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BSG 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 R
BSG 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - Überlanges Gerichtsverfahren - Entschädigungsklage - unangemessene Verfahrensdauer - sozialgerichtliches Verfahren - Prozessleitung und Gestaltungsspielraum des Ausgangsgerichts - Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu 12 Monaten - Einzelfallprüfung - förmliche Aussetzung des Verfahrens - gesteigerte Prozessförderungspflicht - Bedeutung des Verfahrensausgangs - Verurteilung zur Entschädigung in nicht schwerwiegenden Fällen - keine zusätzliche Feststellung der Überlänge im Tenor des Entschädigungsurteils - richterlicher Überprüfungsmaßstab des Entschädigungsgerichts - Kontrolldichte des Revisionsgerichts - Übertragung der Prozessvertretung des beklagten Landes auf die LSG-Präsidentin
Normen
§ 198 Abs 1 S 2 GVG, § 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 2 S 1 GVG, § 198 Abs 2 S 2 GVG, § 198 Abs 2 S 3 GVG, § 198 Abs 2 S 4 GVG, § 198 Abs 4 S 1 GVG, § 198 Abs 5 S 1 GVG, § 198 Abs 6 Nr 1 GVG, § 200 GVG, § 201 Abs 1 S 1 GVG, ÜberlVfRSchG, § 163 SGG, § 55 SGG, § 56 SGG, § 73 Abs 4 SGG, § 114 SGG, § 202 S 2 SGG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 6 Abs 1 S 1 MRK
Vorinstanz
vorgehend SG Schwerin, 22. September 2004, Az: S 4 AL 366/03, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, 10. Mai 2005, Az: L 2 AL 81/04, Beschluss
vorgehend SG Schwerin, 18. Oktober 2007, Az: S 2 AL 436/04, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, 13. Februar 2013, Az: L 12 SF 3/12 EK AL, Urteil
Leitsatz
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1. Ob ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat, bestimmt sich unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls und insbesondere der Prozessleitung des Ausgangsgerichts.
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2. Bei der Prozessleitung verfügt das Ausgangsgericht über einen weiten Gestaltungsspielraum, den das Entschädigungsgericht allein unter dem Gesichtspunkt der ausreichenden Berücksichtigung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit überprüfen kann.
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3. Von der Gesamtverfahrensdauer ist eine angemessene Vorbereitungs- und Bedenkzeit des Gerichts in Abzug zu bringen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden kann. Diese Zeit beläuft sich auf bis zu zwölf Monate je Instanz vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls.
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4. Setzt das Ausgangsgericht das Verfahren förmlich aus und hebt den Aussetzungsbeschluss geraume Zeit später wieder auf, so kann es sich zur Rechtfertigung seiner fortdauernden Untätigkeit nicht mehr auf die Zustimmung des Klägers berufen, sondern unterliegt einer gesteigerten Prozessförderungspflicht.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 13. Februar 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen, soweit es die Entschädigungsklage der Klägerin wegen unangemessener Dauer des Berufungsverfahrens wegen Arbeitslosengeld-Bewilligung (L 2 AL 81/04 bzw später L 2 AL 37/07 WA) abgewiesen hat.
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Im Übrigen, soweit sich die Entschädigungsklage auf das Gerichtsverfahren wegen Rentenantragstellung (Sozialgerichtsverfahren S 2 AL 436/04 und das nachfolgende Berufungsverfahren L 2 AL 41/07) sowie auf das Klageverfahren wegen Arbeitslosengeldbewilligung (S 4 AL 366/03) bezieht, wird die Revision zurückgewiesen.
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Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 6200 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt eine angemessene Entschädigung für die Dauer zweier Gerichtsverfahren vor dem SG Schwerin und nachfolgend dem LSG Mecklenburg-Vorpommern.
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Die 1942 geborene Klägerin wurde Ende Juli 2002 arbeitslos. Die Beklagte beider Ausgangsverfahren, die Bundesagentur für Arbeit (BA), gewährte ihr nach vorangegangener Beratung ab dem 1.8.2002 nach § 428 Abs 3 SGB III antragsgemäß Arbeitslosengeld (Alg) unter erleichterten Voraussetzungen in Höhe von 176,61 Euro wöchentlich und setzte die Anspruchsdauer auf 929 Tage fest. Unter dem 24.6.2003 forderte die BA die Klägerin auf, sich an den Rentenversicherungsträger zu wenden und den für sie frühestmöglichen Zeitpunkt für die Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Altersrente zu erfragen. Sollte sich die Möglichkeit einer solchen Rente ergeben und die Klägerin gleichwohl keinen darauf gerichteten Rentenantrag stellen, ruhe der Anspruch auf Alg Die Klägerin erhob gegen das Schreiben erfolglos Widerspruch. Der Widerspruchsbescheid wurde bestandskräftig (Bescheid vom 21.7.2003).
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Ab Juli 2003 gewährte der Rentenversicherungsträger der Klägerin (abschlagsfrei) die von ihr "vorsorglich" beantragte Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 26.8.2003). Gegen den Rentenbescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, der auf ihren Wunsch zunächst nicht beschieden wurde.
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Die BA hob daraufhin die Bewilligung von Alg an die Klägerin ab Juli 2003 auf, weil der Anspruch wegen der gleichzeitigen Gewährung von Altersrente ruhe (Bescheid vom 12.9.2003). Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchbescheid vom 16.10.2003) erhob die Klägerin dagegen am 29.10.2003 Klage beim SG, die sie ua mit einer vermeintlichen Verfassungswidrigkeit der Ruhensvorschrift des § 142 SGB III aF begründete (nachfolgend als Gerichtsverfahren wegen Alg-Bewilligung bezeichnet). Das SG wies die Klage nach Anhörung der Beteiligten ab (Gerichtsbescheid vom 22.9.2004). Die Klägerin legte dagegen am 13.10.2004 Berufung ein (nachfolgend als Berufungsverfahren wegen Alg-Bewilligung bezeichnet). Mit Zustimmung der Beteiligten setzte das LSG das Berufungsverfahren zunächst förmlich aus (Beschluss vom 10.5.2005), weil die Klägerin inzwischen ein Klageverfahren wegen der Aufforderung zur Rentenantragstellung anhängig gemacht habe, das insoweit vorrangig sei.
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Dieses Gerichtsverfahren (nachfolgend als Klageverfahren wegen Rentenantragstellung bezeichnet) hatte am 10.12.2004 mit einer Klage der Klägerin gegen die Ablehnung ihres Antrags begonnen, die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Rentenantragstellung im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X erneut zu überprüfen (Bescheid vom 9.11.2004, Widerspruchsbescheid vom 23.11.2004). Das SG hob den ablehnenden Überprüfungsbescheid auf und verurteilte die BA nach einer Beweisaufnahme - ua durch Zeugenvernehmung über die dem Alg-Antrag vorangegangene Beratung der Klägerin durch Bedienstete der BA -, den Überprüfungsantrag nach Maßgabe des Gerichts erneut zu bescheiden (Urteil vom 18.10.2007). Am 10.12.2007 legte die BA Berufung ein (nachfolgend als Berufungsverfahren wegen Rentenantragstellung bezeichnet). In diesem Zusammenhang nahm der für beide Verfahren zuständige Senat des LSG das ausgesetzte Berufungsverfahren wegen Alg-Bewilligung mit Datum vom 5.12.2007 formlos wieder auf. Trotz mehrfacher Mahnungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestimmte der Senatsvorsitzende für beide Verfahren erst Termin auf den 28.6.2011, in dem beide Verfahren vergleichsweise erledigt wurden.
