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BVerfG 13.12.2023 - 2 BvR 2143/21
BVerfG 13.12.2023 - 2 BvR 2143/21 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Willkürverbots (Art 3 Abs 1 GG) durch nicht nachvollziehbare fachgerichtliche Auslegung der §§ 14, 16 InsO im Falle eines Gläubigerantrags
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 3 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 14 Abs 1 S 1 InsO, § 16 InsO, § 34 Abs 2 InsO
Vorinstanz
vorgehend LG Hamburg, 25. Oktober 2021, Az: 330 T 57/20, Beschluss
vorgehend LG Hamburg, 11. Dezember 2020, Az: 330 T 57/20, Beschluss
vorgehend AG Hamburg, 16. November 2020, Az: 67g IN 369/19, Beschluss
vorgehend AG Hamburg, 20. August 2020, Az: 67g IN 369/19, Beschluss
Tenor
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Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2020 - 330 T 57/20 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 3 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird daher aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.
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Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
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Die Freie und Hansestadt Hamburg hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
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1. Über das Vermögen der Beschwerdeführerin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 20. August 2020 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet.
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Die Eröffnung erfolgte aufgrund von drei Gläubigeranträgen. Die Gläubiger hatten jeweils eine durch Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung gegen die Beschwerdeführerin angeführt und die entsprechenden Vollstreckungsbescheide vorgelegt.
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Der Eröffnungsbeschluss enthielt keine nähere Begründung, insbesondere keine Ausführungen zum Einwand der Beschwerdeführerin, dass die Insolvenzanträge unzulässig seien.
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2. Die Beschwerdeführerin legte gegen den Eröffnungsbeschluss sofortige Beschwerde ein. Sie führte hierzu im weiteren Verlauf unter anderem aus, dass die vorliegenden Insolvenzanträge unzulässig seien, da das Bestehen einer Forderung des jeweiligen Gläubigers nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die zur Glaubhaftmachung vorgelegten Vollstreckungsbescheide seien rechtswidrig und nicht rechtskräftig. Die Vorlage eines nicht rechtskräftigen Vollstreckungsbescheids genüge zur Glaubhaftmachung einer Forderung nicht. Hinsichtlich eines weiteren Vollstreckungsbescheids, der gegen eine andere Gesellschaft über die gleiche Forderung erwirkt worden sei, sei bei gleicher Sachlage die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid durch Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts mittlerweile eingestellt worden. Aus den Gründen dieses Beschlusses sei zu ersehen, dass die Titel zu Unrecht vollstreckbar gewesen seien.
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3. Das Amtsgericht Hamburg half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 16. November 2020 nicht ab.
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Die sofortige Beschwerde sei unbegründet. Für die Frage, ob ein Eröffnungsgrund gemäß § 16 InsO vorliege, komme es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im Rahmen der Beschwerdeentscheidung auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung an. Neues Vorbringen, das sich auf diesen Zeitpunkt beziehe, sei dabei zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführerin gelinge es nicht darzustellen, dass zum Zeitpunkt der Eröffnung keiner der in Betracht kommenden Insolvenzgründe verwirklicht gewesen sei. Die Beschwerdeführerin sei angesichts der Feststellungen des Insolvenzverwalters zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig und überschuldet gewesen.
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4. Das Landgericht Hamburg wies die sofortige Beschwerde durch Beschluss vom 11. Dezember 2020 als unbegründet zurück.
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Im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung gegen den Beschluss über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sei maßgeblich, ob im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung ein Insolvenzgrund gemäß § 16 InsO vorgelegen habe. Das Amtsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beide Eröffnungsgründe, nämlich Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Beschwerdeführerin, vorgelegen hätten. Dies gelte auch dann, wenn man Verbindlichkeiten, hinsichtlich derer die Zwangsvollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden einstweilen eingestellt worden sei, nicht berücksichtigen würde. Denn angesichts weiterer im Insolvenzgutachten festgestellter Verbindlichkeiten bestünde auch dann Zahlungsunfähigkeit.
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5. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Anhörungsrüge nach § 321a ZPO. Darin machte sie unter anderem geltend:
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Das Landgericht habe sich - ebenso wie das Amtsgericht - mit dem von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Einwand der fehlenden Zulässigkeit der Insolvenzanträge nicht befasst. Die Beschwerdeführerin habe ausdrücklich und mit Verweis auf eine Kommentierung vorgebracht, dass die vorgelegten Vollstreckungsbescheide zur Glaubhaftmachung der Forderung (§ 14 InsO) nicht ausreichten und die Insolvenzanträge daher unzulässig seien. Damit hätte sich das Landgericht in seiner Entscheidung zwingend auseinandersetzen müssen, was - entscheidungserheblich - nicht erfolgt sei.
