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BVerfG 04.08.2020 - 2 BvR 1692/19
BVerfG 04.08.2020 - 2 BvR 1692/19 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung der Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen (§ 331 S 1 Nr 4 FamFG) im Unterbringungsverfahren begründet Verstoß gg Art. 2 Abs 2 S 2 GG iVm Art 104 Abs 1 u 2 GG - keine rückwirkende Heilung durch Nachholung der Anhörung
Normen
Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 104 Abs 1 GG, Art 104 Abs 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 26 FamFG, § 44 Abs 1 S 1 Nr 1 FamFG, § 331 S 1 Nr 4 FamFG, § 332 FamFG
Vorinstanz
vorgehend LG Darmstadt, 21. August 2019, Az: 5 T 349/19, Beschluss
vorgehend AG Darmstadt, 8. April 2019, Az: 505 XVII 1114/17 (K), Beschluss
Tenor
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1. Der Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 8. April 2019 - 505 XVII 1114/17 (K) - und der Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 21. August 2019 - 5 T 349/19 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben und die Sache wird an das Landgericht Darmstadt zurückverwiesen.
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2. Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen die Verlängerung der Unterbringung des Beschwerdeführers in einer geschlossenen Einrichtung.
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A.
- 2
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Der bis zum 8. November 2019 unter Betreuung stehende Beschwerdeführer ist seit Oktober 2018 zivilrechtlich untergebracht. Ein nicht angegriffener Unterbringungsbeschluss war bis längstens zum 4. Februar 2019 befristet. Der Beschwerdeführer verblieb anschließend bis zum nächsten Beschluss in der soziotherapeutischen Unterbringungseinrichtung. Ob dies freiwillig oder in Unkenntnis der rechtlichen Lage geschah, ist aus den Akten nicht ersichtlich.
- 3
-
Wegen der durch den Betreuer beantragten Verlängerung der Unterbringung erstellte ein Gutachter unter dem 13. Februar 2019 für das Amtsgericht Darmstadt ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten. Darin ist unter anderem aufgeführt, dass bei Übergabe des Gutachtens die Gefahr vielfältiger Missverständnisse und deren Folgen bestehe. Das Gutachten solle dem Beschwerdeführer fachkundig (z.B. von Mitarbeitern der Einrichtung) erläutert werden.
- 4
-
Im März 2019 wurde die - für das Unterbringungsverfahren nicht streitgegenständliche - Frage der Geschäftsfähigkeit des Beschwerdeführers erörtert.
- 5
-
Eine durch die für die Unterbringung zuständige Richterin des Amtsgerichts auf den 8. April 2019 anberaumte persönliche Anhörung des Beschwerdeführers scheiterte, da er sich nicht in der Unterbringungseinrichtung, sondern in der psychiatrischen Ambulanz befand.
- 6
-
Mit angegriffenem Beschluss vom 8. April 2019 genehmigte das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung ohne persönliche Anhörung des Beschwerdeführers seine vorläufige Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens zum 19. Mai 2019. Die Unterbringung sei dringend notwendig, weil die Gefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer sich einen erheblichen gesundheitlichen Schaden zufüge und eine Heilbehandlung erforderlich sei, deren Notwendigkeit der Beschwerdeführer nicht einsehen könne. Eine vorherige persönliche Anhörung des Beschwerdeführers sei wegen Gefahr im Verzug nicht möglich gewesen; der Sachverständige habe "dazu" - wobei die genaue Bezugnahme unklar bleibt - ausgeführt, eine weitere Unterbringung erscheine aus fachärztlicher Sicht dringend geboten, da der Beschwerdeführer zum Absetzen seiner Medikation neige. Eine Entlassung würde mit hoher Sicherheit zum sofortigen Absetzen der Medikation und einem Rückfall in die hoch-akuten psychotischen Zustände der Vergangenheit führen.
- 7
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Mit Schreiben vom 8. April 2019 bat das Amtsgericht den Betreuer des Beschwerdeführers um Mitteilung, wann das Gutachten dem Beschwerdeführer habe bekannt gemacht werden können. Im Anschluss daran solle eine Anhörung des Beschwerdeführers unverzüglich erfolgen.
- 8
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Mit Schreiben vom 18. April 2019, beim Amtsgericht am selben Tag eingegangen, teilte die Einrichtung dem Amtsgericht mit, dass das Gutachten dem Beschwerdeführer am 17. April 2019 bekannt gemacht worden sei.
