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BSG 08.08.2019 - B 3 KR 6/18 R
BSG 08.08.2019 - B 3 KR 6/18 R - Krankenversicherung - Ruhen des Krankengeldanspruchs - Meldung der Arbeitsunfähigkeit - Vertragsarzt - Überlassung von Freiumschlägen durch Krankenkasse
Normen
§ 44 Abs 1 S 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 vom 16.07.2015, § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5 vom 06.04.1998
Vorinstanz
vorgehend SG Aachen, 16. Februar 2017, Az: S 15 KR 10/16, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 1. Februar 2018, Az: L 5 KR 265/17, Urteil
Leitsatz
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Das Ruhen des Krankengeldanspruchs eines Versicherten tritt trotz verspäteter Kenntniserlangung der Krankenkasse von der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit nicht ein, wenn die Krankenkasse einem Vertragsarzt Freiumschläge zur Übersendung der für sie bestimmten Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung überlässt, der Arzt dem Versicherten eine solche Ausfertigung deshalb nicht aushändigt und der Versicherte auf die Ordnungsgemäßheit dieses Vorgehens vertrauen durfte.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg).
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Der im Jahr 1964 geborene, bei der beklagten Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See krankenversicherte Kläger erlitt im April 2015 einen Herzinfarkt, wodurch er in seiner Beschäftigung als Verkäufer arbeitsunfähig wurde. Nach Ende der Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers erhielt der Kläger von der Beklagten vom 5.6. bis 14.6.2015 Krg, anschließend wegen einer Rehabilitationsmaßnahme bis 4.8.2015 Übergangsgeld. Seit 24.4.2015 wurde dem Kläger durchgehend bis 3.8.2015 ärztlich Arbeitsunfähigkeit (AU) bescheinigt.
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Am 4.8.2015 stellte der Hausarzt des Klägers (Knappschaftsarzt M.) bei ihm fortbestehende AU fest und erstellte eine AU-Bescheinigung für die Zeit bis 13.9.2015. Dem Arzt standen zu dieser Zeit von seiner Praxis regelmäßig verwendete Freiumschläge der Beklagten zur Verfügung. Bis zum Jahr 2016 überließ die Beklagte zur Übersendung von Ausfertigungen der AU-Bescheinigungen ihrer Versicherten den Ärzten solche Freiumschläge. Diese Vorgehensweise war dem Kläger bekannt. Das für die Beklagte bestimmte Exemplar der AU-Bescheinigung vom 4.8.2015 erhielt der Kläger nicht ausgehändigt.
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Am 20.8.2015 stellte sich bei der Vorsprache des Klägers in einer Dienststelle der Beklagten heraus, dass ein Zugang der AU-Bescheinigung vom 4.8.2015 bei der Beklagten bis dahin nicht nachgewiesen werden konnte. Die Beklagte entschied daraufhin, dass der Krg-Anspruch des Klägers vom 5.8. bis 19.8.2015 nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V ruhe, weil die AU nicht spätestens innerhalb einer Woche nach der ärztlichen AU-Feststellung vom 4.8.2015 angezeigt worden sei. Die Krg-Gewährung sei selbst dann ausgeschlossen, wenn die sonstigen Leistungsvoraussetzungen vorlägen und den Versicherten kein Verschulden am verspäteten Zugang der AU-Meldung treffe (Bescheid vom 2.9.2015; Widerspruchsbescheid vom 15.12.2015).
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Das dagegen angerufene SG hat die Beklagte antragsgemäß zu Krg-Zahlungen verurteilt, weil die verspätete Meldung der AU der Beklagten zuzurechnen sei. Dies folge aus § 5 Abs 1 Satz 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) und aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Hausarzt Freiumschläge zur Übermittlung von AU-Bescheinigungen zur Verfügung gestellt habe (Urteil vom 16.2.2017).