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6. Das Landgericht Hamburg wies die Anhörungsrüge durch Beschluss vom 25. Oktober 2021 als unbegründet zurück.
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Es könne dahingestellt bleiben, ob sich das Landgericht hinreichend mit dem Einwand der fehlenden Zulässigkeit des Insolvenzantrags auseinandergesetzt habe. Eine eventuelle Verletzung des rechtlichen Gehörs wäre jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04 - sei bei einer Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen den Eröffnungsbeschluss maßgeblich, ob im Zeitraum der Eröffnungsentscheidung ein Eröffnungsgrund gemäß § 16 InsO vorliege. Im Beschluss vom 2. April 2009 - IX ZB 245/08 - habe der Bundesgerichtshof ergänzend darauf hingewiesen, dass die sofortige Beschwerde eine vollständige zweite Tatsacheninstanz eröffne und neues Vorbringen deshalb uneingeschränkt zu berücksichtigen sei. Das gelte auch im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen einen Eröffnungsbeschluss. Nach §§ 16, 17 InsO komme es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung unter Berücksichtigung neuen Vorbringens an, welches sich auf diesen Zeitpunkt beziehe. Das Gericht lege diese Ausführungen des Bundesgerichtshofs dahingehend aus, dass es bei der Frage, ob eine Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss Erfolg habe, letztlich auf die materielle Rechtslage im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung ankomme, nicht hingegen darauf, ob der ursprüngliche Antrag des Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zulässig gewesen sei. Aus diesem Grund sei auch die Frage, ob sich das Beschwerdegericht mit der Frage der Zulässigkeit des Insolvenzantrags hinreichend auseinandergesetzt habe, nicht entscheidungserheblich.
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II.
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Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg vom 20. August 2020 (Eröffnungsbeschluss) und vom 16. November 2020 (Nichtabhilfe der sofortigen Beschwerde) sowie gegen die Beschlüsse des Landgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2020 (Zurückweisung der sofortigen Beschwerde) und vom 25. Oktober 2021 (Zurückweisung der Anhörungsrüge).
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Sie rügt die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die beiden Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg sowie durch die beiden Beschlüsse des Landgerichts Hamburg. Bei verständiger Würdigung der Entscheidungen könne nur davon ausgegangen werden, dass die Gerichte den Vortrag der Beschwerdeführerin über das Nichtbestehen der titulierten Forderungen und über die Art und Weise des Zustandekommens der Vollstreckungsbescheide jeweils gar nicht zur Kenntnis genommen hätten.
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Weiter rügt sie die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Willkürverbots durch die beiden Beschlüsse des Landgerichts Hamburg. Die im Beschluss über die Anhörungsrüge geäußerte tragende Erwägung des Landgerichts, wonach es im Beschwerdeverfahren gegen den Eröffnungsbeschluss nicht mehr auf die Zulässigkeit des Insolvenzantrags, sondern nur noch auf seine Begründetheit (Vorliegen eines Insolvenzgrunds) ankomme, sei unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar, sondern willkürlich. Die Auffassung stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, sie werde nirgends vertreten, lasse sich mit der allgemeinen Ausgestaltung des Insolvenz- und Beschwerdeverfahrens nicht in Einklang bringen und ergebe sich keinesfalls aus den vom Landgericht zitierten Entscheidungen.
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III.
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Der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Sie hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.
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Die Akten des Ausgangsverfahrens haben der Kammer vorgelegen.
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IV.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig und offensichtlich begründet.
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1. Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2020 verletzt das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 (in der Ausprägung als Willkürverbot) in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG (a). Auf die Frage, ob der Beschluss auch Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, kommt es damit nicht an (b).
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a) Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2020 verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 (in der Ausprägung als Willkürverbot) in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG.
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aa) Ein Richterspruch verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung vielmehr erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird, die Rechtslage also in krasser Weise verkannt wird (vgl. BVerfGE 89, 1 13 f.>; 96, 189 203>; 112, 185 215 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Juli 2022 - 2 BvR 1154/21 -, Rn. 26).
