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BVerfG 11.07.2024 - 1 BvL 1/22
BVerfG 11.07.2024 - 1 BvL 1/22 - Unzulässige Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 280, 281 FamFG, § 2 Abs 2 KostO - unzureichende Vorlagebegründung
Normen
Art 100 Abs 1 GG, § 81a BVerfGG, § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 280 FamFG, § 281 FamFG, § 2 Nr 2 KostO
Vorinstanz
vorgehend AG Aue-Bad Schlema, 19. Januar 2022, Az: Z XVII 294/21, Vorlagebeschluss
Tenor
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Die Vorlage ist unzulässig.
Gründe
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Die Vorlage betrifft die Fragen, ob die Pflicht zur Einholung eines Gutachtens eines Arztes für Psychiatrie oder mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie im Betreuungsverfahren trotz der dabei erhobenen Gesundheitsdaten „mit Art. 1, 2 GG und 14 GG“ vereinbar und ob die Pflicht des Betroffenen, die Kosten für ein solches Gutachten zu tragen, auch dann mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG vereinbar ist, wenn der Betroffene von Geburt an durch Krankheit oder Behinderung an der Erteilung einer Vorsorgevollmacht gehindert war.
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A.
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I.
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1. Die vorgelegten Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) lauten in ihrer bei Anwendung im Ausgangsverfahren und zum Zeitpunkt der Vorlage gültigen Fassung:
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§ 280 FamFG Einholung eines Gutachtens
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(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein.
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(2) Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Ergebnis einer Anhörung nach § 279 Absatz 2 Satz 2 hat der Sachverständige zu berücksichtigen, wenn es ihm bei Erstellung seines Gutachtens vorliegt.
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(3) Das Gutachten hat sich auf folgende Bereiche zu erstrecken:
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1. das Krankheitsbild einschließlich der Krankheitsentwicklung,
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2. die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse,
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3. den körperlichen und psychiatrischen Zustand des Betroffenen,
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4. den Umfang des Aufgabenkreises und
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5. die voraussichtliche Dauer der Maßnahme.
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§ 281 FamFG Ärztliches Zeugnis; Entbehrlichkeit eines Gutachtens
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(1) Anstelle der Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 280 genügt ein ärztliches Zeugnis, wenn
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1. der Betroffene die Bestellung eines Betreuers beantragt und auf die Begutachtung verzichtet hat und die Einholung des Gutachtens insbesondere im Hinblick auf den Umfang des Aufgabenkreises des Betreuers unverhältnismäßig wäre oder
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2. ein Betreuer nur zur Geltendmachung von Rechten des Betroffenen gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt wird.
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(2) § 280 Abs. 2 gilt entsprechend.
- 3
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2. Die Kostenordnung (KostO), die zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl I S. 1800) geändert wurde, wurde durch Art. 45 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23. Juli 2013 (BGBl I S. 2586) aufgehoben. Anhaltspunkte dafür, dass Vorschriften der Kostenordnung – insbesondere § 2 Nr. 2 KostO – aufgrund einer Übergangsvorschrift noch entscheidungserheblich sein könnten, sind nicht dargetan und liegen fern. § 136 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG ordnet die Fortgeltung der Kostenordnung für gerichtliche Verfahren an, die vor dem Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl I S. 2586) anhängig geworden oder eingeleitet worden sind. Der Vorlage liegt ein im Jahr 2021 eingeleitetes Betreuungsverfahren zugrunde.
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II.
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1. Der Vorlage liegt ein Zwischenverfahren über die Einholung eines Sachverständigengutachtens in einem Betreuungsverfahren zugrunde.
- 5
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Im Ausgangsverfahren wurde ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Die Sachverständige hat Rechnung gestellt.
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2. Mit Beschluss vom 19. Januar 2022 hat das Amtsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Vereinbarkeit „der §§ 280, 281 FamFG mit Art. 1, 2 GG und 14 GG und des § 2 Abs. 2 KostO mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG“ vorgelegt.
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B.
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Die Vorlage ist unzulässig. Das vorlegende Gericht hat sie nicht hinreichend begründet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
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I.
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Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss ein vorlegendes Gericht im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG angeben, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist (BVerfGE 141, 143 160 Rn. 34>). Diesem Begründungserfordernis genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 127, 335 355 f.>; 136, 127 141 Rn. 43>; 159, 149 170 Rn. 57>).
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Was die verfassungsrechtliche Beurteilung der zur Prüfung gestellten Norm angeht, muss das vorlegende Gericht von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein und die für seine Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. BVerfGE 131, 88 117 f.>; 136, 127 142 Rn. 45>; 141, 1 11 Rn. 23>; 159, 149 171 Rn. 59>). Der Vorlagebeschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben, die naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtern, sich eingehend sowohl mit der fachrechtlichen als auch mit der verfassungsrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen, dabei die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen und insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingehen (vgl. BVerfGE 131, 88 117 f.>; 136, 127 142 Rn. 45>; 141, 1 11 Rn. 22 f.>; 159, 149 170 f. Rn. 58 f.>).
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II.
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Diesen Anforderungen wird die Vorlage nicht gerecht.
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Das Amtsgericht stellt nicht hinreichend dar, weshalb es von der Entscheidungserheblichkeit und von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Normen überzeugt ist. Es hat weder den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angegeben noch sich hinreichend mit dem anwendbaren Fachrecht auseinandergesetzt.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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