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BSG 29.09.2011 - B 1 KR 1/11 R
BSG 29.09.2011 - B 1 KR 1/11 R - Sozialgerichtliches Verfahren - Erledigung der Hauptsache vor endgültiger Klärung der Senatszuständigkeit - Zuständigkeit des in der Hauptsache angegangenen Senats für Nebenentscheidungen - Kostengrundentscheidung - Klagerücknahme durch nicht Kostenprivilegierten - Kostentragungspflicht - außergerichtlicher Vergleich - Abänderbarkeit - Streitwertfestsetzung - Streit über die Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Behandlung
Normen
§ 197a Abs 1 S 1 SGG, § 197a Abs 1 S 2 SGG, § 102 SGG, § 10 SGG, § 155 Abs 2 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, § 42 Abs 2 GKG 2004, § 47 GKG 2004, § 52 GKG 2004, § 116b Abs 2 SGB 5
Vorinstanz
vorgehend SG Dresden, 27. Oktober 2010, Az: S 18 KR 312/10, Urteil
Leitsatz
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1. Erledigt sich die Hauptsache vor der endgültigen Klärung der Senatszuständigkeit, hat der Spruchkörper die Nebenentscheidungen zu treffen, der in der Hauptsache angegangen war.
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2. Die Kostentragungspflicht desjenigen, der als nicht Kostenprivilegierter eine Klage zurücknimmt, ist nicht durch einen außergerichtlichen Vergleich mit Wirkung für das Außenverhältnis zwischen Gericht und Beteiligte abänderbar.
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3. Steht die Bestimmung eines zugelassenen Krankenhauses zur ambulanten Behandlung nach § 116b Abs 2 SGB 5 im Streit, bemisst sich der Streitwert in Ermangelung näherer Anhaltspunkte mit 60 000 Euro.
Tenor
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Der Kläger trägt die Kosten in allen Rechtszügen. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 7. sind nicht zu erstatten.
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Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 60 000 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Der Kläger, Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt "Gynäkologische Onkologie", nimmt seit 1.7.2005 mit Praxissitz in C. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Beigeladene zu 1. ist Trägerin eines in den Krankenhausplan aufgenommenen Krankenhauses der Schwerpunktversorgung in C. Auf Antrag der Beigeladenen zu 1. bestimmte der beklagte Freistaat Sachsen die Beigeladene zu 1. gemäß § 116b Abs 2 SGB V ab dem 1.2.2009 zur ambulanten Diagnostik und Versorgung von Patienten mit näher bezeichneten Tumoren und sekundären bösartigen Neubildungen (Bescheid vom 20.1.2009). Auf die Klage gegen die Bestimmung zur Diagnostik und Versorgung von Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren hat das SG den Bescheid vom 20.1.2009 teilweise aufgehoben, den Beklagten verurteilt, insoweit über den Antrag der Beigeladenen zu 1. unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts neu zu entscheiden und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 27.10.2010).
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Die Beigeladene zu 1. und der Beklagte haben die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Außergerichtlich haben sie sich sodann mit dem Kläger ua dahingehend verglichen, dass der Kläger die Klage zurücknimmt, die Kosten des Rechtsstreits vor dem SG nach Maßgabe des erstinstanzlichen Urteils getragen werden, die Beigeladene zu 1. die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens trägt und außergerichtliche Kosten dort nicht zu erstatten sind. Der Kläger hat daraufhin im Revisionsverfahren die Klage zurückgenommen und Streitwertfestsetzung beantragt.
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II. 1. Erledigt sich - wie hier - die Hauptsache vor der endgültigen Klärung der Senatszuständigkeit, hat der Spruchkörper die Nebenentscheidungen zu treffen, der in der Hauptsache angegangen war (vgl BSG Beschluss vom 21.7.2011 - B 3 KR 36/09 B - RdNr 66).
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2. Der erkennende Senat hat aufgrund der im Revisionsverfahren erklärten Klagerücknahme über die Kosten zu entscheiden und den Streitwert festzusetzen: Gehört in einem Rechtszug - wie hier - weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben; die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der VwGO sind entsprechend anzuwenden (§ 197a Abs 1 Satz 1 SGG). Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs 2 der VwGO keine Anwendung (§ 197a Abs 1 Satz 2 SGG). Nach § 161 Abs 1 VwGO hat das Gericht, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.
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3. Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 155 Abs 2 und § 162 Abs 3 VwGO. Wer ua eine Klage zurücknimmt, hat nach § 155 Abs 2 VwGO die Kosten zu tragen. Diese Regelung ist im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 197a Abs 1 SGG nicht durch einen außergerichtlichen Vergleich mit Wirkung für das Außenverhältnis zwischen Gericht und Beteiligten abänderbar. Weicht der Inhalt eines außergerichtlichen Vergleichs von dieser gesetzlichen Kostenfolge ab, wie es hier die Beteiligten vorgesehen haben, bleibt es ihnen im Innenverhältnis untereinander unbenommen, eine abweichende Kostenregelung zu treffen und umzusetzen. Der gerichtliche Kostenausspruch bleibt indes hiervon unberührt. Dafür sprechen nicht nur der Wortlaut der Regelung, sondern auch Entstehungsgeschichte, Regelungsklarheit und das Regelungssystem. Die Regelungszwecke finden Beachtung: Dem Gericht werden keine Regelungsprobleme ohne adäquaten Kostenausgleich aufgebürdet.