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bb) So liegt der Fall hier. Der angegriffene Beschluss vom 11. Dezember 2020 ist schlechterdings unhaltbar. Die ihm zugrundeliegende Annahme des Landgerichts, bei der Prüfung der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss komme es allein auf das Vorliegen eines Eröffnungsgrunds (§ 16 InsO) und nicht auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an, übergeht die Existenz und verkennt die Bedeutung der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO, deren Verhältnis zu § 16 InsO sowie den Prüfungsumfang des Gerichts in nicht mehr nachvollziehbarer Weise. Sie ist damit unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar.
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(1) Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist ein Insolvenzantrag (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dieser muss zulässig und begründet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 - IX ZB 214/05 -, juris, Rn. 6 und Rn. 13). Stellt ein Gläubiger den Insolvenzantrag, setzt die Zulässigkeit desselben gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO voraus, dass der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Begründet ist der Insolvenzantrag, wenn gemäß § 16 InsO ein Eröffnungsgrund gegeben ist, im Falle eines Gläubigerantrags also Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) zur Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Eröffnung vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04 -, juris, Rn. 8).
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(2) Mit dieser Rechtslage lässt sich die tragende Annahme des Landgerichts, für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde sei allein maßgeblich, ob bezogen auf den Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung ein Eröffnungsgrund im Sinne von § 16 InsO gegeben sei, nicht in Einklang bringen. Das Gesetz verlangt im Abschnitt "Eröffnungsvoraussetzungen und Eröffnungsverfahren" nicht nur das Vorliegen eines Eröffnungsgrunds (§ 16 InsO), sondern setzt in §§ 13 bis 15b InsO zusätzlich - sogar voranstehend - einen zulässigen Insolvenzantrag voraus. Die Gerichte haben vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens folglich nicht nur zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 16 InsO), sondern sich zunächst mit der Frage zu befassen, ob ein zulässiger Insolvenzantrag vorliegt.
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(3) So wird dies auch in Rechtsprechung und Literatur gesehen. Nach der - vom Landgericht außer Acht gelassenen - eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich die Prüfung des Insolvenzgerichts im gesamten Verfahrensverlauf bis zum Erlass der Eröffnungsentscheidung auch auf die Frage zu erstrecken, ob Zulässigkeitsvoraussetzungen fehlen. Ist dies der Fall, ist der Eröffnungsantrag als unzulässig abzuweisen, ohne dass es auf die weiteren Voraussetzungen der Insolvenzeröffnung, insbesondere auf die Überzeugung vom Vorliegen eines Eröffnungsgrunds ankommt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 - IX ZB 214/05 -, juris, Rn. 6). Gleiches gilt für das Beschwerdegericht im Falle einer gegen den Eröffnungsbeschluss eingelegten sofortigen Beschwerde (§ 34 Abs. 2 InsO). Auch das Beschwerdegericht hat die Zulässigkeit des Insolvenzantrags zu prüfen, im Falle eines Gläubigerantrags also die Voraussetzungen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 - IX ZB 214/05 -, juris, Rn. 6, 11 f.; Keller, in: Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, § 34 Rn. 37 m.w.N.; Laroche, in: Kayser/Thole, InsO, 11. Aufl. 2023, § 34 Rn. 18, 26; Busch, in: Münchener Kommentar zur InsO, 4. Aufl. 2019, § 34 Rn. 74) und im Falle ihres Fehlens den Eröffnungsantrag als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH, a.a.O.).
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(4) Aus dem Beschluss vom 11. Dezember 2020 ergibt sich nichts, was die gegenteilige Annahme des Landgerichts vertretbar erscheinen ließe. In dem Beschluss findet sich vielmehr keine nähere Begründung, weshalb für die Erfolgsaussichten der Beschwerde allein das Vorliegen eines Insolvenzgrunds gemäß § 16 InsO maßgeblich sein soll. Eine Begründung wäre angesichts der Tatsache, dass das Landgericht dabei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. IV.1.a)bb)(3)) zur Anwendung der maßgeblichen Normen abgewichen ist, verfassungsrechtlich geboten gewesen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2014 - 1 BvR 1063/14 -, Rn. 13, 16 f.).
