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BAG 17.06.2015 - 10 AZR 187/14
BAG 17.06.2015 - 10 AZR 187/14 - Tarifliche Weihnachtszuwendung - Berechnung bei vorübergehender Teilzeitbeschäftigung während des Bezugszeitraums
Normen
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 22. August 2013, Az: 58 Ca 7821/13, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 22. Januar 2014, Az: 24 Sa 1704/13, Urteil
Tenor
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1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Januar 2014 - 24 Sa 1704/13 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Höhe der tariflichen Weihnachtszuwendung für das Jahr 2012.
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Der Kläger ist seit 1981 bei der Beklagten, die den öffentlichen Personennahverkehr in Berlin betreibt, als Fahrzeugelektroniker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand im streitgegenständlichen Zeitraum kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den Nahverkehrsbetrieben im Land Berlin (TV-N Berlin) vom 31. August 2005 in der Fassung des 8. Änderungstarifvertrags vom 1. Juni 2012 Anwendung. Nach dessen „Anlage 6 Besondere Regelungen für Arbeitnehmer der BVG AöR zum TV-N Berlin“ (Anlage 6 zum TV-N Berlin) ist der Kläger als sog. Altbeschäftigter mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 36,5 Stunden „Vollbeschäftigter“. Von September 2012 bis November 2012 war er auf eigenen Wunsch mit einem Umfang von 25 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt.
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Der TV-N Berlin enthält ua. folgende Regelungen:
-
„§ 7 Teilzeitbeschäftigung
…
(2)
Bei nichtvollbeschäftigten Arbeitnehmern sind die Leistungen nach § 5 Abs. 4 Unterabs. 1, § 6 Abs. 1, § 12 Abs. 3 Satz 1, § 12 Abs. 4 Satz 1 und § 12 Abs. 5 bis 6 und § 17 entsprechend dem Verhältnis der vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Arbeitnehmers zu bemessen.
§ 8 Regelmäßige Arbeitszeit
(1)
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich. Pausen werden nicht in die regelmäßige Arbeitszeit eingerechnet. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen.
…
§ 17 Weihnachtszuwendung
(1)
Alle vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfassten Arbeitnehmer, die am 31. Oktober eine Betriebszugehörigkeit (§ 4) von mindestens 12 Monaten besitzen und von Oktober des Vorjahres bis September des laufenden Jahres für mindestens vier volle Kalendermonate Entgelt nach § 6 erhalten haben, erhalten eine Weihnachtszuwendung in Höhe von 1.200,00 Euro, zahlbar zum 15. November.
(2)
Auf Wunsch des Arbeitnehmers kann an Stelle der Gewährung der Weihnachtszuwendung nach Abs. 1 der entsprechende Zeitgegenwert dem Langzeitkonto (§ 10 Abs. 7) gutgeschrieben werden. Hierbei sind folgende Maßgaben zu beachten:
…
-
Zur Ermittlung der Zeitgutschrift auf dem Langzeitkonto ist der Eurobetrag der Weihnachtszuwendung durch das entsprechende jeweilige Stundenentgelt des Arbeitnehmers zu teilen, das im November des betreffenden Jahres fällig ist.“
- 4
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Im November 2012 zahlte die Beklagte an den Kläger eine Weihnachtszuwendung in Höhe von 821,92 Euro brutto, die nach dem Verhältnis seines damaligen Arbeitszeitumfangs von 25 Wochenstunden zur regelmäßigen Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten „Altbeschäftigten“ von 36,5 Wochenstunden berechnet war.
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Der Kläger hat gemeint, für die Bemessung der Weihnachtszuwendung sei gemäß § 17 Abs. 1 TV-N Berlin die im Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 30. September 2012 insgesamt maßgeblich gewesene Arbeitszeit zugrunde zu legen. Daher dürfte nur der auf den Monat September 2012 entfallende Anteil der Weihnachtszuwendung wegen seiner Teilzeitbeschäftigung gekürzt werden. Er hat die Beklagte mit Schreiben vom 22. April 2013 aufgefordert, ihm den Differenzbetrag zu zahlen.
