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BSG 06.01.2023 - B 9 V 22/22 B
BSG 06.01.2023 - B 9 V 22/22 B
Tenor
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Mai 2022 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
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I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger - ein ehemaliger Berufssoldat - die Anerkennung der Gesundheitsstörungen "postprandiale Bauchkrämpfe und Diarrhöen" als weitere Wehrdienstbeschädigung (WDB) gemäß § 81 SVG und die Gewährung eines Ausgleichs gemäß § 85 SVG nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 30.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.5.2008 hatte die Beklagte die Gesundheitsstörung "Dünndarm-Dysfunktion durch akzidentelle Vagusirritation, Rezidivhernien-Op." als WDB anerkannt sowie die Anerkennung der weiterhin festgestellten Gesundheitsstörung "Magengleitbruch" als WDB abgelehnt. Der GdS wurde mit unter 25 bemessen und die Zahlung von Ausgleich nach § 85 SVG abgelehnt. Aus Anlass eines Verschlimmerungsantrags prüfte die Beklagte auch die Rücknahme des Bescheids vom 29.5.2008 nach § 44 SGB X, welche sie jedoch ablehnte (Bescheid vom 28.10.2016).
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Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das SG die Beklagte verurteilt, ihren Bescheid vom 29.5.2008 abzuändern und über die bereits festgestellten Gesundheitsstörungen hinaus "postprandiale Bauchkrämpfe und Diarrhöen" als weitere WDB festzustellen und ab dem 1.1.2010 einen Ausgleich nach einem GdS von 40 zu gewähren (Urteil vom 17.11.2020). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG nur insoweit geändert, dass ein Ausgleich nach einem GdS von 30 zu gewähren sei (Urteil vom 12.5.2022).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Beklagte Beschwerde beim BSG eingelegt und mit einer Divergenz zur Rechtsprechung des BSG begründet.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Die Beklagte hat den von ihr ausschließlich geltend gemachten Zulassungsgrund nicht in der danach vorgeschriebenen Weise dargetan.
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Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus der Berufungsentscheidung und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 8 mwN). Zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 20.1.2021 - B 5 R 248/20 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht infrage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge). Denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 4.1.2022 - B 9 V 22/21 B - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 - juris RdNr 13).
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Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Beklagten nicht. Als Rechtssatz des LSG, auf dem das angefochtene Urteil beruhe, benennt die Beklagte die Aussage:
"Wenn eine gesundheitliche Schädigung deshalb anzunehmen ist, weil sich der Gesundheitszustand durch eine Behandlung im Rahmen der truppenärztlichen Versorgung verschlechtert hat und nicht lediglich der angestrebte Heilerfolg ausgeblieben ist, dann kommt es zur Beurteilung, ob für diese Schädigung die wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse mit (hinreichender) Wahrscheinlichkeit ursächlich im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung gewesen sind, nicht darauf an, ob ein ziviler Arzt (mit anderer Behandlungsmethode) wahrscheinlich einen besseren Heilerfolg erzielt hätte."
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Zudem benennt sie als hierzu im Widerspruch stehenden, das Urteil des BSG vom 16.12.2014 (B 9 V 3/13 R - SozR 4-3200 § 81 Nr 6 Leitsatz 3) tragenden Rechtssatz:
"Die Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung im Wege der truppenärztlichen Versorgung als wehrdiensteigentümliche Verhältnisse setzt den Eintritt einer gesundheitlichen Schädigung voraus, die mit Wahrscheinlichkeit durch diese Besonderheiten (insbesondere den Ausschluss der freien Arztwahl) herbeigeführt worden ist. Dieser Kausalzusammenhang ist nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu bejahen, wenn eine nichttruppenärztliche Behandlung die Schädigung wahrscheinlich vermieden hätte."
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In der weiteren Begründung führt sie auch aus, warum ihrer Ansicht nach die Abweichung im Grundsätzlichen besteht und nicht nur eine falsche Entscheidung im Einzelfall vorliegt, um schließlich auch darauf einzugehen, dass das angefochtene Urteil des LSG auf dieser Divergenz beruhe.