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Am 25.1.2012 hat die Klägerin Entschädigungsklage erhoben. Das LSG hat für das Klageverfahren wegen Rentenantragstellung eine unangemessene Dauer von 23 Monaten und für das nachfolgende Berufungsverfahren von 29 Monaten festgestellt. Es hat das beklagte Land deshalb zur Zahlung von 2300 Euro für die Verzögerungen beim SG bzw 2900 Euro für die Verzögerungen beim LSG verurteilt. Der unbestimmte Rechtsbegriff der überlangen Verfahrensdauer sei im Sinne einer mathematischen Formel auszufüllen: Die Gesamtdauer des Verfahrens in der jeweiligen Instanz abzüglich der Zeiten aktiver Verfahrensförderung und solcher Zeiten der Inaktivität, die nicht dem Gericht zuzurechnen seien, ergebe die zu vermeidende Verfahrensdauer. Dabei sei nur eine Dauer von einem Jahr für Hauptsachen pro Instanz unbedenklich und biete keinen Anlass, die Gründe für die Dauer des Verfahrens konkret zu überprüfen. Das Klageverfahren über die Rentenantragstellung habe demnach mit 23 Monaten Liegezeit zu lang gedauert. Das anschließende Berufungsverfahren sei nach Ablauf von einem Jahr im Oktober 2008 für entscheidungsreif erachtet worden, die Zeit danach bis zum tatsächlichen Abschluss stelle ebenfalls eine überlange Verfahrensdauer von 29 Monaten dar. Es bestehe kein Anlass, aus Billigkeitsgründen von einer Entschädigung abzusehen, weil der Fall für die Klägerin weder von ganz untergeordneter Bedeutung gewesen sei, noch sie durch ihr Verhalten zur Verfahrensdauer maßgeblich beigetragen habe. Wegen der durchschnittlichen Bedeutung des Falles habe es andererseits beim Regelsatz der Entschädigung zu verbleiben.
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Soweit die Klägerin darüber hinaus eine höhere Entschädigung insbesondere für eine unangemessene Dauer des Klage- und des Berufungsverfahrens wegen Alg-Bewilligung begehrt hat, hat das LSG die Klage abgewiesen. Das Klageverfahren vor dem SG sei mit einer Verfahrensdauer von einem Jahr ersichtlich nicht überlang gewesen. Das Berufungsverfahren habe zwar nahezu sieben Jahre gedauert. Gleichwohl sei es im Rechtssinne - bei Berücksichtigung der Interessen der Klägerin - schnellstmöglich entschieden worden. Denn die Aussetzung des Verfahrens sei im Interesse der Klägerin gewesen, weil ihre Klage sonst sofort hätte abgewiesen werden müssen. Durch das Zuwarten auf das Verfahren wegen Rentenantragstellung habe der Senat offenkundig im Interesse der Klägerin gehandelt. Daher komme es weder darauf an, ob die Aussetzung rechtmäßig gewesen sei noch darauf, dass der Senat die Aussetzung im Jahr 2007 aufgehoben habe, obwohl die Gründe für das Zuwarten fortbestanden hätten (Urteil vom 13.2.2013).
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine weitere Entschädigung in Höhe von 1700 Euro für das Gerichtsverfahren wegen Rentenantragstellung sowie 4500 Euro für das Gerichtsverfahren wegen Alg-Bewilligung geltend. Das Verfahren sei weder rechtlich noch tatsächlich schwierig, aber für sie von großer Bedeutung gewesen. Es hätte daher besonders zügig behandelt werden müssen. Sie habe sich im Verfahren vorbildlich verhalten. Das LSG sei zu Unrecht von einer Freifrist von einem Jahr für die Verfahrensführung ausgegangen. Wenn überhaupt, seien die 12 Monate auf die Monate zu beziehen, in denen das Verfahren gerichtlich betrieben worden sei. Die erstinstanzliche Verzögerung im Verfahren S 2 AL 436/04 habe deshalb 30 Monate betragen. Die Verzögerung im Berufungsverfahren sei nochmal um 10 Monate zu erhöhen, in denen der Beklagte das Verfahren faktisch nicht betrieben habe. Zudem habe das LSG übersehen, dass die Verzögerung im zweiten Verfahren unmittelbar zu einer ebenso langen Verzögerung im ausgesetzten Verfahren geführt habe. Zudem habe der Beklagte alle Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 13.02.2013 abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen,
1. ihr wegen der unangemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens wegen Rentenantragstellung (S 4 bzw 2 AL 436/04 und L 2 AL 41/07) weitere 1700 Euro Entschädigung sowie
2. ihr wegen der unangemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens wegen Arbeitslosengeldbewilligung (S 4 AL 366/03 und L 2 AL 81/04 bzw L 2 AL 37/07 WA) eine Entschädigung von 4500 Euro zu gewähren.
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Das beklagte Land beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Das beklagte Land hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin betrifft zwei Entschädigungsklagen die beide zulässig sind (dazu unter 1.). Die Revision ist nur teilweise im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache begründet, soweit das LSG im angefochtenen Urteil einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung aufgrund unangemessener Dauer des Berufungsverfahrens wegen Alg-Bewilligung verneint und die Klage abgewiesen hat (dazu nachfolgend unter 2.). Dagegen war die Revision zurückzuweisen, soweit das LSG das beklagte Land verurteilt hat, der Klägerin aufgrund einer unangemessenen Dauer des Klage- und Berufungsverfahrens wegen Rentenantragstellung eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 5200 Euro zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen hat (dazu nachfolgend unter 3.).
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1. Beide von der Klägerin erhobenen, auf § 198 GVG gestützten Entschädigungsklagen sind zulässig.
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a) Der Senat hat das Begehren der Klägerin sowohl in prozessualer als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht an §§ 198 ff GVG zu messen, obwohl diese Vorschriften erst nach Abschluss der hier von der Klägerin als überlang gerügten Verfahren in Kraft getreten ist (zeitlicher Anwendungsbereich des § 198 GVG). Die Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) und damit auch die §§ 198 ff GVG finden aufgrund der Übergangsregelung des Art 23 S 1 ÜGG auch auf Verfahren Anwendung, die bei Inkrafttreten des ÜGG am 3.12.2011 (vgl Art 24 ÜGG) zwar bereits abgeschlossen waren, aber noch Gegenstand einer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) werden konnten. Dies ist hier der Fall. Die sechsmonatige Beschwerdefrist nach Art 35 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) war am Tage des Inkrafttretens des ÜGG (3.12.2011) noch nicht abgelaufen, da die vorliegend streitbefangenen Verfahren am 28.6.2011 mit einem Vergleich abgeschlossen worden sind.