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Das LSG hat die (zugelassene) Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Der Krg-Anspruch des Klägers habe in der streitigen Zeit nicht nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V geruht. Der Beklagten sei es nach dem Institut der "Nachsichtgewährung" und aus Vertrauensschutzgesichtspunkten verwehrt, sich auf das Ruhen des Krg-Anspruchs zu berufen (Hinweis auf BSGE 52, 254 = SozR 2200 § 216 Nr 5). Der Kläger habe von seinem Horizont aus alles getan, um ab 5.8.2015 wieder Krg zu erlangen. Da ihm das für die Beklagte bestimmte Exemplar der AU-Bescheinigung nicht ausgehändigt worden sei, habe er nicht zusätzlich persönlich für eine Übermittlung der Bescheinigung an die Beklagte sorgen müssen. In der Überlassung der Freiumschläge an den Hausarzt liege eine "Fehlentscheidung" der Beklagten, aufgrund derer sie den Kläger daran gehindert habe, seinen Krg-Anspruch zu wahren. Obwohl der Versicherte grundsätzlich das Risiko der Übermittlung einer AU-Bescheinigung trage, habe die Beklagte hier selbst einen gesonderten Übermittlungsweg eröffnet, mit dem das Risiko eines Versagens in ihre eigene Sphäre überführt worden sei (Urteil vom 1.2.2018).
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V: Da die Meldeobliegenheit nach der Rechtsprechung des BSG strikt auszulegen sei, könne sich ein Versicherter bei einer unterbliebenen oder verzögerten Meldung nicht mit Erfolg auf fehlendes eigenes Verschulden berufen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer "Nachsichtgewährung". Die Regelung bezwecke eine möglichst frühzeitige Kenntniserlangung der Krankenkasse (KK) von der AU. Der Kläger habe weder alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, noch sei er durch eine von ihr (der Beklagten) zu vertretende "Fehlentscheidung" gehindert gewesen, seine AU selbst zu melden. Ihm sei zB eine entsprechende telefonische Meldung zu den üblichen Geschäftszeiten oder das kurze Aufsuchen der Geschäftsstelle zuzumuten gewesen. Die Freiumschläge seien dem Arzt im Übrigen nur im Rahmen des EntgFG zur Verfügung gestellt worden und hätten nicht jeglicher Versendung von AU-Bescheinigungen gedient. Zu keinem Zeitpunkt habe es eine Vereinbarung zwischen ihr (der Beklagten) und den Ärzten gegeben, nach der Ärzte den Versicherten die - grundsätzlich diesen obliegende - Übersendung der AU-Bescheinigungen abnehmen sollten. Das SGB V biete keine Grundlage dafür, das Verhalten der Arztpraxis der KK zuzurechnen. Vielmehr habe der Versicherte der KK die AU unabhängig von den in der Arztpraxis verwendeten Mustern rechtzeitig zu melden.
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Die Beklagte beantragt,
1.
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Februar 2018 und des Sozialgerichts Aachen vom 16. Februar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
2.
hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.
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Das LSG hat die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG revisionsrechtlich beanstandungsfrei zurückgewiesen. Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide zu Recht zur Zahlung von Krg für den streitigen Zeitraum vom 5.8.2015 bis zum 19.8.2015 verurteilt. Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 44 und § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V (hier anzuwenden in der vom 23.7.2015 bis 10.5.2019 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der GKV <Art 1 Nr 13 und Nr 15, Art 20 Abs 1 GKV-VSG vom 16.7.2015, BGBl I 1211>) sind erfüllt (dazu im Folgenden 1.). Die Kenntniserlangung der Beklagten von der auch ab 5.8.2015 fortbestehenden AU des Klägers erst am 20.8.2015 führt nicht zum Ruhen des Krg-Anspruchs nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V (hierzu 2.).
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1. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn - was hier allein einschlägig ist - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Da Krg-Zahlungen grundsätzlich als abschnittsweise Leistungsbewilligung anzusehen sind (vgl zuletzt BSG Urteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R - juris RdNr 12, SozR 4-2500 § 49 Nr 8, auch zur Veröffentlichung in BSGE 126 vorgesehen), ist der Einzelanspruch mangels abweichender Übergangsregelungen jeweils anhand des in diesem Zeitraum aktuell geltenden Rechts zu prüfen. Der insoweit maßgebende Bewilligungsabschnitt begann im Falle des Klägers mit dem 5.8.2015 und ist mithin nach dem ab dem 23.7.2015 geltenden Recht zu prüfen.
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Nach den Feststellungen des LSG war der bei der Beklagten gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V als Beschäftigter mit Anspruch auf Krg pflichtversicherte Kläger gemäß ärztlicher Feststellung seit April 2015 - von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen - arbeitsunfähig krank und bezog nach Ablauf der Entgeltfortzahlung seines Arbeitgebers vom 5.6.2015 an Krg. Aufgrund des anschließenden Übergangsgeldbezugs ruhte der Krg-Anspruch zunächst nach § 49 Abs 1 Nr 3 SGB V vom 15.6. bis 4.8.2015. Der Hausarzt des Klägers stellte dessen AU dann am 4.8.2015 auch für die Zeit vom 5.8. bis 19.8.2015 fest. Der Kläger erfüllte demnach in der streitigen Zeit grundsätzlich die Voraussetzungen von § 44 Abs 1 Nr 1 und § 46 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V.
