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BSG 10.10.2016 - B 13 R 172/16 B
BSG 10.10.2016 - B 13 R 172/16 B - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - eigenmächtige Übertragung eines Gutachtensauftrags auf andere Personen - Gutachtenerstellung in Gemeinschaftsarbeit
Normen
§ 103 SGG, § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 397 ZPO, § 402 ZPO, § 407a Abs 2 S 1 ZPO, § 407a Abs 2 S 2 ZPO, § 411 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Konstanz, 18. Januar 2012, Az: S 7 R 2714/10, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 12. Mai 2016, Az: L 7 R 318/12, Urteil
nachgehend BSG, 2. Dezember 2016, Az: B 13 R 343/16 B, Beschluss
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Mai 2016 Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihm Rechtsanwalt S. aus P. beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Das LSG Baden-Württemberg hat im Urteil vom 12.5.2016 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, verneint. Nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen sei der Kläger trotz seiner Gesundheitsstörungen auf orthopädischem, internistischem und psychiatrischem Fachgebiet noch in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Er könne dabei sozial zumutbar auf eine Tätigkeit als angelernter Registrator verwiesen werden, sodass auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe.
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Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem LSG-Urteil durch seinen Prozessbevollmächtigten am 14.6.2016 beim BSG Beschwerde eingelegt. Dieser hat mit weiterem Schreiben vom selben Tag die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und seine Beiordnung beantragt. Der Prozessbevollmächtigte rügt mit Schriftsatz vom 25.7.2016 Verfahrensmängel. Mit Schreiben vom 25.8.2016 hat er eine Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übersandt und in Schriftsätzen vom 20.9.2016 bzw 30.9.2016 auf Wunsch des Klägers ergänzend vorgetragen. Zudem hat sich der Kläger persönlich in zahlreichen Schreiben gegenüber dem Gericht zur Sache geäußert.
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II. 1. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 ZPO). Denn die bereits von einem Rechtsanwalt erhobene und begründete Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt nicht die insoweit vorgeschriebenen formellen Voraussetzungen (dazu näher unter 2.). Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 121 Abs 1 ZPO).
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2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. In der Beschwerdeschrift vom 25.7.2016 wird der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG). Der weitere Vortrag in den Schriftsätzen vom 20.9.2016 und vom 30.9.2016 ist nach Ablauf der Frist zur Begründung der Beschwerde (am 25.7.2016) eingegangen und kann deshalb keine Berücksichtigung finden. Entsprechendes gilt im Hinblick auf den Vertretungszwang in Verfahren vor dem BSG (§ 73 Abs 4 S 1 SGG) für die zahlreichen vom Kläger persönlich vorgelegten Schreiben.
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Zur formgerechten Bezeichnung eines Verfahrensfehlers müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).
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Das Vorbringen des Klägers wird den genannten Anforderungen nicht gerecht.
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a) Dieser rügt einen Verstoß des LSG gegen § 407a Abs 2 ZPO. Das LSG habe mit Beschluss vom 16.5.2013 Herrn Prof. Dr. F. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Nachdem dieser jedoch mitgeteilt hatte, er sei aufgrund erheblicher Terminprobleme nicht in der Lage, die Begutachtung alleine durchzuführen, habe der damalige Berichterstatter "hierzu sein Einverständnis" erteilt. In der Folge sei der Kläger durch die Oberärztin Dr. Sch. begutachtet worden, die auch das schriftliche Gutachten unterzeichnet habe, während Prof. Dr. F. mit dem Zusatz "einverstanden aufgrund eigener Urteilsbildung" das Gutachten unterschrieben habe. Da der zeitliche Umfang der Begutachtung bzw Mitwirkung durch Prof. Dr. F. unstreitig höchstens 30 Minuten betragen habe - nach dem Vortrag des Klägers habe die Exploration durch Prof. Dr. F. allerdings höchstens 20 Minuten gedauert -, sei § 407a Abs 2 ZPO verletzt. Nach dieser Vorschrift sei ein Sachverständiger nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen, was hier jedoch in Bezug auf Zentralaufgaben des Sachverständigen geschehen sei. Das Gutachten des Prof. Dr. F. sei deshalb unverwertbar und das Urteil des LSG, das sich auf dieses Gutachten stütze, beruhe auf diesem Verfahrensmangel.
