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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 20.09.2023 - B 11 AL 23/23 B
BSG 20.09.2023 - B 11 AL 23/23 B
Tenor
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Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 14. Juli 2021 aufgehoben.
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Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Im Streit steht die Erteilung eines Bildungsgutscheins für eine berufliche Weiterbildung.
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Die Klägerin bezog seit dem 26.2.2018 Leistungen nach dem SGB II. Einen im Jahr 2020 gestellten Antrag auf Erteilung eines Bildungsgutscheins für eine Umschulung zur Gesundheits- und Pflegeassistenz lehnte die Beklagte ab. Gemäß § 22 Abs 4 Satz 1 Nr 4 SGB III würden Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nicht für erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne des SGB II erbracht (Bescheid vom 18.5.2020; Widerspruchsbescheid vom 18.6.2020).
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Mit Bescheid vom 17.8.2020 bewilligte die Beklagte der Klägerin nochmals Alg für die Zeit vom 12.3.2020 bis zum 13.8.2020. Hierbei handelte es sich um den unverbrauchten Rest eines am 12.3.2016 entstandenen Alg-Anspruchs.
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Das SG hat die Klage als unbegründet abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7.12.2020). Mit ihrer Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte könne sich nicht auf § 22 Abs 4 SGB III berufen. Sie habe den Antrag auf Gewährung einer Weiterbildung gestellt, als noch ein Anspruch auf Alg bestanden habe. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Seit dem 14.8.2020 sei mit Ausschöpfung des Alg-Anspruchs die Leistungszuständigkeit der Beklagten nicht mehr gegeben. Der Ablehnungsbescheid habe sich deshalb erledigt. Für eine Fortsetzungsfeststellungsklage fehle es am besonderen Feststellungsinteresse (Urteil vom 14.7.2021).
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II. 1. Die zulässige Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG vom 14.7.2021 ist begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verfahrensmangel, weil das LSG die Klage zu Unrecht als unzulässig angesehen hat und das Ergehen eines Prozessurteils anstatt des eigentlich angezeigten Sachurteils einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG darstellt (stRspr; s nur BSG vom 15.4.2021 - B 4 AS 66/21 B - juris RdNr 2 mwN; BSG vom 18.8.2022 - B 1 KR 35/22 B - juris RdNr 5 ff mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 1). Bei einem Prozessurteil handelt es sich gegenüber einem Sachurteil um eine qualitativ andere Entscheidung (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 272/07 B - juris RdNr 6; BSG vom 15.4.2021 - B 4 AS 66/21 B - juris RdNr 2).
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Dass das LSG über den Klageanspruch nicht in der Sache entschieden hat, ergibt sich zwar nicht schon aus dem Tenor des angefochtenen Urteils, mit dem das LSG die Berufung "zurückgewiesen" hat. Erweist sich in einem Berufungsverfahren gegen eine erstinstanzliche Klageabweisung das Rechtsmittel als unbegründet, hat das LSG in jedem Fall die Zurückweisung der Berufung zu tenorieren, unabhängig davon, ob es die Klage als unzulässig oder unbegründet erachtet; lediglich bei einer unzulässigen Berufung, ist diese selbst zu verwerfen (vgl § 158 Satz 1 SGG). Dass das LSG die Klage für unzulässig erachtet hat, ergibt sich aber aus den Entscheidungsgründen. Um den Sinn der Urteilsformel zu ermitteln, sind die Entscheidungsgründe mit heranzuziehen (s nur BSG vom 18.8.2022 - B 1 KR 35/22 B - juris RdNr 8 mwN; BSG vom 22.6.2022 - B 1 KR 23/22 B - juris RdNr 9 mwN). Das LSG hat die Zurückweisung der Berufung allein auf die Unzulässigkeit der Klage gestützt. Einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil gemäß § 22 Abs 4 SGB III eine Leistungszuständigkeit der Beklagten nicht mehr gegeben sei. Für eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG iVm § 54 Abs 1 SGG) fehle es an dem erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse.
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Für die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bestand indessen entgegen der Auffassung des LSG ein Rechtsschutzbedürfnis. An einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt es unter anderem, wenn der Rechtsbehelf demjenigen, der ihn erhebt oder einlegt, keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil bringen kann. Das ist nur der Fall, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Betroffenen nicht verbessern würde (dazu Senatsurteil vom 15.2.2023 - B 11 AL 39/21 R - juris RdNr 13 f mwN). Vorliegend ist ein Rechtsschutzbedürfnis schon deshalb nicht zweifelhaft, weil der begehrte Bildungsgutschein selbstverständlich einen rechtlichen Vorteil für die Klägerin bedeuten würde. Andere Gründe, die einem Rechtsschutzbedürfnis entgegenstehen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Ende des Alg-Anspruchs mit Ablauf des 13.8.2020, aus dem das LSG geschlussfolgert hat, der Ablehnungsbescheid der Beklagten habe sich auf andere Weise erledigt (vgl § 39 Abs 2 SGB X). Soweit - worauf sich das LSG beruft - das BSG unter Hinweis auf § 19 Abs 1 SGB V entschieden hat, dass sich ein krankenversicherungsrechtlicher Ablehnungsbescheid infolge des Wechsels der Krankenkasse erledigt, weil hiermit die Mitgliedschaft als Grundlage der Leistungsgewährung endet und die Krankenkasse deshalb nicht mehr zur Leistungserbringung verpflichtet ist (BSG vom 18.5.2011 - B 3 KR 7/10 R - BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 21), lässt sich dies nicht verallgemeinern und schon gar nicht auf die vorliegende Konstellation übertragen. Vorliegend ist kein Wechsel in der formellen Zuständigkeit eines Leistungsträgers eingetreten, sondern es steht die Reichweite eines materiellen Leistungsausschlusses (§ 22 Abs 4 Satz 1 Nr 4 SGB III) in Rede, die aber eine Frage der Begründetheit der Klage ist. Andernfalls wäre es einem Sozialleistungsträger im Übrigen auch kaum möglich, mit Bestandskraft (vgl § 77 SGG) das Fehlen seiner Leistungspflicht gegenüber dem Antragsteller festzustellen.
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2. Der Senat macht von dem ihm durch § 160a Abs 5 SGG eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch, den Beschluss des LSG aufzuheben und den Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen.
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3. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG die bisher nicht erfolgte Beiladung des zuständigen Jobcenters gemäß § 75 Abs 2 Alt 2 SGG zu erwägen haben, das anstelle der Beklagten als leistungspflichtig zumindest in Betracht kommt (vgl § 16 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB II iVm § 81 SGB III). Der Umstand, dass die Leistungsgewährung im pflichtgemäßen Ermessen des Jobcenters steht, steht einer unechten notwendigen Beiladung nach der Rechtsprechung des BSG nicht von vornherein entgegen (vgl für die Verurteilung des unecht notwendig Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG schon BSG vom 24.5.1984 - 7 RAr 15/82 - BSGE 57, 1, 2 f = SozR 2200 § 1237a Nr 25 S 71 f).
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4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.
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