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BSG 26.11.2020 - B 14 AS 23/20 R
BSG 26.11.2020 - B 14 AS 23/20 R - Arbeitslosengeld II - Mehrbedarf - unabweisbarer laufender besonderer Bedarf - Kosten für die Kryokonservierung von Samenzellen - krankheitsbedingte Gefährdung der Fertilität nach Stammzellentransplantation und Chemotherapien - verfassungskonforme Auslegung - Kosten der Kryokonservierung im Jahr 2017 nicht vom Grundrecht auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums umfasst - keine notwendige Beiladung der Krankenkasse
Normen
§ 21 Abs 6 S 1 SGB 2, § 21 Abs 6 S 2 SGB 2, § 20 Abs 1 SGB 2, § 5 Abs 1 Nr 2a SGB 5, § 27 Abs 1 S 5 SGB 5, § 27a Abs 4 SGB 5, § 75 Abs 2 Alt 1 SGG, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, Art 2 Abs 2 GG, Art 6 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Duisburg, 21. März 2019, Az: S 41 AS 1754/18, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 5. Dezember 2019, Az: L 7 AS 845/19, Urteil
Leitsatz
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Die Kosten für eine Kryokonservierung von Samenzellen sind im Oktober 2017 nicht vom Härtefallmehrbedarf umfasst.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2019 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21. März 2019 zurückgewiesen.
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Kosten sind für alle drei Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Umstritten ist ein Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II im Oktober 2017 wegen der Kosten einer Kryokonservierung von Samenzellen.
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Der 1998 geborene, im Alg II-Bezug stehende Kläger erkrankte im Jahr 2014 an einem Immundefekt. Zu dessen Behandlung war eine Chemotherapie notwendig, durch die die Gefahr eines Fertilitätsverlustes bestand. Daher lagerte der Kläger entsprechend ärztlicher Empfehlung vor Behandlungsbeginn körpereigene Samenzellen bei der Firma C ein. Eine spätere Untersuchung bestätigte seinen Fertilitätsverlust. Die Krankenkasse des Klägers lehnte die Übernahme der Kosten der Kryokonservierung in 2014 ab, weil es sich nicht um eine Leistung nach dem SGB V handele.
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Auch für die Zeit vom Mai 2017 bis April 2018 bewilligte das beklagte Jobcenter dem Kläger Alg II (Bewilligungsbescheid vom 18.4.2017, zuletzt geändert mit Bescheid vom 5.9.2017). Seinen unter Vorlage der am 2.10.2017 fälligen Rechnung der Firma C gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten der Kryokonservierung iHv 297,50 Euro für die Zeit vom 2.10.2017 bis zum 2.10.2018 lehnte der Beklagte ab. Die Kryokonservierung stelle eine Maßnahme zur persönlichen Familienplanung dar und diene nicht der Sicherung des Lebensunterhaltes, zudem sei sie kein unabweisbarer Bedarf gemäß § 21 Abs 6 SGB II (Bescheid vom 12.10.2017, Widerspruchsbescheid vom 18.4.2018).
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Das SG hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 21.3.2019). Nachdem das LSG auf den in 2019 eingeführten § 27a Abs 4 SGB V hingewiesen hatte, hat die Krankenkasse einen erneuten Antrag des Klägers ebenfalls abgelehnt, weil die notwendige Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses noch nicht vorliege. Das LSG hat danach unter Zulassung der Revision den Beklagten in der Sache verpflichtet, dem Kläger weitere 297,50 Euro als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs 6 SGB II für Oktober 2017 zu zahlen (Urteil vom 5.12.2019). Die Kosten der Kryokonservierung seien Bestandteil des menschenwürdigen Existenzminimums und stünden in engem Zusammenhang mit der eigentlichen Krankenbehandlung. Die Nichtübernahme von Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung, die gerade keine Vollversicherung sei, sei der Grund dafür, dass auch Gesundheitspflegeleistungen regelbedarfsrelevant seien. Der Kläger könne entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf verwiesen werden, die Kosten aus der Versicherungspauschale zu bestreiten.
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Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 21 Abs 6 SGB II. Die Kosten der Kryokonservierung seien nicht Teil des Existenzminimums. Da durch die Kryokonservierung die Zeugungsfähigkeit des Klägers nicht wiederhergestellt werden könne, handele es sich nicht um eine Krankenbehandlung, sondern um eine reproduktionsmedizinische Maßnahme.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2019 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21. März 2019 zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Das Urteil des LSG vom 5.12.2019 ist aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 21.3.2019 ist zurückzuweisen. Der Kläger hat gegen das beklagte Jobcenter keinen Anspruch auf Übernahme der im Oktober 2017 fälligen Kosten der Kryokonservierung.
