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BSG 04.07.2018 - B 11 AL 22/18 B
BSG 04.07.2018 - B 11 AL 22/18 B - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Überraschungsentscheidung
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 62 SGG, § 106 Abs 1 SGG, Art 103 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Trier, 4. Juli 2013, Az: S 1 AL 7/13, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 22. Februar 2018, Az: L 1 AL 88/13, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2018 wird als unzulässig verworfen.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
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Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist bei der Rüge einer Gehörsverletzung die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36), denn eine Gehörsverletzung stellt gemäß § 202 SGG iVm § 547 ZPO keinen absoluten Revisionsgrund dar.
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Die Beschwerdebegründung des Klägers, der sich in der Sache gegen die Aufhebung der Bewilligung von Alg wegen Einkünften aus einer selbstständigen Tätigkeit sowie die damit verbundene Pflicht zur Erstattung von Leistungen wendet, wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Er rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, die Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots auf ein faires Verfahren und eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht; nach dem Inhalt einer früheren Ladungsverfügung und eines Schreibens des Berichterstatters habe er darauf vertrauen dürfen, dass das LSG die Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme für notwendig gehalten habe und sein Urteil nicht - wie geschehen - ohne vorherigen Hinweis auf vorliegende Steuerbescheide stützen würde.
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Gemäß § 62 Halbsatz 1 SGG, der dem schon in Art 103 Abs 1 GG verankerten prozessualen Grundrecht entspricht (vgl Neumann in Hennig, SGG, § 62 RdNr 6 ff, Stand Juni 2015), ist den Beteiligten vor jeder Entscheidung des Gerichts rechtliches Gehör zu gewähren. Die richterliche Hinweispflicht (§ 106 Abs 1 SGG) konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Hauck in Hennig, SGG, § 106 RdNr 10, Stand September 2010) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (vgl BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 47/15 R - BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 34). Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt allerdings nur vor, wenn das Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl nur BSG vom 22.4.2015 - B 3 P 8/13 R - BSGE 118, 239 = SozR 4-3300 § 23 Nr 7, RdNr 37; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 62 RdNr 8b). Der Verfahrensmangel einer Überraschungsentscheidung ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt (BSG vom 7.6.2016 - B 13 R 40/16 B - RdNr 9).
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Eine solche unerwartete Verfahrenswendung ist hier nicht nachvollziehbar dargelegt. Der Kläger hätte insbesondere aufzeigen müssen, warum für ihn das Absehen von einer weiteren förmlichen Beweisaufnahme durch das LSG nicht bereits dadurch erkennbar gewesen ist, dass zum abschließenden Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.2.2018 keine Zeugen mehr geladen wurden und dementsprechend der Termin - von dem teilnehmenden Kläger und seinem Bevollmächtigen im Übrigen unbeanstandet - ohne weitere Beweisaufnahme durchgeführt wurde. Zudem trägt er vor, dass die Steuerbescheide, auf die das LSG seine Entscheidung ua gestützt hat, schon frühzeitig im Verfahren vorgelegt wurden, sodass auch nicht deutlich wird, warum deren Berücksichtigung für einen gewissenhaften Prozessbeteiligten eine unerwartete Wendung in dem Rechtsstreit darstellen soll, mit der dieser ohne besonderen Hinweis unter keinen Umständen zu rechnen brauchte. Die Steuerbescheide sind zudem bereits wesentliche Grundlage der Entscheidung des SG gewesen.
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Soweit der Kläger die Verletzung einer besonderen Hinweispflicht des LSG geltend macht, fehlt es daneben an einer Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass Hinweispflichten tatsächliche und rechtliche Würdigungen voraussetzen, die sich regelmäßig erst aufgrund einer abschließenden Beratung des Gerichts ergeben können (vgl BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 47/15 R - BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 35 mwN), sodass aufklärende Hinweise zu allen Detailfragen nicht zu verlangen sind.
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Die Beschwerde zeigt darüber hinaus nicht in der gebotenen Weise auf, warum das LSG auch im Falle weiteren Vorbringens des Klägers zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Insofern fehlt es vor dem Hintergrund, dass der Kläger im streitbefangenen Leistungszeitraum tatsächlich selbstständig tätig war und Einkommen erzielt hat, bereits an einer ausreichenden Darstellung der Sach- und Rechtslage, die dem Senat eine Beurteilung ermöglichen würde, ob und in welchem Umfang die Aufhebung der Leistungsbewilligung auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens rechtmäßig gewesen sein könnte.
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Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG hat der Kläger ebenfalls nicht formgerecht dargelegt. Hierzu ist aufzuzeigen, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Allgemeine Ausführungen dazu, warum die Entscheidung des LSG im konkreten Fall von Rechtsprechung des BSG abweiche, ohne einzelne Rechtssätze aus den Entscheidungen herauszuarbeiten, reichen nicht aus.
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Schließlich hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht formgerecht dargelegt. Wird eine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend gemacht, muss eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) aufgezeigt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Der Kläger macht geltend, die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich aus den dargelegten Rechtsfehlern. Damit fehlt es schon an der Formulierung einer vom Revisionsgericht beantwortbaren Rechtsfrage.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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