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-
Am 29. April 2019 hörte die zuständige Richterin des Amtsgerichts den Beschwerdeführer persönlich an, ohne dass der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers geladen oder anwesend war.
- 10
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Mit Schreiben vom 1. Mai 2019 legte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Beschluss vom 8. April 2019 ein. Der Beschluss sei trotz fehlender Eilbedürftigkeit im Wege der einstweiligen Anordnung ergangen. Das Gericht habe nach Vorlage des Gutachtens mehr als sieben Wochen Zeit gehabt, den Beschwerdeführer anzuhören, so dass eine Gefahr im Verzug nicht ersichtlich sei. Die Anhörung sei nicht unverzüglich, sondern erst drei Wochen nach Erlass des Beschlusses nachgeholt worden. Zudem leide die Anhörung an einem Verfahrensfehler und verletze den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, da sie ohne den Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers durchgeführt worden sei. Das Gutachten hätte dem Verfahrenspfleger bekannt gemacht werden müssen, anstatt auf eine Erläuterung durch die Einrichtung zu warten. Der Beschluss verletze den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, da dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten weder vor Erlass der Entscheidung noch vor dem Anhörungstermin am 29. April 2019 vollständig schriftlich bekanntgegeben worden sei. Das Gutachten stelle nicht fest, dass die Bekanntgabe des Gutachtens die Gesundheit des Beschwerdeführers schädige oder ernsthaft gefährde. Mangels Akteneinsicht wisse der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers nicht, ob dem Verfahrenspfleger das Gutachten ausgehändigt worden sei. Zudem lägen die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht vor. Dass eine Weiterführung der Behandlung aus ärztlicher Sicht wünschenswert oder dringend geboten sei, genüge nicht. Auf § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB könne das Gericht sich nicht stützen, da der Beschwerdeführer in einer soziotherapeutischen Einrichtung untergebracht sei, so dass die Möglichkeit und Zulässigkeit von Heilbehandlungen und ärztlichen Eingriffen fraglich sei.
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Die Unterbringung des Beschwerdeführers wurde zunächst mit Beschluss vom 17. Mai 2019, anschließend mit weiteren Beschlüssen verlängert. Diese Beschlüsse sind nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde.
- 12
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Mit Schreiben vom 21. Mai 2019 stellte der Beschwerdeführer seinen Beschwerdeantrag um und beantragte nunmehr, festzustellen, dass die durch Beschluss des Amtsgerichts vom 8. April 2019 erteilte Unterbringungsgenehmigung rechtswidrig gewesen sei und den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletze.
- 13
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Mit angegriffenem Beschluss vom 21. August 2019 wies das Landgericht Darmstadt die Beschwerde als unbegründet zurück. Es sah die Voraussetzungen für eine einstweilige Unterbringungsanordnung gemäß § 331 FamFG als erfüllt an. Nach dem Gutachten vom 13. Februar 2019 und einem Ergänzungsgutachten vom 24. März 2019 leide der Beschwerdeführer an einer chronifizierten drogeninduzierten Psychose, aufgrund derer die Unterbringung für den angeordneten Zeitraum zur Abwendung einer erheblichen Selbstschädigung erforderlich gewesen sei. Nach den Gutachten wäre ohne vorläufige Unterbringung aufgrund der fehlenden Krankheits- und Behandlungseinsicht damit zu rechnen gewesen, dass der Betroffene seine Medikation absetze, den Aufenthalt in der Einrichtung beende und erneut Drogen konsumiere, was zu einer deutlichen Verschlechterung der psychotischen Symptomatik geführt hätte. Nachdem der Beschwerdeführer bereits im September 2018 nach Singapur ausgereist sei, dort nach wenigen Tagen randaliert habe, mit Suizid gedroht habe und in ein psychiatrisches Krankenhaus verbracht worden sei, habe das Amtsgericht davon ausgehen dürfen, dass die Ankündigungen des Beschwerdeführers, den Aufenthalt in der Unterbringungseinrichtung eigenmächtig zu beenden, ernst gemeint gewesen seien. In Verbindung mit den vor Beginn der Unterbringung aufgetretenen erheblichen Verwahrlosungstendenzen und den in anderen Staaten, zum Beispiel Singapur, drohenden massiven Strafen für Drogenbesitz sei das Amtsgericht zutreffend von einer erheblichen Gefahr für den Beschwerdeführer ausgegangen. Zwar sei er zwischen dem Auslaufen des ursprünglichen Unterbringungsbeschlusses zum 4. Februar 2019 und dem Nachfolgebeschluss vom 8. April 2019 für einige Wochen nicht aus der Einrichtung geflüchtet, dies vermöge jedoch angesichts der eindeutigen Ankündigungen, die Einrichtung zu verlassen, und angesichts der geschilderten Vorgeschichte insbesondere in Singapur die fachärztliche Prognose nicht zu erschüttern. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren habe am 8. April 2019 nicht erfolgen können, da dem Beschwerdeführer das Gutachten des Sachverständigen noch nicht bekannt gemacht worden sei. Dies sei aufgrund der Darlegungen des Sachverständigen, dem Beschwerdeführer müsse das Gutachten wegen der gesundheitlichen Folgen fachkundig erläutert werden, nicht zu beanstanden gewesen. Da diese Erläuterung bis zum 8. April 2019 nicht erfolgt sei, habe das Amtsgericht zurecht zunächst nur eine einstweilige Entscheidung getroffen. Soweit die Beschwerde Mängel im Rahmen der Anhörung rüge, seien diese jedenfalls durch die Nachholung der Anhörung und die Möglichkeit der Stellungnahme im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geheilt.
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Auf die Anforderungen einer einstweiligen Anordnung bei gesteigerter Dringlichkeit gemäß § 332 FamFG geht der Beschluss nicht ein.
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Mit Beschluss vom 10. Oktober 2019 wurde die mit nicht angegriffenen Beschlüssen weiter verlängerte Unterbringung aufgehoben.
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B.
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I.
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Der Beschwerdeführer hat am 16. September 2019 und damit fristgerecht Verfassungsbeschwerde erhoben und rügt die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG sowie von Art. 103 Abs. 1 GG.
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Unter Wiederholung seines fachgerichtlichen Vortrags führt der Beschwerdeführer zu den Voraussetzungen für die Unterbringung aus. Die angegriffenen Beschlüsse träfen keine konkreten Feststellungen zur Eigengefährdung. Der Beschluss des Amtsgerichts erschöpfe sich in der bloßen Wiederholung des Gesetzeswortlauts. Soweit das Amtsgericht die Unterbringung auf § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB stütze, erscheine die Unterbringung in einer soziotherapeutischen Einrichtung, in der mangels ärztlichen Personals weder eine Heilbehandlung noch ein ärztlicher Eingriff durchgeführt werden könnten, problematisch.
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Der Beschluss des Amtsgerichts sei zudem rechtswidrig, weil er trotz fehlender Eilbedürftigkeit im Wege der einstweiligen Anordnung ergangen sei. Aufgrund der für das Hauptsacheverfahren vorgesehenen Förmlichkeiten und des längeren Instanzenzuges sei dies ein Verstoß gegen Art. 104 Abs. 1 GG, da auch eine Entscheidung in der Hauptsache möglich gewesen wäre. Seitdem das Gutachten am 15. Februar 2019 dem Amtsgericht vorgelegen habe, sei diesem möglich gewesen, dem Beschwerdeführer das Gutachten durch das Gericht selbst oder durch einen Dritten, zum Beispiel einen Verfahrenspfleger, bekanntzumachen und den Beschwerdeführer persönlich anzuhören, so dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Eine weitere erforderliche Sachverhaltsaufklärung sei nicht ersichtlich. Die weiteren eingeholten ergänzenden Stellungnahmen hätten sich nicht auf die Voraussetzungen der Unterbringung bezogen. Stattdessen habe das Amtsgericht erst am 1. April 2019 einen Verfahrenspfleger bestellt und im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden. Die Annahme einer Gefahr im Verzug werde nicht begründet. Die von den Fachgerichten angenommene Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung des Beschwerdeführers rechtfertige den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht. Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG liege auch darin, dass die persönliche Anhörung des Beschwerdeführers nicht unverzüglich, sondern erst drei Wochen nach Erlass des Unterbringungsbeschlusses nachgeholt worden sei.
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II.
- 19
-
Das Hessische Ministerium der Justiz hat keine Stellungnahme abgegeben.
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III.
- 20
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Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
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C.