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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den Urteilen des LSG und des SG der Bescheid des Beklagten vom 12.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.4.2018 und das Begehren des Klägers, ihm unter Änderung des letzten maßgeblichen Bescheids vom 5.9.2017 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung der Kosten der Kryokonservierung iHv 297,50 Euro für Oktober 2017 zu bewilligen. Der vom LSG zugesprochene Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB II stellt keinen eigenständigen, vom übrigen Alg II abtrennbaren Streitgegenstand dar (stRspr; BSG vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 14; BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - BSGE 116, 86 ff = SozR 4-4200 § 21 Nr 18, RdNr 12). Soweit der Bescheid vom 12.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.4.2018 die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB II ablehnt, ist er dahingehend auszulegen, dass der Beklagte die rechtlich zulässige Regelung treffen wollte, eine Änderung des letzten maßgeblichen Alg II-Bewilligungsbescheids und die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes abzulehnen (vgl nur BSG vom 4.6.2014, aaO). Der letzte maßgebliche Bewilligungsbescheid über die Höhe des Alg II des Klägers im Oktober 2017 war der Änderungsbescheid vom 5.9.2017, der ihm die höchsten Leistungen für diesen Monat zusprach und zugleich die vorangegangenen Bescheide erledigte (§ 39 Abs 2 SGB X).
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2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Zutreffend verfolgt der Kläger sein Begehren im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4 SGG), weil er nicht nur die Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 12.10.2017 und das um die Kosten der Kryokonservierung höhere Alg II, sondern auch die Änderung des die Höhe des Alg II regelnden Bescheids vom 5.9.2017 begehrt. Gerichtet ist seine Klage auf ein Grundurteil im Höhenstreit (stRspr; vgl nur BSG vom 30.1.2019 - B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214 = SozR 4-4200 § 22 Nr 101, RdNr 12 mwN).
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Die Krankenkasse des Klägers war - unabhängig vom Fälligkeitszeitpunkt der Rechnung am 2.10.2017 - nicht gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG im Rahmen einer echten notwendigen Beiladung an dem Verfahren zu beteiligen. Nach dieser Vorschrift sind Dritte notwendig beizuladen und eine nicht erfolgte Beiladung ist ein von Amts wegen zu beachtender Verfahrensmangel, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (vgl nur BSG vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - BSGE 116, 112 = SozR 4-4200 § 7 Nr 36, RdNr 14 mwN). Dies ist der Fall, wenn die gerichtliche Entscheidung unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Beizuladenden gestaltet, bestätigt oder feststellt, verändert oder aufhebt. Nicht genügend ist, dass die Entscheidung notwendigerweise einheitlich ergehen muss oder die tatsächlichen Verhältnisse eine einheitliche Entscheidung erfordern (vgl nur BSG vom 26.5.2011 - B 14 AS 54/10 R - BSGE 108, 229 = SozR 4-4200 § 44b Nr 3, RdNr 12 mwN).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn von einer stattgebenden oder ablehnenden Entscheidung hinsichtlich der Übernahme der Kosten des Klägers für die Kryokonservierung im hiesigen Verfahren geht keine Bindungswirkung für die Krankenkasse aus. Es steht ihr grundsätzlich frei, die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Kryokonservierung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung abweichend und unabhängig von der Entscheidung des Senats nach dem SGB II zu beurteilen.
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Ob die Krankenkasse, als Stelle gegen die ein Leistungsanspruch neben dem beklagten Jobcenter in Betracht kommt, nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG notwendig beizuladen war, kann dahinstehen. Da die unechte notwendige Beiladung allein der Prozessökonomie dient, stellt sie keinen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar und ist nur auf entsprechende Rüge zu prüfen (vgl nur BSG vom 28.10.2014 - B 14 AS 65/13 R - BSGE 117, 186 = SozR 4-4200 § 7 Nr 39, RdNr 10 mwN). Weder der Beklagte noch der Kläger haben eine solche Rüge erhoben.