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In diesem letzten Teil ihrer Begründung versäumt es die Beklagte jedoch, zwischen der Feststellung des Primärschadens (WDB) und eines Sekundärschadens (WDB-Folge) zu unterscheiden (vgl zu dieser begrifflichen Unterscheidung BSG Urteil vom 30.9.2021 - B 9 V 1/19 R - BSGE 133, 34 = SozR 4-3200 § 81f Nr 1, RdNr 25). Der Begriff der WDB bezeichnet eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist (§ 81 Abs 1 SVG). Hintergrund dessen ist, dass ein schädigender Vorgang in diesen drei Fällen in einem derart engen inneren Zusammenhang zum Wehrdienst steht, dass die Zuerkennung eines Versorgungsanspruchs gerechtfertigt erscheint. Versorgungsrechtlich relevante gesundheitliche Folgen einer solchen WDB sind bleibende Gesundheitsstörungen, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Primärschädigung zurückzuführen sind (§ 81 Abs 6 SVG). Durch diese gesetzlichen Bestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (zB BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 3/13 R - SozR 4-3200 § 81 Nr 6 RdNr 14 mwN) für die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette vorgegeben: Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen bedingt haben muss. Dabei müssen sich die drei Glieder selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht. Soweit das BSG zur Feststellung einer gesundheitlichen Schädigung in diesem Zusammenhang einen Vergleich des tatsächlichen mit einem hypothetischen Gesundheitszustand verlangt, wie er sich im Rahmen alternativer Behandlungsmöglichkeiten bei freier Arztwahl ergeben hätte, bezieht sich dies auf den Primärschaden und die haftungsbegründende Kausalität (vgl BSG Urteil vom 30.9.2021 - B 9 V 1/19 R - BSGE 133, 34 = SozR 4-3200 § 81f Nr 1, RdNr 40, 43; BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 3/13 R - SozR 4-3200 § 81 Nr 6 RdNr 30; BSG Urteil vom 25.3.2004 - B 9 VS 1/02 R - SozR 4-3200 § 81 Nr 1 RdNr 12, 15 = juris RdNr 22, 25), also den Zusammenhang zwischen Wehrdienst und primärer Schädigung.
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Um - wie nach den oben benannten Anforderungen erforderlich - darzutun, dass der bezeichnete Rechtssatz des LSG dessen Urteil trägt, hätte die Beklagte vor diesem Hintergrund zunächst aufzeigen müssen, dass sie durch das angefochtene Urteil zur Feststellung einer WDB im Sinne des Vorliegens einer Primärschädigung und nicht nur zur Feststellung weiterer Schädigungsfolgen (WDB-Folgen) verpflichtet worden ist. Dazu hätte es einer Auslegung des Urteils durch eine Zusammenschau von Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründen bedurft (vgl hierzu BSG Urteil vom 13.7.2017 - B 4 AS 17/16 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 54 RdNr 11; BSG Urteil vom 8.2.2007 - B 9b SO 5/05 R - juris RdNr 14). Hieran fehlt es.
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Zudem hätte die Beklagte der Frage nachgehen müssen, ob eine auch im vorliegenden Rechtstreit zu beachtende Anerkennung einer WDB im Sinne eines Primärschadens nicht bereits durch den Bescheid vom 29.5.2008 erfolgt ist und inwieweit das LSG sein Urteil auch auf diesen Umstand gestützt haben könnte. Hierzu wird in der Beschwerdebegründung zwar ausgeführt, einem Beruhen des Urteils auf dem benannten Rechtssatz stehe nicht entgegen, dass das LSG in seiner Urteilsbegründung darauf hinweise, dass mit der Gesundheitsstörung "Dünndarm-Dysfunktion durch akzidentelle Vagusirritation, Rezidivhernien-Op." bereits eine WDB anerkannt worden sei, denn unabhängig von der bereits erfolgten Anerkennung von Schädigungsfolgen werde durch das LSG geprüft, ob auch die weiteren zur Anerkennung begehrten Gesundheitsstörungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kausal auf das schädigende Ereignis zurückgeführt werden könnten. Insoweit bleibt aber offen, ob es sich hierbei um zwei unabhängige, das Urteil jeweils selbstständig tragende Begründungen handeln könnte. Wird aber ein Urteil auf mehrere Begründungen gestützt, die jede für sich den Urteilsauspruch tragen, muss mit der Beschwerdebegründung für jede dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund formgerecht dargelegt oder bezeichnet werden (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2022 - B 7/14 AS 325/21 B - juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 2.9.2015 - B 11 AL 34/15 B - juris RdNr 18 mwN).
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Dass die Beklagte die Entscheidung des LSG inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 28.10.2020 - B 10 EG 1/20 BH - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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