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Schon nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung greift bei Klagerücknahme ausschließlich § 155 Abs 2 VwGO ein. Wie die Gesetzesmaterialien unterstreichen (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes 6. SGGÄndG> BT-Drucks 14/5943 S 29 Zu Nummer 68 <§ 197a>), stellt § 197a Abs 1 Satz 2 SGG klar, dass bei der Klagerücknahme, die nach § 102 Satz 2 SGG (heute: § 102 Abs 1 Satz 2 SGG) den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, die Kostenfolge des § 161 Abs 2 VwGO ausgeschlossen ist und damit die des § 155 Abs 2 VwGO Anwendung findet.
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Zudem knüpft das Regelungssystem des § 197a SGG für die entsprechende Anwendung der §§ 154 bis 162 VwGO an die Ersetzung der §§ 184 bis 195 SGG an. § 195 SGG betrifft ebenfalls lediglich den gerichtlichen Vergleich (BSG SozR 3-1500 § 193 Nr 10; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 9. Aufl 2008, § 195 RdNr 4 mwN). Dementsprechend verweist § 197a Abs 1 Satz 1 SGG nur für den gerichtlichen, nicht aber für den außergerichtlichen Vergleich auf § 160 VwGO (vgl Hauck in Zeihe, SGG, Stand 1.11.2010, Nach § 197a, § 160 VwGO Anm 2). Das unterscheidet die entsprechende Anwendung des § 160 VwGO im Rahmen des § 197a SGG von der unmittelbaren Anwendung des § 160 VwGO, wenn man dort die Geltungserstreckung auf außergerichtliche Vergleiche befürwortet (str, ablehnend zB OVG Münster DÖV 1960, 957 und 1981, 975; Ortloff in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 106 RdNr 74 mwN in Fn 138; aA zB Bay VGH DÖV 1980, 144 und Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl 2011, § 160 RdNr 7 mwN in Fn 7).
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Wollte man dagegen - abweichend von der Auffassung des erkennenden Senats - die grundsätzliche Abänderbarkeit der Regelung des § 155 Abs 2 VwGO im Rahmen seiner entsprechenden Anwendung nach § 197a Abs 1 SGG durch außergerichtlichen Vergleich mit Wirkung gegenüber dem Gericht bejahen, wäre eine kompliziertere Kostenverteilung vorzunehmen, die auch zwischen Gerichts- und außergerichtlichen Kosten zu unterscheiden hätte. Durch die Verbindung von Kostengrundentscheidung und Kostenfestsetzung bekämen die Beteiligten für den Inhalt des außergerichtlichen Vergleichs einen kostengünstigen Titel. Sie müssten hierfür geringere Gerichtsgebühren als beim gerichtlichen Vergleich entrichten (1,0 statt 3,0, siehe Kostenverzeichnis (KV) Nr 7131 gegenüber KV Nr 7132 Nr 3), würden aber dennoch das Gericht mit der Auslegung und Anwendung des außergerichtlichen Vergleichs belasten.
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Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 7. ist ebenso wenig veranlasst wie ihre Beteiligung an den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der übrigen Verfahrensbeteiligten. Die Beigeladenen zu 2. bis 7. haben nämlich keine Anträge gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO).
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4. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm §§ 42 Abs 2, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 1 und 2, 63 Abs 2 Satz 1 GKG. Steht - wie hier - die Bestimmung eines zugelassenen Krankenhauses zur ambulanten Behandlung nach § 116b Abs 2 SGB V im Streit, bemisst sich der Streitwert in Ermangelung näherer Anhaltspunkte mit 60 000 Euro.
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Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs 1 Satz 1 GKG idF durch Art 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts <Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG> vom 5.5.2004, BGBl I 718, in Kraft getreten am 1.7.2004 gemäß Art 8 Satz 1 KostRMoG), hier also nach dem übereinstimmenden Klageabweisungsinteresse des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. Der Streitwert ist - soweit vorliegend von Interesse - durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt (§ 47 Abs 2 Satz 1 GKG). Nach dem Rechtsgedanken des § 52 Abs 1 GKG ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Rechtsmittelführers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Für die Bedeutung ist der wirtschaftliche Wert der streitigen Bestimmung nach § 116b Abs 2 SGB V maßgeblich. Er ist mangels näherer Anhaltspunkte für das konkrete wirtschaftliche Interesse des betroffenen Krankenhauses mit 5000 Euro je Quartal für einen Drei-Jahres-Zeitraum zu bewerten (vgl entsprechend BSG SozR 4-1920 § 47 Nr 1).
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Nicht anders als bei vertragsärztlichen Zulassungsangelegenheiten (vgl dazu zB BSG SozR 4-1920 § 52 Nr 1) ist nämlich auch bei Streitigkeiten über Angelegenheiten nach § 116b SGB V in Anlehnung an § 42 Abs 2 GKG (idF durch Art 47 Abs 1 Nr 7 Buchst a und b nach Maßgabe des Art 111 Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit <FGG-Reformgesetz - FGG-RG> vom 17.12.2008, BGBl I 2586 mWv 1.9.2009) pauschal von einem Drei-Jahres-Zeitraum auszugehen, wenn keine Anhaltspunkte für einen kürzeren Zeitraum bestehen. Denn nach § 42 Abs 2 GKG ist in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.
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