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BSG 25.10.2012 - B 9 V 14/10 B
BSG 25.10.2012 - B 9 V 14/10 B - Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - notwendige Beiladung der Krankenkasse - soziales Entschädigungsrecht - Erstattung von Reisekosten - Behandlung im Krankenhaus - schädigungsbedingtes oder schädigungsunabhängiges Leiden - Mitwirkungspflicht des Klägers - Zurückverweisung
Normen
§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG, § 75 Abs 2 Alt 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 10 Abs 2 BVG, § 18c Abs 1 S 3 BVG, § 24 BVG, § 4 SGB 9, § 5 Nr 1 SGB 9, § 14 SGB 9, § 26 Abs 2 SGB 9, § 53 SGB 9, SGB 5
Vorinstanz
vorgehend SG Aachen, 5. Januar 2010, Az: S 12 (25,3) V 196/08, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 17. September 2010, Az: L 13 VE 10/10, Urteil
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. September 2010 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für Fahrten des Klägers zur Behandlung in einem Krankenhaus in Nassau in der Zeit vom 8.10.2001 bis 9.11.2001.
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Den entsprechenden Antrag des Klägers vom 22.11.2001 lehnte das beklagte Land - nach erfolgreicher Untätigkeitsklage - mit Bescheid vom 17.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.9.2008 ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Seit dem 1.1.1998 sei die Versorgungsverwaltung nur noch zuständig für Fußpflege, Zahnersatz, Ergotherapie, Bewegungstherapie und Sprachtherapie sowie die dazu gehörenden Fahrtkosten. Alle anderen Heilbehandlungsmaßnahmen und die entsprechenden Fahrtkosten fielen in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkassen (§ 18c Abs 1 Bundesversorgungsgesetz <BVG>).
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Das daraufhin vom Kläger angerufene Sozialgericht Aachen (SG) hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 5.1.2010 abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe - jedenfalls zur Zeit - keinen Anspruch auf die begehrte Fahrtkostenübernahme. Zwar sei die beim Kläger vorliegende Multiple Sklerose als Impfschaden anerkannt, weshalb ihm wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung zustehe. Dazu gehöre auch ein Anspruch auf Übernahme der Reisekosten, die im Zusammenhang mit einer Leistung der Heil- oder Krankenbehandlung wegen der Schädigungsfolgen entstünden. Unabhängig von der Frage, wer für diese Leistungen zuständig sei, komme im vorliegenden Fall ein Anspruch des Klägers auf Fahrtkosten nicht in Betracht, weil sich aufgrund seines prozessualen Verhaltens nicht ermitteln lasse, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Übernahme von Fahrtkosten nach § 24 BVG vorlägen.
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Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 17.9.2010 zurückgewiesen. Die zulässige Berufung sei unbegründet. Das SG sei zu Recht davon ausgegangen, dass sich ein Anspruch des Klägers auf Fahrtkostenerstattung gegen den Beklagten derzeit nicht feststellen lasse. Die Nichterweislichkeit gehe nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen zu Lasten des Klägers. Die gerichtliche Amtsermittlungspflicht ende dort, wo die Mitwirkungspflicht des Klägers beginne. Er habe indes jede weitere Amtsaufklärung durch seine auch in der Berufungsinstanz fortgesetzte beharrliche Weigerung, konstruktiv am Verfahren mitzuwirken, vereitelt. Eine Beiladung der Krankenkasse des Klägers nach § 75 SGG sei nicht erforderlich, weil der Senat angesichts des völlig unzureichenden klägerischen Vortrags einen möglichen Anspruch des Klägers gegen die Krankenkasse nicht einmal ansatzweise prüfen könne.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen eines Verfahrensmangels (Unterlassung der notwendigen Beiladung der Krankenkasse) begründet.
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II. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil ist unter Verstoß gegen die aus § 75 Abs 2 SGG folgende Pflicht zur Beiladung der Krankenkasse des Klägers ergangen.
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Der Kläger hat den geltend gemachten Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Der Verfahrensmangel liegt auch vor. Das LSG hätte vor seiner das Berufungsverfahren abschließenden Entscheidung die Krankenkasse, der der Kläger angehört, gemäß § 75 Abs 2 SGG beiladen müssen.