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2. Entgegen der Ansicht der Beklagten ruhte der Krg-Anspruch vom 5.8.2015 bis 19.8.2015 nach den insoweit maßgebenden rechtlichen Grundsätzen (dazu im Folgenden a) nicht wegen verspäteter Meldung der AU nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V. Denn ausgehend von den vom Senat revisionsrechtlich zu würdigenden, vom LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen, die die Beklagte nicht mit Revisionsrügen angegriffen hat und an die der Senat deshalb gebunden ist (vgl § 163 SGG), liegen besondere Umstände vor, die dazu führen, dass nicht dem Kläger, sondern der Beklagten das Verstreichen der einwöchigen Meldefrist zuzurechnen ist (dazu b). Auf die Frage, ob das Ergebnis (auch) aus dem - vom LSG herangezogenen - Institut der "Nachsichtgewährung" hergeleitet werden kann, oder ob Versicherten in Fällen der vorliegenden Art wegen Versäumung der Meldefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre, kommt es demgegenüber nicht entscheidungserheblich an (dazu c).
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a) Nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krg, "solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt". Dies führt im Ausgangspunkt dazu, dass den Versicherten hinsichtlich der die begehrten Krg-Leistungen auslösenden AU eine grundsätzlich strikt zu handhabende Meldeobliegenheit gegenüber der KK trifft.
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aa) Wie der Senat zuletzt in seinem Urteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R (juris RdNr 17 ff mwN, SozR 4-2500 § 49 Nr 8, auch zur Veröffentlichung in BSGE 126 vorgesehen) unter Anknüpfung an frühere Rechtsprechung ausgeführt hat, ist die AU-Meldung an die KK eine Tatsachenmitteilung, die nicht an die Einhaltung einer bestimmten Form gebunden ist und die den Versicherten als Obliegenheit trifft. Der Versicherte muss seine AU nicht persönlich mitteilen, sondern kann die Mitteilung auch durch einen Vertreter an die KK übermitteln. Es reicht grundsätzlich aus, wenn der KK die ärztliche Feststellung der AU bekanntgegeben wird und die Bekanntgabe dem Versicherten zuzurechnen ist (vgl bereits BSG SozR 2200 § 216 Nr 8 S 23). Die AU muss der KK vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krg angezeigt werden, dh auch dann, wenn die AU seit Beginn ununterbrochen bestanden hat und wegen der Befristung der bisherigen ärztlichen AU-Feststellung über die Weitergewährung von Krg neu zu befinden ist (vgl zB BSGE 85, 271, 275 f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 15; zuletzt BSG Urteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R - juris RdNr 19, aaO).
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bb) Die danach erforderliche AU-Meldung bezweckt, der KK die zeitnahe Nachprüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu ermöglichen. Die Ruhensvorschrift des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V soll die KKn zum einen davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Krg-Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen, um beim Krg Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen können (vgl nur BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 16 mwN; BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 26). Überdies sollen die KKn die Möglichkeit erhalten, die AU zeitnah durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung bzw - hier - durch den Sozialmedizinischen Dienst der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (§ 283 SGB V) überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Die Wochenfrist, innerhalb derer die Meldung der AU gegenüber der KK zu erfolgen hat, ist danach eine Ausschlussfrist (vgl bereits BSGE 52, 254, 257 = SozR 2200 § 216 Nr 5 S 10; zuletzt BSG Urteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R - juris RdNr 18 mwN, SozR 4-2500 § 49 Nr 8, auch zur Veröffentlichung in BSGE 126 vorgesehen). Daran hält der Senat fest, unbeschadet der Frage, ob diese Rechtsprechung mit Blick auf zum 11.5.2019 eingetretene Gesetzesänderungen in § 46 SGB V und § 49 SGB V (vgl Art 1 Nr 22 und 24 des Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung - Terminservice- und Versorgungsgesetz - <TSVG> vom 6.5.2019, BGBl I 646) künftig noch zugrunde zu legen sein wird. Denn jedenfalls kommt bei der vorliegend zu beurteilenden Sachlage noch das bis dahin geltende Recht zur Anwendung, und es greift - wie im Folgenden unter b) auszuführen ist - eine die strikte Anwendung der Meldefrist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V verdrängende und zu einem durchsetzbaren Krg-Anspruch des Klägers führende Ausnahme ein.