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3. Rechtsgrundlagen für das klägerische Begehren sind § 40 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 3 SGB II in der im streitbefangenen Oktober 2017 geltenden Fassung des SGB II, die es durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017 (BGBl I 2541) erhalten hatte, iVm § 48 Abs 1 SGB X, § 330 Abs 3 SGB III sowie §§ 19 ff iVm §§ 7 ff SGB II. Denn in Rechtsstreitigkeiten über abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip; vgl letztens BSG vom 25.4.2018 - B 14 AS 15/17 R - BSGE 125, 301 = SozR 4-4200 § 40 Nr 14, RdNr 10).
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Der Kläger erfüllte die Grundvoraussetzungen, um Alg II zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II), und ein Ausschlusstatbestand nach § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 ff SGB II lag nicht vor, wie sich aus den Feststellungen des LSG ergibt.
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Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Oktober 2017 wegen der ihm entstandenen Kosten der Kryokonservierung, sodass der Bescheid vom 5.9.2017 über die Höhe der Leistungen für diesen Monat nicht zu ändern und der Ablehnungsbescheid vom 12.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.4.2018 nicht aufzuheben ist.
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Die Voraussetzungen des Härtefallmehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB II sind entgegen der Auffassung des LSG hinsichtlich der strittigen Kosten der Kryokonservierung im Oktober 2017 nicht erfüllt. Eine andere Rechtsgrundlage ist nicht ersichtlich (vgl § 170 Abs 1 Satz 2 SGG), insbesondere scheidet eine darlehensweise Übernahme nach § 24 Abs 1 SGB II aus, weil diese Kosten nicht im Regelbedarf enthalten sind (vgl 4.).
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Nach § 21 Abs 6 SGB II wird bei Leistungsberechtigten "ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht."
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Der aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG) in das SGB II eingeführte Anspruch auf einen Härtefallmehrbedarf soll ua Sondersituationen Rechnung tragen, in denen ein seiner Art oder Höhe nach auftretender Bedarf von dem der Regelbedarfsermittlung zugrunde liegenden Verfahren nicht erfasst wird und sich der Regelbedarf als unzureichend erweist (stRspr; BSG vom 28.11.2018 - B 14 AS 48/17 R - BSGE 127, 78 = SozR 4-4200 § 21 Nr 30, RdNr 15 mwN; BSG vom 8.5.2019 - B 14 AS 13/18 R - BSGE 128, 114 = SozR 4-4200 § 21 Nr 31, RdNr 17 mwN).
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Die vom Kläger geltend gemachten Kosten der Kryokonservierung sind zwar nicht im Regelbedarf enthalten gewesen (dazu 4.); sie sind jedoch im Oktober 2017 kein vom Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG) umfasster Bedarf im zuvor genannten Sinne gewesen (dazu 5.), auch wenn die Kryokonservierung von Samenzellen damals nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst war (dazu 4. a).
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4. Die Kosten einer Kryokonservierung sind im streitbefangenen Oktober 2017 nicht im Regelbedarf enthalten gewesen.
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Welche Bedarfe in die Ermittlung der Regelbedarfe nach § 20 SGB II iVm § 28 SGB XII sowie dem am 1.1.2017 in Kraft getretenen Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz vom 22.12.2016 (BGBl I 3159 - RBEG 2017) eingeflossen sind oder ausdrücklich davon ausgenommen wurden, ergibt sich aus der ausführlichen Begründung des Gesetzentwurfs zum RBEG 2017 (BT-Drucks 18/9984) sowie der maßgebenden Einkommens- und Verbraucherstichprobe 2013 (EVS 2013) des Statistischen Bundesamtes, die dem RBEG 2017 zugrunde gelegen hat (BT-Drucks 18/9984, S 23).
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Grundsätzlich nicht als regelbedarfsrelevant berücksichtigt wurden die Kosten für die Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen, weil die entsprechenden Bedarfe in erster Linie durch die Pflichtmitgliedschaft von SGB II-Leistungsempfängern in der gesetzlichen Krankenversicherung, wie bei dem Kläger, gedeckt werden (§ 5 Abs 1 Nr 2a SGB V; BT-Drucks 18/9984, S 41; BSG vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 23; BSG vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R - BSGE 111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 71). Der Gesetzgeber hat daher bei Bestimmung des Regelbedarfs in der einschlägigen Abteilung 6 "Gesundheitspflege" nur einige, bestimmt benannte und nicht von den Leistungen der Krankenkasse umfasste Bedarfe als regelbedarfsrelevant anerkannt (vgl BT-Drucks 18/9984, S 41).
