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BVerfG 13.08.2024 - 2 BvR 44/24
BVerfG 13.08.2024 - 2 BvR 44/24 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 19 Abs 4 S 1 GG iVm Art 2 Abs 2 S 1 GG durch Versagung verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes im Asylverfahren unter Entscheidung einer strittigen Rechtsfrage (Vereinbarkeit von § 71a AsylG <RIS: AsylVfG 1992> mit Unionsrecht) - Gegenstandswertfestsetzung
Normen
Art 2 Abs 2 S 1 GG, Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 71a AsylVfG 1992, § 78 Abs 3 Nr 1 AsylVfG 1992
Vorinstanz
vorgehend VG Göttingen, 8. Januar 2024, Az: 2 B 210/23, Beschluss
vorgehend VG Göttingen, 12. Dezember 2023, Az: 2 B 210/23, Beschluss
Tenor
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Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 12. Dezember 2023 - 2 B 210/23 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Göttingen zurückverwiesen.
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Damit wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 8. Januar 2024 - 2 B 210/23 - über die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegenstandslos. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt sich.
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Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
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Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) und für das Verfahren betreffend den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 Euro (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und jesidischer Religionszugehörigkeit. Er reiste im Januar 2022 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellte am 4. Februar 2022 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag. Nach seinen Angaben, einem Treffer in dem Europäischen System für den Abgleich der Fingerabdruckdaten von Asylbewerbern – EURODAC – und einer Mitteilung des lettischen Amts für Staatsangehörigkeit und Migrationsangelegenheiten (Pilsonības un migrācijas lietu pārvalde) hatte er bereits am 9. August 2021 in der Republik Lettland einen Asylantrag gestellt, der – nach Anhörung zu den Asylgründen – abschlägig beschieden worden war. Ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsbehelf und ein weiterer Asylantrag waren erfolglos geblieben, letzteres weil der Beschwerdeführer das Land verlassen hatte.
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Das Bundesamt lehnte den Asylantrag zunächst als unzulässig ab, weil die Republik Lettland für seine Prüfung zuständig sei. Nach Ablauf der Überstellungsfrist hob es diesen Bescheid wieder auf.
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Nach informatorischer Anhörung im Rahmen der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG lehnte das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 7. November 2023 gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, forderte den Beschwerdeführer zur Ausreise binnen Wochenfrist auf, drohte ihm die Abschiebung in den Irak an und ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an, das es auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristete. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, es handele sich um einen Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylG. Der Beschwerdeführer habe seine Asylgründe bereits vollständig in seinem Asylverfahren in Lettland vorbringen können. Wiederaufgreifensgründe lägen nicht vor, weshalb ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei.
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Gegen den Bescheid des Bundesamts ging der Beschwerdeführer vor, indem er Klage erhob und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung beantragte. Zur Begründung führte er unter anderem aus, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG sei mit Art. 40 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung) (ABl EU Nr. L 180 S. 60) (im Folgenden: Asylverfahrensrichtlinie) unvereinbar, dessen Wortlaut die Möglichkeit eines Folgeverfahrens nur für Verfahren im selben Mitgliedstaat vorsehe. Angesichts fehlender Kenntnisse der Gründe, die im Rahmen eines in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Asylverfahrens vorgebracht wurden, sei faktisch nicht überprüfbar, ob Wiederaufnahmegründe vorliegen. Die entsprechenden Anhörungsprotokolle, Bescheide und Urteile würden regelmäßig – wie auch hier – nicht angefordert und übersetzt. Weiterhin seien die Mitgliedstaaten der Europäischen Union keine sicheren Drittstaaten im Sinne der §§ 71a, 26a AsylG. Auch die Europäische Kommission habe in dem Vorabentscheidungsverfahren zu dem Aktenzeichen C-8/20 die Auffassung geäußert, ein weiterer Asylantrag sei nur dann als Folgeantrag zu qualifizieren, wenn der weitere Asylantrag in demselben Mitgliedstaat gestellt worden sei, in dem der Erstantrag abgelehnt wurde. Der Europäische Gerichtshof (in den Entscheidungen zu den Verfahren mit den Aktenzeichen C-8/20 und C-497/21) und das Bundesverwaltungsgericht (in der Entscheidung zu dem Aktenzeichen BVerwG 1 C 4.16) hätten die Frage der Unionsrechtskonformität von § 71a AsylG bislang ausdrücklich offengelassen. Dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sei stattzugeben, weil die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren offen seien. Das Verwaltungsgericht Minden habe mit Beschlüssen vom 28. Oktober 2022 - 1 K 1829/21.A - und - 1 K 4316/21.A - dem Europäischen Gerichtshof die dort zu den Aktenzeichen C-123/23 und C-202/23 erfasste Frage vorgelegt, ob § 71a Abs. 1 AsylG mit der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar sei. Dies habe Verwaltungsgerichte aller Instanzen in vergleichbaren Fällen dazu veranlasst, Verfahren auszusetzen oder die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Auch das dem Verwaltungsgericht übergeordnete Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe in dem Verfahren zu dem Aktenzeichen 4 LB 102/20, in dem es im Ergebnis nicht darauf ankam, die Aussetzung des Verfahrens mit Blick auf diese Vorlagebeschlüsse erwogen.