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cc) Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist die Meldung der AU eine Obliegenheit des Versicherten, deren Folgen bei unterbliebener oder nicht rechtzeitiger Meldung grundsätzlich von diesem selbst zu tragen sind. Händigt der Vertragsarzt einem beschäftigten Versicherten daher die zur Vorlage bei der KK bestimmte Ausfertigung der AU-Bescheinigung aus, so kann der Versicherte regelmäßig nicht darauf vertrauen, ihm werde damit seine eigene Obliegenheit abgenommen, der KK die AU zur Vermeidung des Ruhens des Krg-Anspruchs zeitgerecht mitzuteilen. Gegenteiliges ist insbesondere nicht aus den Regelungen zur vom Arbeitgeber geschuldeten Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem EntgFG herzuleiten, weil die Voraussetzungen für einen - vorliegend allein streitigen - Krg-Anspruch des Versicherten gegen seine KK allein im SGB V geregelt sind (hier namentlich in § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V), nicht aber in den Bestimmungen des dem Arbeitsrecht zugehörigen EntgFG (vgl BSG Urteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R - Leitsätze und juris RdNr 24 ff, aaO).
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Die AU-Meldung an die KK ist entsprechend § 130 Abs 1 und 3 BGB erst dann erfolgt, wenn sie der KK zugegangen ist (so bereits BSGE 29, 271, 272 = SozR Nr 8 zu § 216 RVO). Bei verspäteter Meldung ist die Gewährung von Krg daher selbst dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind (stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R - juris RdNr 19 mwN, aaO). Das BSG hat wiederholt betont, dass das Ruhen des Krg-Anspruchs auch dann greift, wenn den Versicherten kein Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft. Auch eine vom Versicherten rechtzeitig zur Post gegebene, aber auf dem Postweg verloren gegangene AU-Bescheinigung kann den Eintritt der Ruhenswirkung daher selbst dann nicht verhindern, wenn die Meldung unverzüglich nachgeholt wird (vgl BSG, ebenda, juris RdNr 19 f mwN).
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b) In dem im Falle des Klägers für den Senat maßgebenden Sachverhalt liegen allerdings besondere Umstände vor, die es ausnahmsweise gebieten, ihm das Verstreichen der einwöchigen Meldefrist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V nicht anzulasten.
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aa) Trotz des unter a) aufgezeigten rechtlichen Ausgangspunkts bestehen schon nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung - ohne dabei zwischen Fehlern bei der Anwendung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V und des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V zu differenzieren - durchsetzbare Krg-Ansprüche des Versicherten gleichwohl in Sonderfällen dann, wenn die ärztliche Feststellung oder die rechtzeitige Meldung der AU durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der KKn zuzurechnen sind und nicht demjenigen des Versicherten (vgl nur: BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 23 <Fristversäumung wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten>; BSGE 52, 254, 258 ff und LS 2 = SozR 2200 § 216 Nr 5 <verspäteter Zugang der AU-Meldung infolge von seitens der KK selbst zu vertretender Organisationsmängel>; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 23; BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 24 mwN <irrtümliche Verneinung der AU aufgrund medizinischer Fehlbeurteilung>; BSGE 85, 271, 277 f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 <Verneinung der AU aufgrund eines herangezogenen fehlerhaften Maßstabs für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit>).
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Der erkennende 3. Senat des BSG hat diese Rechtsprechung in seinem Urteil vom 11.5.2017 fortentwickelt und entschieden, dass unter engen Voraussetzungen nicht nur medizinische, sondern auch nichtmedizinische Fehleinschätzungen von Ärzten einen Ausnahmefall begründen können (BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 25 ff): Hat ein Versicherter demnach entsprechend den gesetzlichen Vorgaben innerhalb des zeitlichen Rahmens einer zuvor attestierten AU einen Vertragsarzt zu dem Zweck aufgesucht, für die Weitergewährung von Krg eine ärztliche AU-Folgebescheinigung zu erlangen und hat dazu ein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden, unterbleibt aber gleichwohl die begehrte Erteilung einer solchen Bescheinigung, kann es nicht entscheidend darauf ankommen, aus welchen Gründen der Vertragsarzt dem Versicherten die erbetene Bescheinigung zu Unrecht nicht erteilt hat (BSG aaO RdNr 26).