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Nach dieser Vorschrift sind Dritte zu einem Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (1. Alt) oder sich im Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt (2. Alt).
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Obwohl der Kläger im sozial- und landessozialgerichtlichen Verfahren offenbar nicht deutlich gemacht hat, ob er in der genannten Zeit wegen der als Schädigungsfolge anerkannten Multiplen Sklerose oder wegen eines anderen Leidens in einem Krankenhaus in N. behandelt worden ist, auf wessen Veranlassung diese Behandlung erfolgt ist und ob es sich dabei um eine ambulante oder stationäre Behandlung gehandelt hat, liegen die Voraussetzungen des § 75 Abs 2 SGG vor. Dabei kann offenbleiben, ob hier die erste oder die zweite Alternative dieser Bestimmung eingreift.
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Eine Beiladung der Krankenkasse hat zunächst grundsätzlich nach § 75 Abs 2 2. Alt SGG zu erfolgen. Ist der Kläger wegen seines sog Versorgungsleidens behandelt worden, kommt die Zuständigkeit seiner Krankenkasse gemäß § 18c Abs 1 S 3 iVm § 24 BVG in Betracht, wobei den Krankenkassen deren Aufwendungen gemäß § 19 BVG erstattet werden (nach Maßgabe des § 20 BVG in pauschaler Form). Ist der Kläger wegen eines schädigungsunabhängigen Leidens im Krankenhaus behandelt worden, kommt eine originäre Zuständigkeit seiner Krankenkasse nach den Vorschriften des SGB V in Betracht. Gemäß § 10 Abs 2 BVG kann aber - für Ansprüche von Schwerbeschädigten auf Heilbehandlung wegen nicht als Folge einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen - auch die Zuständigkeit des Beklagten gegeben sein, sofern diese Ansprüche des Schwerbeschädigten nicht gemäß § 10 Abs 7 BVG ausgeschlossen sind.
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Die Voraussetzungen des § 75 Abs 2 1. Alt SGG (einheitliche Entscheidung) können wegen der sich aus § 14 SGB IX ergebenden Rechtsfolgen erfüllt sein. Danach kann sich unabhängig von der Art des im Krankenhaus behandelten Leidens (schädigungsbedingt oder schädigungsunabhängig) eine Zuständigkeit des Beklagten ergeben. § 14 SGB IX ist anwendbar, denn es handelt sich bei notwendigen Reisekosten anlässlich einer notwendigen Krankenhausbehandlung um Leistungen der medizinischen Rehabilitation gemäß § 26 Abs 2 und § 53 SGB IX und damit um Leistungen zur Teilhabe iS der §§ 4, 5 Nr 1 SGB IX. Sollte der Beklagte nach § 14 SGB IX als sog erstangegangener Träger anzusehen sein, der den Leistungsantrag des Klägers nicht zeitgerecht an die an sich zuständige Krankenkasse weitergeleitet hat, wäre er zwar vorleistungspflichtig, die Krankenkasse aber bei einer Leistungsverpflichtung nach dem SGB V erstattungspflichtig. In diesem Fall besteht die Notwendigkeit einheitlicher Entscheidung gegenüber der Krankenkasse iS des § 75 Abs 2 1. Alt SGG (s BSG Urteil vom 26.10.2004 - B 7 AL 16/04 R - BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1).
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Die Pflicht zur Beiladung der Krankenkasse wird entgegen der Auffassung des LSG nicht dadurch aufgehoben, dass der Kläger seinen Mitwirkungspflichten weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren hinreichend nachgekommen sein mag. Ersichtlich ging und geht es um die Erstattung notwendiger Reisekosten anlässlich der Behandlung des Klägers in einem Krankenhaus, so dass die Möglichkeit eines Anspruchs des Klägers gegen seine Krankenkasse naheliegt. Hinzu kommt, dass die Beiladung der Krankenkasse und deren Stellungnahme möglicherweise zu einer weiteren Klärung des Sach- und Streitstandes hätten beitragen können.
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Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles von dieser Möglichkeit Gebrauch.
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Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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