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Mit Beschluss vom 12. Dezember 2023 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung; Abschiebungsverbote seien nicht gegeben. § 71a AsylG sei offenkundig unionsrechtskonform. Die Einzelrichterin folge den überzeugenden Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 28. Dezember 2022 - 11 LA 280/21 -. Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften seien erfüllt. Der Beschwerdeführer habe in Lettland – einem sicheren Drittstaat – erfolglos ein Asylverfahren durchgeführt, das bei Antragstellung in der Bundesrepublik bereits abgeschlossen gewesen sei. Wiederaufgreifensgründe seien nicht gegeben.
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Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts wandte sich der Beschwerdeführer, indem er Anhörungsrüge erhob und hilfsweise unter anderem nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO die Abänderung des Beschlusses beantragte. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht habe die anhängigen entscheidungserheblichen Vorlagefragen nicht zur Kenntnis genommen.
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Das Verwaltungsgericht wies mit Beschluss vom 8. Januar 2024 die Anhörungsrüge zurück und lehnte den Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 12. Dezember 2023 ab. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen darauf, mit der Anhörungsrüge sei die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Gericht nicht angreifbar. Anhängige Vorabentscheidungsverfahren führten für sich genommen nicht dazu, dass die aufschiebende Wirkung anzuordnen sei.
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II.
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Der Beschwerdeführer hat am 15. Januar 2024 Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Die angegriffenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts verletzten ihn in seinem Recht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
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1. Da der Asylantrag unter Berufung auf § 71a, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abgelehnt und dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt worden sei, ob § 71a AsylG mit Art. 33 Abs. 2 Buchstabe d in Verbindung mit Art. 2 Buchstabe q der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar sei, könne die Ablehnung des Asylantrags nur dann rechtmäßig sein, wenn § 71a AsylG mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hätte das Verwaltungsgericht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen müssen, um die verbindliche Klärung der entscheidungserheblichen Vorlagefrage durch den Europäischen Gerichtshof abzuwarten. So sei im Übrigen eine Reihe von Verwaltungsgerichten verfahren. Die angegriffenen Beschlüsse ließen zudem die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe vermissen, indem sie davon ausgingen, dass § 71a AsylG offenkundig unionsrechtskonform sei. Mehrere Verwaltungsgerichte gingen davon aus, dass es sich nicht um einen acte clair handele. In dieser Lage hätte sich das Verwaltungsgericht wenigstens kurz mit den maßgeblichen Fragen argumentativ befassen müssen.
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2. Ihm drohe aufgrund der vollziehbaren Abschiebungsandrohung die Abschiebung in den Irak, wo er als Jeside im Zusammenhang mit den Folgen des Genozids und aufgrund seiner individuellen Rückkehrsituation in seinen durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt werde.
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III.
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Die Akten des Ausgangsverfahrens und die Asylakte haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Das Niedersächsische Justizministerium, das Bundesministerium des Innern und für Heimat und das Bundesamt hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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IV.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Entscheidung liegen vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts des Beschwerdeführers – namentlich des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG – angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt; die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet.
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Der angegriffene Beschluss vom 12. Dezember 2023 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
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1. Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet den Rechtsweg gegen jede behauptete Verletzung subjektiver Rechte durch ein Verhalten der öffentlichen Gewalt. Das Grundrecht gewährt nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 118, 168 207>; 122, 248 271>; 138, 33 41 Rn. 23>; stRspr), nicht dagegen schlechthin die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen (vgl. BVerfGE 35, 382 402>; BVerfGK 5, 196 202>). Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn andernfalls dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfGE 79, 69 74>; 93, 1 13 f.>; 126, 1 27>). Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts (vgl. BVerfGE 60, 253 297>), hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), gegebenenfalls in Verbindung mit der Gewährleistung des Art. 3 EMRK im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. BVerfGE 111, 307 323 ff.>).
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Den Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes müssen die Gerichte auch bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über den verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz Rechnung tragen (vgl. BVerfGK 5, 196 201>), da dieser in besonderer Weise der Sicherung grundrechtlicher Freiheit dient (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 2019 - 2 BvQ 1/19 -, Rn. 24). Auch im Eilverfahren darf sich der Rechtsschutz nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpfen, er muss vielmehr zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führen (vgl. BVerfGE 40, 272 275>; 49, 220 226>; 61, 82 111>; 67, 43 58>; 77, 275 284>; BVerfGK 1, 201 204 f.>; 11, 54 60>). Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (vgl. BVerfG, , Beschluss vom 15. Februar 1982 - 2 BvR 1492/81 - NVwZ 1982, S. 241 f.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Mai 1998 - 2 BvR 378/98 -, Rn. 17; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. November 2018 - 2 BvR 80/18 -, Rn. 7, juris).