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b) Die Klägerin hat ihre Entschädigungsklagen zulässigerweise im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 56 SGG in einer Klage geltend gemacht. Beide Klagebegehren richteten sich gegen denselben Beklagten - das Land Mecklenburg-Vorpommern - und standen in einem sachlichen Zusammenhang. Die Klägerin begehrt Entschädigung für die von ihr als unangemessen angesehene Dauer zweier Gerichtsverfahren. Beiden Gerichtsverfahren liegen je eigene Streitgegenstände zu Grunde, die allerdings inhaltlich zusammenhängen; in einem Verfahren ging es um die Aufhebung einer Alg-Bewilligung wegen des Bezuges von Altersrente für schwerbehinderte Menschen, im anderen um die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung zur Rentenantragstellung. Beide Verfahren dauerten nach Ansicht der Klägerin unangemessen lange und für beide begehrt sie Entschädigung nach § 198 GVG. Für die Klagen war auch dasselbe Gericht - das LSG - zuständig (dazu unter c).
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c) Das LSG war für die Entscheidung funktional und örtlich zuständig. In den der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheiten (vgl § 51 SGG) ist gemäß § 201 Abs 1 S 1 GVG iVm § 202 S 2 SGG für Klagen auf Entschädigung nach § 198 GVG gegen ein Land das für dieses Land örtlich zuständige Landessozialgericht zuständig.
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d) Die Klägerin hat ihre Klagen am 25.1.2012 rechtzeitig innerhalb der für "Altfälle" geltenden Klagefrist des Art 23 S 5 ÜGG erhoben, die bis zum 3.6.2012 lief.
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e) Das beklagte Land ist im Verfahren wirksam durch die Präsidentin des LSG Mecklenburg-Vorpommern vertreten worden. Bei der Übertragung der Vertretung des beklagten Landes Mecklenburg-Vorpommern auf die Präsidentin des LSG Mecklenburg-Vorpommern im Erlasswege (vgl Buchst A Abschnitt 1 Nr 1 Vertretungserlass Justizministerium vom 14.1.2003 - III 310/1200-66 SH - ) handelt es sich nicht um eine wesentliche Organisationsentscheidung, die hätte zwingend durch Parlamentsgesetz getroffen werden müssen (vgl im Einzelnen BFH, Urteil vom 17.4.2013 - X K 3/12 - BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547). Die Vertretungsregelung ist daher nicht zu beanstanden. Der Senat macht aber darauf aufmerksam, dass es der Intention des ÜGG zuwiderläuft, wenn Angehörige eines Gerichts in der Revisionsinstanz nicht nur dessen Entschädigungsurteile sowie mittelbar ggf auch die Entscheidungen in den Ausgangsverfahren und damit das Handeln der eigenen Kollegen, sondern darüber hinaus noch Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers zu vertreten haben. Diese können sie in keiner Weise beeinflussen, obwohl diese Entscheidungen möglicherweise die wesentliche strukturelle Ursache für die Überlastung der Gerichte und damit für überlange Verfahrensdauern bilden.
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2. Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet, soweit sie die Entschädigungsklage wegen der Dauer des Berufungsverfahrens wegen Alg-Bewilligung (L 2 AL 81/04 bzw später L 2 AL 37/07 WA) betrifft. Zwar hat die Klägerin den richtigen Beklagten verklagt (dazu a) und die Entschädigungsklage ohne vorherige Verzögerungsrüge erheben können (dazu b), jedoch hat das LSG eine unangemessene Verfahrensdauer rechtsfehlerhaft verneint (dazu c).
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a) Das beklagte Land Mecklenburg-Vorpommern ist für die Entschädigungsklagen nach § 200 S 1 GVG passiv legitimiert, weil es danach für Nachteile haftet, die aufgrund von Verzögerungen bei seinen Gerichten entstehen; solche Nachteile macht die Klägerin aufgrund ihrer bei dem SG Schwerin und beim LSG selbst geführten Verfahren geltend.
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b) Eine Verzögerungsrüge brauchte die Klägerin - ausnahmsweise - nicht zu erheben. Nach Art 23 S 5 ÜGG bedarf es einer solchen Rüge iS des § 198 Abs 3 und 5 GVG nicht, wenn das Ausgangsverfahren - wie das der Klägerin durch den Vergleich vom 28.6.2011 - bei Inkrafttreten des ÜGG am 3.12.2011 bereits abgeschlossen war, da die Beteiligten eines Verfahrens vor Inkrafttreten des ÜGG ihre Rügeobliegenheit nicht kennen konnten (vgl BT-Drucks 17/3802 S 31 zu Art 22).
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c) Die Ausführungen des LSG zur unangemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens wegen Alg-Bewilligung halten revisionsrichterlicher Überprüfung dagegen nicht vollständig Stand. Zwar hat das LSG den Gesamtzeitraum des Verfahrens zutreffend ermittelt und den für eine Prüfung der angemessenen Verfahrensdauer bedeutsamen Gesichtspunkten Beachtung geschenkt (dazu allgemein aa); es hat zu Recht die Bedeutung (bb) und die Schwierigkeit (cc) des Verfahrens, das Verhalten der Verfahrensbeteiligten (dd) und vor allem die Prozessleitung des Ausgangsgerichts in seine Bewertung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einbezogen (ee). Das LSG ist zudem, soweit es um die Würdigung dieser Prozessleitung geht, im Grundsatz von einem zutreffenden richterlichen Überprüfungsmaßstab des Entschädigungsgerichts ausgegangen (ff). Es hat dann aber bei der Anwendung dieses Maßstabs die Grenzen des Verfahrensermessens des Ausgangsgerichts zu weit gezogen. Spätestens im Zeitpunkt, in dem das beim Ausgangsgericht in der Berufungsinstanz anhängige, mit der ursprünglichen Aussetzung in Bezug genommene Verfahren (wegen Rentenantragstellung) als überlang anzusehen war, fehlte auch die sachliche Rechtfertigung für die daraus resultierenden Ruhezeiten des Verfahrens wegen Alg-Bewilligung, das inzwischen wieder aufgenommenen war (gg). Im Übrigen jedoch ist das LSG zutreffend vom Erfordernis einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände ausgegangen und hat dabei dem Ausgangsgericht im Ergebnis zu Recht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit von einem Jahr pro Instanz zugestanden (hh).