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Für die Anerkennung einer solchen Ausnahme ist wesentlich, dass der Versicherte die ihm vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten AU Sorge zu tragen, im Kern erfüllt hat: Er hat dazu den Arzt aufzusuchen und diesem seine Beschwerden vorzutragen. Unterbleibt die ärztliche AU-Feststellung dann gleichwohl aus Gründen, die dem Verantwortungsbereich des Vertrags- bzw Knappschaftsarztes zuzuordnen sind, darf sich das nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken, wenn dieser seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der KK zu vertretende bzw dieser zuzurechnende Fehlentscheidung gehindert wurde (vgl BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 23 mwN). Die Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten an der Feststellung der AU ist nämlich auf das ihm jeweils Zumutbare beschränkt (vgl § 65 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB I). Deshalb reicht auch im Falle einer aus nichtmedizinischen Gründen zu Unrecht nicht erteilten AU-Bescheinigung eine nachgeholte ärztliche Feststellung zur Wahrung des Krg-Anspruchs aus, wenn ein Versicherter entsprechend den gesetzlichen Vorgaben innerhalb des zeitlichen Rahmens einer zuvor attestierten AU einen Vertragsarzt aufgesucht und ein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden hat, um die für die Weitergewährung von Krg erforderliche AU-Folgebescheinigung zu erlangen, und wenn die damit verbundene begehrte Erteilung einer solchen Bescheinigung aber dennoch unterblieben ist (BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 26, 34).
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bb) Der Senat entwickelt die zu den beschriebenen Ausnahmen ergangene Rechtsprechung fort. Die Erwägungen, die zu dem Fall herangezogen wurden, dass es im beschriebenen Sinne trotz eines rechtzeitigen Arzt-Patienten-Kontakts nicht zu einer ärztlichen Feststellung der AU kam, müssen nämlich erst recht gelten, wenn die AU - wie im Falle des Klägers - durch den Arzt sogar positiv festgestellt wurde, aber aufgrund von besonderen Umständen lediglich keine Aushändigung bzw Überlassung der für die KK bestimmten AU-Bescheinigung an den Versicherten erfolgte. Solche Umstände sind hier anzunehmen, weil Arzt und Versicherter übereinstimmend davon ausgingen und berechtigterweise davon ausgehen durften, dass der Arzt bzw seine Praxis die fristgerechte Übersendung der AU-Bescheinigung an die KK übernahm. Der Fall einer vom Arzt sogar erstellten, dem Versicherten aber nicht zur Weiterleitung an die KK ausgehändigten AU-Bescheinigung steht damit in seinen Rechtswirkungen einer zu Unrecht gar nicht erst bzw nicht zeitgerecht erstellten AU-Bescheinigung gleich (ähnlich bereits BSG 1. Senat> SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 17).
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Für die beschriebene Gleichstellung spricht, dass dem Versicherten in beiden Fällen der übliche Weg, die Mitteilung des (Fort-)Bestehens der AU mittels Übersendung bzw Übergabe der AU-Bescheinigung an die KK, faktisch abgeschnitten wird, und zwar mitinitiiert durch die KK selbst: Das ist gleichermaßen der Fall, wenn eine ärztliche AU-Feststellung trotz erfolgten Arzt-Patienten-Kontakts (zu Unrecht) überhaupt unterbleibt, und auch dann, wenn die für die KK bestimmte Ausfertigung der Bescheinigung über die (positiv festgestellte) AU dem Versicherten nicht ausgehändigt wird und auch nicht auf andere Weise in seine Verfügungsgewalt gelangt. Ein Versicherter darf durch den Kontakt mit einem Vertrags-/Knappschaftsarzt in diesem Zusammenhang in der Regel den Eindruck gewinnen, dass er (der Versicherte) zur Wahrung seines Krg-Anspruchs bis auf Weiteres nichts zusätzlich unternehmen muss. Das drängt sich gerade dann auf, wenn - wie hier das LSG positiv festgestellt hat - dem klagenden Versicherten bekannt war, dass dem Arzt Freiumschläge der Beklagten zur Verfügung standen, die speziell für die Übersendung von für die Beklagte bestimmten Ausfertigungen der AU-Bescheinigungen vorgesehen waren und von der Arztpraxis auch regelmäßig beanstandungsfrei verwendet wurden. Die Handlungsmöglichkeiten eines Versicherten sind vor diesem Hintergrund bei unterlassener Übergabe der AU-Bescheinigung (wie im Fall des Klägers) verglichen mit einer vom Arzt gänzlich abgelehnten Feststellung der AU letztlich sogar noch stärker eingeschränkt; denn der Versicherte darf dann berechtigterweise den Eindruck gewinnen, er selbst habe bereits alles seinerseits Notwendige zur Aufrechterhaltung des Krg-Anspruchs getan. Anlass für einen solchen Versicherten, sich dennoch nochmals bei einer Geschäftsstelle der KK rückzuversichern, ob die AU-Bescheinigung dort auch tatsächlich rechtzeitig einging (durch telefonische Nachfrage zu den üblichen Geschäftszeiten oder Aufsuchen der Geschäftsstelle, wie die Beklagte meint), bestand nicht. Gegen die Gleichbehandlung beider Fälle spricht deshalb auch nicht entscheidend der Umstand, dass Versicherte die AU-Meldung an ihre KK auch formlos vornehmen können und daher nicht zwingend auf die Aushändigung der AU-Bescheinigung durch den Arzt angewiesen sind.