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Dabei ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn sich die vorzunehmende Interessenabwägung in erster Linie an der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts orientiert (vgl. BVerfGK 15, 102 107>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 -, Rn. 14; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 -; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2017 - 2 BvR 1872/17 -, jeweils Rn. 17). Strengere Anforderungen gelten, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Möchten die Gerichte sich in solchen Fällen an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, müssen sie die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfGK 5, 237 242 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 -, Rn. 12; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. November 2018 - 2 BvR 80/18 -, Rn. 7, juris; siehe auch Beschluss der 1.Kammer des Ersten Senats vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 -, Rn. 7). Eine solche abschließende Prüfung kommt allerdings nur in Betracht, wenn eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren möglich ist; andernfalls ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. BVerfGK 5, 237 242>).
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Stellen sich in einem Rechtsstreit Rechtsfragen, die schwierig und ungeklärt sind oder die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt als hoch streitig eingestuft werden müssen, so hindert dieser Umstand für sich genommen eine abschließende Prüfung im Eilverfahren nicht. Das Gericht hat allerdings in den Blick zu nehmen, dass sich eine solche Prüfung im Eilverfahren auf die Möglichkeiten des Rechtsschutzsuchenden auswirkt, die Entscheidungsfindung im Hauptsacheverfahren und im Rahmen prozessrechtlich vorgesehener Rechtsmittelverfahren zu beeinflussen; dies gilt im Asylverfahren in besonderer Weise (vgl. § 80 AsylG in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008 ). Daraus ergeben sich Anforderungen an die Begründungstiefe. Insbesondere kann eine „abschließende“ Prüfung eine – zumindest knappe – Auseinandersetzung mit dem Meinungsstand erfordern (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. November 2018 - 2 BvR 80/18 -, Rn. 8, juris; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2019 - 2 BvR 1556/17 -, Rn. 11; siehe auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Juli 2020 - 1 BvR 1094/20 -, Rn. 12).
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Stellt sich bei dieser Rechtsprüfung eine entscheidungserhebliche unionsrechtliche Frage, die im Hauptsacheverfahren voraussichtlich eine Vorlage des dann letztinstanzlich entscheidenden Gerichts an den Europäischen Gerichtshof erfordert (zu den Anforderungen an die Handhabung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Februar 2017 - 2 BvR 63/15 -, Rn. 8; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 30. März 2022 - 2 BvR 2069/21 -, Rn. 40 ff. ), so gebietet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dies im Eilverfahren bei der Prüfung der Erfolgsaussichten zu berücksichtigen (siehe auch BVerfGK 5, 196 202 f.>). Regelmäßig wird dann jedenfalls die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts – unabhängig von der eigenen, notwendig nur vorläufigen rechtlichen Einschätzung des entscheidenden Gerichts – nicht bejaht werden können (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 -, Rn. 18). Diese Grundsätze gelten auch, wenn sich ein Beschwerdeführer auf eine bereits in einem anderen Verfahren erfolgte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union beruft. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Vorlagefrage auch in seinem eigenen Verfahren entscheidungserheblich und eine Vorlage des dann letztinstanzlich entscheidenden Gerichts an den Gerichtshof der Europäischen Union im Hauptsacheverfahren – vorbehaltlich der Möglichkeit der Aussetzung im Hinblick auf die in dem bereits vorgelegten anderen Verfahren zu erwartende Klärung – erforderlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2017 - 2 BvR 1872/17 -, Rn. 20).
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2. Gemessen an diesen Maßstäben verletzt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
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Es hat in seiner unanfechtbaren (vgl. § 80 AsylG a.F.) Entscheidung schon eine dem Gewährleistungsgehalt des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG entsprechende „abschließende“ Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht vorgenommen.