- 21
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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung im Sinne des § 93c Abs. 1 BVerfGG liegen vor. Die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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1. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass sich die angegriffene Unterbringung inzwischen durch Zeitablauf erledigt hat. Auch nach Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels ist in Fällen gewichtiger, aber in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse anzuerkennen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 104, 220 233>; 110, 77 86>; BVerfGK 2, 318 323>; 11, 323 328>; stRspr). Dies ist bei einer freiheitsentziehenden Unterbringungsmaßnahme der Fall. Eine mehrere Wochen andauernde Freiheitsentziehung ist ein besonders schwerwiegender Grundrechtseingriff. Es würde der Bedeutung des Schutzes der persönlichen Freiheit, wie ihn das Grundgesetz garantiert, nicht entsprechen, wenn das Recht auf verfassungsgerichtliche Klärung einer behaupteten Freiheitsverletzung bei Wiedergewährung der Freiheit ohne Weiteres entfiele (vgl. BVerfGE 58, 208 219>; 65, 317 321>; BVerfGK 11, 323 328>; stRspr).
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2. Der Zulässigkeit steht weiterhin nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer keine - grundsätzlich zum Rechtsweg nach § 90 Abs. 2 BVerfGG gehörende (vgl. BVerfGE 134, 106 113 Rn. 22>) - Anhörungsrüge erhoben hat. Denn der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nur durch das erstinstanzliche, mit Beschluss des Amtsgerichts vom 8. April 2019 abgeschlossene Verfahren. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts war die Anhörungsrüge gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FamFG wegen Statthaftigkeit der Beschwerde ausgeschlossen. Der angegriffene Beschluss des Landgerichts vom 21. August 2019 vertieft die behauptete Gehörsverletzung nur. Zum Zeitpunkt seines Erlasses hatte das Amtsgericht den Beschwerdeführer bereits nachträglich angehört. Eine "sekundäre Anhörungsrüge" war mithin nicht nur nicht erforderlich, sondern unstatthaft und damit offensichtlich unzulässig. Offensichtlich unzulässige Rechtsbehelfe gehören nicht zum vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu erschöpfenden Rechtsweg (vgl. BVerfGE 5, 17 19 f.>; 91, 93 106>; BVerfGK 7, 1 6>; stRspr).
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist auch offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und 2 GG.
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1. Die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ist ein besonders hohes Rechtsgut, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf (vgl. BVerfGE 10, 302 322>; 29, 312 316>). Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Die formellen Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in unlösbarem Zusammenhang (vgl. BVerfGE 10, 302 322>; 58, 208 220>). Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn für alle Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden freiheitsschützenden Formvorschriften zu beachten, zum Verfassungsgebot erhebt (vgl. BVerfGE 10, 302 323>; 29, 183 195 f.>; 58, 208 220>).
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Inhalt und Reichweite der Formvorschriften, deren Beachtung über Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zum Verfassungsgebot erhoben ist, sind von den Fachgerichten so auszulegen, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten können. Jenseits der Grenze der Aushöhlung und Entwertung des Grundrechts über das Verfahrensrecht verbleibt den Fachgerichten aber Raum, sich zwischen mehreren möglichen Deutungen des Gesetzes zu entscheiden (vgl. BVerfGK 18, 125 132>). Das Bundesverfassungsgericht greift erst dann korrigierend ein, wenn das fachgerichtliche Auslegungsergebnis über die vom Grundgesetz gezogenen Grenzen hinausgreift, insbesondere wenn es mit Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf persönliche Freiheit nicht zu vereinbaren ist oder wenn es sachlich schlechthin unhaltbar ist und somit Willkür vorliegt (vgl. BVerfGE 65, 317 322 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 2009 - 2 BvR 1537/08 -, Rn. 14).
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Die die Freiheit sichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt weiterhin Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für die Anforderungen in Bezug auf die tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidung. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 70, 297 308>; 83, 24 32>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Juni 2015 - 2 BvR 2236/14 -, Rn. 17).