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Die Kosten einer Kryokonservierung waren zwar im Oktober 2017 nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst (dazu a); sie sind aber auch nicht in die Ermittlung des maßgeblichen Regelbedarfs für das Jahr 2017 eingeflossen (dazu b).
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a) Die Kryokonservierung von Samenzellen ist keine durch den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung abgedeckte Krankenbehandlung nach § 27 Abs 1 Satz 1, 5 SGB V.
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Ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs 1 SGB V besteht, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankenbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs 1 Satz 5 SGB V gehören hierzu ebenfalls Leistungen zur (Wieder-)Herstellung der Zeugungsfähigkeit. Die Kryokonservierung der Samenzellen des Klägers war zwar durch eine Krankenbehandlung indiziert, denn durch die Behandlung des Immundefekts des Klägers mit einer keimzellenschädigenden Therapie drohte dessen Fertilitätsverlust. Gleichwohl stellt die Kryokonservierung selbst keine Krankenbehandlung dar, weil durch sie die natürliche Zeugungsfähigkeit des Klägers nicht wiederhergestellt werden kann; sie dient allein der Ermöglichung einer späteren künstlichen Befruchtung (BSG vom 28.9.2010 - B 1 KR 26/09 R - SozR 4-2500 § 27a Nr 12 RdNr 10; anders zur Anerkennung der Kryokonservierung von Eierstockgewebe als Krankenbehandlung, wenn durch spätere Reimplantation die Möglichkeit der Wiederherstellung der Zeugungsfähigkeit besteht: BSG vom 17.2.2010 - B 1 KR 10/09 R - SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 16 ff).
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Eine Zuordnung der Kryokonservierung zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich für Oktober 2017 auch nicht aus § 27a Abs 4 SGB V. Der in dieser Norm nunmehr geschaffene Leistungsanspruch gesetzlich Krankenversicherter auf Kryokonservierung von Samenzellen ist durch Art 1 Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 6.5.2019 (BGBl I 646 - TSVG) in das SGB V eingefügt worden und zum 11.5.2019 in Kraft getreten (Art 17 TSVG). Eine Rückwirkung des Leistungsanspruchs auf Kosten der Kryokonservierung, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes angefallen sind, sieht das Gesetz nicht vor. In der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 27a Abs 4 SGB V ist vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass die gesetzliche Krankenversicherung "künftig" die Kosten für die Maßnahmen der Kryokonservierung nach dem Sachleistungsprinzip übernimmt (BT-Drucks 19/6337, S 87).
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b) Die Kosten einer Kryokonservierung sind nicht in die Ermittlung des maßgeblichen Regelbedarfs für das Jahr 2017 eingeflossen.
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Von den in der Begründung zur Abteilung 6 "Gesundheitspflege" aufgeführten und bei der Ermittlung des Regelbedarfs berücksichtigten relevanten Verbrauchsausgaben "pharmazeutische Erzeugnisse", "andere medizinische Erzeugnisse", "therapeutische Mittel und Geräte" (BT-Drucks 18/9984, S 41) ist die Kryokonservierung nicht unmittelbar umfasst, wie das LSG zutreffend erkannt hat.
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Deren Kosten sind auch nach den Ausfüllhinweisen des Statistischen Bundesamtes zur Führung des Haushaltsbuchs bei der EVS 2013 (Statistisches Bundesamt, Wirtschaftsrechnungen, Fachserie 15 Heft 7, 2017, Anlage: Erhebungsunterlagen der EVS 2013 - Haushaltsbuch) nicht in die Ermittlung des Regelbedarfs eingeflossen. Die Kosten der Kryokonservierung als einer Maßnahme, bei der körpereigene Samenzellen in flüssigem Stickstoff eingelagert und konserviert werden, dürften zwar unter "Dienstleistungen von Laboratorien" in der Rubrik L/20 "Sonstige medizinische Versorgung außerhalb von Krankenhäusern" sowie dem Code 0623 900 berücksichtigt worden sein (vgl Ausfüllhinweise S 44), diese Positionen sind jedoch nicht als regelbedarfsrelevant anerkannt worden (BT-Drucks 18/9984, S 110, 41). Gleiches gilt, wenn die Kryokonservierung als "ärztliche Dienstleistung" in der Rubrik L/15 "Arztleistungen" sowie dem Code 0621 091 berücksichtigt wurde (Ausfüllhinweise S 44, BT-Drucks 18/9984, S 110, 41).
