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BSG 29.04.2020 - B 4 AS 55/20 B
BSG 29.04.2020 - B 4 AS 55/20 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - keine ausreichende Darlegung der erneuten Klärungsbedürftigkeit - Arbeitslosengeld II - Mietkaution - Zuschuss statt Darlehen - Tilgung des Darlehens durch Aufrechnung - Verfassungsmäßigkeit
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 22 Abs 6 S 1 Halbs 2 Alt 1 SGB 2, § 22 Abs 6 S 3 SGB 2, § 42a Abs 2 S 1 SGB 2, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Bremen, 2. November 2015, Az: S 37 AS 414/14, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 25. September 2019, Az: L 15 AS 14/17, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. September 2019 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Mietkaution als Zuschuss statt als Darlehen zu übernehmen ist und über die Aufrechnung des Mietkautionsdarlehens mit dem Regelbedarf. Das LSG hat den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG bestätigt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
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II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Seine Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgrundes der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des sinngemäß geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
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Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160 RdNr 119).
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Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil den beiden als Fragen formulierten rechtlichen Aussagen des LSG, "ob eine Minderung von gesetzlich vorgesehenen Leistungen des Existenzminimums durch die Aufrechnung mit Raten eines Kautionsdarlehens zulässig ist" und "ob bei einer absehbaren Tilgungsdauer eines Mietkautionsdarlehens gemäß § 22 VI SGB II von 21 Monaten ein atypischer Fall im Sinne dieser Vorschrift anzunehmen ist, welcher die gebundene Regelrechtsfolge der Gewährung der Leistung als Darlehen, statt als Zuschuss, ausschließt", kein entscheidungstragender abstrakter Rechtssatz aus der von ihm zitierten Entscheidung des BVerfG vom 5.11.2019 (1 BvL 7/16) gegenübergestellt wird. Der Kläger bezieht sich vielmehr auf einzelne Passagen aus der Begründung des BVerfG und macht geltend, dass bei den von ihm aufgeworfenen Fragen nunmehr andere rechtliche Maßstäbe als in der vom LSG herangezogenen Entscheidung des BSG vom 28.11.2018 (B 14 AS 31/17 R - SozR 4-4200 § 42a Nr 2, zur Veröffentlichung vorgesehen auch in BSGE) zugrunde zu legen seien.
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Allerdings kann in seinem Vortrag die Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) gesehen werden, von dem der Zulassungsgrund der Divergenz einen Unterfall darstellt (vgl BSG vom 4.4.2019 - B 1 KR 26/18 B - RdNr 9). Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Eine Rechtsfrage, die das BSG - hier bezogen auf die Tilgung von Mietkautionsdarlehen - bereits entschieden hat, ist nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben, es sei denn, die Beantwortung der Frage ist aus besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden; dies muss substantiiert vorgetragen werden (BSG vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21, juris RdNr 12).
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Dass in diesem Sinne die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage zur Tilgung von Mietkautionsdarlehen nach dem Urteil des BSG vom 28.11.2018 (B 14 AS 31/17 R - SozR 4-4200 § 42a Nr 2, zur Veröffentlichung vorgesehen auch in BSGE) durch das Urteil des BVerfG vom 5.11.2019 (1 BvL 7/16) erneut klärungsbedürftig geworden ist, hat der Kläger aber nicht ausreichend dargelegt. Soweit er sich auf Rz 157 der Entscheidung des BVerfG vom 5.11.2019 (1 BvL 7/16) bezieht, enthält diese Passage eine Klarstellung des BVerfG zur Rechtsprechung eines Senats des LSG Nordrhein-Westfalen zu geminderten Leistungen nach dem AsylbLG. Das Berufungsgericht hatte jedoch über die abweichende Konstellation der Rückabwicklung eines bestandskräftig bewilligten Darlehens für eine Mietkaution durch Aufrechnung nach § 42a Abs 2 SGB II in deutlich geringerer Höhe von 10 vH der Regelleistung in Form einer Leistungsmodalität zu entscheiden. Zu einer Vergleichbarkeit beider Konstellationen trägt der Kläger nicht ausreichend vor. Weiter sieht er einen erneuten Klärungsbedarf mit Hinweis auf Rz 160 der Entscheidung des BVerfG. Allerdings bezieht sich das BVerfG hier nicht auf die Entscheidung des 14. Senats vom 28.11.2018 (aaO), sondern auf diejenige vom 9.3.2016 (B 14 AS 20/15 R - BSGE 121, 55 - SozR 4-4200 § 43 Nr 1) zur Aufrechnung mit Erstattungsansprüchen gegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 30 vH des Regelbedarfs. Weshalb sich aus der Differenzierung des BVerfG zwischen einer Minderung nach § 31a Abs 1 SGB II und einer Aufrechnung mit Erstattungsansprüchen ein erneuter grundsätzlicher Klärungsbedarf auch zur Aufrechnung mit Mietkautionsdarlehen ergeben soll, ist vor diesem Hintergrund nicht schlüssig dargetan.
