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BSG 27.09.2011 - B 4 AS 137/11 B
BSG 27.09.2011 - B 4 AS 137/11 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage - grundsätzliche Bedeutung und Divergenz - Kostenerstattung im Vorverfahren - Bescheide Gegenstand eines früheren Verfahrens - fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 86 SGG, § 63 SGB 10
Vorinstanz
vorgehend SG Gotha, 22. August 2007, Az: S 37 AS 2183/06, Gerichtsbescheid
vorgehend Thüringer Landessozialgericht, 27. Januar 2011, Az: L 9 AS 548/08, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 27. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Die Kläger bilden eine aus zwei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft. Am 24.11.2005 bewilligte der Beklagte ihnen Alg II in Höhe von ca 870 Euro für den Monat Januar 2006 und jeweils 990 Euro für die Monate Februar bis Juni 2006. Mit ihrem Widerspruch vom 5.12.2005 rügten die Kläger die Einkommensberücksichtigung für den Monat Januar 2006 in Höhe von 145 Euro. Durch Änderungsbescheid vom 16.2.2006 änderte der Beklagte die Leistungshöhe für die Monate März bis Juni 2006 auf 935 Euro monatlich ab. Der Bescheid war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Im Widerspruch vom 21.2.2006 machten die Kläger unberücksichtigt gebliebenes schwankendes Einkommen der Klägerin zu 1. geltend. Durch Bescheid vom 21.3.2006 änderte der Beklagte die Zahlbeträge erneut. Für die Monate Januar und Februar 2006 verblieb es bei der bisherigen Höhe, für März 2006 bewilligte er ca 990 Euro und ab April bis Juni 2006 ca 1000 Euro monatlich. Auch dieser Bescheid war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. In ihrem Widerspruch rügten die Kläger erneut die unzutreffende Einkommensberücksichtigung für den Monat Januar 2006. Durch Widerspruchsbescheide vom 28.6.2006 wies der Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 16.2.2006 und 21.3.2006 als unzulässig zurück. Die Bescheide seien nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens bezüglich des Bescheides vom 24.11.2005 geworden. Wegen der Erfolglosigkeit der Widersprüche seien keine Kosten nach § 63 SGB X zu erstatten. Diese Entscheidung haben die Kläger am 7.7.2006 vor dem SG angefochten (S 37 AS 2183/06).
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Zwischenzeitlich erließ der Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid vom 28.9.2006 und wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.11.2005 zurück. In dem sich hieran anschließenden Klageverfahren erkannte er in einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 23.7.2007 den "Anspruch insgesamt" an (S 29/37 AS 3943/06). Die Kläger nahmen das Anerkenntnis an.
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Im Verfahren wegen der Kostenerstattung (S 37 AS 2183/06) hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 22.8.2007 abgewiesen. Das Thüringer LSG hat die Berufung der Kläger hiergegen durch Urteil vom 27.1.2011 mit der Begründung zurückgewiesen, die Widersprüche seien im Hinblick auf § 86 SGG unzulässig gewesen. Hieraus folge, dass kein Kostenerstattungsanspruch bestehe, denn § 63 SGB X setze hierfür den Erfolg des Widerspruchs voraus. Es liege auch kein Fall des § 41 SGB X vor - eine Erweiterung der Vorschrift auf eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung komme nicht in Betracht. Zudem sei ein anderes Klageverfahren anhängig gewesen und dort hätte im Rahmen von § 193 SGG auch über die Kosten der Widersprüche gegen die Bescheide, die hier Gegenstand des Vorverfahrens nach § 86 SGG geworden seien, entschieden werden müssen.
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Das LSG hat die Revision in seiner Entscheidung nicht zugelassen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde an das BSG. Sie rügen Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und machen grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen - sie ist unbegründet im Hinblick auf die Divergenzrüge.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
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Die Kläger haben zwar folgende Rechtsfrage formuliert:
"Trägt die Behörde die notwendigen Auslagen des Widerspruchsführers wenn dieser aufgrund einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung den Widerspruch erhebt und ist diese Kostenentscheidung in dem betreffenden Vorverfahren zu treffen?"
