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BSG 26.09.2022 - B 8 SO 35/22 BH
BSG 26.09.2022 - B 8 SO 35/22 BH - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - Inaussichtstellung einer sitzungspolizeilichen Anordnung zum Tragen einer Mund- und Nasenbedeckung im Gerichtssaal
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, § 176 Abs 1 GVG, § 176 Abs 2 S 1 GVG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Berlin, 10. Februar 2021, Az: S 88 SO 1529/18, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 28. April 2022, Az: L 23 SO 50/21, Urteil
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. April 2022 - L 23 SO 50/21 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S, K, beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Im Streit steht zwischen den Beteiligten die Verurteilung des Beklagten zur Erstattung von Kosten für die Anschaffung von zwei Tonerkartuschen iHv insgesamt 53,58 Euro. Dies hatte der Beklagte abgelehnt (Bescheid vom 30.6.2018). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6.11.2018). Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage, in der der Kläger weitere Feststellungsanträge stellte, abgewiesen sowie die Berufung nicht zugelassen.
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Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil vom 28.4.2022). Die Berufung sei nicht statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro nicht übersteige. Die Berufung sei auch nicht in dem Gerichtsbescheid zugelassen worden.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung einer Rechtsanwältin. Es sei kein Beweis erhoben worden über die Regelbedarfssätze sowie die vom Kläger vorgetragene unzureichende Versorgung, an der er über Jahre hinweg erkrankt sei. Bei ihm liege eine dauerhafte Unterversorgung vor, was durch das LSG weiter hätte ermittelt werden müssen.
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II. PKH kann dem Kläger nicht bewilligt werden. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Klärungsbedürftige Rechtsfragen auf die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht (siehe nur Bundessozialgericht <BSG> vom 22.8.1990 - 10 RKg 29/88 - BSGE 67, 194 = SozR 3-5870 § 27 Nr 1, RdNr 14; BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 12/16 B - juris RdNr 11; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 144 RdNr 14a).
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Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.
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Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Das LSG durfte in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden da er ordnungsgemäß in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (PZU 17.1.2022 Bl 142 ff LSG-Akte). Das LSG konnte auch in der Besetzung der Berichterstatterin als Vorsitzende mit zwei ehrenamtlichen Richtern bzw Richterin entschieden. Gemäß § 153 Abs 5 SGG kann der Senat in den Fällen, in denen erstinstanzlich durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, durch Beschluss dem berufenen Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Dies ist vorliegend durch Beschluss vom 25.5.2021 (Bl 136 LSG-Akte) geschehen. Der Beschluss wurde dem Kläger zur Kenntnis gebracht. Der Kläger wurde zuvor angehört (Bl 131 LSG-Akte). Ein Verfahrensfehler ist nach der bereits zitierten Rechtsprechung auch nicht darin zu sehen, dass die Berufung als unzulässig verworfen wurde, weil abgesehen von dem auf dem Gegenstand des Verwaltungsverfahrens entsprechenden Antrag auf Erstattung der Kosten von Tonerkartuschen die übrigen zehn erst im Klageverfahren gestellten Feststellungsanträge keinerlei Bezug zu diesem Streitgegenstand haben und als rechtsmissbräuchlich gestellte Anträge nicht zur Erhöhung der Berufungssumme führen (BSG vom 22.8.1990 - 10 RKg 29/88 -, BSGE 67, 194 = SozR 3-5870 § 27 Nr 1, RdNr 14; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 144 RdNr 14a).
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Soweit der Kläger sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, ist nicht ersichtlich, welche Tatsachen dem LSG als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen.
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter eine Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz <GG>) geltend machen könnte. Die vorliegend vor der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellte sitzungspolizeiliche Anordnung (§ 176 Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG>), voraussichtlich wegen der andauernden COVID 19-Pandemie im Gerichtssaal eine Mund- und Nasenbedeckung tragen zu müssen, wäre grundsätzlich wegen erkennbar vernünftigen Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt gewesen, weil sie geeignet ist, mögliche Infektionen im Gerichtssaal zu verhindern oder zumindest die Wahrscheinlichkeit hierfür zu senken (vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 28.9.2020 - 1 BvR 1948/20 - MDR 2020, 1523; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl 2021, § 176 RdNr 15a; Metz, Deutsche Richterzeitung 2020, 256); darin liegt auch kein Verstoß gegen das in § 176 Abs 2 Satz 1 GVG normierte Verhüllungsverbot. Letztlich kann dies dahinstehen, da der Kläger trotz eines kurz vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten ärztlichen Attests, in welchem die Unzumutbarkeit des Tragens einer Atmungsschutzmaske attestiert wird, gar nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und dem Vorsitzenden nicht die Möglichkeit gegeben hat, in seinem Einzelfall zu prüfen, ob die sitzungspolizeiliche Anordnung insoweit ohne Ausnahme zu erlassen war. Auf die Möglichkeit eines Befreiungstatbestands wurde der Kläger ordnungsgemäß hingewiesen. Zur mündlichen Verhandlung war der Kläger ordnungsgemäß geladen worden; sein persönliches Erscheinen war nicht angeordnet worden, um Terminsverlegung hat er nicht gebeten. Damit kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder aus Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren nicht bezeichnet werden. Ohnehin stellt sich die Entscheidung des LSG in der Sache als zutreffend dar, sodass auch nicht ersichtlich ist, welcher Vortrag in der Sache dem Kläger zum Erfolg hätte verhelfen können.
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Damit entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
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Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf wurde der Kläger ausdrücklich hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Bieresborn Luik Scholz
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