- 29
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Das Gebot, den Betroffenen grundsätzlich vor Erlass einer einstweiligen Anordnung mündlich anzuhören, gehört zu den bedeutsamen Verfahrensgarantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfGE 58, 208 220 f.>; BVerfGK 11, 323 331>). Die Anhörung erschöpft sich, wie sich durch das Erfordernis ihrer Mündlichkeit erweist, nicht in der bloßen Gewährung rechtlichen Gehörs. Vorrangiger Zweck der Anhörung im Unterbringungsverfahren ist es vielmehr, dem Richter einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen und der Art seiner Erkrankung zu verschaffen, damit er in den Stand gesetzt wird, ein klares und umfassendes Bild von der Persönlichkeit des Unterzubringenden zu gewinnen und seiner Pflicht zu genügen, den ärztlichen Gutachten richterliche Kontrolle entgegenzusetzen. Der persönliche Eindruck des entscheidenden Richters gehört deshalb als Kernstück des Amtsermittlungsverfahrens (§ 26 FamFG) zu den wichtigsten Verfahrensgrundsätzen des Unterbringungsrechts (vgl. BVerfGE 58, 208 222 f.>). Unterbleibt die Anhörung zunächst wegen Gefahr im Verzug, so ist sie vor diesem Hintergrund zumindest unverzüglich nachzuholen (vgl. BVerfGE 66, 191 196>; BVerfGK 11, 323 331>). Zu diesem Zweck müssen bei Unterbringungsmaßnahmen im Hinblick auf die ihnen eigene Eilbedürftigkeit andere, weniger vordringliche Dienstgeschäfte notfalls zurückgestellt werden (vgl. BVerfGE 58, 208 222>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 1990 - 2 BvR 1592/88 -, NJW 1990, S. 2309 2310>).
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2. Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.
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a) Das Amtsgericht hat die Pflicht zur Anhörung des Betroffenen nach § 331 Satz 1 Nr. 4 FamFG verletzt. Eine einstweilige Anordnung ohne Anhörung des Beschwerdeführers ist gemäß § 332 FamFG nur bei Gefahr im Verzug möglich. Gefahr im Verzug ist anzunehmen, wenn konkrete Gründe dafür vorliegen, dass bereits der durch die Anhörung bedingte zeitliche Aufschub der Unterbringungsmaßnahme die Gefahr erheblicher Nachteile für den Betroffenen oder Dritte mit sich bringen würde (Roth, in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 332 FamFG, Rn. 4). Dabei ist abzuwägen zwischen der Bedeutung der Anhörung als zentralem Verfahrensrecht des Betroffenen und den drohenden Nachteilen für den Betroffenen oder Dritte, falls die Entscheidung nicht zeitnah ergeht (Günter, in: BeckOK FamFG, 32. Ed. 1.10.2019, § 332 Rn. 3).
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Für das Vorliegen einer Gefahr im Verzug sind hier jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Das Amtsgericht nennt zwar die Norm des § 332 FamFG, erörtert aber nicht die Voraussetzungen für eine gesteigerte Dringlichkeit. Das Landgericht geht auf § 332 FamFG gar nicht ein. Vielmehr beschränken sich die Entscheidungen auf die Anforderungen des § 331 FamFG. Auch in der Sache können die gerichtlichen Annahmen zur Dringlichkeit eine Gefahr im Verzug nicht rechtfertigen.
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Der Beschwerdeführer befand sich bereits seit dem 4. Februar 2019 ohne zu Grunde liegenden Unterbringungsbeschluss in der Einrichtung. Das Gutachten, das die weitere Unterbringung rechtfertigt, datiert vom 13. Februar 2019. Auch wenn die dort angegebenen Gründe für die weitere Unterbringung so interpretiert werden könnten, dass sie eine sofortige Unterbringung wegen akuter Selbst- oder Fremdgefährdung im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 331 FamFG rechtfertigen, wäre dies für die Annahme einer Gefahr im Verzug zum Zeitpunkt des amtsgerichtlichen Beschlusses am 8. April 2019 nicht ausreichend, weil seitdem sieben Wochen verstrichen waren.
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Soweit sich die angegriffenen Beschlüsse darauf berufen, dass für die Unterbringungsentscheidung selbst die vorherige Eröffnung des Gutachtens unter fachkundiger Begleitung erforderlich war, kann dies die Rechtmäßigkeit einer einstweiligen Anordnung ohne Anhörung schon im Ansatz nicht rechtfertigen. Das Anliegen, dem Beschwerdeführer das Gutachten nicht nur zu überlassen, sondern fachkundig zu erläutern, ist zwar nachvollziehbar und sollte im Ergebnis seine Verfahrensstellung verbessern. Eine beabsichtigte faktische Verfahrensverbesserung kann aber keinen Grund dafür bilden, die verfassungsrechtlich garantierten Verfahrensrechte zu verkürzen.