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aa) Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs 1 S 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Haftungsgrund für den gesetzlich begründeten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer bildet die Verletzung des in Art 19 Abs 4 und Art 20 Abs 3 GG sowie Art 6 Abs 1 EMRK verankerten Rechts der Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit. Der unbestimmte Rechtsbegriff "unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens" ist daher insbesondere unter Rückgriff auf diejenigen Grundsätze auszulegen, die der EGMR zu Art 6 Abs 1 S 1 EMRK und das BVerfG zum Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) sowie zum Justizgewährleistungsanspruch (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) entwickelt haben (vgl Urteil des Senats vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1, RdNr 25). Denn das ÜGG geht maßgeblich auf die Forderung des EGMR zurück, die Mitgliedstaaten des Europarates sollten zur Entlastung des Gerichtshofs ein solches Rechtsinstitut schaffen (vgl ua EGMR Individualbeschwerde Nr 75529/01 Sürmeli/Deutschland).
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Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die in § 198 Abs 6 Nr 1 GVG definierte Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Kleinste im Geltungsbereich des ÜGG relevante Zeiteinheit ist hierbei der Monat. Beide gerichtliche Ausgangsverfahren haben eine erhebliche Gesamtdauer erreicht, bevor sie am 28.6.2011 durch einen gerichtlichen Vergleich beendet wurden. Bis dahin hatte das Verfahren über die Rentenantragstellung nach den Feststellungen des LSG rund sechs Jahre und sechs Monate (seit dem 10.12.2004), dasjenige über die Alg-Bewilligung - einschließlich der Zeit seiner förmlichen Aussetzung - rund sieben Jahre und acht Monate gedauert (seit dem 29.10.2003).
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In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs 1 S 2 GVG genannten Kriterien zu messen, die auch unter Heranziehung der Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG auszulegen und zu vervollständigen sind (bb bis ff).
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Bei der Feststellung der Tatsachen, die zur Ausfüllung der von § 198 Abs 1 S 2 GVG genannten unbestimmten Rechtsbegriffe erforderlich sind, kommt dem Entschädigungsgericht ein erheblicher tatrichterlicher Beurteilungsspielraum zu. Das Revisionsgericht kann lediglich überprüfen, ob das Entschädigungsgericht den Bedeutungsgehalt der unbestimmten Rechtsbegriffe aus § 198 Abs 1 S 2 GVG und damit den rechtlichen Rahmen zutreffend erkannt und ihn ausfüllend alle erforderlichen Tatsachen festgestellt und angemessen berücksichtigt hat, ohne Denkgesetze bzw allgemeine Erfahrungssätze zu verletzen (vgl BGH Urteil vom 5.12.2013 - III ZR 73/13 - BGHZ 199, 190 RdNr 47 mwN) oder gegen seine Amtsermittlungspflicht zu verstoßen. Maßgeblich ist, wie das Gericht die Lage aus seiner ex-ante-Sicht einschätzen durfte (BGH Urteil vom 13.2.2014 - III ZR 311/13 - NJW 2014, 1183, Juris RdNr 47; BVerwG Urteil vom 11.7.2013 - 5 C 23/12 D - BVerwGE 147, 146 RdNr 41).
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Auf dieser Grundlage ergibt erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände in einem dritten Schritt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (vgl Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1, RdNr 26; BGH Urteil vom 13.3.2014 - III ZR 91/13 - NJW 2014, 1816, Juris RdNr 31). Dabei geht der Senat davon aus, dass vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls die Verfahrensdauer jeweils insgesamt noch als angemessen anzusehen ist, wenn eine Gesamtverfahrensdauer, die zwölf Monate je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht (gg).
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bb) Das LSG hat im Ausgangspunkt die Bedeutung der Ausgangsverfahren rechtsfehlerfrei in seine Bewertung der Angemessenheit eingestellt.
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Die von § 198 GVG genannte Bedeutung eines Verfahrens ergibt sich zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Der EGMR hat deshalb eine besondere Bedeutung von Verfahren ua dann angenommen, wenn es um die finanzielle Versorgung in Renten- oder Arbeitssachen sowie um andere Verfahren wegen sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche ging (vgl EGMR Urteil vom 8.6.2006 - Individualbeschwerde Nr 75529/01 Sürmeli/Deutschland, RdNr 133, NJW 2006, 2389; Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar Art 6, RdNr 262; BVerwGE 147, 146). Zur Bedeutung der Sache iS von § 198 Abs 1 S 2 GVG trägt dabei im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei (Priebe in: Festschrift für Werner von Simson, 1983> S 301 f). Entscheidend ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des Klägers und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine weiteren geschützten Interessen auswirkt (vgl Magnus, ZZP 2012, S 75, 76).
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Insofern hat das LSG für das Revisionsgericht nicht angreifbar das Interesse der Klägerin am Ausgang der beiden Verfahren zusammen bewertet und ist von einer ungefähr durchschnittlichen Bedeutung ausgegangen, da die Klägerin zwar einerseits während des laufenden Verfahrens bereits Altersrente bezog, andererseits eine Mehrgewährung von ca 250 Euro monatlich für mehrere Jahre durch den längeren Bezug von Alg und eine - wenn auch nicht allzu hoch - zu erwartende Erhöhung der anschließenden Altersrente angestrebt hat.
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cc) Ebenso wenig sind Rechtsfehler zu erkennen, soweit das LSG einen im Ergebnis wegen der Verknüpfung mit dem Verfahren wegen Rentenantragstellung noch durchschnittlichen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeitsgrad des Ausgangsverfahrens wegen Alg-Bewilligung angenommen hat.
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dd) Das LSG hat keine dem Verhalten der Klägerin zurechenbare Verlängerung der Ausgangsverfahren feststellen können.
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ee) Das Entschädigungsgericht (LSG) hat schließlich im Ausgangspunkt zutreffend die Prozessleitung des Ausgangsgerichts in seine Erwägungen einbezogen.
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§ 198 GVG nennt als Kriterien zur Bestimmung der Angemessenheit mit Blick auf die Prozessakteure das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter nur beispielhaft. Darüber hinaus hängt eine Verletzung von Art 6 EMRK durch den Staat wesentlich davon ab, ob ihm zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben. Maßgeblich sind Verzögerungen, vgl § 200 GVG, also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens (vgl Bub, Deutsche Richterzeitung 2014, S 94), insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 13.8.2012 - 1 BvR 1098/11 - Juris). Keinen sachlichen Grund stellt von vornherein eine unzureichende sachliche oder personelle Ausstattung der Justiz generell oder speziell des Ausgangsgerichts dar. Beruht die Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit auf einer strukturellen Überlastung der Justiz und drückt sich darin eine generelle Vernachlässigung des Anspruchs aus Art 6 EMRK, Art 19 Abs 4 GG aus, wiegt der resultierende Grundrechtsverstoß besonders schwer (vgl BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 5.8.2013 - 1 BvR 2965/10 - Juris).
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ff) Bei seiner Beurteilung der Prozessleitung des Ausgangsgerichts ist das Entschädigungsgericht (LSG) im Grundsatz von einem zutreffenden Überprüfungsmaßstab ausgegangen, hätte allerdings - dazu unter gg) - bei der richtigen Anwendung dieses Maßstabs die Dauer des Verfahrens wegen Alg-Bewilligung in der Berufungsinstanz nicht allein mit Verweis auf das gleichzeitig anhängige Verfahren wegen Rentenantragstellung unbeanstandet lassen dürfen.