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Die hier offensichtlich entscheidungserhebliche Frage, ob § 71a AsylG mit der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar ist, stellte sich im Zeitpunkt der Eilentscheidung als höchst umstritten dar (vgl. aus der Literatur etwa Camerer, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, , AsylG § 71a Rn. 1 f.; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, , AsylG § 71a Rn. 1b f.; Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, , § 71a Rn. 15 ff.; Hage, NVwZ 2022, S. 391, 392; Marx, AsylG, 11. Aufl. 2022, § 71a Rn. 3 ff.; Müller/Münch, in: Hofmann, Ausländerrecht, 3. Aufl. 2023, AsylG § 71a Rn. 5 ff.; Stern, in: Huber/Mantel , AufenthG/AsylG, 3. Aufl. 2021, AsylG § 71a Rn. 2; Vedsted-Hansen, in: Thym/Hailbronner , EU Immigration and Asylum Law, 3rd Ed. 2022, Dir. 2013/32/EU Art. 40 Rn. 4; vgl. aus der Rechtsprechung nur die durch den Beschwerdeführer im fachgerichtlichen Verfahren unter anderem genannten Judikate: BVerwG, Beschluss vom 1. August 2023 - 1 C 11.22 -; Beschluss vom 1. August 2023 - 1 C 20.22 -, juris; VGH Bayern, Beschluss vom 26. Januar 2023 - 6 AS 22.31155 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. April 2023 - 4 R 87/23 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Januar 2023 - 19 B 1030/22.A -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 4. Oktober 2023 - Au 9 S 23.30924 -, juris).
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Zwar ging, worauf das Verwaltungsgericht maßgeblich abstellt, das ihm übergeordnete Oberverwaltungsgericht in einem Berufungszulassungsverfahren davon aus, einer grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) stehe entgegen, dass die Frage, ob die Anwendung des § 71a AsylG mit Art. 33 Abs. 2 der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar sei, bereits dahingehend geklärt sei, dass § 71a AsylG – im Einklang mit der ganz überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur – mit Unionsrecht zu vereinbaren sei; die überzeugenden Ausführungen des Generalanwalts in dem Verfahren C-8/20 ließen keinen Raum für vernünftige Zweifel daran, dass es sich offenkundig um einen acte clair handele (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 28. Dezember 2022 - 11 LA 280/21 -, Rn. 10, 13-54, juris). Bei dem Verweis auf diese Entscheidung übersieht das Verwaltungsgericht jedoch, dass das Oberverwaltungsgericht keine Kenntnis von den durch das Verwaltungsgericht Minden anhängig gemachten Vorabentscheidungsverfahren hatte und diese ebenso wenig berücksichtigen konnte wie die in der Folge ergangene Rechtsprechung von Verwaltungsgerichten aller Instanzen, die sich mit den (neuen) Vorabentscheidungsverfahren auseinandersetzt. Die Vorlagebeschlüsse des Verwaltungsgerichts Minden, deren Veröffentlichungszeitpunkt nicht bekannt ist, ergingen zwei Monate vor dem in Bezug genommenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts; sie gingen im März 2023 beim Europäischen Gerichtshof ein, was erst im Juli 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union bekanntgemacht wurde (vgl. ABl EU Nr. C 261 vom 24. Juli 2023, S. 2 ff.).
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All dies hätte eine eingehendere Auseinandersetzung mit der von dem Beschwerdeführer ausdrücklich aufgeworfenen, bei dem Europäischen Gerichtshof (wenn auch in einem anderen Verfahren) anhängigen unionsrechtlichen Fragestellung und dem zwischenzeitlichen Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung erfordert. Der schlichte Verweis auf die genannte Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts übergeht die anhängigen Vorabentscheidungsverfahren, ihre möglichen Auswirkungen auf anhängige einstweilige Rechtsschutzverfahren sowie den rechtstatsächlichen Umgang anderer Verwaltungsgerichte mit ihnen. Zu alledem verhält sich die durch das Verwaltungsgericht referenzierte Entscheidung (notwendigerweise) nicht, da sie zu einem früheren Zeitpunkt erging. In dieser Lage ohne eigene erkennbare Prüfung und Begründung von offenkundiger Unionsrechtskonformität auszugehen und ohne substantiell auf die von dem Beschwerdeführer aufgeworfenen (unionsrechtlichen) Fragen einzugehen, wie es das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung tut, genügt den genannten Anforderungen nicht. Auch der Verweis auf eine (nicht erkennbar veröffentlichte oder dem Beschwerdeführer sonst zugängliche) Kammerentscheidung behebt dieses Defizit nicht. Eine Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Situation des Beschwerdeführers bei einer Abschiebung in den Irak ist nicht erkennbar.
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Der angegriffene Beschluss vom 12. Dezember 2023 beruht auf dem Verfassungsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Verwaltungsgericht bei ordnungsgemäßer Berücksichtigung aller wesentlichen Belange zu einem anderen Abwägungsergebnis gelangt wäre.
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Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b Halbsatz 2 BVerfGG); ihm droht die Abschiebung in den Irak.
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Hat die Verfassungsbeschwerde schon wegen des – hier einzig gerügten – Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Erfolg, bedarf es keiner Entscheidung, ob zugleich ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vorliegt.
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V.
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Die Kammer hebt gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2023 auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück.
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Durch die Zurückverweisung wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Januar 2024 über die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegenstandslos.
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Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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VI.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.
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