigen ist, die von dem Vorsitzenden und einem weiteren stimmberechtigten Mitglied zu unterzeichnen ist. Da die Ladung der Mitglieder durch den Vorsitzenden des Wahlvorstands frist- und formlos möglich ist (vgl. Jacobs GK-BetrVG 11. Aufl. § 1 WO Rn. 9; DKW/Homburg BetrVG 17. Aufl. § 1 WO Rn. 10), kann die Ladung auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Es muss lediglich gewährleistet sein, dass alle Mitglieder Kenntnis von der Einladung erlangen und diese so rechtzeitig erfolgt, dass die Mitglieder ihre Teilnahme einrichten können (HaKo-BetrVG/Sachadae 5. Aufl. § 1 WO Rn. 3; Wiebauer in Löwisch/Kaiser BetrVG 7. Aufl. § 1 WO Rn. 11). Sind - wie im vorliegenden Fall - alle Mitglieder des Wahlvorstands im einzigen Wahlraum versammelt und beginnen sie gemeinsam mit der Öffnung der Freiumschläge, so geschieht dies regelmäßig im Rahmen einer konkludent einberufenen öffentlichen Sitzung des Wahlvorstands. Inhalt und Gegenstand der Sitzung ergeben sich ohne weiteres aus § 26 Abs. 1 WO.
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b) Zu den weiteren von der Antragstellerin geltend gemachten oder sonst im Laufe des Verfahrens sichtbar gewordenen (vgl. BAG 18. Juli 2012 - 7 ABR 21/11 - Rn. 22) Unwirksamkeitsgründen hat das Landesarbeitsgericht keine näheren Feststellungen getroffen. Dies wird es ggf. nach der Zurückverweisung nachzuholen haben. Dabei wird das Landesarbeitsgericht folgende Gesichtspunkte zu beachten haben:
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aa) Soweit es für die Begründetheit des Antrags auf die Rüge eines Verstoßes gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WO ankommen sollte, wird das Landesarbeitsgericht aufzuklären haben, ob - wie vom Betriebsrat und der Arbeitgeberin behauptet - nur solche Rückumschläge weder den Vermerk „Schriftliche Stimmabgabe“ noch die Absenderanschrift des/der Wahlberechtigten getragen haben und nicht frankiert waren, welche an Wahlberechtigte ausgegeben wurden, die ausdrücklich erklärt hatten, dass sie im Betrieb wählen und die Briefwahlunterlagen persönlich an den Wahlvorstand zurückgeben werden. In diesem Fall läge kein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WO vor. Danach hat der Wahlvorstand Wahlberechtigten auf ihr Verlangen einen größeren Freiumschlag, der die Anschrift des Wahlvorstands und als Absender den Namen und die Anschrift der oder des Wahlberechtigten sowie den Vermerk „Schriftliche Stimmabgabe“ trägt, auszuhändigen oder zu übersenden. Erklärt ein Wahlberechtigter gegenüber dem Wahlvorstand, er werde im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb an der persönlichen Stimmabgabe verhindert sein, und bittet daher um die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe, so umfasst dieses Verlangen regelmäßig alle in den Nr. 1 bis Nr. 5 genannten Unterlagen. Erklärt der Wahlberechtigte jedoch, er werde die Briefwahlunterlagen im Betrieb ausfüllen und persönlich an den Wahlvorstand zurückreichen, so liegt hierin im Zweifel kein Verlangen nach einem frankierten und nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WO beschrifteten Umschlag. Es genügt die Übergabe eines größeren Umschlags, um die schriftliche Stimmabgabe im Betrieb durchzuführen (aA wohl Wiebauer in Löwisch/Kaiser BetrVG 7. Aufl. § 24 WO Rn. 12). Ein solches Vorgehen dient der Vermeidung nicht erforderlicher Wahlkosten iSd. § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Sollte das Landesarbeitsgericht feststellen, dass alle Wahlberechtigten, die unfrankierte und ohne Anschrift und Vermerk ausgegebene Umschläge erhalten haben, die Wahlunterlagen tatsächlich persönlich wieder beim Wahlvorstand abgegeben haben und dieser die Rückumschläge zu den anderen Freiumschlägen genommen hat, wäre das Vorgehen im Übrigen nicht geeignet gewesen, das Wahlergebnis iSd. § 19 Abs. 1 BetrVG zu ändern oder zu beeinflussen.
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bb) Sollte die neue Anhörung ergeben, dass weder ein Verstoß gegen § 26 Abs. 1 WO noch gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WO die Anfechtbarkeit der Wahl begründen kann, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob der von den Beteiligten vorgetragene Sachverhalt Anhaltspunkte für das Vorliegen eines anderen Anfechtungsgrunds gibt. Da ein zulässiger Antrag vorliegt, muss das Gericht allen Anfechtungsgründen, die im Laufe des Verfahrens sichtbar werden, von Amts wegen nachgehen (BAG 2. August 2017 - 7 ABR 42/15 - Rn. 19, BAGE 160, 27; 18. Juli 2012 - 7 ABR 21/11 - Rn. 22 mwN).
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Gräfl
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