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Das Entschädigungsverfahren eröffnet keine weitere Instanz, um das Handeln des Ausgangsgerichts einer rechtlichen Vollkontrolle zu unterziehen. Daher hat das Entschädigungsgericht die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und -gestaltung zugrunde legt, nicht infrage zu stellen, soweit sie nicht geradezu willkürlich erscheinen. Zudem räumt die Prozessordnung dem Ausgangsgericht ein weites Ermessen bei seiner Entscheidung darüber ein, wie es das Verfahren gestaltet und leitet (vgl Roller, Deutsche Richterzeitung 2012, Beilage zum Heft 6, S 1, 4; BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 17.11.2011 - 1 BvR 3155/09 - Juris RdNr 7; Beschluss vom 16.12.1980 - 2 BvR 419/80 - BVerfGE 55, 349, 369; vgl BVerwG Urteil vom 27.2.2014 - 5 C 1/13 D - Juris RdNr 18 mwN <Gestaltungsspielraum>; BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, Juris RdNr 69 ff <erheblicher Gestaltungsspielraum>; vgl BGH Urteil vom 5.12.2013 - III ZR 73/13 - BGHZ 199, 190, Juris RdNr 44 <Ermessen>). Die richtige Ausübung dieses Ermessens ist vom Entschädigungsgericht allein unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob das Ausgangsgericht bei seiner Prozessleitung Bedeutung und Tragweite des Menschenrechts aus Art 6 Abs 1 EMRK bzw des Grundrechtes Art 19 Abs 4 GG in der konkreten prozessualen Situation hinreichend beachtet und fehlerfrei gegen das Ziel einer möglichst richtigen Entscheidung abgewogen hat. Denn dieses Ziel ist ebenfalls vom Anspruch auf effektiven Rechtsschutz umfasst (vgl BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, Juris RdNr 70; Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG RdNr 22).
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Wann und wie das Verfahren - insbesondere in der Zusammenschau mit den sonstigen bei Gericht anhängigen Fällen - am besten zu fördern ist, entscheidet das Ausgangsgericht in der konkreten Situation aus seiner Kenntnis der Akten, der Beteiligten und des bisherigen Verfahrensablaufs. Beim Denken und Erarbeiten darf es dabei auch eigene Vorstellungen zum Wann miterwägen (vgl Baumbach/Lauterbach, ZPO, 72. Aufl 2014, § 198 GVG RdNr 13 unter "Arbeitsgewohnheit"). Allerdings müssen die Gerichte bei ihrer Verfahrensleitung stets die Gesamtdauer des Verfahrens im Blick behalten. Mit zunehmender Dauer des Verfahrens verdichtet sich die aus dem Justizgewährleistungsanspruch resultierende Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen (vgl BVerfG Beschlüsse vom 14.12.2010 - 1 BvR 404/10 - SozR 4-1100 Art 19 Nr 10, Juris RdNr 11 und vom 1.10.2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789, 790 mwN). Jedenfalls für Verfahren von hinreichender Bedeutung (vgl Priebe in: Festschrift für Werner von Simson, S 287, 302) verbietet sich ab einem gewissen Zeitpunkt (weitere) Untätigkeit oder eine zögerliche Verfahrensleitung (vgl Stattgebende Kammerbeschlüsse des BVerfG vom 20.7.2000 - 1 BvR 352/00 - NJW 2001, 214, Juris RdNr 11 und vom 22.8.2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630, Juris RdNr 32). Richterliche Verhaltensweisen, die zu Beginn eines Verfahrens grundrechtlich gesehen noch unbedenklich, wenn auch möglicherweise verfahrensökonomisch nicht optimal erscheinen mögen, können bei zunehmender Verfahrensdauer in Konflikt mit dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit geraten. Das gilt etwa für die Setzung großzügiger Fristen zur Stellungnahme, den mehrfachen Austausch von Schriftsätzen ohne richtungweisende Einflussnahme des Gerichts und ohnehin für sog Schiebeverfügungen.
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gg) Ausgehend von diesen Grundsätzen tragen die Feststellungen des LSG nicht seinen Schluss, die gesamte Länge des Verfahrens über die Alg-Bewilligung in der Berufungsinstanz sei sachlich gerechtfertigt gewesen. Vielmehr hat das LSG im konkret entschiedenen Einzelfall die Grenzen des prozessualen Ermessensspielraums des Ausgangsgerichts zu weit gezogen.
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Soweit das Entschädigungsgericht allerdings festgestellt hat, das Klageverfahren wegen Alg-Bewilligung habe bei einer Gesamtlänge von weniger als einem Jahr überhaupt keine längeren Phasen der Untätigkeit des Gerichts aufgewiesen, bindet dies den Senat nach § 163 SGG. Denn die Klägerin hat dagegen keine zulässigen Revisionsrügen erhoben. Damit kann ihr Entschädigungsbegehren wegen einer unangemessenen Dauer dieses Klageverfahrens schon deshalb keinen Erfolg haben.
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Hinsichtlich des Berufungsverfahrens ist die Annahme des LSG, die Aussetzung rechtfertige die dadurch entstandene Verlängerung der Verfahrensdauer, nicht grundsätzlich zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit aus Art 19 Abs 4 GG muss eine Aussetzungsentscheidung die mögliche Verfahrensverlängerung mit den Gesichtspunkten der Verfahrensökonomie sowie gegebenenfalls der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen abwägen. Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen. Eine Verzögerung des vorgreiflichen Rechtsstreites ist ebenfalls ein Gesichtspunkt, dem bei der Ausübung des Ermessens Rechnung zu tragen ist. Im Fall einer ermessensfehlerhaften Entscheidung fällt die durch die Aussetzung verursachte Verfahrensverlängerung in den Verantwortungsbereich des Gerichts (Stattgebender Kammerbeschluss des BVerfG vom 5.8.2013 - 1 BvR 2965/10 - Juris RdNr 20).
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Angesichts des aufgezeigten weiten prozessualen Gestaltungsspielraums des Ausgangsgerichts sowie vor allem des Umstands, dass die Klägerin der Aussetzung ausdrücklich zugestimmt hatte (vgl BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, Juris RdNr 83), erscheint diese für sich genommen daher noch nicht als unverhältnismäßig, obgleich es an einer echten Vorgreiflichkeit im engeren Sinne fehlte.
