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BSG 28.10.2015 - B 12 KR 114/14 B
BSG 28.10.2015 - B 12 KR 114/14 B - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache - keine Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage bei Anhaltspunkten für eine Beantwortung aus anderen höchstrichterlichen Entscheidungen - Verfassungsmäßigkeit der Zugangsvoraussetzungen zur Krankenversicherung der Rentner
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 5 Abs 1 Nr 11 SGB 5 vom 26.03.2007, Art 1 Nr 2 Buchst a DBuchst aa GKV-WSG, Art 3 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 21. Februar 2014, Az: S 19 KR 3475/12, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 12. September 2014, Az: L 4 KR 1532/14, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. September 2014 wird als unzulässig verworfen.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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Die Klägerin begehrt in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit die Feststellung, dass sie seit 18.10.2011 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner ist, insbesondere unter dem Blickwinkel, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V (9/10-Belegung in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens) verfassungswidrig seien.
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.9.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat trotz ihres umfänglichen Vorbringens in der Begründung ihres Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
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Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
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Allein die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Revisionszulassung führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
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1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin beruft sich ausdrücklich allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Um diesen Zulassungsgrund ordnungsgemäß darzulegen, muss die Beschwerdebegründung mit Blick auf § 160a Abs 2 S 3 SGG ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
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Die Klägerin wirft auf Seite 4 ihrer Beschwerdebegründung vom 29.12.2014 folgende Frage auf:
"Ist es vor dem Gleichheitsgrundsatz gerechtfertigt, dass die Zugangsvoraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner in § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V nur an die zweite Hälfte der Berufstätigkeit anknüpfen, oder verstößt es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass Personen, die während der überwiegenden Zeit ihrer Erwerbsbiographie gesetzlich krankenversichert waren, im Verhältnis zu Personen, die nur während der zweiten Hälfte der Erwerbstätigkeit 90% der Zeit und damit insgesamt lediglich 45 % ihrer Zeit der Erwerbstätigkeit gesetzlich versichert waren, dadurch benachteiligt werden, dass sie nicht in die Krankenversicherung der Rentner aufgenommen werden können?"
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Die Klägerin stellt in diesem Zusammenhang ua ausführlich dar, dass die Frage, ob die zweite Hälfte der Erwerbsphase ein zulässiges Anknüpfungskriterium für den Zugang zur Krankenversicherung der Rentner sei und ob der in der oa Frage angesprochene Personenkreis - zu dem sie gehöre - dadurch nicht ungerechtfertigt benachteiligt werde, sich weder aus dem Gesetz noch aus der vorliegenden, näher dargestellten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG beantworten lasse. Die Anknüpfung an die 9/10-Belegung in der zweiten Hälfte der Erwerbsphase erscheine "besonders ungerecht", weil das Verhältnis der Kosten von Krankenversicherungsleistungen einerseits und Krankenversicherungsbeiträgen andererseits in der ersten Hälfte der Erwerbsphase für die Solidargemeinschaft insgesamt besonders günstig und für den Versicherten aus wirtschaftlicher Perspektive besonders ungünstig sei ("Nettozahler"); wenn zulässigerweise überhaupt auf nur eine Hälfte der Erwerbsphase abgestellt werden könnte, könne dies eher die erste als die zweite Phase sein. Es sei jedoch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es für zulässig erachtet werden könne, den Beitrag zum Solidarsystem der gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt nur anhand einer Hälfte der Erwerbsphase zu bewerten.