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Mit diesem Vortrag ist eine Verletzung des in § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 407a Abs 2 S 1 ZPO normierten Verbots der eigenmächtigen Übertragung eines Gutachtensauftrags auf andere Personen als den vom Gericht ausgewählten Sachverständigen nicht schlüssig aufgezeigt. Denn das Vorbringen lässt nicht erkennen, wozu genau der Berichterstatter des LSG-Verfahrens sein Einverständnis erteilt hat, nachdem Prof. Dr. F. mitgeteilt hatte, es sei ihm nicht möglich, den Kläger "alleine zu begutachten". Insoweit bedarf es näherer Darlegungen, denn bei Beachtung der gerichtlichen Anordnungen liegt nicht von vornherein der Fall einer unzulässigen, zur Unverwertbarkeit eines Gutachtens führenden Delegation der Sachverständigentätigkeit auf Hilfskräfte vor (vgl hierzu BSG Beschluss vom 1.10.2014 - B 9 SB 53/14 B - Juris RdNr 6). Dies gilt etwa, wenn ein Gutachten nach Anordnung des Gerichts in Gemeinschaftsarbeit zu erbringen ist und jeder der beiden vom Gericht ernannten bzw gebilligten Gutachter die volle Verantwortung für das Gesamtgutachten übernimmt (vgl BSG Urteil vom 15.2.1989 - 9 RV 23/88 - Juris RdNr 13; zur Gutachtenerstellung in Teamarbeit s auch Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl 2016, § 404 RdNr 9).
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Der Kläger hat ungeachtet dessen aber auch nicht ausreichend aufgezeigt, inwiefern das Urteil des LSG auf dem von ihm behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Das Vorbringen, das LSG habe sein Rechtsmittel "unter Berufung auf das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. F." zurückgewiesen, reicht hierfür nicht aus.
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b) Weiterhin rügt der Kläger, das LSG habe es versäumt, entsprechend dem Antrag seiner vormaligen Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 21.3.2014 ein neues psychiatrisches Gutachten einzuholen. Damit macht er sinngemäß eine Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht geltend (§ 103 SGG). Er erfüllt aber nicht die besonderen Anforderungen an die Darlegung dieses Verfahrensmangels. Seinem Vorbringen ist weder ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag zu entnehmen noch ist erkennbar, dass er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll aufrechterhalten hat oder er im Urteil des LSG wiedergegeben ist (s hierzu BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN).
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c) Einen zusätzlichen Verstoß gegen § 407a Abs 2 ZPO sieht der Kläger darin begründet, dass das LSG es unterlassen habe, Herrn Prof. Dr. F., Frau Dr. Sch. und die psychologische Zusatzgutachterin Dr. P. zur mündlichen Verhandlung zu laden, um den Umfang der Mitarbeit der beiden letztgenannten Personen bei Erstellung des Gutachtens aufzuklären. Er nimmt damit auf die Regelung in § 407a Abs 2 S 2 ZPO Bezug, der zufolge ein Sachverständiger, welcher sich der Mitarbeit anderer Personen bedient, dies namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben hat. Seinem Vortrag kann jedoch nicht entnommen werden, dass der Sachverständige diese Angaben verweigert hätte. Die Rüge des Klägers zielt vielmehr darauf ab, das LSG sei seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung nicht ausreichend nachgekommen, weil es eine persönliche Befragung der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zum genauen Umfang ihrer Mitwirkung an dem Gutachten unterlassen habe. Soweit damit ein Sachaufklärungsmangel gerügt werden sollte, mangelt es jedoch an dem Vorbringen, der Kläger habe einen Antrag auf entsprechende Befragung des Sachverständigen (§ 116 S 2 iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG, §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO), die auch insoweit in Betracht kommt (vgl BSG Beschluss vom 14.10.2014 - B 1 KR 96/14 B - Juris RdNr 5 f; allgemein BSG Beschluss vom 16.6.2016 - B 13 R 119/14 B - Juris RdNr 12), gegenüber dem LSG angebracht.
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d) Schließlich sieht der Kläger eine weitere Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) darin, dass das LSG seinem im Schriftsatz vom 21.3.2014 gestellten und in der mündlichen Verhandlung wiederholten Antrag, "ein fachorthopädisches Gutachten zum Umfang seines gesundheitlichen Leistungsvermögens einzuholen und um den orthopädischen Gesundheitszustand beurteilen zu können", nicht nachgekommen sei. Auch diese Ausführungen bezeichnen den Verfahrensmangel einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nicht in schlüssiger Weise. Denn sie lassen nicht erkennen, dass der Kläger bzw sein Prozessbevollmächtigter einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag angebracht hat. Der Beweisantrag im Rentenverfahren muss sich möglichst präzise mit den Folgen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene berufliche Leistungsvermögen befassen. Je mehr Aussagen von Sachverständigen zum Beweisthema bereits vorliegen, desto genauer muss der Beweisantragsteller von ihm behauptete Unterschiede zum Gegenstand des Beweisthemas machen (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - Juris RdNr 6, s auch Fichte, SGb 2000, 653, 656). Das pauschale Verlangen nach einem "fachorthopädischen Gutachten" genügt deshalb nicht, wenn - wie der Kläger selbst vorträgt - im Verlauf des Verfahrens schon ein Gutachten auf diesem Fachgebiet eingeholt worden ist. Dass der Kläger mit seinem Beweisbegehren konkrete Veränderungen seines orthopädischen Gesundheitszustands gegenüber dem Gutachten des Dr. M. vom 6.8.2012 geltend gemacht hat, welche eine erneute fachkundige Beurteilung erforderlich machen, kann seinem Vorbringen nicht entnommen werden.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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