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Das LSG hat allerdings nicht nur die Zeit der Aussetzung des Verfahrens wegen Alg-Bewilligung als solche vom 10.5.2005 bis zum 5.12.2007 als sachlich gerechtfertigt angesehen. Vielmehr hat es darüber hinaus auch nach Wiederaufnahme dieses Verfahrens einen sachlichen Grund für das weitere Zuwarten des Ausgangsgerichts darin gesehen, trotz der formalen Aufhebung der Aussetzung hätten die Gründe für das Abwarten der Entscheidung im gleichzeitig anhängigen Verfahren über die Rentenantragstellung fortbestanden. Das Gericht habe deshalb offenkundig im Interesse der Klägerin gehandelt. Damit verkennt das LSG, dass die rechtfertigende Wirkung der Aussetzung des Verfahrens über die Alg-Bewilligung jedenfalls mit ihrer formellen Aufhebung im Jahr 2007 durch das LSG endete, zudem die Klägerin auf Fortführung beider Verfahren gedrungen hatte. Das Ausgangsgericht konnte sich damit für seine Untätigkeit nicht mehr auf die Zustimmung der Klägerin berufen. Eine weitere Verlängerung des bereits seit Oktober 2003 anhängigen Verfahrens über die Alg-Bewilligung ließ sich daher spätestens nach der Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses im Jahr 2007 jedenfalls nicht mehr mit Blick auf das Verfahren wegen Rentenantrags rechtfertigen. Denn zu diesem Zeitpunkt war jenes Verfahren ebenfalls in die Berufungsinstanz gelangt, nachdem es nach den Feststellungen des LSG bereits in der ersten Instanz zu Verzögerungen gekommen war. Die bereits eingetretene Verzögerung und die während der Aussetzung verstrichene Zeit von rund zweieinhalb Jahren bewirkten eine gesteigerte Prozessförderungspflicht des Ausgangsgerichts (vgl stattgebende Kammerbeschlüsse des BVerfG vom 20.7.2000 - 1 BvR 352/00 - NJW 2001, 214, Juris RdNr 11 und vom 22.8.2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630, Juris RdNr 32). Das LSG hat keine sachlichen Gründe dafür festgestellt, warum der zuständige Senat des Ausgangsgerichts nicht schon früher beide Verfahren gemeinsam hätte betreiben und zum Abschluss bringen können, wie er es schließlich erst im Jahr 2011 getan hat. Von vornherein keinen Rechtfertigungsgrund könnte eine etwaige Überlastung der Richter des Ausgangsgerichts liefern, falls diese die beiden genannten Berufungsverfahren wegen vieler anderer, ebenfalls und vorrangig zu erledigender Verfahren nicht vorantreiben konnten. Daraus resultiert kein Schuldvorwurf an die Richter, der im Zusammenhang mit § 198 GVG ohnehin ohne Relevanz wäre. Vielmehr ist das Land verpflichtet, die Gerichte ausreichend mit Personal und Sachmitteln auszustatten.
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hh) Nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Entschädigungsgericht wird dieses Folgendes berücksichtigen müssen: Die Bestimmung der maximal zulässigen, noch angemessenen Verfahrenslaufzeit kann jeweils nur aufgrund einer abschließenden Gesamtbetrachtung und -würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls insbesondere mit Blick auf die von § 198 Abs 1 S 2 GVG benannten Kriterien erfolgen (vgl Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1, RdNr 28; BVerwG Urteil vom 27.2.2014 - 5 C 1/13 D - Juris RdNr 28). Die Feststellung längerer Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten führt noch nicht zwangsläufig zu einer unangemessenen Verfahrensdauer. Handelt es sich bei den genannten Zeiten bereits um Verzögerungen im Sinne des GVG, weil sie in den Verantwortungsbereich des Gerichts fallen, so können sie in davor oder danach liegenden Verfahrensabschnitten ausgeglichen werden (vgl BGH Urteil vom 13.3.2014, aaO, Juris RdNr 33 mwN; BGH Urteil vom 13.2.2014, aaO, Juris RdNr 28 mwN; BVerwG, aaO, Juris RdNr 12; EGMR, Individualbeschwerde Nr 36853/05 - Metzele/Deutschland, amtlicher Umdruck S 7).
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Aus dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit folgt kein Recht auf sofortige Befassung des Gerichts mit jedem Rechtsschutzbegehren und dessen unverzügliche Erledigung. Bereits aus nachvollziehbaren Gründen der öffentlichen Personalwirtschaft ist es gerichtsorganisatorisch mitunter unvermeidbar, Richtern oder Spruchkörpern einen relativ großen Bestand an Verfahren zuzuweisen. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren, die bei einem Gericht anhängig oder einem Spruchkörper bzw Richter zugewiesen sind, ist insoweit schon aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art 20 Abs 3 GG bzw Art 6 Abs 1 S 1 EMRK nicht verlangt (vgl BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126). Je nach Bedeutung und Zeitabhängigkeit des Rechtsschutzziels und abhängig von der Schwierigkeit des Rechtsstreits sowie vom Verhalten des Rechtsschutzsuchenden sind ihm gewisse Wartezeiten zuzumuten. Grundsätzlich muss dabei jedem Gericht eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen (BGH Urteil vom 13.3.2014 - III ZR 91/13 - NJW 2014, 1816, Juris RdNr 34). Ebenso sind Gerichte - unter Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes - berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen, rechtlichen, persönlichen oder organisatorischen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als dringlicher anzusehen als die Entscheidung anderer Fragen, auch wenn eine solche zeitliche "Bevorzugung" einzelner Verfahren jeweils zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt.
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Obwohl die maßgebliche Gesamtabwägung nach den Vorgaben des § 198 Abs 1 S 2 GVG in jedem Einzelfall durchzuführen ist und der Gesetzgeber von der Einführung bestimmter Grenzwerte (Fristen) für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen hat (vgl BT-Drucks 17/3802 S 18; Senatsurteile vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1 und B 10 ÜG 2/12 KL - jeweils zu RdNr 25 ff mwN), lässt es sich zur Gewährleistung möglichst einheitlicher Rechtsanwendung und damit aus Gründen der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit andererseits nicht vermeiden, in Entschädigungssachen zeitraumbezogene Konkretisierungen vorzunehmen. Dies jedenfalls dort, wo derartige Konkretisierungen aufgrund vorgefundener Übereinstimmungen sowohl in der Struktur zahlreicher sozialgerichtlicher Verfahren als auch ihrer Bearbeitung durch die Gerichte vertretbar sind (vgl dazu BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, Juris RdNr 64). Der Senat geht zu diesem Zweck aufgrund der besonderen Natur sozialgerichtlicher Verfahren derzeit von folgenden Grundsätzen aus: Die persönliche und sachliche Ausstattung der Sozialgerichte muss einerseits so beschaffen sowie die gerichtsinterne Organisation der Geschäfte (Geschäftsverteilung, Gestaltung von Dezernatswechseln etc) so geregelt sein, dass ein Richter oder Spruchkörper die inhaltliche Bearbeitung und Auseinandersetzung mit der Sache wegen anderweitig anhängiger ggf älterer oder vorrangiger Verfahren im Regelfall nicht länger als zwölf Monate zurückzustellen braucht. Die systematische Verfehlung dieses Ziels ist der Hauptgrund dafür, dass die für Ausstattung der Gerichte zuständigen Gebietskörperschaften Bund und Land mit den Kosten der Entschädigungszahlungen belastet werden, wenn Gerichtsverfahren eine angemessene Dauer überschreiten.
