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BVerfG 15.05.2024 - 1 BvR 807/24
BVerfG 15.05.2024 - 1 BvR 807/24 - Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde in einer sozialgerichtlichen Kostensache (Bemessung der Verfahrensgebühr im Untätigkeitsklageverfahren) - unzureichende Darlegung einer Verletzung des Willkürverbots (Art 3 Abs 1 GG)
Normen
Art 3 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 14 Abs 1 RVG, Anl 1 Nr 3102 RVG-VV
Vorinstanz
vorgehend SG Duisburg, 26. Februar 2024, Az: S 49 SF 219/23 E, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine sozialgerichtliche Kostenfestsetzung.
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1. Die Beschwerdeführerin hatte, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, vor dem Sozialgericht Duisburg ein Untätigkeitsklageverfahren im Bereich der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) - geführt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts setzte die nach einem Kostenanerkenntnis von der Beklagten an die Beschwerdeführerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren auf 238 Euro fest. Dieser Betrag sei ab dem 23. August 2023 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Der Urkundsbeamte berücksichtigte dabei eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - Vergütungsverzeichnis - (VV RVG) in Höhe der halben Mittelgebühr von 180 Euro.
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2. Mit dem angegriffenen Beschluss setzte das Sozialgericht die Kosten auf die Erinnerung der Beklagten unter Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses auf 142,80 Euro fest. Der Ansatz einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 180 Euro durch den Bevollmächtigten sei völlig überzogen. Das Untätigkeitsklageverfahren rechtfertige nur den Ansatz einer deutlich herabgesetzten Verfahrensgebühr von 100 Euro. Die von dem Bevollmächtigten gebührenerhöhend geltend gemachte Dauer des Verfahrens gehe maßgeblich auf seine unbeholfene Prozessführung zurück. Er habe es die überwiegende Verfahrensdauer nicht geschafft, seine notwendige Prozessvollmacht trotz Rüge und Aufforderung vorzulegen. Es habe auch keine Säumnis der Beklagten vorgelegen, die zu einer Verzinsung der Gebührenforderung geführt hätte.
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3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin einen Verstoß der Kostenfestsetzung gegen Art. 3 Abs. 1 GG als Willkürverbot. Der Ansatz der Verfahrensgebühr in Höhe von nur 100 Euro sei nicht ausreichend begründet worden und sei nach der Art und Weise der Kritik des Gerichts an der Verfahrensführung ihres Bevollmächtigten erkennbar sachfremden Motiven geschuldet. Die Beklagte habe im Übrigen selbst die Festsetzung einer Verfahrensgebühr in Höhe von 120 Euro beantragt.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt, da sie unzulässig ist und daher keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 25 f.>).
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Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdeführerin die Möglichkeit der Verletzung in Art. 3 Abs. 1 GG durch die nach § 197 Abs. 2 SGG endgültige Entscheidung des Sozialgerichts über die Erinnerung gegen die urkundsbeamtliche Kostenfestsetzung nicht entsprechend den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen dargelegt hat.
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1. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde soll dem Bundesverfassungsgericht eine zuverlässige Grundlage für die weitere Behandlung des Verfahrens verschaffen (vgl. BVerfGE 15, 288 292>). Hiernach ist der Beschwerdeführer gehalten, den Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, substantiiert und schlüssig darzulegen. Es ist alles darzutun, was dem Gericht eine Entscheidung der verfassungsrechtlichen Fragen ermöglicht (BVerfGE 131, 66 82>). Die Verfassungsbeschwerde muss sich mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 140, 229 232 Rn. 9>; 157, 300 310 Rn. 15>). Bei einer Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 149, 346 359 Rn. 24>; 158, 210 230 f. Rn. 51>; stRspr). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 163, 165 210 Rn. 75>; stRspr).
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2. Ausgehend hiervon legt die Beschwerdeführerin die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht substantiiert dar.
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a) Eine Gerichtsentscheidung kann den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot verletzen. Willkürlich ist ein Richterspruch aber nur dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Auslegung eines Gesetzes oder fehlerhafte Rechtsanwendung allein machen eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird (vgl. BVerfGE 87, 273 278 f.>; 89, 1 13 f.>; 96, 189 203>; stRspr).
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Danach zeigt die Beschwerdeführerin keinen Verstoß gegen das Willkürverbot auf. Die Verfassungsbeschwerde enthält schon nicht alle Angaben und Unterlagen, die zur verfassungsrechtlichen Beurteilung erforderlich sind. So ist ohne nähere Darlegung des Ausgangsverfahrens und ohne Vorlage der Kostennote des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich, wie dieser die Verfahrensgebühr nach den gemäß § 14 Abs. 1 RVG maßgeblichen Kriterien bestimmt hat und in welcher Ausprägung diese Kriterien jeweils gegeben waren. Weshalb der von dem Sozialgericht vorgenommene Ansatz einer Gebühr von 100 Euro für ein Untätigkeitsklageverfahren im Hinblick auf den in Nr. 3102 der Anlage 1 VV RVG für das Betreiben eines Klageverfahrens vor dem Sozialgericht vorgesehenen Gebührenrahmen von 60 bis 660 Euro schlechthin unvertretbar sein sollte, legt die Beschwerdeführerin nicht substantiiert dar. Ohne Vorlage der Erinnerung der im fachgerichtlichen Verfahren Beklagten kann auch nicht beurteilt werden, ob das Sozialgericht durch den auf der Grundlage einer Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) in Höhe von 100 Euro festgesetzten Betrag hinter dem Antrag der Erinnerungsführerin zurückgeblieben ist und seine Entscheidung insoweit als willkürlich anzusehen wäre.
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b) Die Beschwerdeführerin legt auch nicht substantiiert dar, weshalb die Kostenfestsetzung darüber hinaus auf sachfremden Erwägungen beruhen könnte. Soweit das Sozialgericht auf die Dauer des Verfahrens eingegangen ist, wirken die Ausführungen zum Prozessverhalten des Bevollmächtigten zwar überspitzt. Sie beziehen sich aber offenbar auf eine entsprechende Argumentation des Bevollmächtigten zu einer gebührenerhöhenden Berücksichtigung der Verfahrensdauer und sind damit noch Teil der sachlichen Begründung des Gerichts zur Höhe der aus seiner Sicht angemessenen Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG.
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3. Der in anwaltlicher Vertretung erhobenen Verfassungsbeschwerde lässt sich demgegenüber keine Rüge entnehmen, soweit das Sozialgericht es auch abgelehnt hat, den festgesetzten Betrag zu verzinsen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob diese Entscheidung des Sozialgerichts willkürlich ist, weil der nach § 197 Abs. 1 Satz 2 SGG entsprechend anzuwendende § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO eine Verzinsung der festgesetzten Kosten auf Antrag vorsieht. Ein solcher Antrag war nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten offenbar gestellt worden. Auf eine von dem Sozialgericht ohne erkennbare Auseinandersetzung mit den genannten Vorschriften angeführte und verneinte Säumigkeit der Erstattungsverpflichteten ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut für die Verzinsung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nicht abzustellen.
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4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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