- 6
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Der Kläger hat beantragt,
-
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 346,57 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. November 2012 zu zahlen;
2.
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn 283,58 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. November 2012 zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, für die Bemessung der Weihnachtszuwendung komme es allein auf den Umfang der am 31. Oktober 2012 ausgeübten Teilzeitbeschäftigung an.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 17 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 2 TV-N Berlin einen Anspruch auf Zahlung weiterer Weihnachtszuwendung für das Jahr 2012 in Höhe von 346,57 Euro brutto.
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I. Maßgeblich für die Bemessung der Weihnachtszuwendung bei nicht vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ist nach § 7 Abs. 2 iVm. § 17 Abs. 1 TV-N Berlin der Umfang der Beschäftigung im Zeitraum von Oktober des Vorjahres bis September des laufenden Jahres. Die Weihnachtszuwendung ist bei einer Teilzeitbeschäftigung in diesem Zeitraum entsprechend dem Verhältnis der vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers zu bemessen. Das ergibt die Auslegung der Tarifregelungen.
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1. Bei der Tarifauslegung ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen (vgl. zB BAG 18. März 2015 - 10 AZR 165/14 - Rn. 16 mwN).
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a) Dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 TV-N Berlin sind keine Anhaltspunkte zur Berechnung der Höhe der Weihnachtszuwendung für nicht vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zu entnehmen. Diese Tarifnorm gibt entgegen der Auffassung der Revision insbesondere nicht vor, dass für die Höhe der Weihnachtszuwendung auf die an einem bestimmten Stichtag vereinbarte durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit abzustellen wäre. Der 31. Oktober ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 1 TV-N Berlin Stichtag allein für den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Der Regelung kann nicht entnommen werden, dass eine etwaige Kürzung nach Maßgabe der Verhältnisse zum Stichtag 31. Oktober stattzufinden habe (zu einer anderslautenden Stichtagsregelung im TV-N Bayern vgl. BAG 14. November 2012 - 10 AZR 903/11 -).
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b) Demgegenüber legt der Wortlaut des § 7 Abs. 2 TV-N Berlin nahe, dass sich die Höhe der Weihnachtszuwendung nach dem Umfang der Beschäftigung im Zeitraum von Oktober des Vorjahres bis September des laufenden Jahres richtet. Nach dieser Tarifbestimmung ist für die Bemessung der dort aufgezählten Leistungen, zu denen auch die Weihnachtszuwendung gehört, das Verhältnis zwischen der vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit und der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers maßgeblich. Die Wendung „entsprechend dem Verhältnis“ ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Tarifvertragsparteien sich am sog. Pro-rata-temporis-Grundsatz orientiert haben, der auch in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BAG 25. September 2013 - 10 AZR 4/12 - Rn. 15). Nach diesem Grundsatz ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht (BAG 22. Oktober 2008 - 10 AZR 734/07 - Rn. 17 mwN).
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2. Der tarifliche Regelungszusammenhang bestätigt das Ergebnis der Wortlautauslegung.
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a) Die gleichrangige Benennung der Weihnachtszuwendung nach § 17 TV-N Berlin neben den Leistungen nach § 5 Abs. 4 Unterabs. 1, § 6 Abs. 1, § 12 Abs. 3 Satz 1, § 12 Abs. 4 Satz 1 und § 12 Abs. 5 bis 6 TV-N Berlin in § 7 Abs. 2 TV-N Berlin verlangt, auch bei der Bemessung der Weihnachtszuwendung auf das Verhältnis der vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit zur Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers in dem für diese Leistung maßgeblichen Bezugszeitraum abzustellen. Alle in § 7 Abs. 2 TV-N Berlin aufgeführten Leistungen haben Entgeltcharakter. Dies gilt auch für die Weihnachtszuwendung. Es handelt es sich hierbei nicht um eine Leistung, deren Zweck allein in der Zuwendung von Geld aus Anlass des Weihnachtsfestes läge. Die Zahlung knüpft nicht an das bloße Bestehen des Arbeitsverhältnisses im maßgeblichen Bezugszeitraum von Oktober des Vorjahres bis September des laufenden Jahres an. Sie ist vielmehr davon abhängig, dass in diesem Zeitraum vier volle Kalendermonate Arbeitsleistungen erbracht wurden.