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Eine Verfahrensdauer von bis zu zwölf Monaten je Instanz ist damit regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden kann. Diese Zeitspanne muss und wird in der Regel nicht vollständig direkt im Anschluss an die Erhebung der Klage bzw die Einlegung der Berufung liegen, in der das Gericht normalerweise für einen Schriftsatzwechsel sorgt und Entscheidungsunterlagen beizieht. Die Vorbereitungs- und Bedenkzeit kann vielmehr auch am Ende der jeweiligen Instanz liegen und in mehrere, insgesamt zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein. Für diese Zwölfmonatsregel spricht ua die Regelung des § 198 Abs 5 S 1 GVG; danach kann eine Klage zur Durchsetzung des Anspruchs aus Abs 1 der Vorschrift frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Eine gewisse Vorbereitungs- und Bedenkzeit der Gerichte akzeptiert auch der EGMR, dessen Rechtsprechung maßgeblich dem ÜGG zugrunde liegt. Wie die Analyse seiner Urteile zeigt, beanstandet der Gerichtshof regelmäßig nicht die Dauer solcher Verfahren, die nicht besonders eilbedürftig sind und die je Instanz nicht länger als 2 Jahre und insgesamt nicht länger als 5 Jahre dauern (vgl F. Calvez, Length of court proceedings in the member States of the Council of Europe based on the case law of the European Court of Human Rights, 2. Aufl 2012, S 66 mwN; vgl Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, Art 6 RdNr 249 mwN; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl 2011, Art 6 RdNr 199). Nicht jede Periode gerichtlicher Untätigkeit führt nach der Rechtsprechung des EGMR zwingend zu einem Entschädigungsanspruch; vielmehr ist sie in einem gewissen Verfahrensstadium vertretbar, solange die Gesamtverfahrensdauer nicht als überlang erachtet werden kann (vgl ua EGMR, Individualbeschwerde Nr 32842/96 Nuutinen/Finnland, RdNr 110; Individualbeschwerde Nr 7759/77 Buchholz/Deutschland, RdNr 63).
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Beruht die Verfahrensdauer, die die genannte Dauer von zwölf Monaten je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung (zB Zeit für Einholung von Auskünften, Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Beiziehung von Akten) oder wird sie maßgeblich durch das Verhalten des Klägers, anderer Verfahrensbeteiligter oder Dritter verlängert, so macht selbst dies die Verfahrensdauer in der Regel ebenfalls noch nicht unangemessen. Anderes gilt für Zeiten, in denen eine Sache über zwölf Monate hinaus ("am Stück" oder immer wieder für kürzere Zeiträume) ohne sachlichen Grund "auf Abruf" liegt, ohne dass das Verfahren zeitgleich inhaltlich betrieben wird, oder sich auf sog Schiebeverfügungen beschränkt.
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Die genannten Orientierungswerte gelten allerdings nur, wenn sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien von § 198 Abs 1 S 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen. Damit ändert die Zwölfmonatsregel nichts am Vorrang der Einzelfallbetrachtung, sondern verschiebt lediglich die sachlichen Anforderungen an die Verfahrensförderung entlang zeitlicher Grenzen.
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Nach diesen Vorgaben tragen die Feststellungen des LSG nicht seinen Schluss, das Verfahren über die Alg-Bewilligung habe auch nach seiner Wiederaufnahme in der Berufungsinstanz mit Blick auf das gleichzeitig anhängige Verfahren keine Verzögerungen aufgewiesen und deshalb nicht unangemessen lange gedauert.
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Bei der noch ausstehenden abschließenden Gesamtabwägung hinsichtlich des Verfahrens wegen Alg-Bewilligung darf das LSG dem Ausgangsgericht gleichwohl eine ausreichende Vorbereitungs- und Bedenkzeit einräumen, die nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden muss. Das LSG wird allerdings zu erwägen haben, ob insoweit die vom Senat regelmäßig akzeptierte Zeitspanne von zwölf Monaten noch angemessen ist, oder ob nach den besonderen Umständen dieses Einzelfalls, insbesondere wegen der bereits verstrichenen Dauer des Verfahrens, des Alters und der besonderen Lebenssituation der älteren Klägerin an der Schwelle zwischen Arbeitsleben und Rentenbezug und der daraus resultierenden Bedeutung beider Verfahren für sie nicht ausnahmsweise eine kürzere oder gar keine Vorbereitungs- und Bedenkzeit anzusetzen ist.
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Sollte das LSG nach diesen Grundsätzen im wieder eröffneten Klageverfahren zu dem Schluss einer unangemessenen Dauer auch des Verfahrens wegen Alg-Bewilligung kommen, so wird es zusätzlich die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben, ob die Klägerin deswegen einen Nachteil iS von § 198 Abs 1 S 1 GVG erlitten hat und dafür eine angemessene Entschädigung verlangen kann. Nachteil iS des Abs 1 sind dabei ua sämtliche immateriellen Folgen eines überlangen Verfahrens; dazu gehört nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insbesondere die seelische Unbill durch die lange Verfahrensdauer (Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802 S 19). Ein solcher Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs 2 S 1 GVG vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hier wird das LSG gegebenenfalls prüfen müssen, ob Umstände vorliegen, die - anders als nach seinen Feststellungen im Fall des überlangen Verfahrens wegen Rentenantragstellung - geeignet erscheinen, die gesetzliche Vermutung des § 198 Abs 2 S 1 GVG (vgl Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1, SozR 4-1500 § 202 Nr 1) zu widerlegen.
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Weitere Voraussetzung für den von der Klägerin verfolgten Entschädigungsanspruch ist es nach § 198 Abs 2 S 2 GVG, dass eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Abs 4 dieser Vorschrift nicht ausreichend ist, insbesondere nicht gemäß § 198 Abs 4 S 1 GVG durch Feststellung des Entschädigungsgerichts, die Verfahrensdauer sei unangemessen lang gewesen. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1, SozR 4-1500 § 202 Nr 1 mwN), kommt bei festgestellter Überlänge eines Gerichtsverfahrens eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens aber nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verfahren beispielsweise für den Entschädigungskläger keine besondere Bedeutung hatte oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat. Insoweit weist der Senat angesichts des Beklagtenvortrags im Revisionsverfahren vorsorglich auf Folgendes hin: Die Bedeutung des Verfahrensausgangs für den Entschädigungskläger lässt sich jedenfalls nicht mit Blick auf die fehlenden Erfolgsaussichten verneinen. Der Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit soll ua gerade eine lange Unsicherheit des Entschädigungsklägers über seine Ansprüche und die damit verbundenen seelischen Folgen (vgl Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802 S 19) vermeiden.