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cc) Die von der Beklagten gegen diese Sichtweise vorgebrachten Einwände sowie dagegen sprechende andere rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte greifen nicht durch.
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(1) Zwar entspricht es dem gesetzlichen Regelfall, dass die nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V für einen durchsetzbaren Krg-Anspruch erforderliche AU-Meldung bei der KK in der Weise erfolgt, dass ein Vertragsarzt dem Versicherten die für die KK bestimmte Ausfertigung der AU-Bescheinigung aushändigt und der Versicherte diese Bescheinigung dann der KK zuleitet (vgl erneut Senatsurteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R - SozR 4-2500 § 49 Nr 8, auch zur Veröffentlichung in BSGE 126 vorgesehen). Wird dem Versicherten die AU-Bescheinigung ausgehändigt, ist er nämlich regelmäßig selbst dazu in der Lage, das Risiko der Postlaufzeit einzuschätzen und stattdessen ggf andere Kommunikationswege zu nutzen. Dies rechtfertigt die grundsätzliche Zuordnung des Übermittlungsrisikos zur Sphäre des Versicherten, wenn die von ihm übersandte AU-Bescheinigung auf dem Postweg verloren geht oder verspätet zugeht (vgl hierzu erneut bereits BSGE 29, 271 = SozR Nr 8 zu § 216 RVO). Etwas anderes muss aber gelten, wenn der Versicherte - wie hier der Kläger - gar nicht erst dazu veranlasst wird, Erwägungen zur Art und Weise einer eigenen Übermittlung und den damit verbundenen Risiken anzustellen.
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(2) Der Einwand der Beklagten, das SGB V biete keine Grundlage dafür, das Verhalten der Arztpraxis der KK zuzurechnen, führt zu keinem anderen Ergebnis.
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Zwar trifft es zu, dass es für eine Leistungspflicht der Beklagten der Existenz von Normen oder Grundsätzen bedarf, die eine Zurechnung des Verhaltens der Arztpraxis auf die KK ermöglichen (vgl dazu BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 29 ff in Bezug auf die Mitverantwortung der KKn für missverständlich bzw unzureichend abgefasste Bestimmungen in den AU-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses). Eine hinreichende Grundlage für die Zuweisung des Übermittlungsrisikos an die Beklagte ist vorliegend jedoch anzunehmen.
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Denn die Beklagte schuf durch die Überlassung von Freiumschlägen an Ärzte zur Übersendung von AU-Bescheinigungen an sie (die Beklagte) bei den betroffenen Ärzten und Versicherten in wesentlicher Hinsicht eine besondere Vertrauensgrundlage. Auch wenn die Beklagte mit diesem Verhalten nicht erkennbar gegen ihr obliegende Pflichten verstieß, ist es gerechtfertigt, ihr die in diesem Zusammenhang auftretenden Fehler und Fehlleitungen als eigene zuzurechnen.