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Diese Rechtsfrage ist - wie die Kläger im Übrigen selbst ausführen - auf Grundlage der Entscheidung des BSG vom 18.12.2001 (B 12 KR 42/00 R) zu beantworten. Der dortige Leitsatz 1 lautet: "Sind Bescheide bereits Gegenstand eines früheren Gerichtsverfahrens gewesen, so ist über die Kosten der Widersprüche gegen diese Bescheide in der Kostenentscheidung für jenes Verfahren mitentschieden worden. Eine gesonderte Erstattung der Kosten nach § 63 SGB X kommt nicht in Betracht, auch soweit der Kläger durch die Rechtsbehelfsbelehrung zur Einlegung von Widersprüchen veranlasst worden sein sollte." Hieraus folgt umgekehrt, dass dann, wenn die Bescheide nicht Gegenstand eines früheren Gerichtsverfahrens waren, ein gesondertes Verfahren nach § 63 SGB X möglich ist, auch wenn es sich um Widersprüche gegen Bescheide handelt, die nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden sind. Der Entscheidung ist zudem zu entnehmen, dass ein Widerspruch auch dann erfolgreich iS des § 63 SGB X ist, wenn der Beklagte durch die Rechtsmittelbelehrung den Eindruck erweckt hat, die Bescheide seien mit einem Widerspruch anfechtbar - alsdann sei die Einlegung der Widersprüche durch das Verhalten des Beklagten verursacht worden.
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Auch mit der Divergenzrüge vermögen die Kläger nicht durchzudringen. Sie haben zwar als Rechtssatz des LSG herausgearbeitet:
"Wird ein Widerspruch aufgrund einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung erhoben und als unzulässig zurückgewiesen, bleibt der Widerspruch erfolglos und Kosten sind in Anwendung von § 63 SGB X nicht zu erstatten. Eine Berücksichtigung der zusätzlichen Aufwendungen des Widerspruchsführers kann allenfalls in einem Verfahren über einen zulässigen Widerspruch erfolgen."
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Dem stellen sie den Rechtssatz des BSG entgegen:
"Wird ein Widerspruch aufgrund einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung erhoben, so trägt die Behörde die Kosten des Widerspruchsverfahrens auch dann, wenn der Widerspruch iS des § 63 SGB X nicht erfolgreich war. In den betreffenden Vorverfahren ist eine eigenständige Kostenentscheidung zu treffen."
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Die Entscheidung des LSG beruht jedoch nicht auf dem von den Klägern herausgearbeiteten Rechtssatz (vgl zum Beruhen BSG, SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67). Das LSG hat in seiner Entscheidung ausgeführt, § 41 SGB X sei nicht auf eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung auszudehnen, der Widerspruch bleibe - soweit nicht materiell-rechtliche Gesichtspunkte den Ausschlag zugunsten des Widerspruchsführers gegeben hätten - erfolglos. Dieses hat der 13. Senat des BSG für den Fall eines Widerspruchs entschieden, der gegen einen Bescheid gerichtet war, der Gegenstand eines Gerichtsverfahrens geworden ist. Das LSG folgt damit der Entscheidung des BSG vom 20.10.2010 (B 13 R 15/10 R), das sich insoweit der zuvor zitierten Entscheidung des 12. Senats des BSG angeschlossen hat. Das LSG hat jedoch nicht formuliert, dass die Erstattung der Aufwendungen des Widerspruchsführers allenfalls in einem Verfahren über einen zulässigen Widerspruch erfolgen könne. Es hat vielmehr konkret festgestellt, dass im vorliegenden Fall ein Rechtsstreit vor dem SG im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch anhängig gewesen sei (S 29/37 AS 3943/06) und in diesem Verfahren über die Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens hätte mitentschieden werden können. Das Gericht hat mithin auf Grundlage tatsächlicher Feststellungen, die selbst wenn sie hier unzutreffend sind, eine der Entscheidung des 13. Senats vergleichbare Rechtslage erkannt, ohne den allgemeinen Rechtssatz - der tatsächlich von dem des BSG abweichen würde - zu formulieren, dass die Kostenentscheidung allenfalls in einem Verfahren über einen zulässigen Widerspruch erfolgen könne.
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Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
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