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Weiter entnimmt der Kläger der Entscheidung des BVerfG, dass dieses Gericht eine dauerhafte Minderung ("verstanden als nicht kompensierbarer Verlust des Existenzminimums") nur dann für gerechtfertigt hält, wenn dies durch den verfassungskonformen Leistungsvorbehalt des Nachrangs gerechtfertigt sei. Liege diese tatbestandliche Rechtfertigung vor, wäre im Übrigen zu prüfen, ob die konkrete Minderung im Sinne eines Rechtsverlustes verhältnismäßig sei. Hier bezieht er sich nicht auf bezeichnete Passagen in der Entscheidung des BVerfG, sodass nicht ausreichend konkret dargelegt ist, warum sich aus den Ausführungen des BVerfG zum Nachranggrundsatz bezogen auf Mitwirkungsobliegenheiten zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit und eine Sanktion durch Minderung der Regelleistung um 30 vH ein erneuter Klärungsbedarf zur Minderung des Regelbedarfs um 10 vH insbesondere auch unter Berücksichtigung der vom BSG in seiner Entscheidung vom 28.11.2018 (aaO, RdNr 46) aufgenommenen Korrekturmöglichkeiten ergeben soll.
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Weiter macht der Kläger geltend, bei der Minderung der Regelleistung wegen eines Mietkautionsdarlehens handele es sich um eine solche von regelmäßig nicht bestimmbarer Dauer bis zu einer denkbaren Kompensation durch Rückzahlung der Kaution durch den Zahlungsempfänger. Der allgemein typische Sachverhalt bei Mietverhältnissen sei daher nicht vergleichbar mit der zeitnahen Rückzahlung einer zuvor erhaltenen Überzahlung oder dem Ansparen eines zuvor nach § 24 SGB II erhaltenen Darlehens, welches laufend gezahlte Regelleistungsanteile voraussetze. Mit diesem Vortrag greift der Kläger keinen erneuten Klärungsbedarf im Grundsätzlichen auf, etwa mit Bezug auf eine abweichende instanzgerichtliche Rechtsprechung oder Kritik in der Literatur. Vielmehr kritisiert er im Ergebnis und mit Bezug auf die ständige Rechtsprechung des BGH zur Fälligkeit der Rückzahlung der Mietsicherheit die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts und derjenigen des BSG zur laufenden Tilgung wegen Mietkautionsdarlehen. Dies kann jedoch nicht zu einer Revisionszulassung wegen eines weiterhin bestehenden oder erneuten Klärungsbedarfs führen.
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Die weitere, von dem Kläger formulierte Rechtsfrage zur Tilgungsdauer eines Mietkautionsdarlehens von 21 Monaten als atypische Fallgestaltung war nicht Streitgegenstand der Entscheidung des BSG vom 28.11.2018 (B 14 AS 31/17 R - SozR 4-4200 § 42a Nr 2, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Der Kläger legt insoweit nicht ausreichend dar, weshalb sich aus der bereits vorhandenen, vom BSG in der Entscheidung vom 28.11.2018 (aaO, RdNr 40) auszugsweise zitierten Rechtsprechung des BSG zu atypischen Fallgestaltungen bzw Ermessenserwägungen des Jobcenters ein Klärungsbedarf hinsichtlich grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen ergeben soll, es sich also nicht nur um eine Rechtsanwendung im Einzelfall handelt. Bedeutsam ist insofern auch, dass das LSG aufgrund der von ihm festgestellten und für das BSG bindenden (§ 163 SGG) Sachverhaltselemente (kein zu erwartender längerfristiger Leistungsbezug, kein Fehlen von Eigenmitteln, selbstständige Tätigkeit des Klägers) eine Atypik verneint hat. Der Kläger hätte deshalb auch dazu vortragen müssen, warum dennoch unter Berücksichtigung dieses festgestellten Sachverhalts eine konkrete Klärungsfähigkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage gegeben ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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