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Zwar können Ärzte angesichts der Besonderheiten des Rechts der vertragsärztlichen Versorgung schwerlich als Erfüllungsgehilfen der KKn im zivilrechtlichen Sinne qualifiziert werden. Es ist allerdings gerechtfertigt, hier als Zurechnungsgrundlage Rechtsgedanken heranzuziehen, die in ähnlicher Weise für die einen Geschäftsherrn treffende Verantwortlichkeit für die Vornahme von Rechtshandlungen Dritter nach den Grundsätzen über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht anerkannt sind: Danach hat derjenige gegenüber seinem Vertragspartner für das Handeln eines Dritten einzustehen, der es wissentlich initiiert bzw geschehen lässt, dass der Vertragspartner den Eindruck gewinnt, der Dritte trete berechtigterweise für ihn (den Geschäftsherrn) auf. Dem vergleichbar hat es hier die beklagte KK als Leistungsträger initiiert, dass der klagende Versicherte als Leistungsberechtigter und "Gegenüber" des Arztes den berechtigten Eindruck gewinnen musste, der Hausarzt trete berechtigterweise für die beklagte KK als Übermittler der AU-Bescheinigung auf. Nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht ist der Vertragspartner schutzbedürftig, wenn er das Handeln des Dritten dahin versteht und nach Treu und Glauben verstehen darf, dass dieser zu seinem Handeln berechtigt ist. Darüber hinausgehend ist - nach den Rechtsgedanken zur Anscheinsvollmacht - der Vertragspartner sogar dann schutzbedürftig, wenn der Vertretene das Handeln eines "Scheinvertreters" zwar nicht einmal kennt, es bei pflichtgemäßer Sorgfalt aber hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Vertragspartner nach den Umständen annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln des (Schein-)Vertreters (vgl allgemein zur Duldungs- und Anscheinsvollmacht - exemplarisch - Ellenberger in Palandt, BGB, 78. Aufl 2019, § 172 RdNr 8, 11; Mansel in Jauernig, BGB, 17. Aufl 2018, § 167 RdNr 8, 9 - jeweils mit umfangreichen Nachweisen aus der Rspr des BGH).
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Hier zeigt sich die Parallelität der Vertrauensgrundlage: Der Versicherte ist - wie der Vertragspartner bei einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht - jedenfalls dann schutzwürdig, wenn er das Handeln des Arztes dahin verstehen durfte, dass dieser mindestens kraft Duldung und Billigung berechtigt ist, für die beklagte KK in der erfolgten Weise zu handeln. In diesem Sinne verstanden handelt es sich in der vorliegenden Konstellation auch um einen Fall, in dem die KK bei verspätetem Zugang der AU-Meldung bei ihr jedenfalls aufgrund von Organisationsmängeln für Fehler bzw eine nicht in ihrem Sinne geübte, aber in der Vergangenheit zumindest hingenommene und nicht konkret beanstandete Praxis bei den Ärzten auch selbst einzustehen hat (vgl zum Ausgangspunkt bereits BSGE 52, 254, 258 ff und LS 2 = SozR 2200 § 216 Nr 5). Durch das von der KK hingenommene Verhalten von Arztpraxen, die für die KK bestimmte Ausfertigung der AU-Bescheinigung nicht an die Versicherten zu überreichen, sondern die für die KK bestimmte Ausfertigung der Bescheinigung selbst an die KK abzusenden, wurde Ärzten wie Versicherten der Eindruck vermittelt, der Versicherte selbst müsse insoweit nichts weiter zur Wahrung seines Krg-Anspruchs unternehmen. Ermöglicht eine KK aber auf diese Weise durch die Überlassung von Freiumschlägen an einen Vertragsarzt dem Versicherten erst gar nicht, die maßgebende Ausfertigung der AU-Bescheinigung an die KK zu übersenden, trägt sie insoweit auch selbst das Übermittlungsrisiko. Denn sie hat mit dieser Vorgehensweise immerhin die wesentliche Ursache dafür gesetzt, dass die betroffenen Ärzte die Übersendung der AU-Bescheinigung für die von ihnen behandelten Versicherten übernehmen und diese Versicherten auch entsprechend informieren.
