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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 12.12.2023 - B 1 KR 53/22 B
BSG 12.12.2023 - B 1 KR 53/22 B
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. April 2022 wird als unzulässig verworfen.
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für das Fertigarzneimittel Constella® (Wirkstoff Linaclotid).
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Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin leidet an einer progredienten Obstipation mit abdominellen Schmerzen, Übelkeit, Völlegefühl und Meteorismus im Rahmen einer slow transit constipation und outlet obstruction bei Stuhlentleerungsstörung. Das verschreibungspflichtige Medikament Constella® ist zur symptomatischen Behandlung des mittelschweren bis schweren Reizdarmsyndroms mit Obstipation bei Erwachsenen zugelassen. Constella® wird grundsätzlich in Packungen zu 10, 28 oder 90 Hartkapseln, in Deutschland jedoch ausschließlich in sogenannten Bündelpackungen, bestehend aus vier Kartons mit je 28 Hartkapseln (= 112 Hartkapseln insgesamt), in den Verkehr gebracht. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Kostenübernahme ab (Bescheid vom 25.4.2019, Widerspruchsbescheid vom 10.12.2019). Constella® sei mit 112 Stück je Packung größer als die größte für Abführmittel festgelegte Stückzahl und dürfe daher von der Apotheke nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet werden.
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Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 14.9.2021), das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 28.4.2022). Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für das Arzneimittel. Die in Deutschland auf dem Markt befindliche Packungsgröße übersteige die größte aufgrund der Packungsgrößenverordnung bezeichnete Packungsgröße. Damit dürfe die Packung von Constella® mit 112 Hartkapseln nicht zu Lasten der GKV abgegeben werden. Unabhängig von der Frage, ob eine Anwendung von § 2 Abs 1a Satz 1 SGB V in Betracht komme, wenn ein Verordnungsausschluss nach § 31 Abs 4 Satz 2 SGB V greife, und unabhängig von dem Umstand, dass Constella® vorliegend im Off-Label-Use angewendet würde, da die Klägerin nach den Angaben der sie behandelnden Ärzte zwar unter Obstipation, nicht jedoch unter einem Reizdarmsyndrom leide, wofür Linaclotid ausschließlich zugelassen sei, lägen hier jedenfalls die Voraussetzungen von § 2 Abs 1a Satz 1 SGB V nicht vor. Die Klägerin leide weder unter einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung noch unter einer wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung. Soweit nach den Angaben ihrer behandelnden Ärzte die Gefahr eines toxischen Megakolon bestehe, handele es sich nicht um eine gegenwärtig und konkret drohende Gefahr, sondern um ein allgemeines mit der Erkrankung verbundenes Risiko eines lebensgefährlichen Verlaufs; dies genügt indes nicht für die Annahme einer notstandsähnlichen Extremsituation. Vor diesem Hintergrund könne offenbleiben, ob die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs 1a SGB V vorliegend erfüllt wären, insbesondere die konservativen Methoden tatsächlich ausgeschöpft worden seien.
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Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil. Sie hat die Beschwerde gegen das ihr am 18.5.2022 zugestellte Urteil des LSG am 17.6.2022 eingelegt. Der Vorsitzende des erkennenden Senats hat die Frist für die Beschwerdebegründung antragsgemäß bis zum 18.8.2022 verlängert (Schreiben vom 19.7.2022, der Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 22.7.2022). Mit einem am 13.9.2022 beim BSG eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren und einen Schriftsatz zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beigefügt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat die Prozessbevollmächtigte im Wesentlichen vorgetragen, das Dokument sei zwar am 18.8.2022 in den Postausgang des besonderen Anwaltspostfachs (beA) gelegt worden, sei aber von dort aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht über beA an das Gericht übermittelt worden. Die hiermit betraute langjährige und erfahrene Mitarbeiterin und Bürovorsteherin der Kanzlei habe aus Gründen, welche heute nicht mehr nachzuvollziehen seien, die Zustellung der Begründungsschrift in der dazugehörigen E-Akte nicht kontrolliert. Diese habe bisher nie eine Frist bzw die Prüfung der elektronischen Zustellung vergessen.
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II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen.
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Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde bereits unzulässig ist, weil sie nicht innerhalb der am 18.8.2022 abgelaufenen Begründungsfrist begründet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 1, § 64 Abs 3 SGG; vgl dazu 1.). Sie ist auch bei unterstellter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe (vgl dazu 2.).
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1. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind jedenfalls derzeit nicht hinreichend dargelegt. Nach der Rspr des BGH fällt es bei Versendung fristwahrender Schriftsätze über das beA in den Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts, das in seiner Kanzlei zuständige Personal dahingehend anzuweisen, Erhalt und Inhalt der Eingangsbestätigung nach § 65a Abs 5 Satz 2 SGG nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren (vgl BGH vom 24.5.2022 - XI ZB 18/21- RdNr 12). Der Ausschluss eines Verschuldens am Fristversäumnis erfordert die Darlegung, dass der Prozessbevollmächtigte in seiner Kanzlei über eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle verfügt (vgl im Einzelnen BGH vom 6.9.2023 - IV ZB 4/23 - juris RdNr 15 ff).
