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BSG 05.08.2014 - B 9 SB 36/14 B
BSG 05.08.2014 - B 9 SB 36/14 B - Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes - Übergehen eines Beweisantrags - schriftsätzlicher Beweisantrag - Wiederholung in der mündlichen Verhandlung - rechtskundige Vertretung - Nichterscheinen des mandatierten Bevollmächtigten im Termin - Entscheidungserheblichkeit - rechtliches Gehör - Darlegungsanforderungen
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, § 103 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Lüneburg, 18. September 2012, Az: S 35 SB 100/10, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 26. März 2014, Az: L 10 SB 161/12, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. März 2014 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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Mit Urteil vom 26.3.2014 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 ab November 2008 (anstelle des mit 30 anerkannten Wertes) sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G", "B" und "RF" verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen eines Verfahrensmangels begründet.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie vorliegend - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
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Die Klägerin behauptet einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG), weil das LSG ohne hinreichende Begründung einem Beweisantrag nicht gefolgt sei. Im Hinblick auf § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG muss die Beschwerdebegründung insoweit folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrages, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweiserhebung, (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34). Diesen Erfordernissen ist die Klägerin nicht gerecht geworden. Es fehlt bereits an der hinreichenden Bezeichnung eines vor dem LSG gestellten und bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrages.
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Nach dem Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann das Übergehen eines Beweisantrages nur dann ein Verfahrensmangel sein, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 9, 20, 31 sowie BVerfG SozR 3-1500 § 160 Nr 6; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX RdNr 130). Dem Beweisantrag soll eine Warnfunktion zukommen, die er nicht erfüllt, wenn er zwar in einem früheren Verfahrensstadium schriftlich gestellt wurde, im Entscheidungszeitpunkt selbst aber nicht mehr erkennbar weiter verfolgt wird. Das Übergehen eines Beweisantrags iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG liegt daher zumindest bei rechtskundig vertretenen Beteiligten nur dann vor, wenn der Beweisantrag in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt gestellt bzw wiederholt wurde, in dem feststand, dass das LSG von sich aus keine Ermittlungen mehr durchführen würde. Wird ein zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt, so gilt er bei einem rechtskundig vertretenen Beteiligten als erledigt (vgl Becker, Die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG [Teil II], SGb 2007, 328, 331 mwN zu Fußnote 177 und 178).
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Diesen Vorgaben wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Zwar verweist die Klägerin darauf, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 26.3.2014 nur deren Ehemann als Bevollmächtigter erschienen sei und behauptet, das LSG habe ihr Schreiben vom 14.1.2014 dahingehend gewertet, "dass die Klägerin nunmehr ohne anwaltlichen Prozessbevollmächtigten ist". Denn mit diesem Schreiben habe sie ihren Ehemann bevollmächtigt, ihre Interessen zu vertreten und mitgeteilt, "dass der Prozessbevollmächtigte nicht mehr Mitglied der Sozietät sei und für sie nicht mehr erreichbar". Damit behauptet die Klägerin aber nicht, ihrem Prozessbevollmächtigten das Mandat entzogen zu haben. Entsprechend wird auch im Rubrum des LSG der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weiterhin aufgeführt. Auch teilt die Klägerin im Rahmen ihrer Nichtzulassungsbeschwerde selbst mit, dass der ehemalige Sozius ihres Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 20.12.2013 dessen neue Adresse mitgeteilt hat. Damit war die Klägerin im Berufungsverfahren weiterhin anwaltlich vertreten und hat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 26.3.2014 keinen Beweisantrag gestellt. Selbst wenn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht zum Termin der mündlichen Verhandlung erschienen ist, kann die Klägerin nicht so behandelt werden wie ein Beteiligter, der nicht von einem berufsmäßigen Rechtsvertreter vertreten wird (vgl hierzu zB BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1). Es hätte insbesondere keine nennenswerte Schwierigkeit dargestellt, die von der Klägerin behaupteten anwaltlichen Beweisanträge mit Schriftsatz vom 19.7.2013 und 5.9.2013 neben einem Sachantrag auch noch hilfsweise zu wiederholen. Eine nicht ordnungsgemäße Ladung ihres Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin selbst nicht behauptet.
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Selbst wenn man - entsprechend dem Vortrag der Klägerin - in dem in der Sitzung vom 26.3.2014 überreichten Schreiben "Aufstellung von Dingen/Tätigkeiten, die der Klägerin nicht mehr möglich sind" einen Beweisantrag im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG sehen wollte, so fehlt es aber auch an der Darlegung konkreter Punkte des Beweisthemas und der Benennung eines konkreten Sachverständigen, dessen Anhörung das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sein soll und welches Ergebnis im Falle einer konkreten Befragung zu erwarten gewesen wäre (sog Entscheidungserheblichkeit). Denn das LSG ist als letztinstanzliche Tatsacheninstanz nur dann einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt, wenn es sich hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Insoweit hätte es des klägerseitigen Vortrages bedurft, weshalb nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden haben soll (vgl Becker aaO, SGb 2007, 328, 332 zu Fußnote 188 unter Hinweis auf BSG Beschluss vom 14.12.1999 - B 2 U 311/99 B - Juris mwN). Dies hat die Klägerin ebenfalls versäumt. Die bloße Darlegung, weshalb aus ihrer Sicht weitere Ermittlungen zur MCS-Erkrankung erforderlich gewesen wären, entspricht diesem Erfordernis nicht (vgl BSG Beschluss vom 4.12.2006 - B 2 U 227/06 B - RdNr 3). Eine Auseinandersetzung mit der rechtlichen Sicht des LSG zur erforderlichen Ermittlung der funktionellen Auswirkungen der bei der Klägerin bestehenden Erkrankungen erfolgt nicht. So hat sich das LSG in seiner Entscheidung auf Seite 7 und 8 mit den möglichen Folgen einer MCS-Erkrankung als nicht psychische Erkrankung auseinander gesetzt und mangels Anhaltspunkten für hieraus resultierende funktionelle Auswirkungen der Erkrankung an den Haltungs- und Bewegungsorganen weitere - von der Klägerin abgelehnte - Ermittlungen auf psychischem Fachgebiet für erforderlich gehalten. Tatsächlich kritisiert die Klägerin damit nur die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG), womit sie nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen kann. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin eine unzureichende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
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Im Übrigen ist das LSG auch in Anbetracht der Regelungen der §§ 106 Abs 1 und 112 SGG nicht verpflichtet, auf die Stellung eines Beweisantrags hinzuwirken (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13).
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Soweit die Klägerin eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) durch das LSG darin sehen wollte, dass dieses ihre Beweisanträge vor dem LSG übergangen habe, genügt ihr Vorbringen ebenfalls nicht den Darlegungserfordernissen. Mit dieser Rüge könnte die Klägerin nur dann durchdringen, wenn sie vor dem LSG alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 62 RdNr 11d mwN). Die Klägerin hat es aber versäumt - wie oben ausgeführt - darzulegen, dass sie in der mündlichen Verhandlung vom 26.3.2014 vor dem LSG einen ordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt sowie bis zum Schluss aufrecht erhalten hat, aufgrund dessen ein konkreter Sachverständiger befragt werden sollte und dass die an diesen zu stellenden konkreten Fragen objektiv sachdienlich sind.
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Die Beschwerde ist daher ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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