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(5) Aus den - ohnehin erst nachträglich - im Beschluss vom 25. Oktober 2021 zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen herzuleiten, dass es nicht auf die Zulässigkeit des Insolvenzantrags, sondern allein auf das Vorliegen eines Eröffnungsgrunds gemäß § 16 InsO ankomme, ist ebenfalls unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar. Die bereits im Beschluss vom 11. Dezember 2020 genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04 - betrifft allein die Frage, ob im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung bei der Prüfung des Vorliegens eines Eröffnungsgrunds (§ 16 InsO), also für die Begründetheit des Antrags, auf den Zeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz oder - so der Bundesgerichtshof - auf den Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung unter Berücksichtigung von neuem Vorbringen in der Beschwerdeinstanz abzustellen ist. Mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO und ihrem Verhältnis zu § 16 InsO befassen sich diese und die weiteren erst im Beschluss vom 25. Oktober 2021 zitierten Entscheidungen an keiner Stelle. Die Zulässigkeit des Insolvenzantrags stand dort jeweils nicht in Frage.
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b) Auf die Frage, ob der Beschluss des Landgerichts vom 11. Dezember 2020 auch den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, verletzt und ob und inwieweit der Beschluss hierauf beruht, kommt es damit nicht mehr an.
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2. Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2020 ist wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).
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Die Sache ist an das Landgericht Hamburg zur erneuten Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die Zurückverweisung beruht auf § 95 Abs. 2 BVerfGG.
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3. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen.
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a) Aufgrund der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht steht der Rechtsweg zur Entscheidung über die verfahrensrechtlichen Einwendungen gegen den Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 20. August 2020 wieder offen, so dass die Verfassungsbeschwerde insoweit nach dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität nicht zur Entscheidung anzunehmen war (vgl. BVerfGK 7, 350 357>; 15, 37 53>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Juni 2022 - 2 BvR 447/22 -, Rn. 55).
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b) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 16. November 2020 richtet, ist sie unzulässig, da eine Nichtabhilfeentscheidung als Verfahrensinternum nicht gesondert mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar ist. Von einem Nichtabhilfebeschluss geht keine eigenständige Beschwer aus, da er nur eine Zwischenentscheidung im Rechtsbehelfsverfahren darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 43). Die selbstständige Anfechtung einer gerichtlichen Zwischenentscheidung im Wege der Verfassungsbeschwerde ist nur dann zuzulassen, wenn ein dringendes schutzwürdiges Interesse daran besteht, dass über die Verfassungsmäßigkeit der Zwischenentscheidung selbst und nicht erst in Verbindung mit der Überprüfung der Endentscheidung entschieden wird (vgl. BVerfGE 1, 322 324 f.>; 58, 1 23>). Ein solches Interesse ist weder dargetan noch ersichtlich, zumal die den Instanzenzug abschließende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Hamburg mit der Verfassungsbeschwerde gesondert angegriffen worden ist.
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c) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 25. Oktober 2021 (Zurückweisung der Anhörungsrüge) richtet, ist sie mangels eigenständiger Beschwer unzulässig. Ein Beschluss, mit dem über eine Anhörungsrüge entschieden wird, kann nur dann Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn mit ihm eine eigenständige Beschwer verbunden ist (vgl. BVerfGE 119, 292 295>; BVerfGK 13, 496 498> m.w.N.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Januar 2020 - 2 BvR 2992/14 -, Rn. 35; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Mai 2023 - 2 BvR 370/22 -, Rn. 20). Eine solche kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Beschluss über die Anhörungsrüge dazu führt, dass bereits der Zugang zum Anhörungsrügeverfahren verwehrt wird (vgl. BVerfGE 119, 292 295>; BVerfGK 13, 496 498> m.w.N.). Keine eigenständige Beschwer liegt hingegen vor, wenn der Beschwerdeführer lediglich die unterbliebene Korrektur und Perpetuierung vorangegangener Grundrechtsverstöße rügt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 2327/07 -, Rn. 17; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 2019 - 2 BvR 382/19 -, Rn. 54; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Mai 2023 - 2 BvR 370/22 -, Rn. 20). Eine mit der Entscheidung über die Anhörungsrüge verbundene eigenständige Beschwer ist danach vorliegend weder dargelegt noch ersichtlich. Denn die Beschwerdeführerin rügt bezogen auf den Beschluss vom 25. Oktober 2021 nur Grundrechtsverstöße, die das Landgericht nach ihrem Vortrag auch bereits im Beschluss vom 11. Dezember 2020 begangen haben soll. Sie macht so lediglich eine Perpetuierung vorangegangener Grundrechtsverstöße geltend, was keine mit der Anhörungsrüge verbundene eigenständige Beschwer zu begründen vermag. Eine solche ist auch unter keinem sonstigen Gesichtspunkt erkennbar.
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4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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