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Den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin lässt sich auf dieser Grundlage nicht entnehmen, dass in der Kanzlei eine konkrete und hinreichend genaue Anweisung bestand, wonach die Frist zur Beschwerdebegründung im Fristenkalender erst nach Überprüfung der erfolgreichen Übermittlung der Beschwerdebegründungsschrift an das Gericht unter Berücksichtigung der Eingangsbestätigung nach § 65a Abs 5 Satz 2 SGG gestrichen werden darf. Auch fehlt es an der Darlegung hinreichender Anweisungen dazu, wie die zuständige Mitarbeiterin die Kontrolle im Einzelfall vorzunehmen hatte.
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2. Die verspätet eingegangene Begründung der Beschwerde entspricht jedenfalls auch nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen.
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a) Wer sich - wie die Klägerin - auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klägerin richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus.
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Die Klägerin formuliert die Rechtsfragen:
"1. Darf aufgrund einfachen Rechts in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG in rechtfertigender Weise derart eingegriffen werden, dass durch den Eingriff neben der körperlichen Unversehrtheit mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das Leben des Grundrechtsträgers beeinträchtigt wird.
2. Kann durch ein Systemversagen die gesetzliche Krankenversicherung ihrem Leistungsauftrag auf Sachleistung trotz genereller Leistungspflicht allein dadurch nicht gerecht werden, weil das begehrte und zugelassene Medikament auf dem deutschen Markt nicht der Packungsgrößenverordnung entspricht?
3. Ab wann ist eine notstandsähnliche Lage gegeben, welche einen Anspruch gemäß § 2 Abs. 1a SGB V rechtfertigt im Hinblick auf die zeitliche Komponente, welche vorliegen muss, damit eine notstandsähnliche Situation angenommen wird?“
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b) Hinsichtlich der ersten von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage hat sie jedenfalls die Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dargelegt. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Sie stellt lediglich darauf ab, dass nach § 31 Abs 4 Satz 1 SGB V Näheres zur therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgröße durch Rechtsverordnung, also einfaches Recht, bestimmt werde. Sie geht aber nicht darauf ein, dass der eigentliche Verordnungsausschluss für Großpackungen selbst durch formelles Gesetz geregelt ist. Denn nach § 31 Abs 4 Satz 2 SGB V ist ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der aufgrund der Verordnung nach § 31 Abs 4 Satz 1 SGB V bestimmte Packungsgröße übersteigt, nicht Gegenstand der Versorgung und darf nicht zu Lasten der GKV abgegeben werden. Die Klägerin legt insoweit nicht hinreichend dar, warum die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage, die sich ausweislich der Begründung allein auf einfaches untergesetzliches Recht bezieht, entscheidungserheblich sein könnte.
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c) Auch hinsichtlich der zweiten von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt es jedenfalls an ausreichenden Darlegungen zur Klärungsfähigkeit. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des LSG war das begehrte Medikament für die bei ihr vorliegende Erkrankung nicht zugelassen (S 10 des Urteilsumbruchs). Insofern hätte die Klägerin mit Blick auf die von ihr behauptete "generelle Leistungspflicht" der Beklagten auch Ausführungen dazu machen müssen, inwiefern die Voraussetzungen für einen sogenannten Off-Label-Use bei ihr vorlagen (vgl dazu zB BSG vom 19.3.2020 - B 1 KR 22/18 R - juris RdNr 13 ff mwN).
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d) Hinsichtlich der dritten von der Klägerin aufgeworfenen Frage ist bereits zweifelhaft, ob es sich um eine hinreichend klar formulierte Rechtsfrage handelt. Eine solche muss regelmäßig mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden können (vgl BSG vom 8.2.2022 - B 1 KR 93/21 B - juris RdNr 8; BSG vom 11.11.2019 - B 1 KR 87/18 B - juris RdNr 6 mwN; BSG vom 27.1.2020 - B 8 SO 67/19 B - juris RdNr 10). Die von der Klägerin gestellte Frage zielt aber auf eine gleichsam lehrbuchartige Abhandlung zur "zeitlichen Komponente" eines Anspruchs nach § 2 Abs 1a SGB V ab. Jedenfalls fehlt es an ausreichenden Darlegungen sowohl zur Klärungsbedürftigkeit als auch zur Klärungsfähigkeit der formulierten Frage. So hat der Senat - worauf auch die Beklagte zutreffend hinweist - etwa bereits entschieden, dass die wertungsmäßige Gleichstellung mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen sich nur auf die Schwere und das Ausmaß der aus der Erkrankung folgenden Beeinträchtigung bezieht und nicht zu einer Reduzierung der Anforderungen an den die individuelle Notlage kennzeichnenden erheblichen Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf führt (BSG vom 19.3.2020 - B 1 KR 22/18 R - juris RdNr 23). Welcher höchstrichterliche Klärungsbedarf unter Einbeziehung dieser - ebenfalls eine "potentiell" lebensbedrohliche Erkrankung betreffenden - Entscheidung der vorliegende Sachverhalt noch bieten sollte, zeigt die Klägerin nicht auf. Um die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage darzulegen, hätte die Klägerin zudem auf die vom LSG ausdrücklich offengelassene Frage eingehen müssen, ob die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs 1a SGB V vorliegend erfüllt wären, insbesondere die konservativen Methoden tatsächlich ausgeschöpft wurden.
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3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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