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Schließlich wird das Entschädigungsgericht gegebenenfalls zu entscheiden haben, ob der von § 198 Abs 2 S 3 GVG vorgesehene Regelbetrag von 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung eines Verfahrens nach den vom LSG festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls gemäß § 198 Abs 2 S 4 GVG unbillig ist, hier wegen der Existenz zweier inhaltlich eng verknüpfter, überwiegend gleichzeitig ablaufender Gerichtsverfahren. Einerseits hat das LSG insoweit die Bedeutung des Verfahrens wegen Alg-Bewilligung bereits bei der Bemessung der Entschädigung für die unangemessene Dauer des Verfahrens wegen Rentenantragstellung berücksichtigt. Andererseits eröffnet S 4 nur für Ausnahmefälle die Möglichkeit, von der 1200 Euro-Pauschale nach oben oder nach unten abzuweichen (vgl Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802 S 20; vgl Marx/Roderfeld, aaO, § 198 GVG RdNr 82, der von atypischen Sonderfällen spricht).
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3. Der Senat musste die Revision im Übrigen zurückweisen. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Teils, der sich auf das Klageverfahren wegen der Alg-Bewilligung bezieht (dazu oben II.2. c, gg), sondern auch, soweit sich die Revision auf die Gewährung weiterer Entschädigung aufgrund der Dauer des Verfahrens wegen Rentenantragstellung richtet. Wegen der Dauer dieses Gerichtsverfahrens hat die Klägerin keinen Anspruch auf höhere Entschädigung. Vielmehr hat das LSG insoweit die Kriterien des § 198 Abs 1 S 2 GVG jedenfalls sinngemäß zutreffend berücksichtigt und die erforderliche Gesamtabwägung fehlerfrei getroffen.
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Es hat insbesondere die Prozessleitung des Ausgangsgerichts rechtsfehlerfrei gewürdigt und Verzögerungen von 23 Monaten für das erstinstanzliche und 29 Monaten für das Berufungsverfahren festgestellt. Die zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen über die Zeiten gerichtlicher Untätigkeit ohne sachlichen Grund binden den Senat nach § 163 SGG. Das LSG hat auch keine besonderen Umstände des Einzelfalls aufgezeigt, die insoweit längere oder kürzere Vorbereitungs- und Bearbeitungszeiten als ein Jahr je Instanz rechtfertigen würden. Indem es auf dieser Grundlage die maximale Verfahrenslaufzeit je Instanz auf ein Jahr begrenzt und nicht nur Zeiten fehlender, sondern darüber hinaus solche aktiver Verfahrensförderung eingerechnet hat, hat es zu Gunsten der Klägerin sogar einen noch strengeren als den vom Senat entwickelten Maßstab angelegt. Dies begünstigt diese jedoch lediglich und verhilft ihrer Revision daher nicht zum Erfolg. Ihre Forderung, unterschiedslos jede Zeit ohne sichtbaren Verfahrensfortgang als Verzögerung zu entschädigen und deshalb nicht einmal eine vom LSG berücksichtigte einjährige Bearbeitungs- und Vorbereitungsfrist anzuerkennen, überspannt die aus Art 6 EMRK sowie Art 19 Abs 4 GG abzuleitenden Anforderungen an Rechtsschutz in angemessener Zeit.
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Die ausdrückliche Feststellung der zeitlich konkretisierten unangemessenen Dauer der Ausgangsverfahren im Tenor des angefochtenen Urteils hat allerdings weder eine Grundlage im SGG noch im GVG. Denn eine Feststellungsklage nach § 55 SGG und damit auch ein entsprechender Feststellungstenor sind neben der auf Entschädigung gerichteten Leistungsklage nach allgemeinen Grundsätzen unzulässig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das streitige Rechtsverhältnis als Teilelement oder Vorfrage eines ohnehin anhängigen Rechtsstreits geltend gemacht wird (vgl BSG Urteil vom 20.4.2010 - B 1/3 KR 22/08 R - BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, SozR 4-6020 Art 6 Nr 4, SozR 4-1500 § 55 Nr 8, SozR 4-2500 § 18 Nr 6; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 55 RdNr 9 mwN).
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Nichts anderes ergibt sich hier entgegen der Ansicht des LSG aus der Sonderregelung des § 198 Abs 4 GVG. Nach dieser Vorschrift ist eine Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, nur in drei Fällen zulässig, die auf der Grundlage der Feststellungen des LSG allesamt nicht vorliegen: Bei Wiedergutmachung in anderer Weise als durch Geldzahlungen, in besonders schwerwiegenden Fällen oder bei Fehlen einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 198 Abs 3 GVG. Für die vom LSG offenbar beabsichtigte analoge Rechtsanwendung der Regelung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke (vgl dazu allgemein BSG Urteil vom 4.5.1999 - B 4 RA 55/98 R - SozR 3-2600 § 34 Nr 1 unter Hinweis auf BSG SozR 4100 § 107 Nr 4 S 4 f). Denn den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Feststellungsantrags für den Normalfall der entschädigungspflichtigen Überlänge nur versehentlich nicht geregelt hätte (vgl Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802 S 22). Er betrachtet vielmehr die Feststellung der Überlänge als eine Art "kleinen Entschädigungsanspruch" und damit als ein Weniger im Verhältnis zum Anspruch auf Entschädigung in Geld (vgl Marx/Roderfeld, aaO, § 198 GVG RdNr 90). Die von ihm geregelten Möglichkeiten des Feststellungstenors stehen somit in einem abgestuften System. In Konstellationen, in denen Anspruch auf Entschädigung in Geld trotz festgestellter Überlänge nicht durchgreift, verschafft die Feststellung "dass die Verfahrensdauer unangemessen war" ein Mindestmaß an Genugtuung und Sanktion für die Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit. Für den Normalfall der entschädigungspflichtigen Überlänge erfüllt nach der Einschätzung des Gesetzgebers die Verurteilung zur Entschädigung diese Zwecke ausreichend. In schwerwiegenden Fällen soll dagegen die Feststellung der Überlänge dem Entscheidungsträger zusätzliche Genugtuung verschaffen (vgl Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802 S 22). Da sich alle drei Konstellationen maßgeblich unterscheiden und der Gesetzgeber durch das von ihm gewählte, abgestufte System einen sachlichen Grund für die Verwendung des Feststellungstenors nur bei leichten und schwerwiegenden Fällen geregelt hat, vermag die vom LSG gewählte Analogie den Senat nicht zu überzeugen.
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Gleichwohl hat das Urteil des LSG hinsichtlich seiner Feststellungsaussprüche in der Revision Bestand, weil diese die Klägerin lediglich begünstigen und der Beklagte keine Revision eingelegt hat.
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4. Die abschließende Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.
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Das BSG hat den Streitwert auch im Fall der Zurückverweisung festzusetzen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 10 KR 1/05 R). Die deshalb zu treffende Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 47 Abs 1 und 2, § 52 Abs 1 und 3 GKG. Der Senat geht von einem Streitwert von 6200 Euro aus. Dies entspricht der Entschädigungssumme, welche die Klägerin im Revisionsverfahren zusätzlich erstreiten wollte.
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