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(3) Die Beklagte kann im Revisionsverfahren demgegenüber nicht mit ihrem Vorbringen gehört werden, die Freiumschläge seien Ärzten nur im Rahmen des EntgFG zur Verfügung gestellt worden, hätten aber nicht der Versendung "jeglicher" AU-Bescheinigungen gedient. Zum einen handelt es sich insoweit um revisionsrechtlich unzulässigen neuen Tatsachenvortrag der Beklagten (vgl § 162 SGG), zum anderen sind im Revisionsverfahren auch dann naheliegende Verfahrensmängel des LSG - insbesondere entscheidungserhebliche Verletzungen der Amtsermittlungspflicht oder des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch das LSG - nicht geltend gemacht worden (vgl aber § 163 SGG). Abgesehen davon finden sich auch in anderem Zusammenhang (vgl das Urteil in der Parallelsache B 3 KR 18/18 R vom 8.8.2019) deutliche Hinweise auf eine ähnlich wie bei der Beklagten auch in anderen Bundesländern bzw Bezirken der Kassenärztlichen Vereinigungen im Verhältnis zu anderen KKn jahrelang geübte und weitverbreitete Praxis zur Weiterleitung von AU-Bescheinigungen durch Ärzte an die KKn. Auch in Publikationen (Zeitschrift "KV Praxis" <Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz>, Dezember 2018, "Die AU-Sammelstelle wird abgeschafft - Künftig müssen nun alle gesetzlich Versicherte in Rheinland-Pfalz die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei ihrer Kasse selbst einreichen">; s auch ähnlich im Internet zB www.ikk-suedwest.de/2016/06/neues-verfahren-bei-krankschreibungen-in-rheinland-pfalz/, sowie www.aerzteblatt.de/nachrichten/69308/AU-Bescheinigungen/Einige-Kassen-kuendigen-Teilnahme-an-Sammelstelle-der-KV-RLP, jeweils recherchiert am 1.2.2019) wird von einer jahrelang entsprechend geübten Verfahrensweise berichtet, die teilweise ab 1.1.2016 und generell (erst) ab 1.1.2019 geändert wurde.
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Der Vortrag der Beklagten im Revisionsverfahren, dass es zu keinem Zeitpunkt eine "Vereinbarung" zwischen ihr und Ärzten gegeben habe, nach der Ärzte den Versicherten die Übersendung der AU-Bescheinigungen abnehmen sollten, ist ausgehend von den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG und nach den obigen Ausführungen zum Eingreifen der Erwägungen über eine Duldungs- und Anscheinsbevollmächtigung rechtlich ohne Belang.
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Im Falle des Klägers sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Ausnahmefalles im og Sinne erfüllt. Er begab sich bezogen auf den streitigen Zeitraum rechtzeitig am 4.8.2015 in die Praxis seines Hausarztes, wo dann auch seine AU für die Zeit bis 13.9.2015 festgestellt wurde. Da ihm die für die KK bestimmte AU-Bescheinigung nicht ausgehändigt wurde und er zudem die Information erhalten hatte, dass die Arztpraxis die Übermittlung der AU-Bescheinigung an die KK übernehmen werde, hatte er zu diesem Zeitpunkt alles ihm Zumutbare getan, um seinen Krg-Anspruch zu wahren. Dass die Beklagte angesichts der gegebenen Sachlage erst am 20.8.2015 von der weiteren ärztlich festgestellten AU erfuhr, kann dem Kläger dann nicht zum Nachteil gereichen.
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c) Für das gewonnene aufgezeigte Ergebnis kommt es nicht darauf an, ob - wie das LSG angenommen hat - zu Gunsten des Klägers auch die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten und (auch) die unter dem "Institut der Nachsichtgewährung" zusammengefassten Ausnahmefälle zur Anwendung kommen. Diese Rechtsfigur, die maßgebend auf dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) fußt, hat das BSG vor Inkrafttreten des § 27 SGB X zum 1.1.1981 für Konstellationen unverschuldeter Fristversäumnisse herangezogen, um das damalige Fehlen einer gesetzlichen Wiedereinsetzungsregelung zu kompensieren (vgl nur BSG Urteil vom 28.10.1981 - 12 RK 67/79 - SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 49). Die Rechtsfigur hat aber durch Einführung des § 27 SGB X ihre eigenständige Bedeutung weitestgehend verloren. Insbesondere im Zusammenhang mit Ausnahmefällen bei der Versäumung von AU-Feststellungen und -Meldungen ist sie vom BSG seit seinem Urteil vom 28.10.1981 (3 RK 59/80 - BSGE 52, 254 = SozR 2200 § 216 Nr 5) - soweit ersichtlich - nicht mehr entscheidungstragend herangezogen worden. Wesentliche Unterschiede bestehen mithin nur hinsichtlich der konstruktiven Herleitung der Zurechnung der Fristversäumung zur KK, nicht dagegen hinsichtlich der Voraussetzungen dafür und hinsichtlich der Rechtsfolge. Das LSG hat dementsprechend den Krg-Anspruch des Klägers unbeschadet der von ihm verwendeten Konstruktion zu Recht bejaht.
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Der Senat kann ebenso offenlassen, ob dem Kläger wegen Versäumung der Frist des § 49 Abs 1 Nr 5 Halbsatz 2 SGB V Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Abs 1 SGB X zu gewähren gewesen wäre, da dem Kläger bereits aufgrund eines anzuerkennenden Ausnahmefalls das begehrte Krg zuzusprechen war.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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