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Für den schwersten Eingriff in das Recht auf Freiheit der Person, die Freiheitsentziehung, sieht Art. 104 Abs. 2 GG den verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung vor. Der Zweck dieses verfassungsrechtlichen Verfahrensschutzes besteht darin, dass sich das zuständige Gericht nicht auf die Prüfung der mit der Antragstellung vorgetragenen Gründe beschränkt, sondern eigenverantwortlich die Tatsachen feststellt, die eine Freiheitsentziehung rechtfertigen. Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist gerade bei eilbedürftigen Entscheidungen hierfür ein geeignetes Mittel (vgl. BVerfGE 83, 24 34>, BVerfGK 9, 132 142>). Das Gericht darf diese Anhörung und damit die verfassungsrechtliche Garantie einer richterlichen Entscheidung über die Freiheitsentziehung nicht dadurch zur behördlichen Disposition stellen, dass es Anliegen der antragstellenden Behörde, beziehungsweise hier des Betreuers oder der Einrichtung, zur besseren Verfahrensgestaltung den Vorrang einräumt. Sachzwänge, die allein aus solchen, für sich genommen berechtigten, Anliegen zur Verfahrensverbesserung entstehen, können daher keine Gefahr im Verzug begründen, wie § 332 FamFG es verlangt (vgl. BVerfGK 9, 132 140, 142>).
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b) Die Anhörung am 29. April 2019 durch das Amtsgericht vermag diesen Verstoß gegen das Grundrecht der persönlichen Freiheit rechtlich nicht mehr zu beseitigen.
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Sie erfolgte bereits nicht unverzüglich. Denn es ist nicht erkennbar, welche zwingenden Sachgründe eine Verzögerung der Anhörung um 21 Tage rechtfertigen könnten.
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Zudem kann das Unterlassen einer für die richterliche Anordnung der Freiheitsentziehung erforderlichen Anhörung nicht rückwirkend geheilt werden. Das Unterlassen der verfahrens- und verfassungsrechtlich gebotenen mündlichen Anhörung drückt der wegen ihrer grundlegenden Bedeutung der gleichwohl angeordneten Maßnahme den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung auf, der durch Nachholung der Anhörung rückwirkend nicht mehr zu tilgen ist. Die Unterlassung der vorgeschriebenen Anhörung hat nicht nur zur Folge, dass dem Unterzubringenden ein prozessuales Recht lediglich vorübergehend vorenthalten wird. Sie bedeutet vielmehr, dass die Entscheidung über den Entzug der persönlichen Freiheit auf unzureichender richterlicher Sachaufklärung beruht. Einer nachgeholten Anhörung, die nur unter engen zeitlichen Voraussetzungen zulässig ist, kann daher nur für die Zukunft "heilende Wirkung" beigemessen werden, so dass die Aufrechterhaltung der Unterbringung nach Anhörung einem erstmals formell ordnungsgemäßen Neuerlass der Anordnung gleichzuachten ist (vgl. BVerfGE 58, 208 222 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 1990 - 2 BvR 1592/88 -, NJW 1990, S. 2309 2310>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. März 1996 - 2 BvR 927/95 -, InfAuslR 1996, S. 198 201>; BVerfGK 9, 132 137 f.>; 13, 400 404 f.>). Für die Unterbringung im Zeitraum vom 8. April bis zum 19. Mai 2019 fehlt es an einer nachgeholten Anhörung und einem darauf beruhenden Beschluss der Aufrechterhaltung der Unterbringung. Der Anhörung am 29. April 2019 folgte keine richterliche Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Genehmigung der Unterbringung vom 8. April 2019. Richterliche Entscheidungen zur Weiterführung der Unterbringung erfolgten erst für den Folgezeitraum nach dem 19. Mai 2019.
-
III.
- 39
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Da die angegriffenen Beschlüsse schon wegen des Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und 2 GG keinen Bestand haben, kann offenbleiben, ob sie weitere Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzen (vgl. BVerfGE 128, 226 268>).
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D.
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Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 8. April 2019 und des Landgerichts vom 21. August 2019 sind aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Mai 2020 - 2 BvR 1529/19 u.a. -, Rn. 86).
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E.
- 41
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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