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b) Bei der Berechnung der Höhe der Weihnachtszuwendung ist nach der Tarifsystematik im Gegensatz zu den Leistungen nach § 5 Abs. 4 Unterabs. 1, § 6 Abs. 1, § 12 Abs. 3 Satz 1, § 12 Abs. 4 Satz 1 und § 12 Abs. 5 bis 6 TV-N Berlin keine monatsbezogene, sondern eine jahresbezogene Relation zu bilden. Da § 17 Abs. 1 TV-N Berlin auf einen Bezugszeitraum von Oktober des Vorjahres bis September des laufenden Jahres abstellt, bemisst sich die Höhe der Weihnachtszuwendung nach dem Verhältnis der vereinbarten Teilzeitarbeit zur Vollzeitarbeit in diesem Bezugsjahr.
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3. Diese Auslegung des TV-N Berlin führt zu vernünftigen, sachgerechten und praktisch brauchbaren Ergebnissen. Der Umfang der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit im jeweiligen Bezugszeitraum wirkt sich direkt proportional auf die Höhe der Leistung aus, was dem synallagmatischen Charakter der Weihnachtszuwendung entspricht. Das Pro-rata-temporis-Prinzip ist ohne Weiteres nachvollziehbar und einfach umzusetzen. Es ermöglicht allen Tarifunterworfenen, jederzeit die finanziellen Auswirkungen einer Teilzeitvereinbarung auf den Umfang der ihnen tariflich zustehenden Leistungen zu berechnen und in ihre Planungen einzubeziehen. Diese Berechnung führt zu gerechten Ergebnissen, die nicht ausschließlich von der zufällig zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbarten Teilzeitbeschäftigung abhängen, welche sich - wie im Fall des Klägers - möglicherweise nur über einen unwesentlichen Zeitraum erstreckt. Auch die Gutschrift des Zeitgegenwerts der Weihnachtszuwendung zum Langzeitkonto in § 17 Abs. 2 TV-N Berlin lässt sich mit Hilfe des Pro-rata-temporis-Prinzips ohne Weiteres bewerkstelligen.
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II. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger gegen die Beklagte aus § 17 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 2 TV-N Berlin für das Jahr 2012 einen Anspruch auf Zahlung weiterer Weihnachtszuwendung in Höhe von 346,57 Euro brutto.
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1. Der Kläger hat zu dem nach § 17 Abs. 1 TV-N Berlin maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkt am 17. November 2012 unstreitig alle Anspruchsvoraussetzungen für die Weihnachtszuwendung erfüllt. Er besaß am 31. Oktober 2012 eine Betriebszugehörigkeit von mindestens zwölf Monaten und hat im Zeitraum von Oktober des Vorjahres (2011) bis September des laufenden Jahres (2012) mindestens vier volle Kalendermonate Entgelt nach § 6 TV-N Berlin erhalten.
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2. Da der Kläger im für die Weihnachtszuwendung 2012 maßgeblichen Bezugszeitraum von Oktober 2011 bis September 2012 einen Monat lang teilzeitbeschäftigt war, war eine Kürzung entsprechend dem Verhältnis der im Bezugszeitraum mit dem Kläger vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit (426,5 Stunden) zur regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers (438 Stunden) gerechtfertigt. Dem Kläger stand mithin für das Jahr 2012 eine Weihnachtszuwendung in Höhe von 1.168,49 Euro brutto zu, so dass er von der Beklagten über die bereits gezahlten 821,92 Euro brutto hinaus weitere 346,57 Euro brutto verlangen kann.
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3. Die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 20 Abs. 1 TV-N Berlin hat der Kläger gewahrt, indem er den Differenzbetrag zur vollen tariflichen Weihnachtszuwendung für das Jahr 2012 mit Schreiben vom 22. April 2013 geltend gemacht hat.
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III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
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