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5. Die Kosten der Kryokonservierung sind im Oktober 2017 kein vom Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG) des Klägers umfasster Bedarf gewesen.
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Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 135). Der Umfang des Anspruchs auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums kann nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Er hängt von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und ist danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Das Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs 1 GG hält den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen, die sich etwa in einer technisierten Informationsgesellschaft anders als früher darstellt. Dem Gesetzgeber kommt bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum zu. Dieser umfasst die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und ist zudem von unterschiedlicher Weite: Er ist enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 138).
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Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasst iVm Art 2 Abs 2 GG die Sicherstellung einer notwendigen medizinischen Versorgung (BSG vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 23). Die Kryokonservierung von Samenzellen stellt indes keine medizinisch notwendige Behandlung dar, weil durch sie die natürliche Zeugungsfähigkeit des Betroffenen nicht wiederhergestellt werden kann, sondern ihm nur die Möglichkeit einer späteren künstlichen Befruchtung mit eigenem Erbgut offengehalten wird (vgl zur künstlichen Befruchtung BVerfG vom 28.2.2007 - 1 BvL 5/03 - BVerfGE 117, 316 = SozR 4-2500 § 27a Nr 11; BVerfG vom 27.2.2009 - 1 BvR 2982/07 - NJW 2009, 1733, RdNr 10). Dass die Kryokonservierung erst aufgrund der Krankenbehandlung des Klägers mit fertilitätsschädigenden Therapien veranlasst wurde, lässt die Maßnahme selbst nicht zu einer medizinisch notwendigen Krankenbehandlung werden (vgl zur medizinisch nicht notwendigen kieferorthopädischen Behandlung: BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - BSGE 115, 77 = SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 26). Wie die zwischenzeitliche Einführung der Kryokonservierung in § 27a Abs 4 SGB V verdeutlicht, handelt es sich bei dieser um ein Verfahren, das einer Krankenbehandlung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nur gleichgestellt wird (vgl BT-Drucks 19/6337, S 87), jedoch im Grunde die Wünsche eines Versicherten für seine individuelle Lebensgestaltung durch Ermöglichung einer künstlichen Befruchtung sichert.
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Aus der staatlichen Pflicht zum Schutz von Ehe und Familie nach Art 6 GG kann eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung und damit auch der ihr vorgelagerten Kryokonservierung zu fördern, nicht abgeleitet werden (BVerfG vom 28.2.2007 - 1 BvL 5/03 - BVerfGE 117, 316 = SozR 4-2500 § 27a Nr 11, RdNr 40; BVerfG vom 27.2.2009 - 1 BvR 2982/07 - NJW 2009, 1733 RdNr 14).
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Eine Zuordnung der Kryokonservierung zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich ebenfalls nicht aus der technischen Weiterentwicklung der Gesellschaft und der Verpflichtung des Gesetzgebers, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht bei Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums abzubilden. Denn die Kryokonservierung dient nicht der Sicherung der physischen Existenz des Menschen und dem Gesetzgeber kommt demgemäß ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Durch die Normierung des zum 11.5.2019 in Kraft getretenen § 27a Abs 4 SGB V hat der Gesetzgeber nunmehr die Wertentscheidung getroffen, im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Maßnahmen der Kryokonservierung zu gewähren. Er ist damit grundsätzlich seiner Pflicht zur zeit- und realitätsgerechten Weiterentwicklung des menschenwürdigen Existenzminimums nachgekommen. Dieser neugeschaffene Anspruch kommt grundsätzlich allen gesetzlich Versicherten - und damit auch SGB II Leistungsempfängern - zugute, selbst wenn er erst zum 11.5.2019 in Kraft getreten ist und dem Kläger für den streitbefangenen Oktober 2017 noch keinen Anspruch einräumt, weil die Vorschrift, wie ausgeführt, sich keine Rückwirkung beimisst.
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Andere Gründe, um Leistungsberechtigten nach dem SGB II bis zum Inkrafttreten des § 27a Abs 4 SGB V übergangsweise Leistungen zu gewähren, auf die gesetzlich Krankenversicherte keinen Anspruch haben, sind nicht zu erkennen. Vielmehr steht einem solchen mittels des SGB II geschaffenen Übergangsanspruch für SGB II-Leistungsberechtigte die gesetzgeberische Wertentscheidung über die Einführung des § 27a Abs 4 SGB V - die den Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Norm einschließt - entgegen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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