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Die Klägerin formuliert in ihrem Vorbringen zwar eine über ihren Einzelfall hinausgehende abstrakte Rechtsfrage zur Vereinbarkeit des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V als einer revisiblen Rechtsnorm mit höherrangigem Recht. Sie macht allerdings zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen in einem von ihr angestrebten Revisionsverfahren keine hinreichenden Ausführungen. Dazu genügt es nicht schon allein, vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Norm auf ihre unmittelbar in der Fragestellung zum Ausdruck kommende thematische Einschlägigkeit hin zu untersuchen, dh, es reicht nicht aus darzulegen, dass genau zu der Frage höchstrichterliche Rechtsprechung noch gar nicht vorliege. Fehlender revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf kann sich nämlich auch daraus ergeben, dass eine Rechtsfrage als geklärt angesehen werden muss, weil sich ihre Beantwortung zumindest aus anderen höchstrichterlichen Entscheidungen erschließen kann, die ausreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage bieten (vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 8 mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen). Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer als grundsätzlich bedeutsam hervorgehobenen Rechtsfrage insoweit Zweifel, muss die Beschwerde diese Zweifel ausräumen. Hierzu gehört es insbesondere, die höchstrichterliche Rechtsprechung auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte hin zu untersuchen. Beruft sich ein Beschwerdeführer dabei - wie hier - auf die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Regelung, bedarf es dazu substanzieller Argumentation unter Erörterung der Ausgestaltung und des Bedeutungsgehalts der infrage stehenden einfachgesetzlichen Normen sowie unter Darlegung und sorgfältiger Analyse der dabei zur Anwendung gelangenden Grundsätze aus der Rechtsprechung des BVerfG (vgl Leitherer, aaO, § 160a RdNr 14e mwN).
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Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Die Klägerin unterlässt es schon, die Rechtsprechung des BVerfG zu der von ihr als verletzt gerügten Verfassungsnorm des Art 3 Abs 1 GG konkret aufzuzeigen. Sie zitiert insoweit weder dessen zentrale Entscheidungen zur allgemeinen Differenzierung in Bezug auf die Rechtsfolgen gleicher bzw ungleicher Sachverhalte noch geht sie auf die Gesichtspunkte ein, die das BVerfG - insbesondere im Bereich des Sozialversicherungsrechts - als hinreichende sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung anerkannt hat. Sie zieht bei ihrem Vorbringen nicht erkennbar hinreichend in Erwägung, dass bei komplexen Zusammenhängen gerade im Sozialversicherungsrecht eher großzügige Maßstäbe, Vergröberungen und Typisierungen bei den Anspruchsvoraussetzungen ebenso wie auch zeitliche Grenzen wie Stichtagsregelungen verfassungsrechtlich unbedenklich sein können (vgl zB Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl 2014, Art 3 RdNr 15, 25, 54). Die Beschwerdebegründung klammert insoweit weitgehend aus, dass - unbeschadet der Frage der Richtigkeit ihrer Prämissen bei der Sachverhaltsanalyse (anders insoweit BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1, RdNr 34), die im Übrigen durch entsprechende Feststellungen des LSG auch nicht gedeckt sind (vgl aber § 163 SGG) - der Gesetzgeber bei der Festlegung der Voraussetzungen für sozialrechtliche Begünstigungen (hier: Gewährung kostengünstigen Krankenversicherungsschutzes als Rentner) über einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative verfügt(vgl zB BVerfGE 87, 1, 35 = SozR 3-5761 Allg Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 21 S 104). Wenn es daher - wie von der Klägerin selbst angeführt - in den Gesetzesmaterialien zu § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V heißt, die getroffene Regelung solle den Gedanken der Solidarität stärker betonen, indem vermieden werden solle, die Versichertengemeinschaft mit Krankheitskosten von Personen zu belasten, die während der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung nicht längere Zeit angehört haben (BT-Drucks 11/2237 S 159), lag es auf der Hand, unter diesem Blickwinkel nähere Erwägungen anzustellen als dargelegt. So könnte vor allem etwas daraus herzuleiten sein, dass Erwerbstätige typischerweise erst in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens eine weitgehend stabile berufliche und finanzielle Lebensstellung erreicht haben, die es zumindest nicht sachwidrig erscheinen lassen könnte, für den kostengünstigen Krankenversicherungsschutz als Rentner gerade an dieses Lebensstadium anzuknüpfen, nicht aber an die durch Ausbildung und Familiengründung geprägte erste Hälfte. Entsprechende Überlegungen klammert die Klägerin indessen bei der Klärungsbedürftigkeit in ihrem Vorbringen gänzlich aus.
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Die in diesem Zusammenhang auf Seite 17 der Begründung gemachten Ausführungen, das LSG habe sich mit einer bestimmten Problematik nicht bzw nicht hinreichend auseinandergesetzt und die von ihm angestellten Erwägungen gingen an der Sache vorbei, betreffen im Kern die Rüge der inhaltlichen Unrichtigkeit des Urteils, auf die es - wie eingangs ausgeführt - im Rahmen des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde nicht ankommt.
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2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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